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Lisa Kristine: Fotos als Zeugnis moderner Sklaverei

  • 0:01 - 0:07
    Ich bin 50 Meter tief in einem
    illegalen Grubenschacht in Ghana.
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    Die Luft ist stickig von Hitze und Staub
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    und das Atmen fällt schwer.
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    Ich fühle, wie mich verschwitzte Körper
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    im Dunkeln im Vorbeigehen streifen,
    aber viel zu sehen ist nicht.
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    Ich höre Stimmen,
    aber der Schacht ist angefüllt
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    mit einer wahren Kakophonie
    von hustenden Männern und
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    Steinen, die mit einfachstem Werkzeug
    gebrochen werden.
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    Wie die anderen trage ich
    eine flackernde billige Stablampe,
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    mit einem elastischen zerfledderten Band
    an meinem Kopf befestigt,
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    und ich kann kaum
    die glitschigen Baumstämme sehen,
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    die das anderthalb Meter
    weite Loch abstützen,
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    das sich viele Meter in die Erde stürzt.
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    Als meine Hand abrutscht,
    erinnere ich mich
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    an einen Bergmann, den ich
    Tage zuvor getroffen habe,
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    der seinen Halt verlor und unzählige Meter
    diesen Schacht hinunterfiel.
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    Während wir hier miteinander sprechen,
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    sind diese Männer immer noch
    tief in diesem Loch,
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    riskieren ihr Leben
    ohne Bezahlung oder Entschädigung,
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    und häufig sterben welche von ihnen dabei.
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    Ich muss aus diesem Loch raus,
    ich muss nach Hause,
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    aber sie werden das wahrscheinlich nie,
    weil sie in Sklaverei gefangen sind.
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    Die letzten 28 Jahre
    habe ich indigene Völker
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    in über 70 Ländern auf sechs Kontinenten
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    dokumentiert, und 2009
    hatte ich die große Ehre,
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    der einzige Aussteller beim Friedensgipfel
    in Vancouver zu sein.
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    Unter all den erstaunlichen Menschen,
    die ich dort traf,
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    war ein Unterstützer von ›Free the Slaves‹,
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    einer Organisation, die sich
    der Ausrottung moderner Sklaverei widmet.
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    Wir sprachen über Sklaverei,
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    aber tatsächlich lernte ich
    erst etwas über Sklaverei,
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    von der ich zwar wusste, dass sie existiert,
  • 2:05 - 2:08
    aber nicht in diesem Ausmaß.
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    Nach diesem Gespräch fühlte ich mich
    so entsetzlich und
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    unverhohlen beschämt über
    mein mangelndes Wissen
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    über diese Gräuel zu meinen Lebzeiten,
    und ich dachte:
  • 2:18 - 2:23
    »Wenn ich darüber nichts weiß –
    wie vielen anderen mag es ebenso gehen?«
  • 2:23 - 2:27
    Das ließ mir keine Ruhe,
    also flog ich wenige Wochen später
  • 2:27 - 2:30
    nach Los Angeles, um dem Chef
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    von Free the Slaves meine Hilfe anzubieten.
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    So begann meine Reise in die moderne Sklaverei.
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    Seltsam – ich war schon
    an vielen dieser Orte.
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    Einige habe ich wie meine
    zweite Heimat empfunden.
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    Aber diese Mal würde ich
    die Leichen im Keller zu sehen bekommen.
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    Konservativ geschätzt sind aktuell
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    über 27 Millionen Menschen
    in der Welt versklavt.
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    Das sind doppelt so viele Menschen,
    wie während des
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    transatlantischen Sklavenhandels
    aus Afrika geholt wurden.
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    Vor 150 Jahren kostete
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    ein Farmsklave etwa drei Jahresgehälter
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    eines amerikanischen Arbeiters.
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    Das wären heute etwa 40.000 €.
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    Selbst heute noch können
    ganze Familien auf Generationen hinaus
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    wegen einer Schuld von noch nicht einmal
    15 € versklavt werden.
