Frans de Waal: Moralisches Verhalten bei Tieren
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0:00 - 0:02Geboren wurde ich in Den Bosch,
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0:02 - 0:05wonach sich der Maler Hieronymus Bosch benannte.
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0:05 - 0:07Und so hat mir dieser Maler, der im 15. Jahrhundert lebte
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0:07 - 0:10und sein Werk schuf, immer am Herz gelegen.
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0:10 - 0:12Interessant in Bezug auf sein Verhältnis zu Moral
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0:12 - 0:15war das Abklingen der religiösen Beeinflussung zu seiner Lebenszeit,
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0:15 - 0:17und ich glaube, er fragte sich,
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0:17 - 0:19was mit der Gesellschaft passieren würde,
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0:19 - 0:22wenn es keine oder weniger Religion gäbe.
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0:22 - 0:25Und so schuf er sein berühmtes Gemälde "Der Garten der Lüste",
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0:25 - 0:27das einige als die Menschheit
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0:27 - 0:29vor dem Sündenfall interpretiert haben,
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0:29 - 0:32andere als die Menschheit ohne Sündenfall.
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0:32 - 0:34Das wirft die Frage auf,
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0:34 - 0:37was passiert, wenn wir quasi nicht vom Baum der Erkenntnis genascht hätten,
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0:37 - 0:40und wie es dann um unsere Moral aussähe.
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0:40 - 0:42Viel später, als Student,
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0:42 - 0:44ging ich in einen sehr anderen Garten,
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0:44 - 0:47einen zoologischen Garten in Arnhem,
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0:47 - 0:49wo es Schimpansen gibt.
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0:49 - 0:51Hier bin ich in jungen Jahren mit einem Schimpansenbaby.
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0:51 - 0:54(Lachen)
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0:54 - 0:56Und dort entdeckte ich,
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0:56 - 0:59dass Schimpansen sehr machthungrig sind und schrieb ein Buch darüber.
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0:59 - 1:02Und zu jener Zeit lag der Fokus bei einem Großteil der
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1:02 - 1:04Tierforschung auf Aggression und Wettbewerb.
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1:04 - 1:06Ich malte ein ganzes Bild über das Reich der Tiere,
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1:06 - 1:08die Menschheit eingeschlossen,
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1:08 - 1:10und wie wir tief drinnen Rivalen sind,
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1:10 - 1:12wir sind aggressiv,
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1:12 - 1:15wir sind im Prinzip alle auf unseren eigenen Vorteil bedacht.
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1:15 - 1:17Hier wird mein Buch veröffentlicht.
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1:17 - 1:19Ich bin nicht sicher, wie gut die Schimpansen es lesen konnten,
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1:19 - 1:22aber sie fanden das Buch auf jeden Fall interessant.
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1:24 - 1:26Während ich diese
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1:26 - 1:28ganzen Forschungen über Macht, Dominanz,
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1:28 - 1:30Aggression und so weiter anstellte,
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1:30 - 1:33entdeckte ich, dass Schimpansen sich nach einem Streit wieder versöhnen.
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1:33 - 1:36Hier sehen Sie zwei Männchen nach einem Kampf.
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1:36 - 1:39Am Ende saßen sie in einem Baum und einer streckt die Hand zum anderen aus.
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1:39 - 1:42Und circa eine Sekunde nach diesem Foto setzten sie sich in einer Astgabel zueinander
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1:42 - 1:44und küssten und umarmten sich.
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1:44 - 1:46Das ist sehr interessant,
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1:46 - 1:49denn damals ging alles um Wettbewerb und Aggression,
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1:49 - 1:51also würde das gar nicht ins Bild passen.
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1:51 - 1:53Die einzig wichtige Sache ist, dass man gewinnt oder verliert.
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1:53 - 1:55Aber wieso sollte man sich nach einem Kampf versöhnen?
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1:55 - 1:57Das ergibt keinen Sinn.
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1:57 - 2:00So machen das Bonobos. Bonobos machen alles über den Sex.
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2:00 - 2:02Sie versöhnen sich also auch wieder mit Sex.
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2:02 - 2:04Aber das Prinzip ist genau das gleiche.
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2:04 - 2:06Im Prinzip geht es um
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2:06 - 2:08eine wertvolle Beziehung,
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2:08 - 2:10die durch Konflikt beschädigt wird,
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2:10 - 2:12also muss man etwas dafür tun.
