Warum unsere IQ-Niveaus höher sind als die unserer Großeltern
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0:01 - 0:03Wir unternehmen eine kurze Reise
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0:03 - 0:07durch die kognitive Geschichte
des 20. Jahrhunderts, -
0:07 - 0:08denn während dieses Jahrhunderts
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0:08 - 0:11haben sich unsere Gehirne dramatisch verändert.
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0:11 - 0:15Wie Sie wissen, veränderten sich die Autos,
die die Menschen um 1900 fuhren, -
0:15 - 0:17weil die Straßen besser waren
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0:17 - 0:19und aufgrund von Technologie.
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0:19 - 0:21Und unsere Gehirne haben sich auch verändert.
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0:21 - 0:25Wir sind von Menschen, die einer
konkreten Welt gegenüberstanden -
0:25 - 0:28und diese Welt primär danach analysierten,
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0:28 - 0:31wie sehr sie ihnen nutzen würde,
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0:31 - 0:35zu Menschen geworden, die einer
sehr komplexen Welt ausgesetzt sind. -
0:35 - 0:37Und in dieser Welt mussten wir
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0:37 - 0:41neue mentale Gewohnheiten,
neue Denkschemata entwickeln. -
0:41 - 0:43Und das schließt Dinge ein wie
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0:43 - 0:47die konkrete Welt mit Klassifikationen auszukleiden,
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0:47 - 0:50Abstraktionen einzuführen,
die wir versuchen -
0:50 - 0:52logisch konsistent zu machen,
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0:52 - 0:55und wir nehmen auch das Hypothetische ernst,
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0:55 - 0:57d.h. wir fragen uns eher, was sein könnte,
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0:57 - 1:00als was ist.
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1:00 - 1:03Meine Aufmerksamkeit wurde auf
diese dramatische Änderung gelenkt, -
1:03 - 1:07durch massive IQ-Zunahmen im Lauf der Zeit,
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1:07 - 1:09und diese waren wirklich enorm.
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1:09 - 1:14D.h. wir lösen bei IQ-Tests nicht nur
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1:14 - 1:15ein paar Fragen mehr.
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1:15 - 1:19Wir lösen viel mehr Fragen in IQ-Tests richtig,
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1:19 - 1:21als jede vorhergehende Generation
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1:21 - 1:24bis zurück zur Zeit ihrer Erfindung.
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1:24 - 1:27Wenn man die Leute freilich
vor einem Jahrhundert -
1:27 - 1:29nach modernen Normen bewertet,
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1:29 - 1:32hätten sie einen durchschnittlichen IQ von 70.
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1:32 - 1:35Wenn man uns nach
ihren Normen bewerten würde, -
1:35 - 1:38hätten wir einen durchschnittlichen IQ von 130.
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1:38 - 1:42Das wirft alle möglichen Fragen auf.
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1:42 - 1:44Waren unsere unmittelbaren Vorfahren
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1:44 - 1:47am Rande einer Geistesschwäche?
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1:47 - 1:51Denn 70 ist normalerweise
der Wert für geistige Behinderung. -
1:51 - 1:54Oder sind wir kurz davor,
alle hochbegabt zu sein? -
1:54 - 1:58Denn 130 ist der Grenzwert für Hochbegabung.
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1:58 - 2:01Ich werde nun für
eine dritte Alternative plädieren, -
2:01 - 2:05die viel aufschlussreicher
als die beiden anderen ist, -
2:05 - 2:08und um diese zu relativieren,
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2:08 - 2:11lassen Sie uns annehmen,
dass ein Marsmensch auf die Erde käme -
2:11 - 2:14und eine zerstörte Gesellschaft vorfände.
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2:14 - 2:16Und dieser Marsmensch wäre ein Archäologe,
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2:16 - 2:19und sie fänden Punktezahlen,
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2:19 - 2:22die Menschen zum Schießen benutzt hatten.
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2:22 - 2:24Und zuerst betrachteten sie 1865
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2:24 - 2:26und sie stellten in kurzer Zeit fest,
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2:26 - 2:30dass die Menschen nur
einen Volltreffer gelandet hatten. -
2:30 - 2:33Und sie stellten fest, dass sie 1898
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2:33 - 2:36in einer Minute fünf Mal
ins Schwarze getroffen hatten. -
2:36 - 2:42Und um 1918 trafen sie 100 Mal ins Schwarze.
