Ben Saunders: Wozu sollte man das Haus verlassen?
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0:01 - 0:02Da ich im Grunde beruflich Schlitten ziehe,
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0:02 - 0:06braucht es nicht viel, um mich zu verwirren.
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0:06 - 0:07Aber ich lese diese Frage,
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0:07 - 0:10von einem Interview Anfang des Jahres, vor:
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0:10 - 0:13"Verdrängt das ständige Informationsangebot
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0:13 - 0:16unsere Vorstellungskraft?
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0:16 - 0:18Oder ersetzt es unsere Träume vom Erfolg?
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0:18 - 0:21Wenn alles irgendwo von jemandem getan wird,
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0:21 - 0:24und wir virtuell teilnehmen können,
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0:24 - 0:27wieso sollte man dann das Haus verlassen?"
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0:27 - 0:30Ich werde meistens als Polarforscher vorgestellt.
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0:30 - 0:32Das ist nicht der progressivste Berufstitel
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0:32 - 0:37des 21. Jahrhunderts, aber ich habe mehr als 2%
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0:37 - 0:41meines Lebens in einem Zelt im Polarkreis verbracht.
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0:41 - 0:44Also komme ich ziemlich oft aus dem Haus.
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0:44 - 0:48Und von Natur aus bin ich ein Macher,
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0:48 - 0:52eher als ein Zuschauer oder Betrachter.
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0:52 - 0:56Diesen Gegensatz zwischen Ideen und Handeln,
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0:56 - 0:59werde ich versuchen zu beschreiben.
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0:59 - 1:03Die prägnanteste Antwort auf die Frage "Warum?",
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1:03 - 1:05die mich die letzten 12 Jahren verfolgt hat
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1:05 - 1:08wurde dem schnittigen Typ,
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1:08 - 1:10der hinten steht, der zweite von links,
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1:10 - 1:13George Lee Mallory, zugeschrieben.
Vielen ist er bekannt. -
1:13 - 1:17Letztmalig 1924 gesehen, als er in den Wolken,
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1:17 - 1:18in Gipfelnähe des Mount Everest, verschwand.
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1:18 - 1:21Vielleicht die erste Person, die den Everest bestieg.
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1:21 - 1:23Mehr als 30 Jahre vor Edmund Hillary.
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1:23 - 1:26Keiner weiss, ob er den Gipfel erreichte.
Es ist immer noch einen Rätsel. -
1:26 - 1:29Ihm wird der Satz "Weil er da ist." zugeschrieben.
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1:29 - 1:32Ich weiß nicht, ob er das sagte.
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1:32 - 1:34Es gibt wenig Beweise, aber was er sagte
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1:34 - 1:37ist eigentlich viel schöner.
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1:37 - 1:40Ich hab's ausgedruckt und lese es vor.
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1:40 - 1:42"Die erste Frage, die Sie stellen werden,
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1:42 - 1:44und die ich beantworten muss, ist:
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1:44 - 1:48Was bringt es auf den Everest zu steigen?
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1:48 - 1:51Meine Antwort muss lauten, dass es nichts bringt.
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1:51 - 1:54Es gibt nicht mal die kleinste Aussicht auf Gewinn.
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1:54 - 1:56Wir lernen etwas über das Verhalten
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1:56 - 1:58des menschlichen Körpers in grosser Höhe
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1:58 - 2:01und vielleicht werden Mediziner diese Beobachtung
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2:01 - 2:04zum Zweck der Luftfahrt verwenden.
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2:04 - 2:06Aber ansonsten hat man nichts davon.
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2:06 - 2:09Wir werden keine Gold- oder Silberstückchen,
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2:09 - 2:11Edelstein, Kohle oder Eisen, mitbringen.
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2:11 - 2:14Wir werden kein Fleckchen Erde finden,
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2:14 - 2:18um Nutzpflanzen zu züchten. Also hat es keinen Sinn.
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2:18 - 2:20Wenn Sie nicht verstehen,
dass etwas im Menschen gibt, -
2:20 - 2:23das auf die Herausforderung des Bergs reagiert,
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2:23 - 2:26und es mit ihr aufnimmt; dass der Kampf
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2:26 - 2:30der Lebenskampf selbst ist, stetig aufwärts,
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2:30 - 2:33dann verstehen Sie nicht, wieso wir losgehen.
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2:33 - 2:37Was uns dieses Abenteuer gibt, ist reine Freude,
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2:37 - 2:40und Freude ist doch der Lebenszweck.