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    Erstaunlicherweise produziert Sklaverei
  • 3:32 - 3:37
    jedes Jahr weltweit Gewinne
    von über 10 Milliarden €.
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    Viele wurden mit falschen Versprechungen
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    einer guten Ausbildung, einer
    besseren Arbeit gelockt, und dann
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    zwang man sie unter Gewaltandrohung,
    ohne Bezahlung
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    zu arbeiten und sie haben
    keine Möglichkeit zu entkommen.
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    Sklaverei heute ist ein Geschäft,
    bei dem die Güter,
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    die versklavte Menschen herstellen,
    einen Handelswert haben,
  • 4:01 - 4:06
    die Menschen aber, die sie produzieren,
    Wegwerfartikel sind.
  • 4:06 - 4:11
    Sklaverei existiert
    fast überall auf der Welt,
  • 4:11 - 4:18
    obwohl sie überall auf der Welt verboten ist.
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    In Indien und Nepal wurde ich
    in Ziegeleien eingeschleust.
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    Man hatte den seltsam starken Eindruck,
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    ins Alte Ägypten oder
    in Dantes Inferno zu marschieren.
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    Umgeben von Temperaturen von über 50 Grad
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    waren Männer, Frauen, Kinder,
    ja ganze Familien
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    von einer dicken Staubschicht bedeckt,
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    stapelten dabei stupide bis zu 18 Ziegel
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    auf einmal auf dem Kopf und trugen sie
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    von den sengenden Öfen zu Lastwagen
    hunderte von Metern entfernt.
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    Abgestumpft durch Monotonie und Erschöpfung
  • 4:55 - 5:00
    schuften sie wortlos, wieder und wieder
    der gleiche Ablauf,
  • 5:00 - 5:04
    16 oder 17 Stunden lang jeden Tag.
  • 5:04 - 5:07
    Es gab keine Essenspausen,
    keine Trinkpausen,
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    und bei der schlimmen Dehydrierung
  • 5:10 - 5:13
    wäre Wasserlassen ziemlich inkonsequent.
  • 5:13 - 5:15
    Die Hitze und der Staub waren so intensiv,
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    dass meine Kamera zu heiß zum Anfassen wurde
  • 5:19 - 5:21
    und ihren Geist aufgab.
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    Alle 20 Minuten musste ich zum Auto zurück,
  • 5:24 - 5:27
    um sie zu säubern und sie
    unter der Klimaanlage
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    wiederzubeleben, und während ich da so saß,
  • 5:31 - 5:35
    dachte ich: »Meine Kamera
    wird wesentlich besser behandelt
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    als diese Menschen.«
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    Zurück bei den Öfen kamen mir die Tränen,
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    aber der Sklavereigegner
    neben mir packte mich
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    und sagte: »Lisa, tu das nicht.
    Tu das nicht hier.«
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    Er erklärte mir eindringlich,
    dass es an Orten wie diesem
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    sehr gefährlich ist, Gefühle zu zeigen,
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    nicht nur für mich, sondern auch für sie.
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    Ich konnte ihnen
    keine direkte Hilfe anbieten.
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    konnte ihnen kein Geld geben – nichts.
  • 6:05 - 6:06
    Ich war dort nur Gast.
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    Ich hätte ihnen noch mehr Schwierigkeiten
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    bereiten können als sie schon hatten.
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    Ich musste mich darauf verlassen, dass
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    Free the Slaves sie in ihrem System befreien
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    könnte, und das traute ich ihnen zu.
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    Ich – ich musste warten,
    bis ich nach Hause kam,
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    um meinen übergroßen Kummer
    richtig zu fühlen.
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    Im Himalaya traf ich auf Kinder, die Steine
  • 6:31 - 6:34
    kilometerweit durchs Gebirge zu
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    LKWs unten an den Straßen hinabtrugen.
  • 6:37 - 6:39
    Die großen Schiefertafeln waren schwerer
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    als die Kinder, die sie trugen.