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2:42 - 2:45Anfangs war der Archäologe ratlos.
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2:45 - 2:48Sie sagten etwa: "Diese Tests waren so angelegt,
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2:48 - 2:52um herauszufinden, ob die Menschen
eine ruhige Hand hatten, -
2:52 - 2:54wie gut ihr Sehvermögen war,
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2:54 - 2:57ob sie Kontrolle über ihre Waffen hatten.
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2:57 - 3:00Wie konnten die Leistungen sich
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3:00 - 3:02bis zu diesem enormen Maß steigern?"
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3:02 - 3:04Nun, wir kennen die Antwort natürlich.
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3:04 - 3:07Wenn sich dieser Marsmensch
die Schlachtfelder anschaut, -
3:07 - 3:10würden sie entdecken,
dass die Menschen zur Zeit -
3:10 - 3:12des Bürgerkriegs nur Musketen hatten,
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3:12 - 3:14und dass sie Repetiergewehre hatten
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3:14 - 3:17zur Zeit des Spanisch-Amerikanischen Krieges,
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3:17 - 3:19und bis zum 1. Weltkrieg
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3:19 - 3:21hatten sie Maschinengewehre.
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3:21 - 3:24Und anders gesagt war es die Ausstattung
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3:24 - 3:26in den Händen eines durchschnittlichen Soldaten,
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3:26 - 3:29die dafür verantwortlich war –
nicht die höhere Sehschärfe -
3:29 - 3:31oder eine ruhigere Hand.
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3:31 - 3:35Wir müssen uns die mentale Artillerie vorstellen,
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3:35 - 3:38die wir innerhalb dieser hundert
Jahre erworben haben, -
3:38 - 3:42und ein anderer Denker wird uns
hierbei sicher helfen, -
3:42 - 3:44und das ist Luria.
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3:44 - 3:47Luria betrachtete Menschen,
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3:47 - 3:50bevor sie ins wissenschaftliche Zeitalter eintraten,
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3:50 - 3:52und er fand heraus, dass diese Menschen
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3:52 - 3:56resistent gegenüber einer Klassifizierung
der konkreten Welt waren. -
3:56 - 3:57Sie wollten sie in Kleinteile
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3:57 - 3:59aufbrechen, die sie benutzen konnten.
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3:59 - 4:02Er fand heraus, dass sie sich weigerten,
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4:02 - 4:05Hypothetisches zu folgern,
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4:05 - 4:08darüber zu spekulieren, was sein könnte,
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4:08 - 4:11und stellte schließlich fest,
dass sie sich mit Abstraktionen -
4:11 - 4:15oder dem Anwenden von Logik
bei diesen Abstraktionen schwer taten. -
4:15 - 4:18Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel
für seine Interviews geben. -
4:18 - 4:20Er sprach mit dem Chef einer Person
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4:20 - 4:22im ländlichen Russland.
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4:22 - 4:25Sie hatten, wie bei Menschen um 1900 üblich,
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4:25 - 4:27etwa vier Jahre Schulbildung.
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4:27 - 4:29Und er fragte diese bestimmte Person,
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4:29 - 4:33was Krähe und Fische gemeinsam haben.
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4:33 - 4:36Und der Kerl sagte: "Absolut nichts.
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4:36 - 4:39Fisch kann ich essen, Krähen nicht.
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4:39 - 4:41Eine Krähe kann nach einem Fisch picken.
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4:41 - 4:44Ein Fisch kann einer Krähe gar nichts antun."
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4:44 - 4:47Und Luria sagte: "Aber beide sind doch Tiere?"
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4:47 - 4:49Und er sagte: "Natürlich nicht.
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4:49 - 4:51Der eine ist ein Fisch.
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4:51 - 4:52Das andere ist ein Vogel."
