Tracy Chevalier: Die Geschichte innerhalb des Gemäldes finden
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0:01 - 0:05Ich werde Ihnen jetzt von einem Gebrechen erzählen,
unter dem ich leide. -
0:05 - 0:07Und ich habe das komische Gefühl,
dass auch einige von Ihnen -
0:07 - 0:09darunter leiden.
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0:09 - 0:11Wenn ich durch eine Kunstgalerie gehe,
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0:11 - 0:13durch Räume und Räume voller Gemälde,
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0:13 - 0:18bemerke ich nach 15 oder 20 Minuten,
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0:18 - 0:20dass ich nicht über die Gemälde nachdenke.
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0:20 - 0:21Ich kann mich nicht mit ihnen verbinden.
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0:21 - 0:24Stattdessen denke ich an die Tasse Kaffee,
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0:24 - 0:27die ich dringend brauche,
um wieder wach zu werden. -
0:27 - 0:30Ich leide an Kunstgalerie-Erschöpfung.
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0:30 - 0:32Wie viele von Ihnen da draußen leiden daran –
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0:32 - 0:34ja. Ha ha, ha ha!
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0:34 - 0:36Nun, manchmal halten Sie vielleicht länger
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0:36 - 0:39als 20 Minuten durch, oder sogar kürzer,
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0:39 - 0:41aber ich denke, wir alle leiden daran.
Und haben Sie -
0:41 - 0:43auch die begleitenden Schuldgefühle?
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0:43 - 0:46Ich sehe mir die Gemälde an der Wand an
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0:46 - 0:49und ich denke, jemand hat entschieden,
sie dort aufzuhängen, -
0:49 - 0:51und denkt, dass sie gut genug sind,
um an dieser Wand zu sein, -
0:51 - 0:53aber ich kann nicht immer erkennen, warum.
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0:53 - 0:55Tatsächlich erkenne ich es meistens nicht.
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0:55 - 0:59Und so macht mich der Besuch unglücklich.
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0:59 - 1:03Ich fühle mich schuldig und
unzufrieden mit mir selbst, -
1:03 - 1:05anstatt zu denken, dass etwas
mit dem Gemälde nicht stimmt, -
1:05 - 1:06denke ich, dass mit mir etwas nicht stimmt.
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1:06 - 1:09Und es ist keine gute Erfahrung,
eine Kunstgalerie so zu verlassen. -
1:09 - 1:10(Gelächter)
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1:10 - 1:13Nun, ich finde, dass wir nicht so hart mit uns sein sollten.
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1:13 - 1:15Wenn Sie in ein Restaurant gehen wollen,
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1:15 - 1:19wenn Sie sich die Speisekarte ansehen,
wird dann von Ihnen erwartet, -
1:19 - 1:21dass Sie alles auf der Karte bestellen?
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1:21 - 1:23Nein! Sie wählen aus.
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1:23 - 1:26Wenn Sie in ein Kaufhaus gehen,
um ein Hemd zu kaufen, -
1:26 - 1:29probieren Sie dann jedes einzelne Hemd an
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1:29 - 1:30und wollen jedes einzelne?
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1:30 - 1:34Natürlich nicht, Sie können wählerisch sein.
Das wird erwartet. -
1:34 - 1:37Wie kommt es dann,
dass es nicht erwartet wird, -
1:37 - 1:40wählerisch zu sein,
wenn wir in eine Kunstgalerie gehen? -
1:40 - 1:43Warum sollen wir eine Verbindung
zu jedem einzelnen Gemälde haben? -
1:43 - 1:46Nun, ich versuche es mit einem anderen Ansatz.
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1:46 - 1:47Und ich mache zwei Dinge:
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1:47 - 1:52Wenn ich in eine Kunstgalerie gehe,
gehe ich zuerst ziemlich schnell -
1:52 - 1:56und sehe mir alles an,
und bestimme genau die Werke, -
1:56 - 1:59die mich aus irgendeinem Grund dazu
veranlassen, langsamer zu werden. -
1:59 - 2:02Ich weiß nicht einmal, warum sie
mich langsamer werden lassen, -
2:02 - 2:04aber etwas zieht mich an wie ein Magnet,
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2:04 - 2:07und dann ignoriere ich alle anderen
und gehe nur zu diesem Gemälde. -
2:07 - 2:10Als erstes mache ich also meine eigene Kuration.