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2:40 - 2:42Wir leben nicht, um zu essen und Geld zu machen.
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2:42 - 2:44Wir essen und machen Geld,
um das Leben zu geniessen. -
2:44 - 2:49Das bedeutet Leben und dafür ist das Leben da."
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2:49 - 2:53Mallorys Argument, dass es Spaß macht,
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2:53 - 2:55sich in diese großen Abenteuer zu stürzen,
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2:55 - 2:59stimmt nicht ganz mit meiner Erfahrung überein.
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2:59 - 3:02Am weitesten von meiner Haustür entfernt
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3:02 - 3:05war ich im Frühling 2004. Ich weiss nicht,
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3:05 - 3:08was mich überkam, aber mein Plan war,
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3:08 - 3:12eine Alleindurchquerung
des Arktischen Ozeans zu machen. -
3:12 - 3:15Ich plante, von der russischen Nordküste
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3:15 - 3:18zum Nordpol und dann entlang
der Nordküste Kanadas zu laufen. -
3:18 - 3:21Niemand hatte das getan. Ich war damals 26.
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3:21 - 3:23Viele Experten sagten, es wäre unmöglich,
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3:23 - 3:27und meine Mutter war nicht begeistert.
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3:27 - 3:29(Gelächter)
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3:29 - 3:32Die Reise von einer kleinen Wetterstation
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3:32 - 3:34an der Nordküste Sibiriens bis zum Startpunkt,
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3:34 - 3:37der Packeisgrenze, der Küste des arktischen Ozeans,
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3:37 - 3:40dauerte ca. 5 Stunden. Wenn Sie den Aufstieg
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3:40 - 3:43Felix Baumgartners sahen, statt nur den Sprung,
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3:43 - 3:46werden Sie das Gefühl von Besorgnis nachempfinden
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3:46 - 3:49als ich im Helikopter gen Norden brauste
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3:49 - 3:52mit dem Gefühl drohender Gefahren.
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3:52 - 3:56Ich wunderte mich, wo ich da hineingeraten war.
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3:56 - 3:58Es machte ein bisschen Spaß und Freude.
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3:58 - 4:00Ich war 26. Ich weiss noch wie ich
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4:00 - 4:02meinen Schlitten anschaute.
Meine Skier standen bereit, -
4:02 - 4:04ich hatte ein Satellitenhandy, eine Pumpgun
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4:04 - 4:06falls ein Eisbär mich attackierte.
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4:06 - 4:09Ich sah durchs Fenster den zweiten Helikopter.
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4:09 - 4:12Wir brausten durch diese unglaubliche
sibirische Morgendämmerung. -
4:12 - 4:15Teilweise fühlte ich mich, wie
eine Mischung aus Jason Bourne -
4:15 - 4:18und Wilfred Thesiger. Und teilweise
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4:18 - 4:24war ich ziemlich stolz, aber hauptsächlich entsetzt.
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4:24 - 4:26Die Reise dauerte 10 Wochen und 72 Tage.
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4:26 - 4:29Ich sah niemanden. Das Foto
entstand neben dem Helikopter. -
4:29 - 4:31Ansonsten sah ich 10 Wochen lang keinen.
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4:31 - 4:33Da der Nordpol genau in der Meeresmitte liegt,
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4:33 - 4:37überquerte ich die zugefrorene
Oberfläche des Arktischen Ozeans. -
4:37 - 4:41Laut NASA herrschten die schlimmsten Bedingungen seit Beginn der Aufzeichnungen.
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4:41 - 4:44Ich schleppte 180 Kilo Essen, Heizöl und Vorräte.
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4:44 - 4:47Die Durchschnittstemperatur in den 10 Wochen
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4:47 - 4:50war minus 35 Grad. Minus 50 war das Kälteste.
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4:50 - 4:57Es gab also nicht viel Spaß oder Freude.
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4:57 - 4:58Das Magische daran war, dass,
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4:58 - 5:01weil ich über das Meer lief,
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5:01 - 5:05über diese schwimmende, veränderliche Eisdecke,
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5:05 - 5:07die auf dem Arktischen Ozean trieb,
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5:07 - 5:09änderte sich die Umgebung andauernd.