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4:52 - 4:54Ihn interessierte im Grunde,
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4:54 - 4:58was er mit diesen konkreten
Objekten machen könnte. -
4:58 - 5:01Und dann ging Luria zu einer anderen Person
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5:01 - 5:03und sagte zu ihr:
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5:03 - 5:06"Es gibt keine Kamele in Deutschland.
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5:06 - 5:08Hamburg ist eine Stadt in Deutschland.
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5:08 - 5:11Gibt es in Hamburg Kamele?"
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5:11 - 5:12Und der Typ sagte:
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5:12 - 5:16"Nun, wenn es groß genug ist,
sollte es Kamele geben." -
5:16 - 5:20Und Luria sagte:
"Aber was bedeuten meine Worte?" -
5:20 - 5:22Und er sagte: "Vielleicht ist es ja ein kleines Dorf
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5:22 - 5:25und es gibt keinen Platz für Kamele."
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5:25 - 5:27Anders gesagt war er nicht bereit, das
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5:27 - 5:30als etwas anderes als ein konkretes
Problem zu behandeln, -
5:30 - 5:32und er war daran gewohnt,
Kamele in Dörfern zu sehen -
5:32 - 5:36und unfähig, das Hypothetische anzuwenden,
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5:36 - 5:41um sich zu fragen, ob es
in Deutschland keine Kamele gibt. -
5:41 - 5:44Ein drittes Interview wurde mit jemanden
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5:44 - 5:47über den Nordpol geführt.
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5:47 - 5:51Da sagte Luria:
"Am Nordpol gibt es immer Schnee. -
5:51 - 5:55Überall, wo es immer Schnee gibt,
sind die Bären weiß. -
5:55 - 5:58Welche Farbe haben die Bären am Nordpol?"
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5:58 - 6:01Und die Antwort war: "So etwas
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6:01 - 6:03muss durch eine Aussage entschieden werden.
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6:03 - 6:06Wenn eine Person vom Nordpol kommt
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6:06 - 6:08und mir sagt, dass die Bären weiß sind,
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6:08 - 6:09könnte ich ihm glauben,
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6:09 - 6:13aber jeder Bär, den ich bisher
gesehen habe, ist braun." -
6:13 - 6:16Jetzt sehen Sie erneut,
dass diese Person sich weigert, -
6:16 - 6:19über die konkrete Welt hinauszugehen
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6:19 - 6:22und analysiert sie durch Alltagserfahrung,
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6:22 - 6:24und es war wichtig für diese Person,
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6:24 - 6:25welche Farbe die Bären hatten –
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6:25 - 6:27d.h. sie mussten Bären jagen.
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6:27 - 6:30Sie waren nicht bereit, sich darauf einzulassen.
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6:30 - 6:32Einer von ihnen sagte zu Luria:
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6:32 - 6:35"Wie können wir Fälle lösen,
die keine realen Probleme sind? -
6:35 - 6:37Keins dieser Probleme ist real.
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6:37 - 6:40Wie können wir sie behandeln?"
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6:40 - 6:43Nun, diese drei Kategorien –
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6:43 - 6:45Klassifikation,
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6:45 - 6:47Anwendung von Logik auf Abstraktionen,
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6:47 - 6:50das Hypothetische ernst nehmen –
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6:50 - 6:52welchen Unterschied können sie
in der realen Welt ausmachen, -
6:52 - 6:54über das Versuchslabor hinaus?
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6:54 - 6:57Lassen Sie mich Ihnen
ein paar Beispiele geben. -
6:57 - 7:00Erstens bekommen fast alle von uns
heute einen Schulabschluss. -
7:00 - 7:04Also sind wir von 4 bis 8 Jahren an Schulausbildung
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7:04 - 7:06zu 12 Jahren an Schulbildung übergegangen,
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7:06 - 7:08und 52 % der Amerikaner
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7:08 - 7:12haben tatsächlich eine Form von
Hochschulbildung genossen. -
7:12 - 7:16Nun, wir haben nicht nur viel mehr Bildung,
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7:16 - 7:19und viel mehr dieser Ausbildung
ist wissenschaftlich, -
7:19 - 7:23und man kann keine Wissenschaft betreiben,
ohne die Welt zu klassifizieren. -
7:23 - 7:27Man kann keine Wissenschaft betreiben,
ohne Hypothesen zu formulieren. -
7:27 - 7:31Man kann auch keine Wissenschaft betreiben,
ohne es logisch konsistent zu machen. -
7:31 - 7:35Und sogar in der Grundschule
haben sich die Dinge geändert. -
7:35 - 7:381910 schauten sie Prüfungen an,
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7:38 - 7:42die der Staat Ohio 14-Jährigen abnahm,
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7:42 - 7:43und sie stellten fest, dass sie alle
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7:43 - 7:47gesellschaftlich anerkannte,
konkrete Informationen betrafen. -
7:47 - 7:48Das waren Sachen wie:
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7:48 - 7:51Was sind die Hauptstädte der 44 oder 45 Staaten,
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7:51 - 7:53die damals existierten?
