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35C3 Vorspannmusik
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Herald-Engel: Ja es ist mir eine riesige
Freude, heute hier auf dem 35C3 einen Talk
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mit dem Titel "Archäologische Studien im
Datenmüll" vorzustellen. Er wird gehalten
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von Katharina Nocun - sie ist Bloggerin,
Autorin, aber eigentlich kennt man sie
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auch als Datenschutzaktivistin - und der
wunderbaren Letty. Also einen warmen
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Applaus und viel Spaß bei diesem
spannenden Thema.
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Applaus
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Letty: Ja danke, Pupe. Es ist schön, dass
sich alle Haralde zum Horst machen mit dem
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Französisch. Wir würden zu Beginn mal 'ne
Frage stellen - zwei Fragen stellen und
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zwar die erste ist: Wie viel Personen
haben hier die Weihnachtsgeschenke bei
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Amazon gekauft?
Katharina Nocun: Hola! Lachen
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L: Ups! Lachen Okay ich würde mal grob
sagen die Hälfte. Lasst mal bitte eure
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Arme oben, denn es geht weiter: Wer von
euch hat nur die Recherche bei Amazon
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gemacht und danach woanders gekauft?
Kommen da noch welche hinzu? Ne, die die
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gekauft haben bitte oben lassen, das wär
super. Okay es sieht so - okay wer nicht
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bei Amazon kauft, recherchiert auch nicht
scheinbar. Okay. Oder es gab wenige, die
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dazugekommen sind.
K: Also ich würd sagen das ist deutlich
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mehr als 50 %.
L: Ja? Man sieht das nicht.
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K: Ja, aber diejenigen, die eben
aufgezeigt haben, die werden mir sicher
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zustimmen, wenn ich sage, das ist ziemlich
bequem, wenn nicht sogar verdammt bequem,
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alles bei einem Anbieter zu suchen oder
auch bestellen zu können. Und man stellt
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sich das in der Theorie ja auch so sehr
komfortabel vor. Ich weiß nicht, wer bei
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DHL die Entscheidung getroffen hat, auf
Formel 1-Autos Werbung zu schalten. Ich
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finde der Mensch hat aber sehr viel Humor.
Lachen
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K: Denn in der Realität sieht es ja ein
bisschen anders aus, ne? Also so richtig gut
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bezahlte Fahrer und schnelle Lieferung,
die gibt's in der Praxis eher selten und
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bei Amazon würde ich sagen gar nicht. Und
der ein oder andere kennt's vielleicht,
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dass da ein Paket abgegeben wurde oder
zugestellt wurde, ist noch kein - ist noch
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lange keine Garantie dafür, dass es
wirklich da ist, wo man's hin haben will.
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Also hier so ein Best of für alle, die es
noch nicht gelesen haben auf der Folie -
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gesehen beim Tagesspiegel - Zitat: "Habe
das Paket im Müll versteckt - im blauen
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Papiercontainer".
L: What could possibly go wrong?
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K: Ja und da kommt ja richtig Freude auf
wenn man das liest und man denkt sich: "Ja
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wie können wir dieses Problem lösen?"
Natürlich hat Amazon da ein Produkt für -
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zumindest für seine US-Kunden. In den USA
kann man sich als Prime-Kunde entscheiden,
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ich nutze jetzt Amazon Key. Amazon Key -
ähm ja - kontrolliert dann quasi - ist ein
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intelligentes Schließsystem für die
Haustür, gibts auch fürs Auto, und dann
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kann man beispielsweise sagen, ja also dem
Amazon Paketdienst dem vertraue ich
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grundsätzlich - der kann die Pakete auch
innerhalb meines Hausflurs abstellen und
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der kann auch die Tür aufschließen.
Passend dazu gibt's auch ein
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Videoüberwachungssystem, wo man dann
kontrollieren kann beispielsweise wann die
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Kinder betrunken nachts nach Hause kommen.
Und ich weiß nicht wie es euch geht, aber
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ich finde das verdammt creepy. Ich würde
das niemals machen, denn ich denke mir, na
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ja ich will mir genau überlegen, wem ich
Einblick in meine Wohnung geben will. Aber
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als Datenschützerin habe ich mich gefragt,
ist nicht der Einblick den Amazon in unser
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Leben bekommt durch unser Klickverhalten
nicht viel intimer, als so ein harmloser
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Blick in den Hausflur? Weil wer bei mir in
die Wohnung guckt, der weiß vielleicht wie
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ich lebe, ja? Aber wer mein
Onlineverhalten kennt - wer weiß, wann ich
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wo wie klicke, der kann sich vielleicht
denken, wie ich denke - und das ist viel
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intimer. Ich hab mich daher im letzten
Jahr oder vorletzten Jahr, genauer gesagt
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im Jahr 2016, dazu entschieden, ein
Experiment zu machen: Ich wollte wissen,
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was speichert Amazon eigentlich über seine
Nutzer und im Zuge dessen habe ich dann
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auch angefangen alle meine
Weihnachtsgeschenke und sonstigen
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Geschenke bei Amazon zu bestellen und auch
alles dort zu recherchieren, um einen
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möglichst fetten Datensatz zu generieren.
Und mein Ziel war natürlich von Anfang an:
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Ich möchte an diese Daten ran. Ich möchte
sie sezieren. Ich möchte Sie sehen. Ich
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möchte wissen was genau Amazon über seine
Kunden speichert. Denn ich weiß nicht ob
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ihr es wusstet, aber nach Artikel 15 der
Datenschutz-Grundverordnung hat jeder
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Nutzer in ganz Europa das Recht jederzeit
zu seinem Anbieter zu gehen und zu sagen:
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"Hey ich möchte eine kostenlose Kopie
meiner Daten haben" und der Anbieter muss
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dann liefern. In der Praxis macht das aber
kaum jemand. Und bei Amazon hat das soweit
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ich wusste noch nie jemand so richtig
durchgezogen, dass da was Verwertbares
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rausgekommen ist. Also habe ich mich
entschlossen, ich gehe auf die
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Datenpirsch. Was hab ich also gemacht? Ich
habe ganz viel eingekauft. Was hab ich
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denn eingekauft? Ich hab fast 60 Bücher
innerhalb von 14 Monaten gekauft und falls
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ihr euch jetzt fragt - ja ich hab
tatsächlich mittlerweile mindestens 50
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Prozent davon auch gelesen. Ich habe...
