Die Wissenschaft der Reibung -- und ihr überraschender Einfluss auf unser Leben

Tribologie: Ein lustig klingendes Wort, das Sie wahrscheinlich noch nicht kennen, aber es könnte Ihre Sicht der materiellen Welt grundlegend verändern, sagt die Ingenieurin Jennifer Vail. Mit vielen praktischen Beispielen beschreibt Vail wie Tribologie -- die Wissenschaft von Reibung und Abnutzung -- unseren Alltag beeinflusst und das Potential hat, die Welt zu verbessern.

Zugegeben, es ist lustig,

wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde.

Denn dann sage ich:
Ich reibe Dinge aneinander.

Das hört sich lächerlich an,

einfach Dinge aneinanderzureiben.

Aber es hat einen technischen Namen:

Tribologie.

T-r-i-b-o-l-o-g-i-e,

das kommt vom Griechischen „tríbos“,

und bedeutet Reibung.

Ein lustiges Wort, das Sie
wohl noch nie gehört haben,

aber ich verspreche Ihnen,

dass es Ihre Wahrnehmung
der materiellen Welt ändert.

Tribologie bescherte mir
großartige Projekte:

Ich arbeitete mit Flugmaterialen
und mit Hundefutter --

eine eher unwahrscheinliche
Kombination für eine einzige Person

in nur wenigen Jahren.

Außer aus tribologischer Sicht.

Und es wird Sie überraschen,

wie bedeutend ein wenig Tribologie

bei der Lösung gewaltiger
Probleme sein kann.

Tribologie ist die Wissenschaft
von Reibung, Verschleiß und Schmierung.

All das ist Ihnen bekannt.

Erinnern Sie sich, als Sie das letzte Mal
ein schweres Objekt schieben mussten

und ein Widerstand auftrat?

Das war Reibung.

Reibung ist die Gegenkraft zu Bewegung.

Verschleiß ist Materialverlust.

Seinetwegen müssen Sie Ihre
Lieblingsschuhe ersetzen,

da sich die Sohlen irgendwann auflösen.

Schmiermittel verringern
Reibung und Verschleiß.

Sie lösen festgerostete Schrauben,
die sich sonst nicht drehen lassen.

Doch Tribologie ist auch
die Lehre von Oberflächen,

die sich relativ zueinander bewegen.

Interagierende Oberflächen,
die sich relativ zueinander bewegen.

Davon gibt es viele auf der Welt.

Wie sie gerade so dasitzen,

wackeln Sie mit dem Fuß
oder rutschen auf Ihren Sitzen?

Genau da ist Tribologie am Werk.

Selbst die kleinste Bewegung
auf Ihrem Stuhl,

führt zu zwei Oberflächen,
die sich relativ zueinander bewegen.

Und Ihre tribologische Interaktion

ist anders als die Ihres Nachbars.

Ihre Kleidung bestimmt die Reibung
zwischen Ihnen und Ihrem Sitz.

Mit Seide kann man etwas leichter rutschen

als mit Wolle.

Weil für Seide die Reibung geringer ist.

Wenn Sie Ihre Knöchel hin- und herbewegen,

erzeugt das nicht so ein Knacken?

Sie kennen das, oder?

Man steht auf, bewegt sich
und die Gelenke knacken.

Ein Dankeschön an die Tribologie.

Das Geräusch kann von der
Schmierflüssigkeit in Gelenken kommen.

In ihr lösen sich Gasblasen.

Das Geräusch kann auch vom
Aufeinanderreiben der Sehnen kommen.

Typisch für die Knöchel,

also sollten sich Fußwackler wie ich

mal mit der Tribologie
der Sehnen beschäftigen.

Wie wird man aber Tribologin?

Es beginnt natürlich in der Kindheit.

Ich war Ballerina.

Ich tanzte sogar auf den Zehenspitzen --

en pointe.

Wenn man en pointe tanzt,
trägt man besondere Schuhe,

die auf der Bühne leicht rutschen.

Natürlich will man beim Tanz
auf den Zehenspitzen nicht hinfallen.

Deshalb hatten wir kübelweise Kolophonium.

Wir traten in das Kolophonium
und bedeckten die Schuhe leicht.

Kolophonium ist ein Baumharz

und dient in Pulverform als Haftmittel.

Als Tänzerin lernte man sehr schnell,

die richtige Menge einzuschätzen,

denn zu wenig führt zum Sturz,

weil die Reibung zwischen Schuhen
und Boden nicht ausreicht.

Bestenfalls ist man nur
die ungeschickte Ballerina,

aber im schlimmsten Fall
verletzt man sich.

Schon damals habe ich Reibung optimiert.