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2:10 - 2:13Ich wähle ein Gemälde.
Es ist vielleicht nur eines von 50. -
2:13 - 2:17Und als zweites stelle ich mich vor das Gemälde
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2:17 - 2:20und erzähle mir eine Geschichte darüber.
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2:20 - 2:23Warum eine Geschichte?
Nun, ich denke, wir ticken so, -
2:23 - 2:27unsere DNA sagt uns,
dass wir Geschichten erzählen sollen. -
2:27 - 2:29Wir erzählen ständig Geschichten über alles,
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2:29 - 2:35und ich denke, wir tun dies, weil die Welt
irgendwie ein verrückter, chaotischer Ort ist, -
2:35 - 2:39und manchmal versuchen wir durch Geschichten
ihren Sinn zu verstehen, -
2:39 - 2:41ein bisschen Ordnung in sie zu bringen.
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2:41 - 2:45Warum wenden wir das nicht auch an,
wenn wir Gemälde betrachten? -
2:45 - 2:48Ich nutze also jetzt diese "Speisekarten-Art"
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2:48 - 2:52für den Besuch von Kunstgalerien.
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2:52 - 2:55Es gibt drei Gemälde,
die ich Ihnen jetzt zeigen werde, -
2:55 - 2:58Gemälde, die mich dazu gebracht haben,
wie angewurzelt stehen zu bleiben, -
2:58 - 3:00und Geschichten über sie erzählen zu wollen.
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3:00 - 3:04Das Erste braucht keine große Einführung –
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3:04 - 3:07"Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge"
von Johannes Vermeer, -
3:07 - 3:09einem niederländischen Maler
des 17. Jahrhunderts. -
3:09 - 3:12Das ist ein wirklich herrliches Gemälde.
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3:12 - 3:14Ich habe es zuerst mit 19 Jahren gesehen
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3:14 - 3:16und mir sofort ein Poster davon gekauft,
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3:16 - 3:20und ich habe dieses Poster immer noch.
30 Jahre später hängt es noch in meinem Haus. -
3:20 - 3:23Es hat mich begleitet, wohin ich auch gegangen bin,
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3:23 - 3:26ich werde es niemals müde,
sie zu betrachten. -
3:26 - 3:30Was mich an ihr hat wie angewurzelt stehen lassen,
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3:30 - 3:32waren die prachtvollen Farben, die er benutzt,
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3:32 - 3:34und das Licht, das auf ihr Gesicht fällt.
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3:34 - 3:37Aber ich denke, was mich immer wieder zurückkehren lässt,
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3:37 - 3:40Jahr für Jahr, ist etwas anderes,
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3:40 - 3:44nämlich der Ausdruck auf ihrem Gesicht,
der hin- und hergerissene Ausdruck. -
3:44 - 3:46Ich weiß nicht, ob sie glücklich oder traurig ist,
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3:46 - 3:49und ich ändere ständig meine Meinung.
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3:49 - 3:53Das also bringt mich immer wieder zurück.
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3:53 - 3:57Eines Tages, nach 16 Jahren
mit diesem Poster an der Wand, -
3:57 - 3:59lag ich im Bett und sah sie an,
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3:59 - 4:02und dachte plötzlich: Ich frage mich,
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4:02 - 4:06was der Maler mit ihr gemacht hat,
dass sie so aussieht. -
4:06 - 4:09Und das war das erste Mal,
dass ich dachte, -
4:09 - 4:11dass der Ausdruck auf ihrem Gesicht
tatsächlich reflektiert, -
4:11 - 4:14was sie von ihm hält.
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4:14 - 4:17Vorher hatte ich es immer als
Portrait eines Mädchens gesehen. -
4:17 - 4:22Jetzt begann ich, es als das Portrait
einer Beziehung zu sehen. -
4:22 - 4:24Und ich dachte, nun, was ist das für eine Beziehung?
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4:24 - 4:28Also begann ich es herauszufinden.
Ich habe etwas nachgeforscht und entdeckt, -
4:28 - 4:30dass wir keine Ahnung haben, wer sie ist.
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4:30 - 4:32Tatsächlich wissen wir von keinem der Modelle
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4:32 - 4:35in Vermeers Gemälden, wer sie sind,
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4:35 - 4:37und wir wissen nur sehr wenig
über Vermeer selbst. -
4:37 - 4:40Daraufhin dachte ich "Jippie!".
