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Wer gestaltet die Gebäude der Zukunft? ... Sie.

  • 0:02 - 0:03
    Ich erzähle Ihnen heute etwas
  • 0:03 - 0:07
    über die Architekturgeschichte
    der letzten 30 Jahre.
  • 0:08 - 0:10
    Das ist ganz schön viel für 18 Minuten.
  • 0:10 - 0:12
    Es ist ein komplexes Thema,
  • 0:12 - 0:16
    deshalb starten wir direkt
    an einem komplexen Ort:
  • 0:16 - 0:17
    New Jersey.
  • 0:18 - 0:21
    Denn vor 30 Jahren wohnte
    ich als Sechsjähriger
  • 0:21 - 0:25
    mit meinen Eltern in New Jersey
  • 0:25 - 0:26
    in einer Stadt namens Livingston,
  • 0:26 - 0:29
    und das war mein Kinderzimmer.
  • 0:30 - 0:32
    In der Nähe meines Schlafzimmers
  • 0:32 - 0:35
    war das Bad, das ich
    mit meiner Schwester teilte.
  • 0:35 - 0:38
    Zwischen meinem
    Schlafzimmer und dem Bad
  • 0:38 - 0:41
    war ein Balkon mit Blick
    auf das Wohnzimmer.
  • 0:41 - 0:45
    Dort hielten sich alle auf
    und schauten fern,
  • 0:45 - 0:49
    also sah jeder mich immer dann,
    wenn ich vom Schlafzimmer
  • 0:49 - 0:51
    ins Badezimmer ging.
  • 0:51 - 0:54
    Und immer wenn ich duschte
    und im Handtuch zurückkam,
  • 0:54 - 0:56
    sahen mich alle.
  • 0:56 - 0:58
    Und ich sah so aus.
  • 0:59 - 1:02
    Ich war plump,
  • 1:02 - 1:04
    unsicher und ich hasste das.
  • 1:04 - 1:07
    Ich hasste diesen Gang, diesen Balkon,
  • 1:07 - 1:10
    ich hasste dieses Zimmer und dieses Haus.
  • 1:11 - 1:13
    Und das ist Architektur.
  • 1:13 - 1:14
    (Gelächter)
  • 1:14 - 1:16
    Abgehakt.
  • 1:16 - 1:19
    Dieses Gefühl, meine damaligen Emotionen,
  • 1:19 - 1:22
    das ist die Macht der Architektur,
  • 1:22 - 1:26
    denn in der Architektur geht es
    nicht um Mathe und Bebauungspläne,
  • 1:26 - 1:29
    es geht um die tiefen,
    emotionalen Verbindungen,
  • 1:29 - 1:32
    die wir mit Orten haben,
    an denen wir leben.
  • 1:33 - 1:36
    Und es verwundert nicht,
    dass wir so fühlen,
  • 1:36 - 1:38
    denn laut [der Umweltschutzbehörde] EPA
  • 1:38 - 1:42
    verbringen Amerikaner
    90 % ihrer Zeit drinnen.
  • 1:42 - 1:47
    Wir sind also 90 % unserer Zeit
    von Architektur umgeben.
  • 1:47 - 1:49
    Das ist enorm.
  • 1:49 - 1:52
    Es bedeutet, dass Architektur
    uns auf eine Art formt,
  • 1:52 - 1:55
    die uns nicht bewusst ist.
  • 1:55 - 1:59
    Das macht uns etwas naiv
    und sehr berechenbar,
  • 1:59 - 2:02
    d. h. wenn ich Ihnen
    ein solches Gebäude zeige,
  • 2:02 - 2:04
    weiß ich, was Sie denken:
  • 2:04 - 2:07
    Sie denken an "Macht",
    "Stabilität" und "Demokratie".
  • 2:07 - 2:11
    Und Sie denken das,
    weil es ein Gebäude betrifft,
  • 2:11 - 2:14
    das vor 2 500 Jahren von
    den Griechen erbaut wurde.
  • 2:14 - 2:16
    Das ist ein Trick.