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2:12 - 2:14Mein ganzes Bild des Tierreichs
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2:14 - 2:16inklusive der Menschen
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2:16 - 2:18begann sich zu jener Zeit zu wandeln.
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2:18 - 2:20In der Politikwissenschaft,
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2:20 - 2:22Wirtschaft, Geisteswissenschaft, und natürlich
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2:22 - 2:24der Philosophie gibt es dieses Bild:
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2:24 - 2:26Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
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2:26 - 2:29Tief drinnen ist unsere Natur also böse.
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2:29 - 2:32Das ist eine ziemlich unfaire Darstellung des Wolfes.
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2:32 - 2:34Der Wolf ist schließlich
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2:34 - 2:36ein sehr kooperatives Tier.
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2:36 - 2:38Daher haben so viele von Ihnen einen Hund zu Hause,
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2:38 - 2:40der über dieselben Charakteristika verfügt.
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2:40 - 2:42Und es ist genau so unfair der Menschheit gegenüber,
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2:42 - 2:46denn die Menschheit ist viel kooperativer und einfühlsamer,
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2:46 - 2:48als man es ihr nachsagt.
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2:48 - 2:50Ich begann mich also für diese Sachen zu interessieren,
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2:50 - 2:52und sie in anderen Tieren zu untersuchen.
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2:52 - 2:54Das hier sind also die Säulen der Moral.
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2:54 - 2:58Fragen Sie irgendjemanden: "Worauf ist Moral basiert?",
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2:58 - 3:00werden diese beiden Faktoren immer herauskommen.
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3:00 - 3:02Einer ist Gegenseitigkeit,
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3:02 - 3:05und wird mit einem Sinn für Gerechtigkeit und Fairness assoziiert.
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3:05 - 3:07Und der andere ist Mitgefühl und Einfühlungsvermögen.
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3:07 - 3:10Und das menschliche Moralgefühl ist mehr als das,
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3:10 - 3:12aber würde man diese beiden Säulen entfernen,
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3:12 - 3:14wäre wahrscheinlich nicht mehr viel übrig.
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3:14 - 3:16Sie sind also absolut grundlegend.
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3:16 - 3:18Hier sind ein paar Beispiele.
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3:18 - 3:20Das ist ein sehr altes Video aus dem Yerkes Primate Center,
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3:20 - 3:23wo Schimpansen auf Kooperation trainiert werden.
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3:23 - 3:26Wir haben also schon vor ungefähr hundert Jahren
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3:26 - 3:29Experimente zur Kooperation angestellt.
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3:29 - 3:32Hier sind zwei junge Schimpansen mit einer Kiste,
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3:32 - 3:35und die Kiste ist zu schwer, als dass ein Schimpanse sie ziehen könnte.
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3:35 - 3:37Und natürlich ist in der Kiste Essen.
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3:37 - 3:39Sonst würden sie da nicht so kräftig dran ziehen.
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3:39 - 3:41Also ziehen sie die Kiste herein.
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3:41 - 3:43Und man kann sehen, dass sie aufeinander abgestimmt sind.
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3:43 - 3:46Sie arbeiten ganz offensichtlich zusammen, ziehen zur gleichen Zeit.
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3:46 - 3:49Das ist ein großer Vorteil zu vielen anderen Tieren,
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3:49 - 3:51die zu so einem Verhalten nicht fähig wären.
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3:51 - 3:53Und jetzt ergibt sich ein noch interessanteres Bild,
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3:53 - 3:56denn jetzt ist einer der beiden Schimpansen gefüttert worden.
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3:56 - 3:58Einer der beiden ist also nicht länger interessiert
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3:58 - 4:01an dieser Aufgabe.
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4:01 - 4:04(Lachen)
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4:08 - 4:13(Lachen)
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4:19 - 4:22(Lachen)
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4:35 - 4:38Jetzt sehen Sie mal, was ganz am Ende passiert.
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4:41 - 4:43(Lachen)
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4:52 - 4:54Er nimmt quasi alles.
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4:54 - 4:57(Lachen)
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4:57 - 4:59Hier gibt es zwei interessante Elemente.
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4:59 - 5:01Zum einen ist sich der Schimpanse auf der rechten
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5:01 - 5:03deutlich bewusst, dass er einen Partner braucht –
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5:03 - 5:05er ist sich also des Bedürfnisses zur Kooperation voll bewusst.