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    Die Kinder heben sie mit
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    ihren Köpfen, mit selbstgemachten Geschirren
  • 6:48 - 6:50
    aus Stöcken und Seilen und Lumpen.
  • 6:50 - 6:54
    Es fällt schwer, etwas
    so Überwältigendes mitzuerleben.
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    Wie können wir gegen etwas
    so Perfides vorgehen,
  • 6:57 - 7:00
    das es noch immer überall gibt.
  • 7:00 - 7:02
    Einige wissen nicht,
    dass sie versklavt sind.
  • 7:02 - 7:07
    Menschen, die 16 oder 17 Stunden am Tag
    ohne jede Bezahlung schuften,
  • 7:07 - 7:11
    weil das schon ihr ganzes Leben so war.
  • 7:11 - 7:15
    Sie haben keinen Vergleich.
  • 7:15 - 7:18
    Als diese Dörfler ihre Freiheit forderten,
  • 7:18 - 7:24
    brannten die Sklavenhalter
    alle ihre Häuser nieder.
  • 7:24 - 7:26
    Diese Menschen hatten nichts
  • 7:26 - 7:29
    und waren so angsterfüllt,
    dass sie aufgeben wollten,
  • 7:29 - 7:33
    aber die Frau in der Mitte
    führte ihren Widerstand
  • 7:33 - 7:35
    und Sklavereigegner vor Ort
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    halfen ihnen, selbst einen Steinbruch
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    zu pachten, so dass sie sich jetzt zwar
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    immer noch abschuften, aber
    sie tun es für sich selbst,
  • 7:45 - 7:49
    sie bekommen Geld dafür
    und sie tun es in Freiheit.
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    Sklaverei assoziieren wir oft
  • 7:51 - 7:53
    mit Zwangsprostitution
  • 7:53 - 7:55
    und wegen der weltweiten Sensibilisierung
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    warnte man mich, dass meine Arbeit
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    in diesem Gewerbe schwierig würde.
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    In Kathmandu haben mich Frauen begleitet,
  • 8:03 - 8:07
    die früher selbst Sex-Sklaven waren.
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    Sie führten mich eine schmale Treppe hinab,
  • 8:09 - 8:15
    die in dieses schmutzige Tiefparterre
    mit schummerigem Neonlicht führten.
  • 8:15 - 8:17
    Es war kein Bordell per se.
  • 8:17 - 8:19
    Es war eher eine Art Restaurant.
  • 8:19 - 8:21
    Die sogenannten ›Kabinenrestaurants‹
  • 8:21 - 8:24
    sind Orte der Zwangsprostitution.
  • 8:24 - 8:27
    In den kleinen Privatzimmern
    werden die Sklaven,
  • 8:27 - 8:30
    Frauen, zusammen mit zum Teil
  • 8:30 - 8:32
    erst sieben Jahre alten Kindern, gezwungen,
  • 8:32 - 8:34
    die Gäste zu unterhalten und sie
  • 8:34 - 8:38
    zu mehr Essen und Alkohol zu verleiten.
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    Die Kabinen sind dunkel und schäbig,
  • 8:41 - 8:45
    haben jeweils eine Nummer
    an der Wand und sind nur
  • 8:45 - 8:49
    durch Sperrholzwände und
    einen Vorhang voneinander getrennt.
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    Die Arbeiterinnen werden von ihren Kunden
  • 8:53 - 8:55
    oft schlimm sexuell missbraucht.
  • 8:55 - 8:58
    Ich fühlte dort im Dunkeln schnelle, heiße Angst,
  • 8:58 - 9:02
    und in dem Augenblick
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    konnte ich mir nur vorstellen, wie es wäre,
  • 9:05 - 9:07
    in dieser Hölle gefangen zu sein.
  • 9:07 - 9:12
    Es gab nur einen Ausgang:
    da, wo ich reingekommen war,
  • 9:12 - 9:14
    keine Hintertüren,
  • 9:14 - 9:16
    keine Fenster zum Durchsteigen.