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5:09 - 5:11Das Eis bewegt sich, bricht auf, treibt herum,
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5:11 - 5:15und friert erneut ein, daher sah ich 3 Monaten lang
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5:15 - 5:18eine einmalige Szenerie. Niemand wird jemals
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5:18 - 5:23die gleichen Ausblicke haben,
die ich 10 Wochen lang hatte. -
5:23 - 5:27Das ist wohl das beste Argument,
um das Haus zu verlassen. -
5:27 - 5:31Ich könnte versuchen zu erklären wie es war,
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5:31 - 5:33aber Sie werden niemals wissen, wie es war,
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5:33 - 5:36und je mehr ich versuche zu erklären,
wie einsam ich mich fühlte, -
5:36 - 5:39– ich war die einzige Person
innerhalb von 8,6 Millionen km² -
5:39 - 5:44es war kalt, fast minus 75 (Grad) mit
Windkälte an einem schlechten Tag – -
5:44 - 5:48desto mehr fehlen mir die Worte,
um es zu beschreiben. -
5:48 - 5:52Daher scheint mir, dass das Tun,
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5:52 - 5:57der Versuch zu erleben,
sich einzulassen, sich zu bemühen, -
5:57 - 6:02anstatt nur zuzuschauen oder darüber nachzudenken,
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6:02 - 6:05die wahre Substanz des Lebens sind,
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6:05 - 6:09der Saft, den wir aus unseren Stunden
und Tagen saugen können. -
6:09 - 6:11Ich möchte hier eine Warnung hinzufügen.
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6:11 - 6:13Nach meiner Erfahrung macht es süchtig,
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6:13 - 6:18das Leben im menschlichen Grenzbereich zu kosten.
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6:18 - 6:20Nicht nur nicht auf dem Gebiet
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6:20 - 6:22alberner Macho-Heldentaten des 19.Jahrhunderts,
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6:22 - 6:24sondern auch im Bereich des Bauchspeicheldrüsenkrebs
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6:24 - 6:26gibt es süchtig Machendes und in meinem Fall
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6:26 - 6:29sind Polarexpeditionen nicht weit entfernt
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6:29 - 6:30von einer Cracksucht.
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6:30 - 6:34Schwer zu erklären, wie gut es ist,
bevor Sie es probiert haben. -
6:34 - 6:38Aber es hat auch die Neigung,
mein ganzes Geld aufzuzehren, -
6:38 - 6:41und jede Beziehung zu ruinieren,
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6:41 - 6:46seien Sie also vorsichtig, was Sie sich wünschen.
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6:46 - 6:48Mallory postulierte, dass es in Menschen etwas gibt,
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6:48 - 6:51das auf die Herausforderung des Berges reagiert,
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6:51 - 6:53und ich frage mich, ob es etwas mit
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6:53 - 6:56der Herausforderung selbst zu tun hat;
mit dem Streben, und insbesondere -
6:56 - 6:59mit den grossen, unerledigten Herausforderungen,
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6:59 - 7:03denen die Menschheit gegenübersteht.
Für mich ist das der Fall. -
7:03 - 7:05Es gibt noch eine unerledigte Herausforderung,
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7:05 - 7:08die mir fast mein ganzes Erwachsenenleben zuruft.
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7:08 - 7:10Viele von Ihnen kennen die Geschichte.
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7:10 - 7:12Das ist ein Foto von Captain Scott und seinem Team.
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7:12 - 7:14Scott versuchte vor über einhundert Jahren
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7:14 - 7:17als Erster den Südpol zu erreichen.
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7:17 - 7:19Niemand wusste was dort war. Es war damals
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7:19 - 7:21völlig unerforscht. Wir wussten mehr
über die Mondoberfläche -
7:21 - 7:24als von der Antarktis.
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7:24 - 7:27Scott wurde, wie viele wissen, von Roald Amundsen
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7:27 - 7:29und seinem norwegischer Team geschlagen,
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7:29 - 7:32die Hunde und Schlitten benutzten.
Scotts Team war zu Fuss, -
7:32 - 7:34alle 5 trugen Geschirre und schleppten Schlitten.
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7:34 - 7:38Und als sie den Südpol erreichten,
fanden sie die norwegische Fahne vor. -
7:38 - 7:42Sie waren ziemlich verbittert und demoralisiert.
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7:42 - 7:44Alle kehrten um und begannen
zur Küste zurückzulaufen, -
7:44 - 7:48und alle fünf starben auf diesem Rückweg.
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7:48 - 7:50Es gibt heute ein Missverständnis, dass alles,
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7:50 - 7:53auf dem Gebiet der Erforschung und Abenteuer,
schon gemacht wurde. -
7:53 - 7:55Wenn ich über die Antarktis rede, sagen die Leute oft:
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7:55 - 7:56"Das ist interessant, aber hat das nicht gerade
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7:56 - 7:59der Blue Peter-Moderator mit dem Fahrrad getan?"