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7:53 - 7:55Wenn sie die Test anschauten,
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7:55 - 7:58die der Staat Ohio 1990 abnahm,
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7:58 - 8:00ging es in allen um Abstraktionen.
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8:00 - 8:02Es waren Sachen wie:
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8:02 - 8:07Warum ist die größte Stadt eines Staates
nur selten die Hauptstadt? -
8:07 - 8:09Und man sollte denken, nun,
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8:09 - 8:12der staatliche Gesetzgeber war ländlich kontrolliert,
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8:12 - 8:14und sie hassten die Großstädte,
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8:14 - 8:16statt daher die Hauptstadt in eine Großstadt zu legen,
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8:16 - 8:18wählten sie eine Bezirksstadt.
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8:18 - 8:21Sie wählten Albany anstatt New York.
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8:21 - 8:24Sie wählten eher Harrisburg anstatt Philadelphia.
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8:24 - 8:26Und so weiter.
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8:26 - 8:28Der Tenor der Ausbildung hat sich also geändert.
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8:28 - 8:32Wir bilden Menschen so aus, dass sie
das Hypothetische ernst nehmen, -
8:32 - 8:36Abstraktionen benutzen und sie logisch verbinden.
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8:36 - 8:38Was ist mit der Beschäftigung?
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8:38 - 8:42Um 1900 übten 3 % der Amerikaner
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8:42 - 8:46Berufe aus, die kognitiv anspruchsvoll waren.
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8:46 - 8:50Nur 3 % waren Anwälte, Ärzte oder Lehrer.
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8:50 - 8:52Heute üben 35 % der Amerikaner
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8:52 - 8:56kognitiv anspruchsvolle Berufe aus.
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8:56 - 8:58Nicht nur richtige Berufe wie Anwalt,
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8:58 - 9:01Arzt, Wissenschaftler oder Dozent,
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9:01 - 9:03sondern viele, viele Hilfsberufe
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9:03 - 9:05haben damit zu tun: Techniker
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9:05 - 9:07oder Computerprogrammierer.
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9:07 - 9:11Eine ganze Reihe von Berufen
stellen jetzt kognitive Anforderungen. -
9:11 - 9:14Und wir können die Einsatzbedingungen
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9:14 - 9:16in der modernen Welt nur erfüllen,
indem wir kognitiv -
9:16 - 9:19viel flexibler sind.
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9:19 - 9:22Und es geht nicht nur darum,
dass es viel mehr Menschen -
9:22 - 9:25in kognitiv anspruchsvollen Berufen gibt.
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9:25 - 9:27Die Berufe sind auch anspruchsvoller geworden.
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9:27 - 9:29Vergleichen Sie einen Doktor von 1900,
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9:29 - 9:32der nur ein paar Tricks auf Lager hatte,
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9:32 - 9:35mit einem modernen Allgemeinmediziner
oder Spezialisten, -
9:35 - 9:38mit einer jahrelangen,
wissenschaftlichen Ausbildung. -
9:38 - 9:40Vergleichen Sie den Banker von 1900,
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9:40 - 9:43der im Grunde nur einen guten Buchhalter brauchte
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9:43 - 9:46und wissen musste, wer in der
lokalen Gemeinde kreditfähig war, -
9:46 - 9:48um seine Hypothek zurückzuzahlen.