Tribologie ist also mein Schicksal.

(Lachen)

Aber Sie alle waren als Kind Tribologen.

Wenn Sie Blei- oder Buntstifte nutzten,

wussten Sie, die Farbe wird dunkler,
wenn Sie stärker aufdrücken.

Sie wussten auch, dass Sie dann
öfter spitzen müssen,

weil der Stift sich schneller abreibt.

Oder denken Sie an die gewienerten Böden,

über die man einfach schlittern musste.

Sie wussten mit Socken,

kann man wunderbar schlittern.

Barfuß sieht es schon ganz anders aus.

Experten in Sachen Reibung.

Kinder sind alle Tribologen.

Und wir Erwachsenen?

Auch Sie haben sich heute
schon die Zähne geputzt.

Hoffe ich zumindest.

(Gelächter)

Das ist angewandte Tribologie.

Zahnpasta und Zahnbürste
reiben Zahnbelag ab.

Mein Vater ist Zahnarzt.

Ich hätte nie gedacht, dass ich
im Familiengeschäft bleiben würde.

Aber plötzlich sprachen wir
über die gleichen Dinge,

weil ich beauftragt wurde einen Test
für Zahnbelagentfernung zu entwickeln.

Hörte sich einfach an,

bis man es aus tribologischen
Gesichtspunkten betrachtet.

Dann wird es unglaublich komplex.

Sie haben hartes Material wie Zähne

und weiche Materialien wie Zahnfleisch,
Zahnpasta oder die Zahnbürste.

Durch Speichel und Wasser
findet auch Schmierung statt.

Außerdem die Art wie die Zähne
geputzt werden und mehr.

Wenn wir einfach Diamanten
in Ihre Zahnpasta täten,

wäre der Zahnbelag sofort abgetragen.

Der Zahn selbst aber vermutlich auch.

Es ist ein schmaler Grad zwischen

dem Abtragen des Zahnbelags
und der Beschädigung der Zähne.

Wir putzen unsere Zähne,
weil wir gegessen haben.

Essen ist auch eine alltägliche Handlung.

Scheint einfach.

Aber als Gebiet der Tribologie

ist es gar nicht einfach.

Die Nahrung muss sich während
des Essens zersetzen,

sie interagiert mit Zähnen, Zunge,

Speichel und Kehle.

Und all das wird Ihre
Esserfahrung beeinflussen.

Sie haben bestimmt schon mal
etwas Neues probiert

und sich gedacht:

„Nun, es schmeckt schon gut.

Aber ich mag die Konsistenz nicht.“

Tribologen untersuchen Schmierung,
einen Faktor der Reibung,

um über Mundgefühl und Konsistenz
Ihr Esserlebnis zu gestalten.

Wenn wir also Inhaltsstoffe ändern,

zum Beispiel Zucker- und Fettgehalt,

wie ändert das das Mundgefühl?

Wie können wir das messen?

Diese Fragen versuchen
Tribologen zu beantworten.

Und während meine Kollegen
in einer Ecke des Labors

den Fettgehalt von Joghurt untersuchten,

schaute ich mir in
einer anderen Hundefutter an.

Ich kann Ihnen sagen, das Labor roch gut.

Wir putzen uns alle regelmäßig die Zähne.

Aber wer putzt schon
die Zähne seiner Haustiere?

Erwachsene Tiere haben
häufig Zahnprobleme,

also sollten wir wirklich
ihre Zähne putzen,

Mehr und mehr Tierbesitzer tun das auch.

Meine beste Freundin kann gut
die Zähne Ihrer Katze putzen.

Viel Erfolg, wenn Sie das
mit meiner Katze versuchen.

Daher versuchen Hersteller
von Tiernahrung,

mit Hilfe von Leckerlis,
Zahnbelag zu entfernen.

Wenn Sie einen Hund haben,

wissen Sie, dass so ein Leckerli

oft nach einem Biss verschwunden ist.

Also stellt sich auch das Problem:

Wie entfernt man Zahnbelag
mit nur einem Biss?

Ich habe einen Test entwickelt,
um das zu untersuchen.

Dafür musste ich die Mundanatomie
des Hundes nachbilden:

die Zähne, den Zahnbelag, den Speichel.

Ich nutzte Reibungs-
und Abnutzungsmessungen,

um zu untersuchen wie gut
das Leckerli Zahnbelag entfernt.

Wenn Ihnen jetzt auffiel, dass Sie
nie die Zähne Ihres Hundes putzen.

Gern geschehen.

Aber warum ist Tribologie so wichtig?

Lassen Sie mich noch ein Beispiel nennen.

Egal, wo Sie gerade sind,
Sie sind irgendwie dorthin gekommen.