  • 2:16 - 2:18
    Diesen Auslöser nutzen Architekten,
  • 2:18 - 2:22
    um emotionale Bindungen herzustellen,
  • 2:22 - 2:25
    zu den Formen, aus denen
    wir unsere Gebäude bauen.
  • 2:25 - 2:28
    Es ist eine vorhersehbare
    emotionale Bindung,
  • 2:28 - 2:31
    und wir nutzen diesen Trick
    schon sehr lange.
  • 2:32 - 2:35
    Wir wendeten den Trick vor 200 Jahren
    beim Bau von Banken an.
  • 2:35 - 2:38
    Wir wendeten ihn im 19. Jahrhundert
    beim Museumsbau an.
  • 2:38 - 2:42
    Im Amerika des 20. Jahrhunderts
    bauten wir so Häuser.
  • 2:42 - 2:45
    Schauen Sie sich diese soliden,
    stabilen kleinen Soldaten an,
  • 2:45 - 2:48
    die zum Ozean blicken und
    vor der Witterung schützen.
  • 2:48 - 2:51
    Das ist sehr nützlich,
  • 2:51 - 2:54
    denn Dinge zu bauen,
    ist Furcht einflößend.
  • 2:54 - 2:59
    Es ist teuer, es dauert lange
    und es ist sehr kompliziert.
  • 2:59 - 3:01
    Leute, die Dinge bauen --
  • 3:01 - 3:03
    Bauunternehmer und Regierungen --
  • 3:03 - 3:07
    fürchten sich natürlich vor Innovation.
  • 3:07 - 3:11
    Sie nutzen lieber die Formen,
    die erfahrungsgemäß gut ankommen.
  • 3:11 - 3:14
    Das führt zu Gebäuden wie diesen.
  • 3:14 - 3:16
    Das ist ein schönes Gebäude.
  • 3:16 - 3:18
    Das ist die Livingston Public Library
    [Stadtbibliothek],
  • 3:18 - 3:21
    die 2004 in meiner Heimatstadt
    fertiggestellt wurde.
  • 3:21 - 3:23
    Sie hat eine Kuppel
  • 3:23 - 3:26
    und dieses runde Ding, Säulen, Ziegel,
  • 3:26 - 3:31
    und man kann sich denken, was
    Livingston mit diesem Bau sagen will:
  • 3:32 - 3:35
    Kinder, Immobilienwerte und Geschichte.
  • 3:36 - 3:40
    Aber es hat nicht viel mit dem zu tun,
    was eine Bibliothek heute leistet.
  • 3:40 - 3:44
    Im selben Jahr, 2004, wurde
    auf der anderen Seite der USA
  • 3:44 - 3:46
    eine andere Bibliothek fertiggestellt
  • 3:46 - 3:48
    und die sieht so aus.
  • 3:48 - 3:50
    Das ist in Seattle.
  • 3:50 - 3:56
    Bei der Bibliothek geht es um
    den Medienkonsum im digitalen Zeitalter.
  • 3:56 - 3:59
    Es geht um eine neue Art der
    öffentlichen Einrichtung für die Stadt,
  • 3:59 - 4:03
    einen Ort zum Versammeln,
    zum Lesen und zum Austausch.
  • 4:03 - 4:05
    Wie ist es daher möglich,
  • 4:05 - 4:08
    dass im selben Jahr im selben Land
  • 4:08 - 4:11
    zwei Gebäude, beides Bibliotheken,
  • 4:11 - 4:14
    so ganz unterschiedlich aussehen?
  • 4:14 - 4:19
    Architektur beruht auf
    einer Art "Pendelprinzip".
  • 4:20 - 4:22
    Auf der einen Seite steht die Innovation.
  • 4:22 - 4:26
    Architekten treiben ständig
    neue Technologien voran,
  • 4:26 - 4:30
    neue Typologien, neue Lösungen
    für die Art, wie wir heute leben.
  • 4:30 - 4:32
    Wir treiben das immer weiter voran,
  • 4:32 - 4:35
    bis wir Sie alle komplett befremdet haben.