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9:48 - 9:51Nun, die Handelbanker, die die Welt
in die Knie gezwungen haben, -
9:51 - 9:53können moralisch nachlässig gewesen sein,
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9:53 - 9:56aber kognitiv waren sie sehr agil.
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9:56 - 10:01Sie übertreffen die Banker von 1900 bei Weitem.
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10:01 - 10:03Sie mussten Computersimulationen
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10:03 - 10:05für den Immobilienmarkt anschauen.
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10:05 - 10:09Sie mussten komplizierte CDO-Squared
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10:09 - 10:11ordnen, um Schulden zu bündeln
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10:11 - 10:15und diese wie eine profitable
Anlage aussehen zu lassen. -
10:15 - 10:18Sie mussten einen Fall vorbereiten,
um die Ratingagenturen dazu zu bringen, -
10:18 - 10:19ihm ein AAA zu vergeben,
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10:19 - 10:24obwohl sie in vielen Fällen die Ratingagenturen praktisch bestochen hatten.
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10:24 - 10:26Und sie mussten natürlich auch
die Menschen dazu bringen, -
10:26 - 10:28diese sogenannten Anlagewerte zu akzeptieren
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10:28 - 10:30und Geld für sie zu zahlen,
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10:30 - 10:32obwohl sie sehr anfällig waren.
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10:32 - 10:34Oder nehmen Sie einen heutigen Bauern.
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10:34 - 10:37Ein heutiger Leiter eines landwirtschaftlichen Betriebs
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10:37 - 10:40ist ganz anders als ein Bauer von 1900.
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10:40 - 10:42Es war nicht nur die Verbreitung
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10:42 - 10:45von kognitiv anspruchsvollen Berufen.
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10:45 - 10:47Es betrifft auch die Erweiterung von Aufgaben,
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10:47 - 10:50wie beim Anwalt oder Arzt, und was weiß ich noch,
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10:50 - 10:54die Anforderungen an unsere
kognitiven Fähigkeiten stellen. -
10:54 - 10:57Aber ich habe über Ausbildung
und Beschäftigung gesprochen. -
10:57 - 11:00Manche der Denkgewohnheiten, die sich
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11:00 - 11:02im Lauf des 20. Jahrhunderts entwickelt haben,
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11:02 - 11:04zahlen sich in unerwarteten Bereichen aus.
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11:04 - 11:06Ich bin vorrangig ein Moralphilosoph.
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11:06 - 11:10Ich mache bloß Ferien in Psychologie,
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11:10 - 11:15und ich interessiere mich allgemein
für die Moraldebatte. -
11:15 - 11:17Nun ist im letzten Jahrhundert
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11:17 - 11:20in entwickelten Ländern wie Amerika
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11:20 - 11:22die Moraldebatte eskaliert,
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11:22 - 11:25weil wir das Hypothetische ernst nehmen
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11:25 - 11:28und auch Allgemeinbegriffe ernst nehmen,
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11:28 - 11:31und nach logischen Verbindungen suchen.
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11:31 - 11:35Als ich 1955 von der Universität nach Hause kam,
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11:35 - 11:37zu der Zeit von Martin Luther King,
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11:37 - 11:39kamen damals viele Personen nach Hause
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11:39 - 11:43und begannen mit ihren Eltern
und Großeltern zu streiten. -
11:43 - 11:46Mein Vater wurde 1885 geboren,
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11:46 - 11:49und er war leicht rassistisch eingestellt.
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11:49 - 11:51Als Ire hasste er die Engländer so sehr,
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11:51 - 11:53dass er für alle anderen
nicht viel Emotionen übrig hatte. -
11:53 - 11:57(Gelächter)
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11:57 - 12:01Aber er hatte das Gefühl, dass schwarze Menschen "minderwertiger" waren.
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12:01 - 12:04Und als wir unseren Eltern und Großeltern sagten:
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12:04 - 12:08"Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr
morgen als Schwarze aufwacht?", -
12:08 - 12:12meinten sie, dass wäre das Dümmste,
was sie je gehört hätten. -
12:12 - 12:15Hat man schon mal von jemandem gehört,
der morgens aufwachte – -
12:15 - 12:17(Gelächter) –
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12:17 - 12:18und schwarz geworden war?