  • 9:16 - 9:21
    Diese Menschen haben keinerlei Fluchtweg.
  • 9:21 - 9:24
    Bei diesem schwierigen Thema müssen wir uns
  • 9:24 - 9:28
    aber auch klar machen,
    dass Sklaverei inklusive Zwangsprostitution
  • 9:28 - 9:31
    auch bei uns auf dem Hinterhof stattfindet.
  • 9:31 - 9:36
    Aberhunderte Menschen sind
    auf Farmen versklavt,
  • 9:36 - 9:39
    in Restaurants, in häuslicher Knechtschaft
  • 9:39 - 9:41
    und die Liste geht noch weiter.
  • 9:41 - 9:44
    Kürzlich berichtete die New York Times,
  • 9:44 - 9:50
    dass zwischen 100.000 und 300.000
    amerikanische Kinder
  • 9:50 - 9:54
    jedes Jahr in die Sex-Sklaverei
    verkauft werden.
  • 9:54 - 10:00
    Es ist überall um uns.
    Wir sehen es nur nicht.
  • 10:00 - 10:04
    Wenn wir von Sklavenarbeit hören,
  • 10:04 - 10:06
    denken wir oft auch
    an die Textilindustrie.
  • 10:06 - 10:11
    Ich habe in Indien Dörfer besucht,
    in denen ganze Familien
  • 10:11 - 10:13
    in der Seidenbranche versklavt sind.
  • 10:13 - 10:16
    Das hier ist ein Familienporträt.
  • 10:16 - 10:20
    Die schwarz gefärbten Hände
    sind der Vater und die blauen
  • 10:20 - 10:22
    und roten sind seine Söhne.
  • 10:22 - 10:25
    Sie rühren Farbstoffe in großen Fässern an
  • 10:25 - 10:29
    und tauchen dann die Seide
    bis zu ihren Ellbogen
  • 10:29 - 10:34
    in diese Flüssigkeit –
    aber die Färbemittel sind giftig.
  • 10:34 - 10:37
    Mein Dolmetscher erzählte mir
    ihre Geschichte.
  • 10:37 - 10:41
    Sie sagten: »Wir haben keine Freiheit,
    aber wir hoffen,
  • 10:41 - 10:44
    eines Tages hier weg und woanders hin
  • 10:44 - 10:46
    gehen zu können,
    wo wir fürs Färben
  • 10:46 - 10:52
    zumindest bezahlt werden.«
  • 10:52 - 10:57
    Man schätzt, dass über 4.000 Kinder
  • 10:57 - 10:59
    auf dem Volta-Stausee,
  • 10:59 - 11:04
    dem größten künstlichen See der Welt,
    versklavt sind.
  • 11:04 - 11:07
    Als ersten Eindruck gleich bei der Ankunft
  • 11:07 - 11:10
    sah ich eine Familie beim Fischen
    auf einem Boot,
  • 11:10 - 11:14
    zwei ältere Brüder, ein paar
    jüngere Kinder – normal, oder?
  • 11:14 - 11:18
    Falsch. Sie waren alle versklavt.
  • 11:18 - 11:21
    Kinder werden ihren Familien weggenommen,
  • 11:21 - 11:23
    sie werden verkauft und verschwinden,
  • 11:23 - 11:26
    und dann werden sie gezwungen,
    unzählige Stunden
  • 11:26 - 11:31
    auf Booten auf dem See zu arbeiten,
    obwohl sie nicht schwimmen können.
  • 11:31 - 11:33
    Dieses Kind ist acht Jahre alt.
  • 11:33 - 11:36
    Als sich unser Boot näherte,
    zitterte er vor Angst,
  • 11:36 - 11:39
    in seinem winzigen Kanu
    überfahren zu werden.
  • 11:39 - 11:42
    Ihm graute davor, ins Wasser
    gestoßen zu werden.