Vielleicht zu Fuß oder mit dem Rad,

aber die meisten in diesem Raum
sind wohl mit dem Auto hier.

Denken Sie an all die tribologischen
Systeme in einem Auto.

Ihre persönliche Interaktion mit dem Auto,

die Interaktion zwischen Auto und Straße

und alles unter der Motorhaube
und im Antriebsstrang.

Einige routinemäßige Wartungsarbeiten
sind direkt mit Tribologie verbunden.

Sie wissen, wie viele Kilometer Sie
mit Ihren Reifen fahren können

bis diese ersetzt werden müssen.

Sie überprüfen regelmäßig
das Reifengewinde.

Sie überprüfen die Abnutzung Ihrer Reifen.

Tribologie ist die Lehre
der Abnutzung und Reibung

und bezüglich Reifen,
kann Reibung entscheiden,

ob man sicher ankommt
oder einen Unfall hat.

Denn die Reibung
zwischen Reifen und Straße

beeinflusst Beschleunigung, Abbremsung

und den Bremsweg.

Als Fahrer wissen Sie instinktiv
wie wichtig Reibung ist,

denn Sie wissen, dass eine nasse Straße

glatt und somit gefährlicher ist.

Weil das Wasser die Reibung zwischen
Reifen und Straße vermindert.

Reibung ist die Gegenkraft zu Bewegung,

wenn also Wasser diese Kraft verringert,
bewegen Sie sich leichter,

daher ist es glatter,
wenn die Straße nass ist.

Bedenken Sie außerdem,

dass es Energie kostet,
Reibung zu überwinden,

also verlieren Sie durch Reibung Energie.

So können Ihre Reifen
Ihre Energieeffizienz beeinflussen.

Wussten Sie, dass etwa
ein Drittel des Treibstoffs,

das Sie in Ihren Verbrennungsmotor geben,

gebraucht wird, um Reibung zu überwinden.

Ein Drittel.

Tribologische Forschung half uns
Reibung zu reduzieren,

und so Energieeffizienz zu erhöhen
und Emissionen zu verringern.

Holmberg und Erdemir
machten einige tolle Studien,

die den Einfluss von Tribologie
auf Energieverbrauch zeigen.

Sie zeigten, dass wir in 20 Jahren

den Energieverbrauch
von Passagierfahrzeugen

um bis zu 60 Prozent verringern konnten.

Bedenkt man all die Autos dieser Welt,

spart das sehr viel Energie.

Es sind Teil der neun Prozent
unseres globalen Energieverbrauchs,

die den Autoren zufolge durch
Tribologie gespart werden können.

Das ist eine bedeutende Menge Energie.

Also, wenn Sie sich die Zahlen anschauen,
vollbringt Tribologie erstaunliche Dinge.

Meine Kollegen identifizierten
20 Quads Energie,

die wir allein in den USA sparen können.

Zum Vergleich:

Ein Quad Energie sind etwa
180 Millionen Fässer Öl

und mit Tribologie können wir
das 20-fache einsparen.

Das geht durch neue Materialien,

neue Schmiermittel,

Neugestaltung der Komponenten,

was zum Beispiel Windkraftanlagen
effizienter und zuverlässiger macht.

Das kann man erreichen, indem man
31 Menschen in einem Raum setzt,

die die Welt aus tribologischen
Gesichtspunkten betrachen.

Denken Sie nur an die Möglichkeiten,

wenn mehr von uns
Tribologie um sich herum sehen.

Meine derzeitigen Lieblingsprojekte
sind Anwendungen in der Raumfahrt.

Ich liebe es, in so schwierigen Umgebungen
Abnutzung und Reibung zu reduzieren.

Ich kann Materialien und Teile machen,

die Reibung in beweglichen
Komponenten und Motoren reduzieren,

sodass weniger Kraft Ihrer
Bewegung entgegenwirkt.

Weniger Gegenkraft zur Bewegung,
heißt sie brauchen weniger Energie,

also reicht ein kleinerer Antrieb,

der weniger wiegt und Energie spart.

Ich kann auch Teile machen, die durch
geringere Abnutzunge länger halten.

Das reduziert Abfall

und heißt auch, dass wir
seltener Teile herstellen

und bei der Herstellung Energie sparen.

Ich will Sie ermutigen, auf Tribologie
in Ihrer Umwelt zu achten

und über mögliche Verbesserungen
der Oberflächen nachzudenken.

Selbst die kleinsten Verbesserungen

bewirken Großes.

Tribologie klingt vielleicht komisch,

aber sie beeinflusst unsere Welt enorm.

Vielen Dank.

(Applaus)