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12:18 - 12:22Anders gesagt, sie waren in den konkreten
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12:22 - 12:25Sitten und Haltungen verwurzelt,
die sie geerbt hatten. -
12:25 - 12:28Sie nahmen das Hypothetische nicht ernst,
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12:28 - 12:30und ohne das Hypothetische
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12:30 - 12:34ist es sehr schwer,
moralische Diskussionen zu führen. -
12:34 - 12:36Man muss sagen: Angenommen, ihr wärt
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12:36 - 12:42im Iran und eure Verwandten würden
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12:42 - 12:45alle unter Kollateralschäden leiden,
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12:45 - 12:47obwohl sie nichts Falsches gemacht hätten.
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12:47 - 12:49Wie würdet ihr euch dabei fühlen?
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12:49 - 12:51Und wenn jemand aus der älteren Generation sagt:
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12:51 - 12:53"Nun, unsere Regierung kümmert sich um uns,
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12:53 - 12:56und ihre Regierung muss sich um sie kümmern",
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12:56 - 13:00dann sind sie einfach nicht bereit,
das Hypothetische ernst zu nehmen. -
13:00 - 13:04Oder nehmen sie einen islamischen Vater,
dessen Tochter vergewaltigt wurde, -
13:04 - 13:07und er fühlt sich moralisch verpflichtet, sie zu töten.
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13:07 - 13:09Er behandelt seine Moralvorstellungen
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13:09 - 13:13wie Gestein und Fels, das er geerbt hatte,
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13:13 - 13:16und die sich durch Logik nicht verändern lassen.
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13:16 - 13:18Sie sind einfach vererbte Konventionen.
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13:18 - 13:21Heute würde wir etwa sagen:
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13:21 - 13:24"Angenommen, Sie werden bewusstlos geschlagen
und sexuell missbraucht. -
13:24 - 13:26Hätten Sie es verdient, getötet zu werden?"
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13:26 - 13:29Und er würde sagen:
"Das steht ja nicht im Koran. -
13:29 - 13:33Das ist nicht eines meiner Prinzipien."
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13:33 - 13:36Heutzutage generalisieren Sie Ihre Prinzipien.
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13:36 - 13:39Sie erklären Sie zu Abstraktionen
und wenden Logik darauf an. -
13:39 - 13:41Wenn Sie ein Prinzip haben wie etwa:
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13:41 - 13:45Menschen sollten nicht leiden,
außer sie sind schuldig, -
13:45 - 13:47um dann schwarze Menschen auszuschließen,
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13:47 - 13:50muss man Ausnahmen machen, oder?
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13:50 - 13:53Man muss sagen, nun,
für die Dunkelheit der Haut, -
13:53 - 13:55sollte man nicht einfach leiden müssen.
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13:55 - 13:59Schwarze müssen irgendwie beschmutzt sein.
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13:59 - 14:02Und dann liefern wir einen tragfähigen
empirischen Nachweis, -
14:02 - 14:05und sagen, wie können Sie alle Schwarzen
als verdorben betrachten, -
14:05 - 14:08wenn St. Augustine und Thomas Sowell
beide schwarz waren. -
14:08 - 14:12So bringt man die moralische Diskussion in Gang.
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14:12 - 14:16denn man behandelt moralische Prinzipien
nicht als konkrete Instanzen. -
14:16 - 14:18Man behandelt sie als Universalien,
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14:18 - 14:21die durch Logik plausibel werden.
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14:21 - 14:24Nun, wie ist das alles
aus den IQ-Tests entstanden? -
14:24 - 14:28Das brachte mich ursprünglich
zur Geschichte der Kognition. -
14:28 - 14:30Wenn man den IQ-Test betrachtet,
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14:30 - 14:34stellt man fest, dass die Zuwächse
in bestimmten Bereichen am größten sind. -
14:34 - 14:37Beim Ähnlichkeits-Untertest des Wechsler
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14:37 - 14:39geht es um Klassifikation,
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14:39 - 14:41und wir haben enorme Fortschritte
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14:41 - 14:44bei diesem Klassifikations-Untertest gemacht.