Applaus
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K: ...Ich hab außerdem aber auch so
praktische Sachen bestellt wie
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beispielsweise Sprühkreide für eine
Protestaktion und eine Button-Maschine. In
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meinem Kaufprofil hat sich dann aber auch
so komischer Kram angesammelt, wie
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beispielsweise das
Lavendeleinschlafkissenspray. Der eine
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oder andere kennt es vielleicht aus dem
Radisson Blu am CCH. Was leider nicht auf
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dem Bild zu sehen ist, ist der
Hometrainer, den ich mir gekauft habe. Der
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war so erfolgreich, dass ich ihn nach drei
Monaten wieder weiterverkauft hab. Ich
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habe mir aber auch sinnvolle Sachen
gekauft, wie beispielsweise 'ne Maus,
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einen Ordner oder auch Schnürsenkel und
bin auch durch Amazon Besitzerin der
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schönsten Hausschuhe auf diesem Planeten.
Im August 2017 habe ich mir dann gedacht,
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so jetzt ist der Datensatz schön fett
angefüttert mit Klicks und Käufen. Jetzt
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frage ich mal meine Daten ab. Und das war
leider - muss ich sagen - der Beginn einer
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langen und intensiven Brieffreundschaft
mit der Datenschutzabteilung. Und zunächst
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habe ich nicht das bekommen, was ich haben
wollte. Ich habe dann aber immer weiter
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nachgefragt und irgendwann haben sie
angefangen mir CD-ROMs zuzuschicken.
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Lachen
K: Ja, musst' ich erstmal im Keller
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gucken, wie man denn so antike Datenträger
auslesen kann und auf der ersten CD fand
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sich leider auch nur das, was ich erwartet
hatte: Eine Kopie meiner Profildaten, die
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auch online einsehbar sind, plus ein paar
Zusatzinformationen - also nicht das was
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ich eigentlich wollte. Ich hab dann weiter
Stress gemacht, habe dann irgendwann 'ne
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zweite CD-ROM zugeschickt bekommen.
Eigentlich habe ich drei zugeschickt
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bekommen - die andere ist in der Post
verschwunden.
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L: In der Mülltonne.
K: Wahrscheinlich. Ja und dann habe ich
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auf dieser letzten CD mal geguckt was ist
denn da drauf? Und da waren so Sachen drauf
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wie ein PDF, wo ich sehen konnte, was für
Suchanfragen ich getätigt habe. Ich konnte
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sehen, auf welche Werbe-E-Mails ich wann
reagiert hab - auf die Sekunde genau. Und
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ich konnte sehen, auf welche Werbeanzeigen
ich reagiert habe. Das Interessante war
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allerdings so eine Excel-Tabelle und diese
Excel-Tabelle trug den unschuldigen Namen
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"Clickstream". Die habe ich mal aufgemacht
und das hat erst mal eine ganze Zeit lang
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zum Laden gebraucht. Und irgendwann habe
ich dann gesehen - okay diese Excel-
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Tabelle hat 15.365 Zeilen und jede Zeile
hat bis zu 50 Zusatzangaben, also 50
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Spalten. Ich war gestern mal im
Supermarkt, um das zu visualisieren. So
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viel Papier wär das, wenn das ausgedruckt
wär. Mein eigentliches Ziel war es, auf
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einen Stapel zu packen das wäre dann
größer als ich mit meinen 1,70m.
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Allerdings haben wir das aus
Sicherheitsgründen sein lassen, denn das
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wäre zusammengekracht.
L: Ja und als Katha mich gefragt hat, ob
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ich ihre Daten auswerten will, dachte ich
als Erstes an meine Datenbankenvorlesung -
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so Beziehung zwischen Kunden und
Lieferanten und was kauft man. Aber der
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Clickstream von Amazon sind nicht nur die
Käufe. Denn eigentlich wird alles
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abgespeichert, was wir mit der Seite
machen. Es ist egal ob wir nur auf die
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Startseite gehen, ob wir Produkte suchen
oder ob wir uns ein Produkt genau
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anschauen. Es wird sogar gespeichert, wenn
wir uns ein Bild vergrößern und natürlich
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auch jede Interaktion, die wir haben, wenn
wir auf unserem Nutzerkonto sind. Und weil
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wir hier ja einen Foundationstalk machen,
habe ich mir gedacht, ich will euch auch
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ein bisschen mitnehmen in die Reise in die
Daten, die unbekannt sind und wie man
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eigentlich mit so einem unbekannten
Datensatz vorgehen kann, ihn explorativ
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analysieren kann, um zu wissen, was steckt
überhaupt in diesen Daten drin? Was kann
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man vielleicht mit den Daten sehen? Also
wie schon gesagt, wir haben 50 Spalten
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oder auch Dimensionen genannt, und da ich
die nicht alle hier auflisten kann, habe
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ich versucht, 'ne grobe Zuordnung zu
Gruppen zu finden. Wir haben als erstes
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natürlich 'ne Zeitangabe, ganz klar. Wir
haben Account-Details, sowas wie seid ihr
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Prime-Kunde oder Business-Kunde, und 'nen
Ortsbezug. Amazon speichert die IP-Adresse
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nicht vollständig - der letzte Block ist
weggestrichen. Aber was sie außerdem
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speichern ist, in welchem Land, in welchem
Bundesland und welcher Internet-Service-
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Provider, also der Internetanbieter, den
ihr da genutzt habt, um die Seite zu
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besuchen. Außerdem wird natürlich die URL
gespeichert, die ihr da besucht habt und
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wenn es auch noch ein Produkt ist, wird
dazu die Produkt-ID auch abgespeichert.
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Achso, hm, oh jetzt habe ich die
Sessiondetails vergessen. Ja, die Session-
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Details sind so alles, was so im Cookie
auch landet, damit man einfach sieht in
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welcher Session man sich gerade befindet.
Und es gibt noch eine ID, die euch über
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alle Dienste von Amazon hinweg
identifizieren kann. Und bei den
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Navigationsdetails ist es eigentlich schon
ein bisschen klar, wo es hingeht. Amazon
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sieht, von wo ihr kommt, wo ihr gerade
seid und wo geht ihr dann hin. Dieser
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gesamte Verlauf wird einmal abgespeichert
- und nicht nur der Verlauf, sondern auch
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was habt ihr da gemacht, welche
Interaktionen habt ihr gemacht, habt ihr
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etwas in den Warenkorb hinzugefügt, habt
ihr euch ein Bild angeschaut oder habt ihr
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etwas für später gespeichert? Als letztes
kann man so einen Block sehen, das heißt
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Amazoninterna. Wir sehen, an welchen Web-
Server die Anfrage gestellt wurde und ob
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die Anfrage eine interne IP-Adresse bei
Amazon hat. Ihr bekommt von Amazon
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außerdem eine lange Liste mit all diesen
Dimensionen und die Erläuterung dazu, was
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sich dahinter verbirgt. Manchmal speichert
Amazon aber nicht den Klartext, sondern
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codiert etwas was z.B. wie: Null bedeutet,
ihr habt was in den Warenkorb gelegt.