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5:05 - 5:08Und zweitens ist der Partner bereit zur Arbeit,
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5:08 - 5:10obwohl er sich nicht für das Essen interessiert.
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5:10 - 5:13Wieso ist das so? Das hat wohl was mit Gegenseitigkeit zu tun.
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5:13 - 5:15Es gibt viele Hinweise bei Primaten und anderen Tieren,
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5:15 - 5:17dass sie Gefallen erwidern.
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5:17 - 5:19Er wird also irgendwann in der Zukunft
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5:19 - 5:21diesen Gefallen erwidert bekommen.
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5:21 - 5:23Und so funktioniert das alles.
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5:23 - 5:25Dieselbe Aufgabe bekommen Elefanten.
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5:25 - 5:28Es ist sehr gefährlich, mit Elefanten zu arbeiten.
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5:28 - 5:30Außerdem haben wir bei Elefanten das Problem,
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5:30 - 5:32dass man keine Konstruktion bauen kann,
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5:32 - 5:34die zu schwer für einen einzelnen Elefanten wäre.
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5:34 - 5:36Wahrscheinlich kann man eine herstellen,
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5:36 - 5:38aber das wäre dann eine ziemlich wackelige Konstruktion.
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5:38 - 5:40Wir lösten unser Problem so –
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5:40 - 5:43diese Untersuchungen finden in Thailand mit Josh Plotnik statt –
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5:43 - 5:46wir haben also eine Konstruktion, um die ein einzelnes Seil befestigt ist.
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5:46 - 5:48Und wenn man an einer Seite des Seils zieht,
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5:48 - 5:50verschwindet es auf der anderen Seite.
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5:50 - 5:53Zwei Elefanten müssen es also zur selben Zeit aufheben und ziehen.
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5:53 - 5:55Sonst passiert nichts
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5:55 - 5:57und das Seil verschwindet.
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5:57 - 5:59Im ersten Video sehen Sie,
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5:59 - 6:01wie zwei Elefanten zusammen in das Szenario gebracht werden
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6:01 - 6:03und nun an der Konstruktion ankommen.
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6:03 - 6:06Die Konstruktion ist zur linken und enthält Futter.
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6:06 - 6:09Sie kommen also zusammen an,
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6:09 - 6:11heben das Seil zusammen auf und ziehen zusammen daran.
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6:11 - 6:14Das ist eine ziemlich einfache Aufgabe für sie.
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6:15 - 6:17Hier sind sie.
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6:24 - 6:26Und so holen sie sich ihr Futter.
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6:26 - 6:28Aber jetzt machen wir es schwerer.
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6:28 - 6:30Denn in diesem Experiment wollen wir verstehen,
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6:30 - 6:32wie gut sie das Prinzip der Kooperation verstehen.
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6:32 - 6:35Verstehen sie es so gut wie zum Beispiel Schimpansen?
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6:35 - 6:37Und so lassen wir im nächsten Schritt
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6:37 - 6:39einen Elefanten vor dem anderen in das Szenario
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6:39 - 6:41und dieser Elefant muss clever genug sein,
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6:41 - 6:43innezuhalten und nicht am Seil zu ziehen –
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6:43 - 6:46denn wenn er am Seil zieht, verschwindet es und der Test ist vorbei.
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6:46 - 6:48Dieser Elefant macht jetzt etwas Unerlaubtes,
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6:48 - 6:50das wir ihm nicht beigebracht hatten.
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6:50 - 6:52Aber es zeigt, was für ein Verständnis er aufbringt,
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6:52 - 6:55denn er stellt seinen riesigen Fuß auf das Seil,
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6:55 - 6:57steht auf dem Seil und wartet so auf den anderen,
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6:57 - 7:00und dann muss der andere alle Arbeit für ihn verrichten.
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7:00 - 7:03Das nennt man schmarotzen.
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7:03 - 7:05(Lachen)
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7:05 - 7:08Aber es zeigt deutlich die Intelligenz der Elefanten.
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7:08 - 7:11Sie entwickeln einige dieser alternativen Techniken,
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7:11 - 7:14die wir nicht unbedingt gutheißen.
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7:14 - 7:19Der andere Elefant kommt nun also her
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7:19 - 7:22und wird das Futter heranziehen.
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7:38 - 7:41Jetzt schauen Sie sich den anderen an. Das Essen vergisst er natürlich nicht.