  • 11:42 - 11:45
    In den abgestorbenen Baumstümpfen
    im Volta-See
  • 11:45 - 11:49
    verfangen sich oft Fischernetze
    und dann wirft man
  • 11:49 - 11:53
    übermüdete, verängstigte Kinder
    ins Wasser,
  • 11:53 - 11:55
    damit sie die Schnüre losmachen.
  • 11:55 - 11:58
    Viele von ihnen ertrinken.
  • 11:58 - 12:01
    Soweit seine Erinnerung zurückreicht,
    wurde er gezwungen,
  • 12:01 - 12:03
    auf dem See zu arbeiten.
  • 12:03 - 12:07
    Aus Angst vor seinem Herrn
    läuft er nicht weg
  • 12:07 - 12:10
    und da er zeitlebens
    grausam behandelt wurde,
  • 12:10 - 12:13
    gibt er das an die jüngeren Sklaven,
  • 12:13 - 12:16
    die er beaufsichtigt, weiter.
  • 12:16 - 12:18
    Auf diese Jungen stieß ich früh
  • 12:18 - 12:20
    um fünf, als sie
    ihre letzten Netze einbrachten.
  • 12:20 - 12:23
    Sie hatten seit ein Uhr früh
  • 12:23 - 12:27
    in der kalten, windigen Nacht gearbeitet.
  • 12:27 - 12:30
    Besonders erwähnenswert ist,
    dass diese Netze
  • 12:30 - 12:34
    über eine halbe Tonne wiegen,
    wenn sie voller Fisch sind.
  • 12:34 - 12:39
    Ich möchte Ihnen Kofi vorstellen.
  • 12:39 - 12:42
    Kofi war aus einem Fischerdorf
    gerettet worden.
  • 12:42 - 12:45
    Ich traf ihn in einem Quartier, in dem
  • 12:45 - 12:49
    Free the Slaves die Opfer der Sklaverei
    wieder eingliedert.
  • 12:49 - 12:51
    Hier nimmt er ein Bad im Zuber
  • 12:51 - 12:54
    und schüttet sich eimerweise Wasser über.
  • 12:54 - 12:56
    Die wunderbare Nachricht:
  • 12:56 - 12:58
    Während wir uns hier unterhalten,
  • 12:58 - 13:01
    ist Kofi zu seiner Familie zurückgekehrt
  • 13:01 - 13:04
    und noch besser: Seine Familie
    hat Werkzeug bekommen,
  • 13:04 - 13:10
    mit dem sie ihren Lebensunterhalt
    verdienen und die Kinder absichern kann.
  • 13:10 - 13:14
    Kofi ist die Verkörperung des Möglichen.
  • 13:14 - 13:19
    Was wird aus ihm werden,
    nur weil jemand aufgestanden ist
  • 13:19 - 13:22
    und in seinem Leben
    einen Unterschied bewirkt hat?
  • 13:22 - 13:25
    Wir fuhren in Ghana mit Partnern von
  • 13:25 - 13:27
    Free the Slaves eine Straße lang,
  • 13:27 - 13:30
    als einer der Sklavereigegner auf dem Moped
  • 13:30 - 13:33
    gleichauf kam und ans Fenster klopfte.
  • 13:33 - 13:37
    Er bedeutete uns, ihm auf eine Schotterpiste
    in den Dschungel zu folgen.
  • 13:37 - 13:40
    Am Ende drängte er uns aus dem Auto und
  • 13:40 - 13:43
    wies den Fahrer an zu verschwinden.
  • 13:43 - 13:46
    Er deutete auf einen
    kaum sichtbaren Trampelpfad
  • 13:46 - 13:50
    und sagte: »Das ist der Weg,
    das ist der Weg. Geht!«
  • 13:50 - 13:54
    Am Anfang mussten wir
    Ranken beiseite schieben,
  • 13:54 - 13:58
    die den Weg versperrten,
    und nach einer Stunde Marsch
  • 13:58 - 14:03
    sahen wir, dass der Weg durch kürzliche
    Regenfälle unter Wasser gesetzt war.