  • 4:35 - 4:37
    Wir tragen alle schwarz,
    werden sehr depressiv.
  • 4:37 - 4:39
    Sie halten uns für verehrenswert,
  • 4:39 - 4:43
    aber wir sind innerlich tot,
    weil wir keine Wahl haben.
  • 4:43 - 4:45
    Wir müssen die Seite wechseln
  • 4:45 - 4:48
    und die Symbole wieder verwenden,
    die Sie bekanntermaßen lieben.
  • 4:48 - 4:51
    Wenn wir das tun und Sie glücklich sind,
  • 4:51 - 4:52
    fühlen wir uns wie Verräter.
  • 4:52 - 4:54
    Also experimentieren wir erneut,
  • 4:54 - 4:57
    wir schwingen das Pendel hin und her,
  • 4:57 - 5:00
    die ganzen letzten 300 Jahre lang
  • 5:00 - 5:02
    und gewiss in den letzten 30 Jahren.
  • 5:03 - 5:07
    Vor 30 Jahren, ca. Ende der 70er Jahre,
  • 5:07 - 5:11
    experimentierten Architekten eifrig
    mit dem sogenannten "Brutalismus".
  • 5:11 - 5:12
    Dabei ging es um Beton.
  • 5:12 - 5:13
    (Gelächter)
  • 5:13 - 5:15
    Wie Sie sich denken können.
  • 5:15 - 5:18
    Kleine Fenster,
    entmenschlichender Maßstab.
  • 5:18 - 5:21
    Das ist wirklich hartes Zeug.
  • 5:21 - 5:23
    Als wir uns den 80ern näherten,
  • 5:23 - 5:26
    begannen wir, diese Symbole
    wiederzuverwenden.
  • 5:26 - 5:29
    Wir schwangen das Pendel zurück
    in die andere Richtung.
  • 5:29 - 5:32
    Wir nahmen die Formen, die Sie mögen,
  • 5:32 - 5:33
    und aktualisierten sie.
  • 5:33 - 5:35
    Wir fügten Neon
  • 5:35 - 5:37
    und einige Pastelltöne hinzu
  • 5:37 - 5:39
    und verwendeten neues Material.
  • 5:39 - 5:41
    Und Sie liebten es.
  • 5:41 - 5:43
    Sie bekamen gar nicht genug davon.
  • 5:43 - 5:45
    Wir nahmen Chippendale-Schränke
  • 5:45 - 5:47
    und verwandelten sie in Hochhäuser.
  • 5:47 - 5:52
    Hochhäuser können
    mittelalterliche Burgen aus Glas sein.
  • 5:52 - 5:54
    Die Formen wurden groß,
  • 5:54 - 5:57
    kühn und farbenfroh.
  • 5:57 - 5:59
    Zwerge wurden zu Säulen.
  • 5:59 - 6:00
    (Gelächter)
  • 6:00 - 6:03
    Schwäne wuchsen auf
    die Größe von Gebäuden an.
  • 6:03 - 6:04
    Es war verrückt.
  • 6:05 - 6:09
    Aber das waren die 80er, das war cool.
  • 6:09 - 6:10
    (Gelächter)
  • 6:10 - 6:12
    Wir hingen alle in Einkaufszentren rum,
  • 6:12 - 6:14
    wir zogen in die Vororte
  • 6:14 - 6:17
    und dort draußen, in den Vororten,
  • 6:17 - 6:20
    erschufen wir unsere eigenen
    architektonischen Fantasien.
  • 6:20 - 6:22
    Und diese Fantasien
  • 6:22 - 6:26
    konnten mediterran, französisch
  • 6:26 - 6:27
    oder italienisch sein.
  • 6:27 - 6:29
    (Gelächter)
  • 6:29 - 6:31
    Eventuell mit zahllosen Brotstangen.
  • 6:31 - 6:33
    So war das in der Postmoderne.
  • 6:33 - 6:35
    So war das mit Symbolen.