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7:41 - 7:45(Lachen)
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7:45 - 7:47Das war der Teil über Kooperation und Gegenseitigkeit.
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7:47 - 7:49Jetzt kommen wir zum Einfühlungsvermögen.
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7:49 - 7:51Zur Zeit ist Einfühlungsvermögen mein Hauptforschungsfeld.
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7:51 - 7:53Und es hat zwei Merkmale.
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7:53 - 7:56Eine Komponente davon ist das Verständnis. Hier eine Standard-Definition:
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7:56 - 7:58"Die Fähigkeit, die Gefühle des anderen zu verstehen und zu teilen."
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7:58 - 8:00Und die emotionale Komponente.
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8:00 - 8:02Einfühlungsvermögen verläuft quasi auf zwei Kanälen.
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8:02 - 8:04Einer ist der Körper-Kanal.
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8:04 - 8:06Wenn man mit einer traurigen Person spricht,
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8:06 - 8:09wird man eine traurige Miene und Körperhaltung annehmen,
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8:09 - 8:11und ehe man sich's versieht, ist man selbst traurig.
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8:11 - 8:14Und das ist im Prinzip der Körper-Kanal des emotionalen
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8:14 - 8:16Einfühlungsvermögens vieler Tiere.
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8:16 - 8:18Auch die meisten Hunde haben dies.
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8:18 - 8:20Das ist sogar der Grund, aus dem Leute Säugetiere halten,
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8:20 - 8:22und nicht Schildkröten oder Schlangen oder ähnliche Tiere,
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8:22 - 8:24die über dieses Einfühlungsvermögen nicht verfügen.
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8:24 - 8:26Und dann gibt es den kognitiven Kanal,
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8:26 - 8:28in dem man eher die Perspektive des anderen einnehmen kann.
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8:28 - 8:30Und der ist wiederum beschränkter.
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8:30 - 8:32Es gibt wenige Tiere – Elefanten und Menschenaffen können es, glaube ich –
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8:32 - 8:35aber es gibt sehr wenige Tiere, die das tun können.
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8:35 - 8:37Synchronisierte Handlung,
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8:37 - 8:39die Teil des ganzen Empathie-Mechanismus ist,
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8:39 - 8:41ist also im Tierreich schon sehr alt.
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8:41 - 8:43Und bei Menschen können wir das zum Beispiel sehen,
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8:43 - 8:45wenn Gähnen ansteckend wirkt.
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8:45 - 8:47Menschen gähnen, wenn andere gähnen.
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8:47 - 8:49Und das hat etwas mit Einfühlungsvermögen zu tun.
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8:49 - 8:51Dieselben Gehirnbereiche werden aktiviert.
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8:51 - 8:53Wir wissen auch, dass Leute, die sehr leicht vom Gähnen angesteckt werden,
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8:53 - 8:55hoch empathisch sind.
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8:55 - 8:57Leute mit Problemen beim Einfühlungsvermögen, wie etwa autistische Kinder,
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8:57 - 8:59werden nicht vom Gähnen angesteckt.
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8:59 - 9:01Da besteht also eine Verbindung.
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9:01 - 9:04Bei unsere Schimpansen können wir das mit einem animierten Kopf studieren.
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9:04 - 9:06Hier oben links sehen Sie also
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9:06 - 9:08einen animierten Kopf, der gähnt.
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9:08 - 9:10Und ein Schimpanse schaut zu,
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9:10 - 9:13ein echter Schimpanse schaut auf einen Computerbildschirm,
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9:13 - 9:16auf dem wir diese Animationen abspielen.
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9:20 - 9:22(Lachen)
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9:22 - 9:24Den ansteckenden Charakter von Gähnen,
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9:24 - 9:26der Ihnen wahrscheinlich allen bekannt ist –
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9:26 - 9:29wahrscheinlich beginnen Sie bald selbst zu gähnen –
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9:29 - 9:32ist also etwas, das wir mit anderen Tieren teilen.
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9:32 - 9:35Und das liegt an diesem ganzen Körper-Kanal der Synchronisation,
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9:35 - 9:37der dem Einfühlungsvermögen zugrunde liegt,
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9:37 - 9:40und der im Prinzip allen Säugetieren gemein ist.
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9:40 - 9:43Jetzt untersuchen wir also komplexere Ausdrücke. Hier ist Trost.
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9:43 - 9:46Wir sehen ein Schimpansenmännchen, das einen Kampf verloren hat und schreit.