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14:44 - 14:47Es gibt andere Teile der IQ-Messbatterie,
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14:47 - 14:51wo es um die Anwendung von Logik
bei Abstraktionen geht. -
14:51 - 14:54Manche von Ihnen haben vielleicht
Ravens Matrizentests gemacht, -
14:54 - 14:57da geht es nur um Analogien.
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14:57 - 15:00Und 1900 konnten Menschen
einfache Analogien machen. -
15:00 - 15:05D.h. wenn man ihnen sagte,
Katzen sind wie Wildkatzen. -
15:05 - 15:06Wem sind Hunde ähnlich?
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15:06 - 15:08Würden sie Wölfe sagen.
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15:08 - 15:12Aber um 1960 würden die Menschen Ravens Test
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15:12 - 15:15auf einem viel anspruchsvolleren Niveau angehen.
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15:15 - 15:19Nehmen wir an, wir haben zwei Quadrate,
gefolgt von einem Dreieck, -
15:19 - 15:21was folgt dann auf zwei Kreise?
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15:21 - 15:24Sie könnten sagen, ein Halbkreis.
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15:24 - 15:26Genauso wie ein Dreieck ein halbes Quadrat ist,
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15:26 - 15:29ist ein Halbkreis ein halber Kreis.
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15:29 - 15:32Im Jahr 2010 – Uniabsolventen – wenn man sagte,
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15:32 - 15:35zwei Kreise gefolgt von einem Halbkreis,
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15:35 - 15:382/16 gefolgt von irgendwas,
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15:38 - 15:42dann würden sie 8 sagen,
denn 8 ist die Hälfte von 16. -
15:42 - 15:45D.h. sie haben sich so weit
von der realen Welt entfernt, -
15:45 - 15:47dass sie sogar das Auftreten von Zeichen
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15:47 - 15:52ignorieren können,
die an der Frage beteiligt waren. -
15:52 - 15:55Ich sollte nun etwas
ziemlich Entmutigendes sagen: -
15:55 - 15:58Wir haben uns nicht
in allen Bereichen weiterentwickelt. -
15:58 - 16:00Ein Weg mit dem Entwicklungsgrad
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16:00 - 16:03der modernen Welt umzugehen,
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16:03 - 16:05könnte Politik sein,
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16:05 - 16:08und leider können Sie
humane Moralprinzipien haben, -
16:08 - 16:12Sie können klassifizieren,
Logik auf Abstraktionen anwenden, -
16:12 - 16:15aber wenn Sie die Geschichte
und andere Länder nicht kennen, -
16:15 - 16:18können Sie keine Politik machen.
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16:18 - 16:21Wir haben einen Trend unter
jungen Amerikanern bemerkt. -
16:21 - 16:24Sie lesen weniger Geschichtsbücher und Literatur
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16:24 - 16:26und viel weniger über fremde Länder,
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16:26 - 16:28und sie sind grundsätzlich geschichtslos.
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16:28 - 16:30Sie leben in einer Gegenwartsblase.
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16:30 - 16:33Sie können den Koreakrieg
nicht vom Vietnamkrieg unterscheiden. -
16:33 - 16:37Sie wissen nicht, wer im 2. Weltkrieg
Amerikas Verbündeter war. -
16:37 - 16:40Bedenken Sie, wie anders Amerika wäre,
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16:40 - 16:43wenn jeder Amerikaner wüsste,
dass es schon das fünfte Mal ist, -
16:43 - 16:47dass westliche Armeen nach Afghanistan gehen,
um dessen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, -
16:47 - 16:51und wenn sie wüssten, was genau
-
16:51 - 16:53bei den vorherigen Malen passiert ist.
-
16:53 - 16:54(Gelächter)
-
16:54 - 16:56Sie waren nämlich kaum abgereist,
-
16:56 - 16:58da gab es schon kaum noch Spuren im Sand.