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4:40 - 4:44Ich kann machen, was ich will, kann mir
eine beliebige Geschichte ausdenken. -
4:44 - 4:47Und so bin ich auf die Geschichte gekommen:
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4:47 - 4:49Zuerst dachte ich,
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4:49 - 4:51ich muss sie ins Haus bekommen.
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4:51 - 4:53Woher kennt Vermeer sie?
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4:53 - 4:55Nun, es gibt Vermutungen,
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4:55 - 4:59dass sie seine 12-jährige Tochter ist.
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4:59 - 5:01Zu der Zeit, als er das Gemälde malte,
war die Tochter 12 Jahre alt. -
5:01 - 5:04Und ich dachte, nein, das ist ein sehr intimer Blick,
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5:04 - 5:06aber es ist nicht der Blick,
den eine Tochter ihrem Vater zuwirft. -
5:06 - 5:08Zum einen war es bei niederländischen
Gemälden dieser Zeit so, -
5:08 - 5:12dass der offene Mund einer Frau
ein Hinweis auf sexuelle Verfügbarkeit war. -
5:12 - 5:14Es wäre unangemessen für Vermeer gewesen,
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5:14 - 5:16seine Tochter so darzustellen.
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5:16 - 5:17Es ist also nicht seine Tochter,
aber es ist jemand, -
5:17 - 5:20der ihm nahe steht,
ihm körperlich nahe steht. -
5:20 - 5:22Nun, wer wäre sonst noch im Haus?
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5:22 - 5:25Ein Dienstmädchen,
ein entzückendes Dienstmädchen. -
5:25 - 5:27Nun ist sie also im Haus.
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5:27 - 5:30Wie bekommen wir sie ins Atelier?
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5:30 - 5:32Wir wissen nicht viel über Vermeer,
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5:32 - 5:34aber von den wenigen Dingen,
die wir wissen, ist eines, -
5:34 - 5:37dass er eine katholische Frau geheiratet hat
und sie mit ihrer Mutter -
5:37 - 5:39in einem Haus gewohnt haben,
wo er ein eigenes Zimmer hatte, -
5:39 - 5:43sein Studio. Er hatte auch 11 Kinder.
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5:43 - 5:46Das war sicher ein chaotischer, lauter Haushalt.
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5:46 - 5:49Und wenn Sie Vermeers Gemälde
vorher schon einmal gesehen haben, -
5:49 - 5:53wissen Sie, dass sie unglaublich
ruhig und still sind. -
5:53 - 5:57Wie kann ein Maler solch ruhige, stille
Bilder malen mit 11 Kindern im Haus? -
5:57 - 5:59Nun, er teilt sein Leben auf.
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5:59 - 6:03Er geht in sein Studio und sagt:
"Niemand kommt hier herein. -
6:03 - 6:08Weder Frau noch Kinder. Okay, die Magd darf zum Putzen kommen."
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6:08 - 6:15Sie ist im Atelier. Er hat sie im Atelier
und sie sind zusammen. -
6:15 - 6:17Und er beschließt, sie zu malen.
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6:17 - 6:19Er lässt sie sehr einfache Kleidung tragen.
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6:19 - 6:23Nun, alle Frauen, oder die meisten Frauen
in Vermeers' anderen Bildern -
6:23 - 6:29haben Samt, Seide, Pelz getragen,
sehr kostbare Materialien. -
6:29 - 6:31Das hier ist sehr einfach;
das einzige, das nicht einfach ist, -
6:31 - 6:33ist der Perlenohrring.
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6:33 - 6:37Nun, wenn sie eine Bedienstete ist,
kann sie sich auf keinen Fall -
6:37 - 6:39ein Paar Perlenohrringe leisten.
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6:39 - 6:42Also sind dies nicht ihre Perlenohrringe.
Wem gehören sie? -
6:42 - 6:47Wir wissen, dass es eine Liste von der Kleidung
seiner Frau Catharina gibt. -
6:47 - 6:51Darunter ein gelber Mantel mit weißem Pelz,
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6:51 - 6:52ein gelb-schwarzes Mieder,
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6:52 - 6:56und Sie sehen diese Kleidung
in vielen anderen Gemälden, -
6:56 - 6:59an verschiedenen Frauen
in Vermeers Gemälden. -
6:59 - 7:04Ihre Kleidung wurde also eindeutig
an verschiedene Frauen verliehen. -
7:04 - 7:06Es ist kein so großes Wagnis,
anzunehmen, -
7:06 - 7:10dass der Perlenohrring tatsächlich
seiner Frau gehört. -
7:10 - 7:13Nun haben wir alle Elemente
unserer Geschichte. -
7:13 - 7:15Sie ist eine lange Zeit mit ihm im Studio.