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9:46 - 9:48Ein Jungtier kommt an und umarmt
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9:48 - 9:50und beruhigt es.
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9:50 - 9:53Das ist Trost. Es ist dem menschlichen Trost sehr ähnlich.
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9:53 - 9:56Und tröstendes Verhalten
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9:56 - 9:58liegt in Empathie begründet.
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9:58 - 10:01Wenn wir Einfühlungsvermögen bei Kindern untersuchen wollen,
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10:01 - 10:03dann bitten wir ein Familienmitglied, unglücklich zu wirken,
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10:03 - 10:05und warten auf die Reaktion kleiner Kinder.
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10:05 - 10:07Das ist also dem Einfühlungsvermögen ähnlich,
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10:07 - 10:10und um diese Art Körpersprache geht es uns.
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10:10 - 10:13Vor einer Weile veröffentlichten wir ein Ihnen vielleicht bekanntes Experiment.
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10:13 - 10:16Es geht um Altruismus und Schimpansen,
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10:16 - 10:18und die Frage ist, sorgen sich Schimpansen
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10:18 - 10:20um das Wohlergehen von anderen?
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10:20 - 10:22Und zwei Jahrzehnte lang wurde angenommen,
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10:22 - 10:24dass nur Menschen so etwas tun können,
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10:24 - 10:27dass nur Menschen sich um das Wohlergehen anderer sorgen.
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10:27 - 10:29Wir haben hier ein sehr einfaches Experiment vorgenommen.
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10:29 - 10:32Es wurde mit Schimpansen in Lawrenceville durchgeführt,
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10:32 - 10:34dort ist die Feldstation von Yerkes.
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10:34 - 10:36Und so leben sie dort.
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10:36 - 10:39Und wir locken sie in einen Raum und machen Experimente mit ihnen.
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10:39 - 10:41In diesem Fall postierten wir zwei Schimpansen nebeneinander,
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10:41 - 10:44einer hat einen Eimer voller Marken mit verschiedenen Bedeutungen.
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10:44 - 10:47Eine der Marken gibt nur dem Wählenden Futter,
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10:47 - 10:49die andere führt zu Futter für beide.
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10:49 - 10:52Diese Untersuchung führten wir mit Vicky Horner durch.
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10:53 - 10:55Und hier sind die beiden farbigen Marken.
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10:55 - 10:57Es gibt also einen ganzen Eimer voll.
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10:57 - 11:00Und sie müssen eine der beiden Farben wählen.
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11:00 - 11:03Sie werden sehen, wie das ausgeht.
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11:03 - 11:06Also wenn dieser Schimpanse eine egoistische Wahl trifft,
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11:06 - 11:09was in diesem Fall die rote Marke ist...
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11:09 - 11:11Er muss uns die Marke geben.
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11:11 - 11:14Wir nehmen die Marke, legen sie auf einen Tisch mit zwei essbaren Belohnungen,
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11:14 - 11:17aber in diesem Fall bekommt nur der rechte Affe Futter.
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11:17 - 11:19Die Schimpansin links geht weg, weil sie bereits weiß,
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11:19 - 11:22dass der Test nicht gut für sie ausgegangen ist.
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11:22 - 11:24Die nächste Marke ist die pro-soziale Marke.
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11:24 - 11:27Der auswählende Affe – das ist hier der interessante Teil –
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11:27 - 11:29für den auswählenden Affen ist
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11:29 - 11:31die Wahl der Marke eigentlich egal.
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11:31 - 11:34Sie gibt uns also die pro-soziale Marke und beide Schimpansen bekommen Futter.
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11:34 - 11:37Der auswählende Affe wird also immer belohnt.
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11:37 - 11:39Es ist also egal, was gewählt wird.
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11:39 - 11:41Sie sollte sozusagen einfach blind wählen.
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11:41 - 11:43Aber wir haben herausgefunden,
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11:43 - 11:45dass sie die pro-soziale Marke bevorzugen.
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11:45 - 11:48Das hier sind die 50 Prozent, die bei willkürlicher Wahl erwartet werden.
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11:48 - 11:51Und besonders wenn der Partner Aufmerksamkeit erregt, wählen sie mehr.
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11:51 - 11:54Und wenn der Partner Druck ausübt,
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11:54 - 11:57also zum Beispiel wenn er Wasser spuckt und einschüchtern will,
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11:57 - 12:00dann geht die Wahl runter.