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7:59 - 8:03Oder: "Schön. Wissen Sie, meine Oma macht
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8:03 - 8:05nächstes Jahr eine Kreuzfahrt in die Antarktis.
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8:05 - 8:08Besteht die Chance, dass Sie sie dort sehen?"
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8:08 - 8:10(Gelächter)
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8:10 - 8:13Aber Scotts Reise ist noch unvollendet.
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8:13 - 8:16Niemand ist je von der Antarktisküste
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8:16 - 8:17zum Südpol und zurück gelaufen.
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8:17 - 8:20Es ist wohl das kühnste Unterfangen
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8:20 - 8:23des goldenen Zeitalters der Erforschung,
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8:23 - 8:25und es schien mir höchste Zeit, nach alldem
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8:25 - 8:27was wir im vergangenen Jahrhundert entdeckt haben,
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8:27 - 8:31von Skorbut zu Solarkollektoren,
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8:31 - 8:33dass jemand die Aufgabe vollendet.
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8:33 - 8:35Genau das habe ich vor.
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8:35 - 8:38Nächstes Jahr um diese Zeit,
im Oktober, leite ich ein Dreierteam. -
8:38 - 8:41Wir werden 4 Monate für Hin- und Rückweg brauchen.
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8:41 - 8:44Das ist das Ausmaß. Die rote Linie
ist auf halbem Weg zum Südpol. -
8:44 - 8:45Wir müssen dort umkehren und zurücklaufen.
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8:45 - 8:47Mir ist die Ironie bewusst, wenn ich sage, dass wir
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8:47 - 8:50bloggen und twittern werden. Sie werden
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8:50 - 8:53die Reise indirekt und virtuell miterleben können,
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8:53 - 8:56auf eine Art, wie es niemand zuvor getan hat.
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8:56 - 8:58Und es wird auch eine viermonatige Chance sein,
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8:58 - 9:02eine prägnante Antwort zur "Warum?"-Frage zu finden.
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9:02 - 9:07Unser heutiges Leben ist sicherer
und bequemer als je zuvor. -
9:07 - 9:10Es gibt heutzutage allerdings keine große
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9:10 - 9:13Nachfrage nach Entdeckern.
Mein Karriereberater an der Schule -
9:13 - 9:16hat nie von dieser Option gesprochen.
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9:16 - 9:19Wenn ich, z.B., wissen will,
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9:19 - 9:21wie viele Sterne es in der Milchstrasse gibt,
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9:21 - 9:23wie alt die riesigen Köpfe auf der Osterinsel sind,
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9:23 - 9:26könnten die meisten von Ihnen das rausfinden,
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9:26 - 9:28ohne überhaupt aufzustehen.
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9:28 - 9:31Aber wenn ich in 12 Jahren etwas gelernt habe,
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9:31 - 9:34in denen ich schweres Zeug an kalten Orten schleppte,
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9:34 - 9:38ist es, dass wahre Inspiration und Wachstum
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9:38 - 9:42nur von Widrigkeiten und Herausforderung kommen,
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9:42 - 9:45wenn man sich vom Bequemen und Familiären entfernt
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9:45 - 9:48und ins Unbekannte vorstößt.
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9:48 - 9:51Im Leben müssen wir alle Stürme durchstehen
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9:51 - 9:53und zumindest metaphorisch gesprochen,
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9:53 - 9:56könnten wir alle profitieren,
wenn wir öfter aus dem Haus gehen. -
9:56 - 10:00Wenn wir nur den Mut aufbringen könnten.
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10:00 - 10:03Ich beschwöre Sie, die Tür nur ein bisschen mehr
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10:03 - 10:06zu öffnen, um zu sehen, was es draußen gibt.
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10:06 - 10:07Vielen Dank.
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10:07 - 10:16(Applaus)
- Title:
- Ben Saunders: Wozu sollte man das Haus verlassen?
- Speaker:
- Ben Saunders
- Description:
-
Entdecker Ben Saunders will, dass Sie nach draußen gehen! Nicht weil es dort immer schön und friedlich ist, sondern weil dort "der Saft ist, den wir aus unseren Stunden und Tagen ziehen können". Saunders' nächste Outdoor-Exkursion? Er will versuchen, der Erste zu sein, der von der Antarktisküste bis zum Südpol und zurück läuft.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 10:37
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