-
7:15 - 7:17Es dauerte sehr lange,
diese Gemälde zu schaffen. -
7:17 - 7:20Sie hätten die Zeit allein verbracht,
die ganze Zeit. -
7:20 - 7:22Sie trägt den Perlenohrring seiner Frau.
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7:22 - 7:25Sie ist wunderschön. Sie liebt ihn offensichtlich.
Sie ist hin- und hergerissen. -
7:25 - 7:28Und weiß die Frau davon? Vielleicht nicht.
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7:28 - 7:31Und wenn nicht, dann –
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7:31 - 7:33das ist die Geschichte.
-
7:33 - 7:35(Gelächter)
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7:35 - 7:38Das nächste Bild, über das ich sprechen werde,
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7:38 - 7:41ist "Junge, der ein Kartenhaus baut" von Chardin.
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7:41 - 7:46Dieser französischer Maler des 18. Jahrhunderts
war für seine Stillleben bekannt, -
7:46 - 7:48malte aber gelegentlich auch Menschen.
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7:48 - 7:52Er hat tatsächlich vier Versionen
dieses Gemäldes gemalt, -
7:52 - 7:56Jungen, die Kartenhäuser bauen,
alle konzentriert. -
7:56 - 8:00Ich mag diese Version am liebsten,
weil einige der Jungen -
8:00 - 8:03älter und einige jünger sind,
und für mich ist dieser, -
8:03 - 8:06wie der Brei von Goldlöckchen, genau richtig.
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8:06 - 8:10Er ist kein Junge mehr,
und er ist noch kein Mann. -
8:10 - 8:15Er ist genau in der Mitte
zwischen Unschuld und Erfahrung, -
8:15 - 8:19und das hat mich vor diesem Bild
innehalten lassen. -
8:19 - 8:23Und ich habe mir sein Gesicht angesehen.
Es ähnelt einem Gemälde von Vermeer. -
8:23 - 8:26Das Licht kommt von links, sein Gesicht
-
8:26 - 8:28ist in diesem schimmernden Licht gebadet.
Es ist genau in der Mitte des Gemäldes, -
8:28 - 8:31und man sieht es an, und als ich
es angesehen habe, -
8:31 - 8:32stand ich da und dachte mir:
-
8:32 - 8:35"Sieh mich an. Bitte sieh mich an."
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8:35 - 8:38Und er hat mich nicht angesehen.
Er sah weiter auf seine Karten, -
8:38 - 8:40und das ist eins der verführerischen
Elemente dieses Gemäldes: -
8:40 - 8:45Er ist so fokussiert auf das, was er tut,
dass er uns nicht anschaut. -
8:45 - 8:49Und für mich ist das das Zeichen eines Meisterwerks,
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8:49 - 8:53wenn es bei einem Gemälde
einen Mangel an Auflösung gibt. -
8:53 - 8:54Er wird mich nie ansehen.
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8:54 - 8:56Und so dachte ich an eine Geschichte:
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8:56 - 8:59Wenn ich in dieser Position bin,
wer könnte ihn dann ansehen? -
8:59 - 9:01Nicht der Maler, ich will nicht an den Maler denken.
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9:01 - 9:04Ich denke an eine älterere Version von ihm selbst.
-
9:04 - 9:10Er ist ein Mann, ein Diener; ein älterer Diener,
der diesen jüngeren Diener ansieht -
9:10 - 9:12und sagt: "Sieh mich an.
Ich möchte dich davor warnen, -
9:12 - 9:15was du durchmachen wirst.
Bitte sieh mich an." -
9:15 - 9:16Und das tut er nie.
-
9:16 - 9:20Und dieser Mangel an Auflösung, wie auch bei dem
"Mädchen mit dem Perlenohrgehänge" – -
9:20 - 9:22wir wissen nicht, ob sie glücklich oder traurig ist.