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12:00 - 12:02So als würden sie sagen:
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12:02 - 12:04"Wenn du dich nicht benimmst, bin ich heute nicht pro-sozial."
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12:04 - 12:06Und das passiert ohne einen Partner,
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12:06 - 12:08wenn kein Partner da sitzt.
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12:08 - 12:10Also haben wir herausgefunden, dass Schimpansen
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12:10 - 12:12sich um das Wohlergehen anderer sorgen –
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12:12 - 12:15besonders wenn es um Mitglieder ihrer Gruppe geht.
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12:15 - 12:18Das endgültige Experiment, das ich erwähnen möchte,
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12:18 - 12:20ist unsere Fairness-Studie.
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12:20 - 12:23Sie wurde ziemlich berühmt.
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12:23 - 12:25Und jetzt gibt es noch viel mehr,
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12:25 - 12:27denn nachdem wir sie vor zehn Jahren durchführten,
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12:27 - 12:29wurde sie wohlbekannt.
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12:29 - 12:31Ursprünglich wurde sie mit Kapuzineräffchen durchgeführt.
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12:31 - 12:34Und hier zeige ich Ihnen das erste Experiment von damals.
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12:34 - 12:37Jetzt ist es auch mit Hunden und Vögeln
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12:37 - 12:39und Schimpansen durchgeführt worden.
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12:39 - 12:43Aber mit Sarah Brosnan führten wir sie mit Kapuzineräffchen durch.
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12:43 - 12:45Wir postierten damals also
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12:45 - 12:47zwei Kapuzineräffchen nebeneinander.
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12:47 - 12:49Diese Tiere leben zusammen in einer Gruppe und kennen sich.
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12:49 - 12:52Wir nehmen sie aus der Gruppe heraus und sie kommen in eine Testkammer.
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12:52 - 12:54Dort gibt es eine sehr einfache Aufgabe,
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12:54 - 12:56die sie verrichten müssen.
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12:56 - 12:59Wenn man beiden ein Stück Gurke für die Aufgabe gibt,
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12:59 - 13:01den beiden Äffchen nebeneinander,
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13:01 - 13:03dann tun sie das gern 25-mal hintereinander.
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13:03 - 13:07Also Gurke, die ist zwar meiner Meinung nach nur Wasser,
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13:07 - 13:10aber sie finden Gurke völlig in Ordnung.
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13:10 - 13:13Wenn man dem Partner aber Weintrauben gibt –
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13:13 - 13:15die kulinarischen Vorlieben meiner Kapuzineräffchen
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13:15 - 13:18sind proportional zu den Supermarktpreisen –
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13:18 - 13:21wenn man ihnen also Weintrauben gibt, ein weitaus besseres Essen,
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13:21 - 13:24dann wird Ungleichheit zwischen beiden hergestellt.
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13:24 - 13:26Dieses Experiment führten wir also durch.
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13:26 - 13:29Vor einer Weile nahmen wir es mit neuen Äffchen auf, die die Aufgabe nicht kannten,
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13:29 - 13:31wir dachten, sie würden vielleicht stärker reagieren,
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13:31 - 13:33und das war auch so.
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13:33 - 13:35Der Affe links ist der mit der Gurke als Belohnung.
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13:35 - 13:38Der Affe rechts bekommt die Trauben.
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13:38 - 13:40Beachten Sie bei dem Affen mit der Gurke,
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13:40 - 13:42dass das erste Stück Gurke vollkommen akzeptabel ist.
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13:42 - 13:45Sie isst das erste Stück.
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13:45 - 13:48Dann sieht sie, dass der andere eine Weintraube bekommt, und sehen Sie genau hin.
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13:48 - 13:51Sie gibt uns ein Steinchen. Das ist die Aufgabe.
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13:51 - 13:54Und wir geben ihr ein Stück Gurke und sie isst es.
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13:54 - 13:57Das andere Äffchen muss uns auch ein Steinchen geben.
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13:57 - 14:00Und jetzt macht sie das.
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14:00 - 14:03Sie bekommt die Weintraube und isst sie.
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14:03 - 14:05Die andere sieht das.
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14:05 - 14:07Jetzt gibt sie uns ein Steinchen,
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14:07 - 14:10und bekommt wieder Gurke.
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14:12 - 14:27(Lachen)
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14:27 - 14:30Sie probiert das Steinchen nun an der Wand aus.