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Denkt man erst mal: Super hat man nicht so
viel zu parsen. Dann hab ich aber
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festgestellt, als ich mir die Daten
genauer angeschaut habe, so Amazon erzählt
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aber nicht, was sie alles codiert oder was
sie codieren. Manche Felder sind uns
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schlicht unbekannt.
K: Ja, sagen wir mal so: Die
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Brieffreundschaft dauert noch an.
L: Ich hoffe auch, wir werden darauf noch
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nochmal Antwort bekommen. Wenn wir jetzt
also den Datensatz mit den 50 Spalten
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vorstellen, haben wir irgendwie über
15.000 Einträge. Ich hab mal 2
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herausgenommen, um einfach nur
exemplarisch zu zeigen, wie sind die
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überhaupt aufgebaut. Also wir haben Datum,
wir haben 'ne Aktion, die wir machen,
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sowas wie 'gesucht' oder 'gekauft', und dann
haben wir dazu die URL, aus welchem
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Bundesland vielleicht das Ganze abgesetzt
wurde, welcher Internet-Provider da
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dahinter steckt und wie lang die Ladezeit
war. Das haben wir natürlich nicht nur für
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diese 2 Einträge, sondern wie gesagt für
über 15.000. Welchen Zeitraum betrachten
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wir hier eigentlich in den Daten? Es geht
los am 1. August 2016 und es endet am
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31. August 2017. Das sind dann etwa 196 Tage,
die mit Interaktionen behaftet sind und
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das wären dann sozusagen 78 Einträge pro
Tag. Wenn ich mit so 'nem unbekannten
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Datensatz arbeite, dann arbeite ich
eigentlich immer mit Python und dem Pandas
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Package, was sich so für Datenanalyse
einfach als Standard durchgesetzt hat. Und
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egal was mir Amazon sagt, was in den Daten
sind, ich schaue mir die Dimensionen immer
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nochmal ganz genau an. Das heißt welche
Dimension habe ich und wie häufig wurde
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sie benutzt? Es gibt extrem viele, die
immer benutzt werden - sowas wie Datum und
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Uhrzeit. Die Angabe gibt es immer, aber es
gibt auch Dimensionen, die einfach nicht
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so häufig genutzt werden, und wir haben
auch eine Dimension bekommen, die wurde
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nie genutzt - irgendwas über Bilder. Keine
Ahnung was da drin ist. Ich hab mir dann
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jede Dimension wirklich einzeln angeguckt,
was da drin steht und wie häufig das
-
passiert. Und bin über die Zeit gestoßen,
die wirklich eine sekundengenaue Angabe
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sein soll, was man auf Amazon macht. Und
ich weiß nicht, wie man es hinbekommt, in
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einer Sekunde irgendwie 45 Einträge zu
generieren, aber ich dachte mir, okay, ich
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nehme erst mal noch eine andere Spalte und
schaue mal was da noch drin steht ist -
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vielleicht ist das ja ein Ausreißer oder
es sind mehrere Ausreißer - weiß man ja
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nicht. Dann hab ich mir so einen Tag
genauer angeguckt. Also man kann auch die
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Zeitangabe nur für einen Tag nehmen. Das
ist irgendwie so eine relative
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Gleichverteilung. Und dann hat man da so 3
Ausreißer - die sind irgendwie wahnsinnig
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verdächtig, weil die stark abweichen von
den anderen und es gibt sogar einen der
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irgendwie 710 Einträge beinhaltet aber ich
weiß ja nicht, wie intensiv Katha Amazon
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genutzt hat in der Zeit von morgens bis
abends - auf jeden Fall sportlich. Dann
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habe ich mir den Tag aber wirklich mal
ganz genau angeschaut. Wir haben 710
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Einträge. Dann hab ich mal geguckt, was
ist denn für eine Zeitspanne die wir
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haben? 20 Minuten und 35 Sekunden. Das
heißt für einen Eintrag würde Katha 1,74
-
Sekunden brauchen. Das Ganze würde dann
wahrscheinlich so aussehen.
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Lachen
K: Ja und wenn ich das schaffe, spätestens
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an der Stelle sollte ich meine Karriere
als Progamer überdenken.
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L: Ja. Ich bin daraufhin nochmal genauer
in die Daten eingestiegen und Pandas hat
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so 'nen value_counts, was das Histogramm
sozusagen darstellen würde -
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Häufigkeitsverteilung und die Funktion und
ich wir sind jetzt richtig dicke auf jeden
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Fall. Ich hab mir die wirklich komplett
nochmal angeschaut. Wo kommt das her? Mir
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ist aufgefallen, dass diese Aktion nicht
immer definiert ist, die wird nur so 4.600
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Mal überhaupt angegeben. Wo ich mir
dachte, okay, 'ne Interaktion - naja
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vielleicht kann man's nicht immer
klassifizieren und dann sind mir zwei
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andere Sachen noch aufgefallen: request
und lazy-load. Die zwei Sachen finde ich,
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hören sich nicht wie eine Interaktion an.
Und da ich Webentwicklerin halt auch bin,
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war mir so hm okay vielleicht wird da noch
etwas anderes in den Daten stecken. Und
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hab mir daraufhin die URLs mal genauer
angeschaut, die in den Daten stecken und
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spätestens bei Ajax, was 'ne
Webtechnologie ist, sagt mir mh
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Nutzerinteraktion? Schauen wir mal in den
Browser. Wie gesagt, ich bin
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Webentwicklerin, und so'n Browser verrät
'ne Menge über eine Webseite, wenn Fehler
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drin sind oder was für einen Traffic im
Netzwerkverkehr - äh im Netzwerk
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stattfindet. Und das hab ich auch mal für
Amazon gemacht und hab mir mal ein Spiel
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einfach ausgesucht und hab geguckt was
wird eigentlich so alles geladen, während
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man auf der Seite ist. Und ja, jede
Webseite lädt eine Menge Sachen nach. Und
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als es dann irgendwann mal fertig geladen
hat, dachte mir okay, und jetzt suche ich
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in dieser Auflistung nach den URLs, die
ich nicht zuordnen konnte. Und siehe da,
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es sind wirklich Sachen die einfach
nachgeladen werden. So etwas wie ein Prime
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Button oder Bilder und Rezensionen, was
für mich jetzt per se keine
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Nutzerinteraktion ist. Aber es landet
komplett in dem Clickstream drin. Wenn wir
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also die realen Nutzerinteraktionen suchen
von den über 15.000 Einträgen, dann hab
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ich eine Annahme getroffen: Eine
Nutzerinteraktion muss die Page Action
-
angegeben haben, ansonsten ist es keine.