-
9:22 - 9:24Ich habe einen ganzen Roman
über sie geschrieben, -
9:24 - 9:26und ich weiß immer noch nicht,
ob sie glücklich oder traurig ist. -
9:26 - 9:28Wieder und wieder, zurück zum Gemälde,
-
9:28 - 9:33auf der Suche nach einer Antwort, einer Geschichte,
die diese Lücke füllt. -
9:33 - 9:36Und so denken wir uns eine Geschichte aus
und sie befriedigt uns für den Moment, -
9:36 - 9:42aber nicht wirklich, wir kehren
wieder und wieder zurück. -
9:42 - 9:44Das letzte Bild, über das ich sprechen werde,
-
9:44 - 9:49heißt "Anonym" von "Anonym". (Gelächter)
-
9:49 - 9:52Dies ist ein Porträt der Tudor-Zeit,
das von der National Portrait Gallery gekauft wurde. -
9:52 - 9:55Sie dachten, dass es ein Mann namens
Sir Thomas Overbury sei, -
9:55 - 9:58und dann fanden sie heraus,
dass er es nicht war, -
9:58 - 9:59und sie haben keine Ahnung, wer es ist.
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9:59 - 10:01In der National Portrait Gallery ist es so, dass,
-
10:01 - 10:03falls man nicht die Biografie des Gemäldes kennt,
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10:03 - 10:05es ziemlich nutzlos für einen ist.
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10:05 - 10:07Sie können es nicht an die Wand hängen,
weil sie nicht wissen, wer er ist. -
10:07 - 10:12Unglücklicherweise verbringt diese Waise
nun ihre meiste Zeit -
10:12 - 10:14mit einer Reihe anderer Waisen im Archiv,
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10:14 - 10:17und einige von ihnen sind wunderschöne Gemälde.
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10:17 - 10:22Dieses Gemälde hat mich aus drei Gründen
wie angewurzelt stehen bleiben lassen: -
10:22 - 10:25Erstens die Diskrepanz zwischen seinem Mund,
-
10:25 - 10:27der lächelt, und seinen wehmütigen Augen.
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10:27 - 10:30Er ist nicht glücklich,
und warum ist er nicht glücklich? -
10:30 - 10:34Das Zweite, das mich wirklich angezogen hat,
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10:34 - 10:36waren seine leuchtend roten Wangen.
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10:36 - 10:39Er wird rot. Er wird rot,
weil sein Portait gemalt wird! -
10:39 - 10:42Das muss ein Mann sein, der ständig errötet.
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10:42 - 10:44Woran denkt er, dass er rot wird?
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10:44 - 10:48Das Dritte, das mich hat innehalten lassen,
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10:48 - 10:51ist sein absolut hinreißendes Wams.
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10:51 - 10:55Seide, grau, diese wunderschönen Knöpfe.
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10:55 - 10:56Und wissen Sie, woran ich dabei denken muss:
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10:56 - 11:01Es ist irgendwie enganliegend und bauschig;
es ist wie eine Daunendecke über einem Bett. -
11:01 - 11:04Und ich dachte an Betten und rote Wangen,
-
11:04 - 11:06und natürlich dachte ich an Sex,
wenn ich ihn betrachtete, -
11:06 - 11:09und ich dachte:
Ist es das, woran er denkt? -
11:09 - 11:11Und ich dachte, wenn ich daraus
eine Geschichte mache, -
11:11 - 11:13was ist das letzte Stück,
das ich darin aufnehme? -
11:13 - 11:17Nun, womit würde ein Gentleman
der Tudor-Zeit beschäftigt sein? -
11:17 - 11:19Und ich dachte, nun, Henry VIII., okay.
-
11:19 - 11:23Er wäre mit seinem Erbe beschäftigt,
mit seinem Erben. -
11:23 - 11:27Wer wird seinen Namen und
sein Vermögen erben? -
11:27 - 11:31Fügen Sie all dies zusammen
und Sie haben eine Geschichte -
11:31 - 11:34um diese Lücke zu füllen, die sie dazu bringt,
wieder zurückzukommen. -
11:34 - 11:39Also, hier ist die Geschichte.
-
11:39 - 11:42Sie ist kurz.