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14:30 - 14:32Sie muss es uns geben.
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14:32 - 14:35Und sie bekommt wieder Gurke.
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14:37 - 14:41(Lachen)
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14:43 - 14:47Hier sehen Sie im Prinzip einen Wall-Street-Protest.
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14:47 - 14:50(Lachen)
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14:50 - 14:53(Beifall)
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14:53 - 14:55Ich möchte Ihnen –
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14:55 - 14:57ich habe noch zwei Minuten und eine Anekdote.
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14:57 - 14:59Diese Studie wurde sehr berühmt,
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14:59 - 15:01und wir bekamen viele Zuschriften,
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15:01 - 15:03besonders von Anthropologen, Ökonomen,
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15:03 - 15:05Philosophen.
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15:05 - 15:07Sie mochten das überhaupt nicht.
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15:07 - 15:10Denn sie hatten wohl für sich selbst beschlossen,
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15:10 - 15:12dass Fairness eine sehr komplexe Geschichte ist,
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15:12 - 15:14und sie in Tieren nicht existiert.
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15:14 - 15:16Ein Philosoph schrieb uns sogar,
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15:16 - 15:19dass es unmöglich war, dass Äffchen einen Sinn für Fairness hätten,
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15:19 - 15:22denn Fairness wurde in der französischen Revolution erfunden.
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15:22 - 15:24(Lachen)
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15:24 - 15:27Ein weiterer schrieb ein ganzes Kapitel darüber,
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15:27 - 15:31wie er glauben würde, dass es mit Fairness zu tun hätte,
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15:31 - 15:33wenn das Äffchen mit den Weintrauben diese verweigern würde.
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15:33 - 15:35Aber das Lustige bei Sarah Brosnan war,
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15:35 - 15:37sie hatte das ja mit Schimpansen gemacht,
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15:37 - 15:39und sie hatte ein paar Paarungen von Schimpansen,
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15:39 - 15:42wo tatsächlich der mit der Weintraube diese verweigern würde,
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15:42 - 15:44bis der andere auch eine Weintraube bekam.
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15:44 - 15:47Wir kommen also sehr nah an das menschliche Verständnis von Fairness heran.
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15:47 - 15:51Und ich denke, Philosophen müssen ihre Philosophie mal überdenken.
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15:51 - 15:53Ich fasse zusammen.
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15:53 - 15:55Ich glaube, es gibt eine entwickelte Moral.
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15:55 - 15:57Ich glaube, Moral ist viel mehr als das, worüber ich gesprochen habe,
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15:57 - 16:00doch ohne diese Zutaten, die wir in anderen Primaten finden,
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16:00 - 16:02wäre sie unmöglich,
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16:02 - 16:04also Einfühlungsvermögen und Trost,
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16:04 - 16:07pro-soziale Tendenzen und Gegenseitigkeit und ein Gerechtigkeitssinn.
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16:07 - 16:10Und so arbeiten wir an diesen Umständen
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16:10 - 16:13um herauszufinden, ob wir eine Moral von der Pike auf neu erschaffen können,
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16:13 - 16:15ohne dass zwingend Gott und Religion darin verwickelt sind,
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16:15 - 16:18und um herauszufinden, wie wir zu einer entwickelten Moral gelangen können.
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16:18 - 16:21Und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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16:21 - 16:30(Beifall)
- Title:
- Frans de Waal: Moralisches Verhalten bei Tieren
- Speaker:
- Frans de Waal
- Description:
-
Mitgefühl, Kooperation, Fairness und Reziprozität – sich um das Wohlergehen anderer zu sorgen scheint eine sehr menschliche Eigenschaft zu sein. Aber Frans de Waal zeigt einige überraschende Videos von Verhaltenstests mit Primaten und anderen Säugetieren, die zeigen, wie viele dieser Eigenschaften wir mit ihnen teilen.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 16:31
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Judith Matz approved German subtitles for Moral behavior in animals | |
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Judith Matz commented on German subtitles for Moral behavior in animals | |
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Jeannette Sofer accepted German subtitles for Moral behavior in animals | |
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Jeannette Sofer commented on German subtitles for Moral behavior in animals | |
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Jeannette Sofer edited German subtitles for Moral behavior in animals | |
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Judith Matz edited German subtitles for Moral behavior in animals | |
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Judith Matz edited German subtitles for Moral behavior in animals | |
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