  • 6:35 - 6:38
    Sie waren einfach und billig,
  • 6:38 - 6:40
    denn statt Orte zu schaffen,
  • 6:40 - 6:43
    erschufen wir Erinnerungen an Orte.
  • 6:43 - 6:46
    Ich weiß, und ich weiß, Sie alle wissen,
  • 6:46 - 6:48
    das ist nicht die Toskana.
  • 6:48 - 6:49
    Das ist Ohio.
  • 6:49 - 6:51
    (Gelächter)
  • 6:51 - 6:53
    Das frustrierte die Architekten,
  • 6:53 - 6:57
    und wir begannen, das Pendel wieder
    in die andere Richtung zu schwingen.
  • 6:57 - 6:59
    Ende der 80er und Anfang der 90er
  • 6:59 - 7:03
    experimentierten wir mit
    dem sogenannten "Dekonstruktivismus".
  • 7:03 - 7:05
    Wir ließen die historischen Symbole
    hinter uns zurück,
  • 7:05 - 7:09
    wir verließen uns auf neue,
    computergestützte Entwurfstechniken
  • 7:09 - 7:11
    und erfanden neue Kompositionen,
  • 7:11 - 7:14
    Formen, die auf andere Formen prallten.
  • 7:14 - 7:17
    Das war akademisch und aufregend,
  • 7:17 - 7:19
    das war sehr unpopulär,
  • 7:19 - 7:21
    wir verprellten Sie damit komplett.
  • 7:21 - 7:25
    Normalerweise würde das Pendel
    einfach wieder zurück schwingen.
  • 7:25 - 7:28
    Aber dann passierte etwas Überraschendes.
  • 7:28 - 7:31
    1997 wurde dieses Gebäude eröffnet.
  • 7:32 - 7:36
    Das ist das Guggenheim Bilbao
    von Frank Gehry.
  • 7:36 - 7:38
    Dieses Gebäude veränderte
  • 7:38 - 7:42
    die Beziehung der Welt
    zur Architektur grundlegend.
  • 7:43 - 7:47
    Laut Paul Goldberger war das Bilbao
    einer der seltenen Momente,
  • 7:47 - 7:50
    in denen Kritiker, Akademiker
    und die Öffentlichkeit
  • 7:50 - 7:53
    bei dem Gebäude völlig
    einer Meinung waren.
  • 7:53 - 7:57
    Die New York Times nannte
    dieses Gebäude ein Wunder.
  • 7:57 - 8:03
    Der Tourismus wuchs in Bilbao um 2 500 %,
  • 8:03 - 8:05
    nachdem der Bau fertiggestellt war.
  • 8:05 - 8:09
    Also wollte plötzlich jeder
    eines dieser Gebäude:
  • 8:09 - 8:10
    Los Angeles,
  • 8:12 - 8:13
    Seattle,
  • 8:13 - 8:15
    Chicago,
  • 8:15 - 8:17
    New York,
  • 8:17 - 8:18
    Cleveland,
  • 8:18 - 8:20
    Springfield.
  • 8:20 - 8:21
    (Gelächter)
  • 8:21 - 8:24
    Jeder will eins, und Gehry ist überall.
  • 8:24 - 8:27
    Er ist unser erster
    richtiger Stararchitekt.
  • 8:28 - 8:33
    Wie ist es nun möglich,
    dass diese Formen --
  • 8:33 - 8:35
    wild und radikal --
  • 8:35 - 8:39
    wie ist es möglich, dass sie
    sich weltweit verbreiten?
  • 8:39 - 8:45
    Das passierte, da die Medien
    davon erfolgreich mitgerissen wurden
  • 8:45 - 8:51
    und uns schnell beibrachten, dass solche
    Formen Kultur und Tourismus bedeuten.
  • 8:51 - 8:55
    Diese Formen riefen bei uns
    eine emotionale Reaktion hervor --
  • 8:55 - 8:57
    genau wie bei Bürgermeistern weltweit.
  • 8:57 - 8:59
    Jeder Bürgermeister wusste,
    dass diese Formen
  • 8:59 - 9:02
    Kultur und Tourismus mit sich brachten.