So selektieren wir die erst mal als
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Erstes. Dann möchte ich auch nicht, dass
es ein request ist, weil das sieht auch
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aus wie keine Interaktion und es darf auch
kein lazy-load sein. Wenn wir diesen
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gesamten Wust nehmen und einfach mal aus
den Daten rauswerfen, dann haben wir 75 %
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der Daten einfach mal weggeworfen haben
nur noch 3.747 Einträge übrig, die reale
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oder die ich als Annahme als reale
Nutzerinteraktion sehe. Ich weiß nicht,
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wie viele von euch auf GitHub unterwegs
sind, aber ich liebe den Graph, der so ein
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bisschen die Aktivität zeigt, die man auf
GitHub hat. Das Gleiche könnte man auch
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für Amazon machen. Und ich weiß nicht, ob
ich darüber so glücklich wäre bei mir.
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Jedenfalls steht jedes Kästchen für eine
Interaktion und die extrem dunklen lilanen
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Kästchen zeigen bis zu 180 Interaktionen,
die man mal am Tag getätigt hat
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K: Beispielsweise vor Weihnachten.
L: Genau - sieht man besonders gut. Aber
-
das heißt ja auch noch nicht, dass jede
Interaktion wirklich zu einem Kauf
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überleitet. Und ich hab mal versucht
herauszufinden, wie Amazon überhaupt
-
klassifiziert, ob man etwas kauft. Und ich
dachte mir, hey, Page Action, du bist ja
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eine gute Idee anzugucken und Amazon wird
doch mit Sicherheit ordentliche, gepflegte
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Daten haben und sowas wie ein "Order" drin
stehen haben oder 'nen "Purchase" - nix
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da. Amazon hat aus irgendwelchen Gründen
'ne Horde an Einträgen, die man per Hand
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herausfinden muss aus seinem Datensatz.
Damit man überhaupt eine Idee davon
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bekommt, welche Interaktionen sind
wirklich Käufe und welche nicht. Ich habe
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auch nicht herausgefunden ob's hinter
dieser Nummerierung von "PlaceOrder"
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irgendeinen Zusammenhang gibt, wann die
auftreten, das ist nicht aus dem Datensatz
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ersichtlich gewesen. Wenn wir also mal die
Interaktion mit den Käufen vergleichen -
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leider sind die Kästchen ein bisschen hell
- von den 196 Tagen, an denen man
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interagiert hat, hat man am Ende nur an 24
Tagen gekauft. Also ist ein viel, viel
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geringerer Teil. Aber man sieht den
Dezember - da hat Katha auf jeden Fall
-
viermal hintereinander gekauft. Und in
ihren Daten habe ich außerdem gesehen,
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dass sie extrem interessiert an Büchern
ist und im Dezember einfach mal 32 Bücher
-
an 4 Tagen gekauft hat.
Lachen
-
L: Wir lassen das Thema mit den
Interaktionen und Käufen jetzt mal hinter
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uns und begeben uns auf die Orte, in denen
Katha war, als sie auf Amazon
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herumgebrowst ist. Als Erstes ist mir
aufgefallen, in Berlin ist sie am
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häufigsten im Internet auf Amazon. Okay,
vielleicht wohnt sie da. Dann hat man
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irgendwie Brandenburg und Schleswig-
Holstein noch ziemlich häufig. Weiß ich
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nicht, was der Bezug dazu ist, und dann
weniger häufig aber auch existent
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Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
K: Ja, ich lös mal auf. Ich wohne in
-
Berlin, das ist richtig, und um aus Berlin
rauszukommen muss man grundsätzlich erstmal
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immer durch Brandenburg durch. In der
Zeit, in der ich diesen Versuch gemacht
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habe, bin ich beruflich nach Schleswig-
Holstein gependelt. Das heißt man konnte
-
in dem Datensatz recht gut sehen, an
welchen Tagen ich wo gearbeitet habe. In
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Nordrhein-Westfalen lebt meine Familie und
immer wenn ich nach Nordrhein-Westfalen
-
gefahren bin, bin ich auch durch
Niedersachsen durchgefahren. Was mich so
-
ein bisschen überrascht hat war, dass ich
an dem Datensatz schon vermuten konnte,
-
wann ich meine Eltern besucht habe. Und
das war dann doch ein bisschen creepy.
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L: Das ist einfach nur die Spalte, die man
anschauen kann, wenn es um die
-
Bundesländer geht.
K: Ah ja, und genau. Woher weiß Amazon,
-
dass in NRW meine Eltern wohnen? Ganz
einfach: kurz vor Weihnachten ratet mal wo
-
ich meine Pakete hingeschickt hab, ne,
weil ich auf den letzten Drücker gekauft
-
habe. Und das sind solche kleinen
Verbindungen, wo man wirklich sagen kann
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man: naja, wenn ich mehrere Datensätze als
Amazon habe, kann ich da total einfach
-
auch sehr private Details rausfinden.
L: Genau. Als Nächstes habe ich mir im
-
Vorfeld die Internet Service Provider mal
genauer angeschaut und da ist mir eins
-
aufgefallen: einige verraten, wo sie sind.
So weiß ich zum Beispiel, dass Katha im
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Freifunk in Hamburg unterwegs war.
K: Ja, da bin ich immer umgestiegen, weil
-
ich nach Kiel gefahren bin.
L: Und dann hab ich da was im Februar 2017
-
gesehen, da war sie auf den Bahamas.
K: Nicht was ihr denkt, das war Urlaub.
-
Lachen
L: Und im Juli 2017 war sie in Polen.
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K: Genau, das war ein Familienurlaub.
L: Es gibt da noch einen anderen
-
Aufenthalt, der mir aufgefallen ist. Und
ich vermute, du hast eine Beziehung zu
-
Universitäten oder Bibliotheken.
K: Ja, ich schreib tatsächlich am liebsten
-
in der Bibliothek.