  • 14:03 - 14:05
    Ich hielt meine Ausrüstung über den Kopf,
  • 14:05 - 14:10
    weil uns das Wasser bis zur Brust stand.
  • 14:10 - 14:13
    Nach zwei weiteren Stunden Marsch endete
  • 14:13 - 14:18
    der sich windende Pfad plötzlich
    auf einer Lichtung und vor uns
  • 14:18 - 14:20
    lagen massenweise Löcher,
  • 14:20 - 14:23
    zusammen so groß wie ein Fußballfeld.
  • 14:23 - 14:29
    Alle waren voller versklavter Arbeiter.
  • 14:29 - 14:32
    Viele Frauen hatten Kinder auf dem Rücken,
  • 14:32 - 14:34
    während sie Gold wuschen
  • 14:34 - 14:39
    und in dem von Quecksilber
    vergifteten Wasser wateten.
  • 14:39 - 14:43
    Quecksilber wird
    bei der Auswaschung benutzt.
  • 14:43 - 14:47
    Diese Bergleute sind
    in einem anderen Teil Ghanas
  • 14:47 - 14:50
    in einem Grubenschacht versklavt.
  • 14:50 - 14:52
    Als sie aus dem Schacht kamen,
    waren sie alle
    alle
  • 14:52 - 14:55
    vom eigenen Schweiß durchnässt.
  • 14:55 - 14:59
    Ich erinnere mich, wie ich
    in ihre müden, blutunterlaufenen
  • 14:59 - 15:04
    Augen sehe, weil viele von ihnen
    72 Stunden unter Tage waren.
  • 15:04 - 15:08
    Die Schächte sind bis zu 100 Meter tief
    und sie holen
  • 15:08 - 15:12
    schwere Säcke mit Steinen heraus,
    die später woanders
  • 15:12 - 15:15
    hingebracht werden,
    wo die Steine gehauen werden,
  • 15:15 - 15:19
    um daraus das Gold zu gewinnen.
  • 15:19 - 15:23
    Auf den ersten Blick
    scheint der Hauplatz voller
  • 15:23 - 15:28
    kräftiger Männer,
    aber wenn man genauer hinschaut,
  • 15:28 - 15:32
    sieht man am Rand
    einige weniger glückliche arbeiten –
  • 15:32 - 15:35
    auch Kinder.
  • 15:35 - 15:42
    Sie alle sind Opfer von Verletzungen,
    Krankheiten und Gewalt.
  • 15:42 - 15:46
    Mit einiger Wahrscheinlichkeit
    wird dieses Muskelpaket
  • 15:46 - 15:50
    in nur wenigen Jahren so enden wie er hier,
    von Tuberkulose und
  • 15:50 - 15:55
    Quecksilbervergiftung geplagt.
  • 15:55 - 15:59
    Das ist Manuru. Als sein Vater starb,
    verkaufte ihn sein Onkel,
  • 15:59 - 16:03
    damit er mit ihm in den Gruben schuftete.
  • 16:03 - 16:07
    Als sein Onkel starb, erbte Manuru
    auch die Schulden seines Onkels,
  • 16:07 - 16:12
    so dass er gezwungen war,
    weiter versklavt in den Gruben zu arbeiten.
  • 16:12 - 16:15
    Als wir uns kennenlernten, hatte er schon
  • 16:15 - 16:20
    14 Jahre in den Gruben geschuftet.
    Seine Beinverletzung hier
  • 16:20 - 16:22
    stammt von einem Grubenunglück.
  • 16:22 - 16:27
    Die Ärzte sagen, sie sei so schwer,
    dass sein Bein amputiert werden sollte.
  • 16:27 - 16:31
    Obendrein hat Manuru Tuberkulose
    und dennoch
  • 16:31 - 16:34
    ist er gezwungen, sich tagein, tagaus in dem
  • 16:34 - 16:36
    Grubenschacht abzuplacken.