-
16:58 - 17:02Oder stellen Sie sich vor,
wie anders die Dinge wären, -
17:02 - 17:04wenn die meisten Amerikaner wüssten,
dass wir durch Lügen -
17:04 - 17:07in 4 unserer 6 letzten Kriege
getrieben wurden. -
17:07 - 17:10Die Spanier haben das Kriegsschiff
Maine nicht versenkt, -
17:10 - 17:12die Lusitania war kein harmloses Schiff,
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17:12 - 17:15sondern voller Munition,
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17:15 - 17:19die Nordvietnamesen griffen
die 7. Flotte nicht an, -
17:19 - 17:23und natürlich hasste Saddam Hussein Al-Qaida
-
17:23 - 17:25und hatte damit nichts zu tun,
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17:25 - 17:28und trotzdem überzeugte die Regierung
45% der Bevölkerung, -
17:28 - 17:30dass sie Waffenbrüder waren,
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17:30 - 17:34auch wenn er einen von ihnen
am nächsten Laternenpfahl aufhängte. -
17:34 - 17:37Aber ich möchte nicht mit
einer pessimistischen Bemerkung enden. -
17:37 - 17:42Das 20. Jahrhundert hat enorme kognitive Reserven
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17:42 - 17:45bei normalen Menschen aufgezeigt,
die wir bis jetzt erreicht haben, -
17:45 - 17:48und der Adel war überzeugt,
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17:48 - 17:50dass der durchschnittliche Mensch das nicht schafft,
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17:50 - 17:53dass sie niemals ihre Denkweise
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17:53 - 17:55oder ihre kognitiven Fähigkeiten teilen würden.
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17:55 - 17:57Lord Curzon sagte einmal,
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17:57 - 17:59dass er Menschen in der Nordsee baden sah
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17:59 - 18:01und sagte: "Warum hat mir niemand gesagt,
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18:01 - 18:04was für weiße Körper
die unteren Schichten haben?" -
18:04 - 18:06Als wenn sie Reptilien wären.
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18:06 - 18:09Nun, Dickens hatte recht und er lag falsch.
[Korrektur: Rudyard Kipling] -
18:09 - 18:13[Kipling] sagte:
"Die Frau des Oberst und Judy O'Grady -
18:13 - 18:16sind unter der Haut Schwestern."
-
18:16 - 18:20(Beifall)
- Title:
- Warum unsere IQ-Niveaus höher sind als die unserer Großeltern
- Speaker:
- James Flynn
- Description:
-
Das nennt man den "Flynn-Effekt" – die Tatsache, dass jede Generation bei den IQ-Test besser abschneidet als die vorherige Generation. Werden wir wirklich schlauer oder denken wir einfach anders? In dieser temporeichen Tour durch die kognitive Geschichte des 20. Jahrhunderts behauptet Moralphilosoph James Flynn, dass Veränderungen in unserer Denkweise überraschende (und nicht immer positive) Konsequenzen hatten.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 18:40
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Judith Matz
Hi Angelika! Schöner Vortrag und schöne Uebersetzung. Ich habe einfach ein paar kleine Dinge loskorrigiert und unten ein paar angemerkt. Eine Sache mache ich in meinen Übersetzungen generell nicht mehr: "Well" als "Nun" zu uebersetzen. Ich finde es irgendwie unnatuerlich und lasse es lieber weg oder füge ein anderes Partikel ein (hier 2x "ja" weiter hinten im Satz). Ansonsten klicke ich jetzt einfach auf "Fertig" und denke, dass du dir ja den Talk wieder im Approval schnappen kannst und ggf. noch Änderungen vornehmen, falls gewünscht. :) LG!
09:02 -- bis jetzt waren alles kleine Sachen, aber hier würde ich sagen, das ist falsch aufgefasst. Er meint: Viele Hilfsberufe, wie z. B. Techniker u. Programmierer"
12:29 -- ich denke mir hier, "auf den Weg bringen" ist kein Begriff, den man gängigerweise verwendet und statt "Argument" vielleicht eher "Diskussion"?
12:33 -- würde hier mit "ihr" weitermachen (sind ja immer noch die hypothetischen Eltern)
14:08 -- hab das schon weiter oben geändert, aber hier wieder, wie wäre es mit "in Gang bringen" und "Diskussion"
16:12 -- finde "wenn" hier besser anstatt ein "für den Fall, dass..."