L: Viele von euch werden den Verein zur
-
Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes
kennen in Form von eduroam. Das ist die
-
Einrichtung, die in Deutschland das
Internet in Bildungs- und
-
Forschungseinrichtungen, Universitäten
oder Bibliotheken zur Verfügung stellt und
-
auch das sieht man in den Daten. Was
Amazon irgendwie scheinbar beim Internet
-
Service Provider macht, ist, sie erlauben
nur 50 Zeichen und da ist der Name vom DFN
-
definitiv zu lang für. Aber wir gucken mal
was du so in 'ner Bibliothek machst,
-
während du eigentlich arbeiten solltest.
Du rutschst mal kurz aus zu Amazon, so
-
wenige Sekunden - das kann mal passieren.
Dann kommt das schlechte Gewissen
-
wahrscheinlich. Dann hast du so 'ne Käufe
von oder so 'ne Aufenthalte von einer
-
Minute - bestimmt zielgerichtet irgendwas
gesucht und für später weggespeichert. Was
-
machst du 15 Minuten lang auf Amazon? Das
kann man doch schon fast Prokrastination
-
nennen.
K: Na, das würde ich jetzt nicht so sagen.
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L: Nee, stimmt, denn wir haben noch was
Besseres: Du warst über anderthalb Stunden
-
auf der Seite von Amazon.
Lachen
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K: Reine Recherche.
L: Was auf dieser Page Action, die ich
-
erwähnt habe, jetzt so häufig, für die
Nutzerinteraktion irgendwie hervorgetreten
-
ist, dass Amazon ab einem ganz bestimmten
Zeitpunkt versucht hat herauszufinden, ob
-
man den Tab gerade in den Vordergrund oder
den Hintergrund legt. Da Kathas Datensatz
-
jetzt nur ein begrenzter Datensatz ist,
kann ich nicht sagen, ob das Zufall ist
-
oder ob Amazon versucht, wirklich
kontinuierlich die Erkennung zu
-
verbessern, damit sie einfach wirklich
wissen, wann interagiert man mit der
-
Seite, wann legt man etwas in den
Hintergrund.
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K: Ja und spannend fand ich in dem
Datensatz auch, dass man gar nicht so viel
-
technischen Sachverstand auch benötigt, um
sich ein grobes Bild davon zu machen, was
-
da alles drin schlummert. Ich habe
beispielsweise mal in der Spalte V geguckt
-
- die Spalte V steht für Referrer und das
kann man für Nicht-Techies übersetzen
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ungefähr wie: "Naja woher kommst du
denn?". Das heißt, Amazon merkt sich, von
-
welcher Seite ich sie ansurfe und in
meinem Fall war es so, dass ich mehrere
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Artikel von Spiegel Online dann mit dem
kompletten Link in meinem Clickstream
-
gefunden habe und das ist deshalb
interessant, weil man dann natürlich sagen
-
kann, so okay, welche Medien konsumiert
dieser jemand eigentlich, oder vielleicht
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auch wofür interessiert er sich inhaltlich
außerhalb Amazons sonst noch? Ich habe
-
auch einen Link gefunden vom Telepolis von
heise online, ein Artikel in dem es um
-
CETA geht. CETA ist das Handelsabkommen
zwischen Kanada und der EU und das ist ein
-
kritischer Beitrag und da kann man sich
natürlich auch überlegen, okay, wenn
-
Amazon wirklich weiß, von was für
politischen Artikeln wir kommen, dann kann
-
man daraus natürlich auch Rückschlüsse
über das politische Mindset ziehen. In der
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Tat habe ich in der Zeit eine Kampagne
gegen CETA in Schleswig-Holstein geleitet
-
und deshalb bin ich auch gependelt. Und
man kann gar nicht genug betonen, wie groß
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der Unterschied zwischen gekauften Daten,
- äh - gekauften Produkten und geklickten
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Produkten ist. Ich habe hier für diesen
Vortrag mal alles was ich in der Zeit
-
gekauft habe auf meinem Küchentisch
drapiert. Wenn ich aber alle Produkte, die
-
ich nur angesehen habe, auf ein Foto
quetschen wollen würde dann müsste ich
-
nicht nur meine komplette Küche
leerräumen, sondern wahrscheinlich meine
-
ganze Wohnung. Denn das wird sonst nicht
reinpassen. Das ist viel, viel mehr.
-
L: Was man in den Daten außerdem gesehen
hat ist, dass man sagen kann, dass Katha
-
auf jeden Fall über 500 Mal nach Begriffen
gesucht hat und auch dass sie ungefähr 450
-
Mal direkt auf Produkte zugegangen ist.
Man kann aber schon sagen, dass es noch
-
eine ganze Ecke mehr ist, weil das sind
nur die Sachen die offensichtlich waren
-
und wenn man nochmal per Hand wieder in
diesen Datensatz reinspringt und nach
-
Mustern sucht, kann man auch sehen, dass
es noch mehr Produkte sind, die man sich
-
angeschaut hat.
K: Ja, ich hab mich dann natürlich
-
gefragt, was sieht eigentlich jemand, der
mich persönlich nicht kennt, nur diesen
-
Datensatz sieht. Wen sieht er dann? Und
finde ich das eigentlich okay? Und ich hab
-
mir dann mal so einige Sachen angeschaut, die
ich angeklickt habe und mal aus
-
unterschiedlichen Brillen betrachtet.
Nehmen wir mal das Thema Lebensplanung.