  • 16:36 - 16:41
    Trotzdem hat er immer noch den Traum,
    frei zu kommen und mit der Hilfe
  • 16:41 - 16:44
    der lokalen Aktivisten
    wie Free the Slaves
  • 16:44 - 16:47
    eine Ausbildung zu bekommen.
  • 16:47 - 16:49
    Diese Art Durchhaltevermögen
  • 16:49 - 16:53
    angesichts unvorstellbarer Widrigkeiten
  • 16:53 - 17:00
    erfüllt mich mit der größten Hochachtung.
  • 17:00 - 17:04
    Ich möchte ein Licht
    auf die Sklaverei werfen.
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    Wenn ich unterwegs war,
  • 17:06 - 17:09
    hatte ich immer viele Kerzen dabei.
  • 17:09 - 17:11
    Mit der Hilfe meines Dolmetschers
  • 17:11 - 17:14
    vermittelte ich meinen Modellen,
  • 17:14 - 17:17
    dass ich ein Licht auf ihre Geschichten
  • 17:17 - 17:19
    und ihre Zwangslage werfen will.
  • 17:19 - 17:22
    Wenn es für sie sicher war,
    und sicher für mich,
  • 17:22 - 17:26
    habe ich diese Bilder gemacht.
  • 17:26 - 17:28
    Sie wussten, dass Sie sie
  • 17:28 - 17:30
    draußen in der Welt sehen würden.
  • 17:30 - 17:34
    Sie sollten wissen, dass wir
    Zeugnis für sie ablegen,
  • 17:34 - 17:37
    und dass wir alles tun
    was in unserer Macht steht,
  • 17:37 - 17:42
    um in ihrem Leben etwas zu verändern.
  • 17:42 - 17:46
    Ich glaube fest daran:
    wenn wir in jedem einzelnen
  • 17:46 - 17:50
    unserer Gegenüber das menschliche Wesen
    erkennen können,
  • 17:50 - 17:55
    wird es sehr schwierig, solche Grausamkeiten
    wie Sklaverei zuzulassen.
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    Das sind keine Problemfotos.
    Es sind Fotos von Menschen,
  • 17:59 - 18:02
    lebendigen Menschen wie Ihnen und mir,
  • 18:02 - 18:06
    die alle gleichermaßen Rechte,
    Würde und Respekt
  • 18:06 - 18:08
    für ihr Leben verdienen.
  • 18:08 - 18:11
    Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht
  • 18:11 - 18:16
    an diese vielen wundervollen
    misshandelteten Menschen denke,
  • 18:16 - 18:21
    die kennenzulernen
    ich diese unermessliche Ehre hatte.
  • 18:21 - 18:25
    Ich hoffe, diese Bilder
    lassen eine Kraft aufleben
  • 18:25 - 18:28
    bei denen, die sie sehen,
    Menschen wie Ihnen,
  • 18:28 - 18:32
    und ich hoffe, dass diese Kraft
    ein Feuer entzündet
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    und dieses Feuer ein Licht
    auf die Sklaverei wirft,
  • 18:37 - 18:41
    denn ohne dieses Licht
    kann die Bestie Sklaverei
  • 18:41 - 18:44
    ihr Dasein im Dunkeln weiterführen.
  • 18:44 - 18:47
    Ich danke Ihnen sehr.
  • 18:47 - 19:00
    (Beifall)
Title:
Lisa Kristine: Fotos als Zeugnis moderner Sklaverei
Speaker:
Lisa Kristine
Description:

Die letzten beiden Jahre hat die Fotografin Lisa Kristine die Welt bereist, um die unerträglich grausamen Gegebenheiten zeitgenössischer Sklaverei zu dokumentieren. Sie zeigt Bilder von eindringlicher Schönheit – Bergabeiter im Congo, Ziegeleiarbeiter in Nepal –, die ein Licht auf die Zwangslage von 27 Millionen weltweit in Sklaverei lebenden Menschen werfen. (Aufgenommen bei TEDxMaui)

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
19:21

German subtitles

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