  • 9:04 - 9:06
    Dieses Phänomen zur Jahrtausendwende
  • 9:06 - 9:08
    betraf auch einige andere Stararchitekten.
  • 9:08 - 9:11
    Es widerfuhr Zaha
  • 9:11 - 9:13
    und es widerfuhr Libeskind.
  • 9:13 - 9:18
    Was diesen paar Elite-Architekten
  • 9:18 - 9:20
    zur Jahrtausendwende geschah,
  • 9:20 - 9:23
    könnte das gesamte Gebiet
    der Architektur verändern,
  • 9:23 - 9:27
    da die digitalen Medien
    die Geschwindigkeit erhöhen,
  • 9:27 - 9:29
    mit der wir Informationen verarbeiten.
  • 9:29 - 9:32
    Denken Sie an Ihren Architekturkonsum.
  • 9:32 - 9:34
    Vor 1 000 Jahren
  • 9:34 - 9:37
    hätten Sie ins nächstgelegene Dorf
    gehen müssen, um ein Gebäude zu sehen.
  • 9:37 - 9:39
    Die Beförderung beschleunigte sich:
  • 9:39 - 9:42
    Man nimmt ein Boot, ein Flugzeug,
    man reist als Tourist.
  • 9:42 - 9:45
    Die Technik beschleunigte:
    Man sieht es in Zeitungen, im TV,
  • 9:45 - 9:50
    bis wir schließlich alle
    Architekturfotografen sind,
  • 9:50 - 9:54
    und das Bauwerk
    vom Grundstück losgelöst ist.
  • 9:55 - 9:58
    Architektur ist jetzt überall,
  • 9:58 - 10:01
    d. h. dass die Geschwindigkeit
    der Kommunikation
  • 10:01 - 10:05
    endlich die Geschwindigkeit
    der Architektur eingeholt hat.
  • 10:05 - 10:08
    Denn Architektur entwickelt sich
    ziemlich schnell.
  • 10:08 - 10:11
    Es dauert nicht lang,
    sich ein Gebäude auszudenken.
  • 10:11 - 10:13
    Aber es dauert lang, ein Gebäude zu bauen,
  • 10:13 - 10:15
    drei bis vier Jahre,
  • 10:15 - 10:19
    und in der Zwischenzeit
    entwirft ein Architekt zwei, acht
  • 10:19 - 10:21
    oder hundert andere Gebäude,
  • 10:21 - 10:25
    bevor er weiß, ob der Bau,
    den er vor vier Jahren entwarf,
  • 10:25 - 10:27
    ein Erfolg war oder nicht.
  • 10:28 - 10:32
    Das liegt am Fehlen einer guten
    "Feedbackschleife" in der Architektur.
  • 10:32 - 10:35
    Deshalb haben wir solche Gebäude.
  • 10:35 - 10:38
    Die Bewegung des Brutalismus
    hielt nicht 2 Jahre an,
  • 10:38 - 10:40
    sondern 20 Jahre.
  • 10:40 - 10:44
    20 Jahre lang bauten wir solche Gebäude,
  • 10:44 - 10:48
    weil wir nicht wussten,
    wir sehr Sie es hassten.
  • 10:48 - 10:51
    Das wird niemals wieder passieren,
  • 10:51 - 10:53
    glaube ich,
  • 10:53 - 10:59
    weil wir kurz vor der
    größten Revolution in der Architektur
  • 10:59 - 11:02
    seit der Erfindung des Betons,
  • 11:02 - 11:04
    des Stahls oder des Aufzugs stehen.
  • 11:04 - 11:06
    Es ist eine Medienrevolution.
  • 11:07 - 11:12
    Laut meiner Theorie schwingt
    das Pendel immer schneller,
  • 11:12 - 11:15
    wenn man Medien einsetzt,
  • 11:15 - 11:18
    bis es beinahe gleichzeitig
    an beiden Extremen ankommt,
  • 11:18 - 11:23
    was in Folge den Unterschied zwischen
    Innovation und Symbol verwischt,
  • 11:23 - 11:27
    zwischen uns, den Architekten,
    und Ihnen, der Öffentlichkeit.