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Stellen wir mal vor jemand fragt sich,
naja, wie stellt sich Katharina Nocun ihre
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Zukunft so vor, wie ist ihre
Lebensplanung? Und der guckt sich meinen
-
Clickstream an - was findet der da? Ich
hab mir ein Buch angeschaut, das sich mit
-
Pro-Argumenten fürs Kinderkriegen
auseinandersetzt. Dann habe ich mir aber
-
auch ein Buch angeschaut was ich mit
alternativen Partnerschaftsformen und
-
Polyamorie auseinandersetzt und natürlich
noch ein Buch von einer Aussteigerin, die
-
sagt, ich werde der Konsumgesellschaft den
Rücken kehren. Und wenn man diese 3
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Produkte und noch ein paar mehr in der
Richtung zusammenlegt, wird man denken, so
-
okay, das ist zumindest eine
außergewöhnliche, originelle bis hin zu
-
exotische oder vielleicht auch schwierige
Lebensplanung, wenn man das alles unter
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einen Hut bekommen will. Aber wie ist es
denn tatsächlich? Das Buch über Kinder
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habe ich mir angeschaut, weil ich auf den
Autor aufmerksam geworden bin, weil ich
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den Blog "Spreeblick" sehr schätze und
schlichtweg wissen wollte, naja was
-
schreibt der Typ denn sonst noch. Bei dem
zweiten Buch war es so, dass ich den Autor
-
kenne und er hat mich zur Lesung
eingeladen - da wollte ich mich vorher
-
schlau machen, worum geht denn eigentlich
bei der Veranstaltung? Und bei dem dritten
-
Buch ist es schlichtweg so, wir sind beim
selben Verlag. Ich wollte einfach gucken,
-
was hat der Verlag bei dem ich bin, sonst
noch in der Sachbuchsparte? Das heißt
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Clickstream oder das Bild, das aus meinem
Clickstream generiert wird, und die
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Person, die ich bin, sind womöglich zwei
ganz unterschiedliche Dinge. Nehmen wir
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mal das Thema Gesundheit, da wird es noch
viel deutlicher. Ich hab mir Schnaps
-
angeguckt, dafür gibt's sogar eine eigene
Kategorie bei Amazon: Alkohol. Man könnte
-
ja jetzt Vermutungen anstellen, warum
interessiere ich mich für Schnaps. Naja,
-
vielleicht habe ich ja gesundheitliche
Probleme und möchte ein bisschen
-
Selbstmedikation betreiben. Ich habe mir
tatsächlich ein Buch über Arthrose
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angeschaut - ne ziemlich schwere Krankheit
- und was noch viel erschreckender ist,
-
ich habe mir nicht nur ein, zwei, drei,
sondern sehr viele Bücher zum Thema Krebs
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angeschaut. Hier exemplarisch eins mit dem
Titel "Krebs natürlich heilen". Und wenn
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man diese - meinen Clickstream - so
anschauen würde, würde man ja denken,
-
Katharina Nocun ist ein gesundheitliches
Wrack. Aber wie sieht es denn wirklich
-
aus? Ich muss sagen, dieser Gin ist
wirklich gut, ich trinke ihn wirklich
-
gerne.
Lachen
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K: Die Bücher über schwere Krankheiten
habe ich mir aber deshalb angeschaut, weil
-
ich eine Recherche betrieben habe. Ich
wollte wissen, wie hoch ist der Anteil an
-
esoterischen Quatsch-Büchern in der Amazon
Bestsellerliste beim Thema Gesundheit. Und
-
diese Intention sieht man aber nicht, wenn
man nur den Clickstream sieht. Ich habe
-
weder Krebs, noch Arthrose, noch
irgendwelche Anzeichen dafür. Interessant
-
wird es auch bei der politischen
Einstellung. In meinem Clickstream finden
-
sich unglaublich viele Bücher die sich mit
dem Thema AfD auseinandersetzen und zwar
-
einmal kontra AfD, aber auch Bücher von
rechten, rechtsextremen Autoren und
-
Verschwörungstheoretikern. Und wenn man
nur meinen Clickstream betrachtet, wird
-
man mich glaube ich für eine ziemlich
merkwürdige bis unsympathische Person
-
halten. Und man wird denken, die ist
rechts. Tatsächlich war es natürlich so,
-
ich setze mich kritisch mit der AfD in
meinem Blog auseinander und habe
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recherchiert und da recherchiert man...
Applaus
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L: Ja, die AfD kann wirklich niemand
unterstützen, das muss man hier mal echt
-
sagen.
K: Ja und da wollte ich mir natürlich auch
-
ein bisschen angucken, naja, was schreibt
denn so die rechte Ecke oder was
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publizieren so ein paar Scharfmacher aus
der rechten Ecke und wie hoch ist das
-
eigentlich bei den Amazon Bestsellerlisten
gerankt. Und wer aber nur meinen Datensatz
-
sieht, der sieht das nicht - der wird mich
vielleicht für rechtsextrem halten.
-
Interessant werden solche Zusammenhänge,
wenn man sich überlegt, wer ein Interesse
-
an solchen Daten haben könnte. Denn wo
Daten sind, entstehen schnell
-
Begehrlichkeiten und natürlich gibt es
auch Behörden, die durchaus ein Interesse
-
daran haben können, solche Nutzerdaten
abzufragen und zwar alles was da ist und
-
wenn der Clickstream da ist, dann wird er
auch abgefragt. Und stellen wir uns mal
-
vor, ein Polizeibeamter kommt auf die
Idee, die Katha, die ist vielleicht cyber-
-
kriminell oder vielleicht ist sie auch ein
potenzieller Gefährder oder von ihr geht
-
eine drohende Gefahr aus. Und wir wollen
jetzt gezielt mal gucken, ob es
-
irgendwelche Indizien gibt, die diese
These stützt. Was sehen diese Leute? Naja,
-
zunächst einmal findet sich auf meiner
Liste ein sogenanntes Killerspiel. Es ist
-
schon mal extrem sympathisch aus, wenn man
aus Behördensicht da mal draufguckt. Dann
-
habe ich mir auch noch angeschaut, ein
schwarzes T-Shirt mit einem Aufdruck auf
-
dem steht "Chemist - only because
superwoman is not an official job title".
-
Man könnte also denken, ich habe durchaus
interessante Skills und Hobbys. Als
-
Nächstes ein verdächtig aussehender
Gegenstand - ein Kochtopf, und eine
-
Sturmmaske. Ja und ich weiß nicht, wie ihr
das seht, aber aus Behördensicht wird das
-
überhaupt nicht gut für mich aussehen,
wenn man schon mal mit der Brille
-
draufguckt, naja die könnte was planen,
die könnte gefährlich sein. Ich glaube, an
-
der Stelle wäre es dann höchste Zeit für
einen Hausbesuch. Aber ihr könnt euch
-
natürlich denken, es gibt eine total
einfache und harmlose Erklärung für jedes
-
Produkt. Genau, "könnte ja jeder sagen",
kommt hier vorne aus dem Publikum. Das
-
wäre dann das Gegenargument und damit habe
ich schlechte Karten. Und ich weiß nicht,
-
wie es euch geht, aber ich finde so eine
Möglichkeit, sich zu überlegen, was allein
-
aus so einem Datenabfall an Konsequenzen
für mich entstehen könnte im Worst Case
-
Szenario, extrem bedrohlich.