-
11:42 - 11:44"Rosy" ("rosig")
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11:44 - 11:48Ich trage noch immer das weiße Brokatwams,
das Caroline mir gegeben hat. -
11:48 - 11:53Es hat einen einfachen, hohen Kragen,
abnehmbare Ärmel -
11:53 - 11:56und aufwändige Knöpfe aus Seidenzwirn,
-
11:56 - 11:59die dicht beieinander liegen,
so dass es eng anliegt. -
11:59 - 12:02Das Wams erinnert mich an eine Bettdecke
auf einem riesigen Bett. -
12:02 - 12:06Vielleicht war das die Absicht.
-
12:06 - 12:11Das erste Mal trug ich es bei einem aufwändigen
Abendessen, das ihre Eltern uns zu Ehren gaben. -
12:11 - 12:13Ich wusste schon, bevor ich zum Sprechen aufstand,
-
12:13 - 12:15dass meine Wangen feuerrot waren.
-
12:15 - 12:19Ich bin schon immer leicht errötet,
durch körperliche Anstrengung, -
12:19 - 12:21durch Wein, durch starke Gefühle.
-
12:21 - 12:26Als Junge wurde ich von meinen Schwestern
und den Schuljungen geneckt, -
12:26 - 12:28aber nicht von George.
-
12:28 - 12:31Nur George durfte mich "Rosy" nennen.
-
12:31 - 12:34Ich erlaubte es niemand anderem.
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12:34 - 12:38Er hat es geschafft,
das Wort sanft zu machen. -
12:38 - 12:41Als ich die Ankündigung machte, wurde George
-
12:41 - 12:44nicht rosig, sondern bleich wie mein Wams.
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12:44 - 12:46Er hätte nicht überrascht sein sollen.
-
12:46 - 12:47Es war eine verbreitete Annahme,
-
12:47 - 12:51dass ich eines Tages
seine Kusine heiraten würde. -
12:51 - 12:54Aber es ist schwierig, die Worte
laut ausgesprochen zu hören. -
12:54 - 12:57Ich weiß, ich konnte sie
kaum herausbekommen. -
12:57 - 13:01Nachher fand ich George auf der Terrasse
mit Blick auf den Küchengarten. -
13:01 - 13:07Obwohl er den ganzen Nachmittag getrunken hatte,
war er immer noch blass. -
13:07 - 13:11Wir standen nebeneinander und sahen den
Dienstmädchen bei der Ernte des Salats zu. -
13:11 - 13:13"Was hältst du von meinem Wams?"
fragte ich. -
13:13 - 13:19Er blickte mich an. "Der Kragen sieht aus,
aus würde er dich erwürgen". -
13:19 - 13:21"Wir werden uns weiterhin sehen", beharrte ich.
-
13:21 - 13:24"Wir können weiterhin jagen und Karten spielen
und am Hofstaat teilnehmen. -
13:24 - 13:26Es muss sich nichts ändern."
-
13:26 - 13:29George sagte nichts.
-
13:29 - 13:33"Ich bin 23 Jahre alt. Es ist an der Zeit
für mich zu heiraten -
13:33 - 13:37und einen Erben hervorzubringen.
Es wird von mir erwartet." -
13:37 - 13:40George leerte ein weiters Glas Rotwein
und drehte sich zu mir. -
13:40 - 13:44"Ich gratuliere dir zu deiner bevorstehenden
Hochzeit, James. -
13:44 - 13:49Ich bin sicher, ihr werdet zufrieden
miteinander werden." -
13:49 - 13:53Er gebrauchte meinen Spitznamen nie wieder.
-
13:53 - 13:54Ich danke Ihnen.
-
13:54 - 13:58(Applaus)
-
13:58 - 13:59Danke.
-
13:59 - 14:01(Applaus)
- Title:
- Tracy Chevalier: Die Geschichte innerhalb des Gemäldes finden
- Speaker:
- Tracy Chevalier
- Description:
-
Wenn Tracy Chevalier Gemälde betrachtet, stellt sie sich die Geschichten dahinter vor: Wie hat der Maler sein Modell getroffen? Was würde den Ausdruck in ihren Augen erklären? Warum wird dieser Mann... rot? Sie teilt drei Geschichten, die von Porträts inspiriert sind, einschließlich der Geschichte, die zu ihrem Bestsellerroman "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" geführt hat.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 14:21
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Konstantin Weil accepted German subtitles for Finding the story inside the painting | |
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Konstantin Weil declined German subtitles for Finding the story inside the painting |