  • 11:27 - 11:33
    Nun können wir fast auf der Stelle
    emotional aufgeladene Symbole
  • 11:33 - 11:36
    aus etwas völlig Neuem erschaffen.
  • 11:36 - 11:39
    Das wird an einem Projekt deutlich,
  • 11:39 - 11:41
    das wir kürzlich abgeschlossen haben.
  • 11:41 - 11:44
    Wir wurden beauftragt, dieses
    abgebrannte Gebäude zu ersetzen.
  • 11:44 - 11:47
    Das ist das Zentrum
    einer Stadt namens Pines
  • 11:47 - 11:49
    auf Fire Island im
    Bundesstaat New York.
  • 11:49 - 11:51
    Es ist eine Feriensiedlung.
  • 11:51 - 11:54
    Wir schlugen ein gewagtes Gebäude vor,
  • 11:55 - 11:58
    das sich von allen dort
    üblichen Formen unterschied.
  • 11:58 - 12:03
    Wir waren besorgt, unsere Kunden auch
  • 12:03 - 12:05
    und die Gemeinde war auch besorgt,
  • 12:05 - 12:09
    deshalb erstellten wir eine Reihe
    fotorealistischer Darstellungen,
  • 12:09 - 12:10
    die wir auf Facebook
  • 12:10 - 12:12
    und auf Instagram hochluden.
  • 12:12 - 12:15
    Wir ließen die Leute tun, was sie so tun:
  • 12:15 - 12:18
    es teilen, kommentieren,
    "liken" oder hassen.
  • 12:18 - 12:23
    Das bedeutete, dass es
    schon zwei Jahre vor Bauende
  • 12:23 - 12:26
    ein Teil der Gemeinde war.
  • 12:26 - 12:32
    Da die Darstellungen genau
    wie das Endprodukt aussahen,
  • 12:32 - 12:34
    gab es keine Überraschungen.
  • 12:34 - 12:38
    Dieses Gebäude war bereits
    ein Teil dieser Gemeinde,
  • 12:38 - 12:40
    und im ersten Sommer,
  • 12:40 - 12:43
    als die Leute ankamen und begannen,
  • 12:43 - 12:45
    das Gebäude in
    den sozialen Medien zu teilen,
  • 12:45 - 12:50
    war es kein bloßes Gebäude mehr,
    sondern wurde zu einem Medium.
  • 12:50 - 12:54
    Denn das sind nicht einfach
    Bilder eines Gebäudes,
  • 12:54 - 12:57
    es sind Ihre Bilder eines Gebäudes.
  • 12:57 - 13:00
    Weil Sie sie zum Erzählen
    Ihrer Geschichte nutzen,
  • 13:00 - 13:03
    werden Sie Teil Ihrer
    persönlichen Erzählung,
  • 13:03 - 13:06
    Sie vernetzen damit
  • 13:06 - 13:08
    unser aller kollektive Erinnerung
  • 13:08 - 13:11
    und lassen damit emotional
    aufgeladene Symbole entstehen,
  • 13:11 - 13:13
    die wir verstehen können.
  • 13:13 - 13:15
    Wir brauchen also keine Griechen mehr,
  • 13:15 - 13:18
    die uns sagen, was wir
    über Architektur denken sollen.
  • 13:18 - 13:22
    Wir können uns gegenseitig sagen,
    was wir über Architektur denken,
  • 13:22 - 13:28
    denn die digitalen Medien haben nicht nur
    die Beziehung zwischen uns verändert,
  • 13:28 - 13:32
    sie haben die Beziehung zwischen uns
    und Gebäuden verändert.
  • 13:33 - 13:36
    Denken Sie einen Moment
    an die Bibliothekare in Livingston.
  • 13:36 - 13:39
    Wenn das Gebäude heute
    gebaut werden würde,
  • 13:39 - 13:43
    würden sie heute als erstes online gehen
    und "neue Bibliotheken" suchen.