L: Genau, denn Katha hat mir ihr Vertrauen
-
geschenkt, dass ich die Daten anschaue und
vertraulich behandele. Wie sieht das aber
-
Amazon? Amazon ist groß, ziemlich groß,
hat ungefähr 300 Millionen Nutzer und ich
-
habe die Analyse für eine Person gemacht.
Amazon kann natürlich die Analyse für alle
-
Nutzer machen und erkennt darin Muster und
weiß am Ende auch, welches Produkt mit
-
welchem im Warenkorb landet.
K: Ja und was bedeutet im Warenkorb
-
landet, ne? Amazon weiß beispielsweise,
was kaufen Leute, die auch dieses Produkt
-
gekauft haben. Ein einfachstes Beispiel
ist ja die Feinwaage, ne. Als Koch möchte
-
man vielleicht exakt wissen, wieviel muss
hier rein und wieviel hab ich jetzt hier
-
rein getan. Und wenn man das aber kaufen
will, kriegt man direkt so diese geilen
-
Produktvorschläge.
Lachen
-
K: Durchaus ein Zeichen dafür, dass es
auch andere Verwendungszwecke für
-
Feinwaagen gibt. Und ihr lacht, aber das
kann wirklich ernsthafte Konsequenzen für
-
einen Menschen haben, wenn er vielleicht
ohne es zu wissen in einer Schublade
-
landet, mit der überhaupt nichts am Hut
hat. Anderes Beispiel: Wenn ich jetzt nach
-
einem Glasschneider bei Amazon suche,
kriege ich eine Sturmmaske empfohlen.
-
Lachen
K: Was man bei Reitequipment empfohlen
-
bekommt, kann sich der eine oder andere
vielleicht denken. Und das ist ein
-
Problem, denn ich weiß nicht, wie es euch
geht, aber ich möchte gerne wissen in
-
welchen Schubladen ich lande und ich
möchte da vielleicht auch mitreden, wenn
-
diese Schubladen mir unangenehm sind. Oder
vielleicht finde ich auch, dass es gewisse
-
Schubladen einfach nicht geben sollte. Und
das Problem ist, dass ich bei meiner
-
Datenabfrage eben nur diesen winzigen
kleinen Mosaikstein aus dem großen
-
Datensatz bekommen habe, aber die
eigentliche Information über die
-
Möglichkeiten der Auswertung für diesen
einen Datensatz, die kann ich erst
-
vollumfänglich erfassen, wenn ich das
Ganze kenne. Das wird aber Amazon nicht
-
rausrücken und Amazon wird auch keine
Algorithmen zu Suchvorschlägen oder
-
sonstwas rausrücken, denn das ist
natürlich ein Geschäftsgeheimnis. Ich
-
denke aber das sind die eigentlich
spannenden Daten, die wir brauchen, um uns
-
wirklich ein Bild davon zu machen, wie
dieses Unternehmen uns sieht und wie
-
dieses Unternehmen uns auch gezielt
manipuliert, um uns beispielsweise
-
einzureden, dass wir mehr kaufen sollen.
Applaus
-
K: Und ich weiß nicht, wie ihr das seht,
aber der Name "Amazon" ist super passend.
-
Also, ich weiß nicht wer auf die Idee gekommen
ist damals, aber es ist ein Knüller. Der
-
Amazonas ist der größte Strom Südamerikas
und er speist sich aus unglaublich vielen
-
kleinen Bächen und Flüssen. Und genauso
ist es ja mit Amazon, ja? Ich habe in
-
meinem Experiment nur einen einzigen
Dienst von Amazon genutzt. Ich hätte den
-
Versuch aber natürlich auch ganz anders
machen können. Was wäre dann gewesen, wenn
-
ich beispielsweise während der kompletten
Zeit alle Videos, alle Filme nur noch mit
-
Amazon Prime gesehen hätte? Was wäre
gewesen, wenn ich mich entschieden hätte
-
in dieses Experiment Alexa, also Amazon
Echo mit reinzufügen und mir dieses Ding
-
vielleicht ins Schlafzimmer zu stellen?
Ich glaube der Datensatz wäre um einiges
-
aufschlussreicher und ich für meinen Teil
habe an dieser Stelle ganz bewusst am
-
Anfang des Experiments entschieden, nein,
das möchte ich nicht. Nein, es geht mir zu
-
weit. Ich stelle mir so ein Ding nicht in
die Wohnung.
-
Applaus
K: Und vor ein paar Wochen war ich dann
-
sehr froh, dass ich diese Entscheidung so
getroffen hatte damals. Denn ich weiß
-
nicht ob ihr es mitbekommen habt. Es war
groß in den Nachrichten, ein Nutzer hat
-
kürzlich bei Amazon seine Daten von Amazon
Echo abgefragt und hat daraufhin den
-
Datensatz einer vollkommen anderen Person
zurückbekommen. Nochmal so als Hinweis,
-
dass das Ding echt nicht ins Schlafzimmer
gehört. Und ja, nochmal um es deutlich zu
-
machen. Wenn jemand wirklich all diese
Dienste nutzt oder viele Dienste nutzt,
-
dann loggt ihr euch meistens mit derselben
Amazon-ID ein.
-
L: Genau, das ist ja auch das, was in 'nem
Amazon Datensatz gespeichert wurde. Also
-
wenn ihr woanders auf einen anderen Dienst
geht, dann wird das einfach mitgeloggt,
-
egal ob das jetzt auch wegen der gleichen
Login-Adresse ist. Ihr habt auf jeden Fall
-
auch das im Cookie stehen, welche ID ihr
dahinter habt.
-
K: Und ihr fragt euch ja jetzt, das ist ja
schön und gut dass du deine Daten hast,
-
das ist toll für mich, aber was ist mit
meinen Daten und wie komme ich an die? Es
-
gibt viele Wege um an seine Daten zu
kommen. Ich kann euch einfach mal
-
erzählen, wie ich das gemacht habe.
Zunächst einmal: ich hab mir die AGB
-
durchgelesen - tatsächlich vollständig. Es
ist ein ganz neues Erlebnis. Ich bin jetzt
-
top informiert.
Applaus
-
K: Und ich habe mir die
Datenschutzerklärung durchgelesen. Ja und
-
warum habe ich das gemacht? Sowohl in AGB
und Datenschutzerklärung sind schon mal so
-
grob Datenkategorien angesprochen, und die
kann ich mir notieren, damit ich so weiß, was
-
kann ich dann erwarten oder was sollte ich
erwarten, was bei so einer Auskunft
-
rauskommen sollte. Zusätzlich habe ich
meinen gesunden Menschenverstand benutzt,
-
um mal zu überlegen...
Applaus
-
K: ...um mal zu überlegen, naja was kann
ich denn nach den Gesetzen der Logik
-
erwarten. Also beispielsweise, ich bin auf
Amazon, eine Woche später kriege ich eine
-
E-Mail, "wollen sie dieses Produkt nicht
doch kaufen?", also müssen die für eine
-
Woche speichern, was ich geklickt hab. Und
egal wie oft die sagen, "Nein, haben wir
-
nicht". Das ist eine Lüge weil sonst wird
es technisch sehr schwierig sein, das
-
umzusetzen. Und aus diesen Informationen
hab ich dann eine Checkliste gebaut mit
-
meiner Erwartungshaltung. Was erwarte ich,
was in der vollständigen Antwort drin sein
-
sollte, und erst dann habe ich die Anfrage
formuliert und gestellt. Und ich kann gar
-
nicht oft genug betonen, wie wichtig es
ist, bei Anfragen immer 'ne Frist zu
-
nennen. Ohne Frist wird sich da niemand
bewegen. Zwar gibt es nach der
-
Datenschutz-Grundverordnung einen
Zeitrahmen, in dem die euch antworten
-
sollten, idealerweise innerhalb von einem
Monat, aber es schadet nicht, diese Frist
-
trotzdem nochmal explizit reinzuschreiben
und auch sofort nochmal zu erinnern, wenn
-
die Zeit überschritten wird. Und
motivierend kann natürlich auch sein, wenn
-
man noch reinschreibt, naja wenn ihr nicht
antwortet - müsst ihr wissen, aber dann
-
wenn ich mich an die Aufsichtsbehörden.
Mit der Anfrage ist es leider noch nicht
-
getan. Wenn ihr so eine Anfrage stellt,
stellt euch auf eine Brieffreundschaft ein
-
- ist ja vielleicht auch etwas Schönes,
wenn ihr diese Anfrage stellt, werdet ihr
-
zuerst mit hoher Wahrscheinlichkeit die
Antwort zurückbekommen: "Naja, schauen Sie
-
mal in Ihrem Profil nach, da sind all Ihre
Daten". Das ist natürlich Quatsch, das ist
-
nur ein Bruchteil von den Daten, die ihr
eigentlich haben wollt. Also verschicken
-
wir einen "friendly reminder". Als
nächstes kommt vielleicht ein Brief oder
-
eine E-Mail: "Ja, wir haben hier ihre
Daten" und dann schaut ihr da rein und
-
denkt so, okay, da hat jemand die Profildaten
jetzt nochmal in PDF gepackt oder
-
ausgedruckt. Hmm.
L: Ausgedruckt und wieder eingescannt.
-
K: Genau. Auch nicht das, was wir haben
wollen - solltet ihr euch gar nicht drauf
-
einlassen, damit zufrieden geben. Also
wieder "friendly reminder". Dann habt ihr
-
das nächste Level erreicht. Dann wird
irgendwann die Einsicht kommen so "Huch,
-
wir haben ein paar Daten gefunden, wir
haben die Ihnen jetzt mal geschickt". Das
-
ist so die Stelle mit der CD und an der
Stelle wird's eben spannend. Die
-
Wahrscheinlichkeit, dass ihr dieses Spiel
ein paar Mal wiederholen müsst, ist sehr
-
hoch. Und irgendwann, wenn ihr das oft
genug wiederholt habt, habt ihr dann euren
-
Datensatz. Und diesen Datensatz könnt ihr
dann nach Belieben durchsuchen,
-
durchforsten, analysieren, und glaubt mir,
es lohnt sich. Denn es ist eine Sache,
-
abstrakt zu wissen, dass man überwacht
wird auf Schritt und Klick, und etwas
-
vollkommen anderes, seinen eigenen
kaputten Schlafrhythmus der letzten
-
anderthalb Jahre vor sich zu sehen.
Lachen
-
K: Und das ist etwas, das würde ich keinem
Einzelhändler anvertrauen wollen.
-
Applaus
K: Und ich habe mir danach die Frage
-
gestellt, möchte ich das? Und jeder, der
so einen Datensatz sieht, wird sich diese
-
Frage zwangsläufig auch stellen. Und in
meinem Fall war es dann so, dass ich mich
-
entschieden habe, in Zukunft meine
gebrauchten Bücher direkt beim Anbieter zu
-
kaufen, nicht mehr über Amazon Marketplace.
Das ein oder andere Mal hab ich damit
-
sogar Geld gespart.
Applaus
-
K: Und die Information darüber, was der
Dienst speichert, ermöglicht uns ja auch
-
vielleicht zu sagen, ich nutze den Dienst
in Zukunft anders oder aber ich nutze ihn
-
vielleicht gar nicht mehr. Und wenn ihr
ihn gar nicht mehr nutzt, dann würde ich
-
empfehlen, naja dann könnt ihr auch so ein
Löschantrag verschicken. Kostet nix. Ist
-
auch vielleicht eine kurze
Brieffreundschaft und wir haben uns bei
-
diesem Vortrag auch überlegt, dass wir
nicht sagen wollen, das ist ein
-
individuelles Problem von Nutzerinnen und
Nutzern, die Amazon nutzen. Nein, das
-
Problem ist, dass Amazon ähnlich agiert
wie andere Dienste auch, um mal ehrlich zu
-
sein. Überwachung ist längst zur
Standardeinstellung geworden. Und was das
-
für den Einzelnen bedeutet, das wollten
wir sichtbar machen, aber wir finden
-
trotzdem, wir müssen alle gemeinsam dafür
kämpfen, dass Datenschutz, Privatsphäre,
-
Datensparsamkeit verdammt nochmal die
Standardeinstellung ist
-
großer Applaus
K: Ja und damit sind wir auch schon am
-
Ende. Mehr Infos und Formulare für eigene
Datenanträge, Auskünfte, Löschanträge
-
findet ihr bei mir im Blog.
L: Und wer sich für die Datenanalyse
-
interessiert, da veröffentliche ich gleich
auf Ama..., ach auf Amazon... auf
-
GitHub...
Lachen
-
L: ...ein Repository, wo sich jeder auch
die Daten anschauen kann und sich selber
-
seinen eigenen kaputten Schlafrhythmus mal
angucken kann.
-
K: Vielen Dank!
L: Dankeschön!
-
Herald: Ja wunderbar!
Applaus
-
Herald: Einen großen Applaus!
großer Applaus
-
Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!
-
Abspannmusik