  • 13:44 - 13:49
    Sie würden mit experimentellen,
    innovativen Beispielen bombardiert werden,
  • 13:49 - 13:53
    die an die Grenze dessen stoßen,
    was eine Bibliothek sein kann.
  • 13:53 - 13:54
    Das ist Munition.
  • 13:55 - 13:58
    Das ist Munition, die sie
    zum Bürgermeister
  • 13:58 - 14:00
    und zu den Bürgern von Livingston
    mitnehmen können,
  • 14:00 - 14:03
    um ihnen zu sagen, es gibt
    nicht nur eine Antwort darauf,
  • 14:03 - 14:05
    was eine Bibliothek heute ist.
  • 14:05 - 14:06
    Seien wir ein Teil davon.
  • 14:06 - 14:09
    Dieser Überfluss an Experimenten
  • 14:09 - 14:14
    gibt ihnen die Freiheit,
    ihr eigenes Experiment durchzuführen.
  • 14:14 - 14:17
    Alles hat sich verändert.
  • 14:17 - 14:20
    Architekten sind keine
    geheimnisvollen Wesen mehr,
  • 14:20 - 14:23
    die große Worte und
    komplizierte Zeichnungen nutzen,
  • 14:23 - 14:26
    und Sie sind nicht
    die leidtragende Öffentlichkeit --
  • 14:26 - 14:30
    der Verbraucher, der nichts akzeptiert,
    was er nicht schon gesehen hat.
  • 14:31 - 14:33
    Architekten können Sie hören,
  • 14:33 - 14:36
    und Architektur schüchtert Sie nicht ein.
  • 14:36 - 14:41
    Es spielt daher keine Rolle,
    dass das Pendel von Stil zu Stil,
  • 14:41 - 14:44
    von Bewegung zu Bewegung,
    hin und her schwingt.
  • 14:44 - 14:46
    Wir können uns tatsächlich
    weiterentwickeln und
  • 14:46 - 14:51
    relevante Lösungen für Probleme
    unserer Gesellschaft finden.
  • 14:52 - 14:55
    Das ist das Ende
    der Architekturgeschichte.
  • 14:55 - 14:58
    Das bedeutet, dass die zukünftigen Gebäude
  • 14:58 - 15:02
    ganz anders als die aktuellen Gebäude
    aussehen werden.
  • 15:02 - 15:07
    Es bedeutet, dass ein öffentlicher Raum
    in der Altstadt von Sevilla
  • 15:07 - 15:10
    auf einzigartige und individuell
    zugeschnittene Weise
  • 15:10 - 15:13
    der Funktion einer modernen Stadt dient.
  • 15:13 - 15:16
    Ein Stadion in Brooklyn
    kann ein Stadion in Brooklyn sein,
  • 15:16 - 15:19
    und nicht irgendein
    historisches Ziegel-Potpourri
  • 15:19 - 15:22
    aus unseren Vorstellungen
    von einem Stadion.
  • 15:23 - 15:25
    Roboter werden unsere Gebäude bauen,
  • 15:25 - 15:30
    denn wir sind endlich für die Formen
    bereit, die sie produzieren werden.
  • 15:30 - 15:34
    Gebäude werden sich
    nach den Launen der Natur richten,
  • 15:34 - 15:36
    statt anders herum.
  • 15:37 - 15:40
    Ein Parkhaus in Miami Beach, Florida,
  • 15:40 - 15:43
    kann auch ein Ort sein,
  • 15:43 - 15:44
    wo man Sport oder Yoga betreibt,
  • 15:44 - 15:47
    und man kann dort sogar
    bis spät in die Nacht heiraten.
  • 15:47 - 15:48
    (Gelächter)
  • 15:48 - 15:52
    Das bedeutet, dass drei Architekten
    davon träumen können,
  • 15:52 - 15:54
    im New Yorker East River zu schwimmen,
  • 15:54 - 15:56
    und dann fast 500 000 Dollar einsammeln,
  • 15:57 - 16:00
    von einer Gemeinde,
    die sich um ihr Anliegen geschart hat,
  • 16:00 - 16:02
    es gibt nicht mehr den einen Kunden.
  • 16:03 - 16:06
    Das bedeutet, dass kein Bauwerk
    zu klein ist für Innovation,
  • 16:06 - 16:08
    wie dieser kleine Rentier-Pavillon,
  • 16:08 - 16:11
    der genauso muskulös
    und kräftig ist wie die Tiere,
  • 16:11 - 16:14
    zu deren Beobachtung er entworfen wurde.
  • 16:14 - 16:17
    Ein Gebäude muss also nicht schön sein,
  • 16:17 - 16:18
    um liebenswert zu sein,
  • 16:18 - 16:21
    wie dieses hässliche
    kleine Gebäude in Spanien,
  • 16:21 - 16:23
    wo die Architekten ein Loch gruben,
  • 16:23 - 16:25
    es mit Heu füllten,
  • 16:25 - 16:27
    dann Beton drum herum gossen,
  • 16:27 - 16:29
    und als der Beton trocknete,
  • 16:29 - 16:32
    baten sie jemanden, das Heu zu entfernen.
  • 16:33 - 16:38
    Somit blieb nur dieser abscheuliche
    kleine Raum übrig,
  • 16:38 - 16:44
    der voller Abdrücke und Kratzer
    aus der Herstellung waren,
  • 16:44 - 16:49
    und das macht es zum erhabensten Ort, um
    einen spanischen Sonnenuntergang zu sehen.
  • 16:50 - 16:53
    Es ist egal, ob eine Kuh
    unsere Gebäude baut,
  • 16:53 - 16:55
    oder ein Roboter unsere Gebäude baut.
  • 16:55 - 16:58
    Es ist unwichtig, wie wir bauen,
    es ist nur wichtig, was wir bauen.
  • 16:59 - 17:02
    Architekten wissen, wie man
    "grünere", intelligentere
  • 17:02 - 17:05
    und freundlichere Gebäude gestaltet.
  • 17:05 - 17:08
    Wir haben nur darauf gewartet,
    dass Sie es sich wünschen.
  • 17:08 - 17:12
    Endlich befinden wir uns
    nicht mehr auf entgegengesetzen Seiten.
  • 17:12 - 17:15
    Finden Sie einen Architekten,
    beauftragen Sie einen Architekten,
  • 17:15 - 17:21
    entwerfen Sie mit uns bessere Gebäude,
    bessere Städte und eine bessere Welt,
  • 17:21 - 17:23
    denn es steht viel auf dem Spiel.
  • 17:24 - 17:29
    Bauten spiegeln nicht nur unsere
    Gesellschaft wieder, sie formen sie
  • 17:29 - 17:31
    bis hin zu den kleinsten Orten:
  • 17:31 - 17:33
    den Stadtbibliotheken,
  • 17:33 - 17:35
    dem Zuhause, wo Sie Ihre Kinder aufziehen,
  • 17:35 - 17:39
    und dem Weg, den sie vom
    Schlaf- zum Badezimmer nehmen.
  • 17:39 - 17:40
    Danke.
  • 17:40 - 17:44
    (Applaus)
Title:
Wer gestaltet die Gebäude der Zukunft? ... Sie.
Speaker:
Marc Kushner
Description:

"In der Architektur geht es nicht um Mathematik oder Bebauungspläne -- es geht um tiefe Emotionen", sagt Marc Kushner. In einem mitreißenden -- oft auch lustigen -- Vortrag erzählt er über die letzten 30 Jahre der Architekturgeschichte, um zu zeigen, wie die Öffentlichkeit, einst abgetrennt, ein essentieller Teil des Entwurfsprozesses geworden ist. Durch die sozialen Medien bekommen Architekten bereits Jahre, bevor ein Gebäude fertiggestellt wurde, Feedback. Das Ergebnis? Architektur, die mehr für uns tut als je zuvor.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:05

German subtitles

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