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Itay Talgam: Führen Sie wie die großen Dirigenten.

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    Der magische Augenblick, der magische Augenblick des Dirigierens.
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    Es ist das Betreten der Bühne. Ein Orchester sitzt vor dir.
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    Sie alle sind dabei, sich einzuspielen und so was.
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    Und ich gehe zum Podium.
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    Sie kennen das, das ist das kleine Büro des Dirigenten.
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    Oder vielmehr seine Arbeitsnische, eine Arbeitsnische im offenen Raum,
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    mit viel Platz.
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    Und mit all dem Lärm vor sich
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    macht man eine ganz kleine Handbewegung.
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    So was, zum Beispiel, gar nicht pompös, gar nicht kompliziert, so.
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    Und plötzlich, aus dem Chaos: Ordnung.
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    Lärm wird zu Musik.
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    Und das ist fantastisch. Und man ist so versucht,
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    zu glauben, es läge ganz und gar an einem selbst.
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    (Lachen)
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    All diese großartigen Leute hier, Virtuosen,
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    sie machen Lärm und brauchen mich und was ich mache.
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    Nicht wirklich. Wäre es so,
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    würde ich Ihnen die Worte ersparen
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    und die Handbewegung beibringen.
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    Dann könnten Sie hinausgehen in die Welt
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    und sie in irgendeinem Unternehmen oder wo auch immer ausprobieren
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    und Sie hätten vollendetes Zusammenspiel. Das geht nicht.
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    Schauen wir uns das erste Video an.
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    Ich hoffe, Sie werden darin ein gutes Beispiel für Zusammenspiel sehen.
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    Und lassen Sie uns dann ein bisschen darüber sprechen, wie es zustande kommt.
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    (Musik)
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    Das war schön, nicht?
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    Wenn das also eine Art Erfolg war,
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    wem sollten wir jetzt für den Erfolg danken?
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    Ich meine, offenkundig haben die Orchestermusiker
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    schön gespielt,
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    die Wiener Philharmoniker.
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    Oft schauen die nicht einmal zum Dirigenten.
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    Dann gab es die klatschenden Zuhörer, ja,
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    die so ihren Teil zur Musik beigesteuert haben.
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    Wissen Sie, das Wiener Publikum mischt sich normalerweise nicht in die Musik ein.
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    Mehr Ähnlichkeit mit einem orientalischen Bauchtanz-Gelage
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    werden Sie in Wien nicht erleben.
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    (Lachen)
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    Im Gegensatz zum Beispiel zu Israel, wo das Publikum die ganze Zeit hustet.
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    Bekanntlich sagte Arthur Rubinstein, der Pianist, immer:
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    "Überall auf der Welt gehen Leute, die Grippe haben, zum Arzt.
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    In Tel Aviv gehen sie in meine Konzerte."
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    (Lachen)
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    Das hat also eine gewisse Tradition.
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    Aber das Wiener Publikum macht so was nicht.
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    Hier machen sie eine Ausnahme, nur um teilzuhaben,
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    ein Teil des Orchesters zu werden, und das ist großartig.
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    Wissen Sie, ein Publikum wie Sie, ja,
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    ist die Show.
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    Was ist aber mit dem Dirigenten? Was hat der Dirigent
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    eigentlich wirklich gemacht?
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    Nun ja, er war glücklich.
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    Und oft zeige ich diese Sequenz gestandenen Führungskräften.
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    Die Leute reagieren verärgert.
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    "Sie kommen zur Arbeit. Wie können Sie so glücklich sein?"
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    Da muss doch irgendwas faul sein! Trotzdem versprüht er gute Laune.
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    Und ich glaube, die gute Laune, wichtig an der guten Laune ist,
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    dass sie nicht auf
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    seiner eigenen Geschichte beruht, und seiner Freude an der Musik.
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    Die Freude findet man darin, anderer Leute Geschichten
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    gleichzeitig zu Gehör zu bringen.
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    Da ist die Geschichte des Orchesters als professioneller Klangkörper.
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    Da ist die Geschichte des Publikums als Gemeinschaft. Ja.
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    Da ist die Geschichte der einzelnen Personen
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    im Orchester und im Publikum.
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    Und dann sind da andere Geschichten, unsichtbare.
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    Menschen, die diese herrliche Konzerthalle gebaut haben,
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    Menschen, die diese Stradivaris gemacht haben, die Amatis, all diese wunderschönen Instrumente.
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    Und allen diesen Geschichten hört man gleichzeitig zu.
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    Das ist das wirkliche Erlebnis an einem Live-Konzert.
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    Das ist doch ein Grund, auszugehen, oder?
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    Und nicht alle Dirigenten beschränken sich darauf.
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    Schauen wir jemand anderem zu, einem großen Dirigenten,
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    Riccardo Muti. Bitte.
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    (Musik)
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    Ja, das war sehr kurz. Aber Sie konnten sehen,
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    dass er eine ganz andere Art Figur abgibt, nicht wahr?
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    Er ist beeindruckend. So gebieterisch.
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    So klar. Vielleicht ein wenig zu klar.
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    Können wir ein kleines Experiment machen? Würden Sie für eine Sekunde mein Orchester sein?
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    Können Sie bitte den ersten Ton von "Don Giovanni" singen?
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    Sie müssen "Aaaaah" singen und ich werde Sie stoppen.
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    Ok? Fertig?
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    Publikum: ♫ Aaaaaaah ... ♫
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    Itay Talgam: Na los, wir machen das zusammen. Wenn Sie das ohne mich machen,
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    fühle ich mich noch überflüssiger als ohnehin schon.
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    Also bitte, warten Sie auf den Dirigenten.
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    Jetzt sehen Sie mich an. "Aaaaaah," und ich stoppe Sie. Los jetzt.
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    Publikum: ♫ Aaaaaaah ... ♫
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    (Lachen)
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    Itay Talgam: Wir müssen uns später kurz unterhalten.
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    (Lachen)
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    Aber ... Da ist eine Stelle frei für einen ...
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    Aber -- (Lachen)
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    -- Sie konnten sehen, dass man ein Orchester mit einem Finger stoppen kann.
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    Was aber macht Riccardo Muti? Er macht etwas in dieser Art ...
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    (Lachen)
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    Und dann -- ungefähr -- (Lachen)
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    Es ist also nicht nur die Anweisung klar,
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    sondern auch die Strafe, was geschehen wird, wenn du nicht tust, was ich sage.
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    (Lachen)
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    Und, funktioniert das? Ja, es funktioniert --
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    bis zu einem gewissen Punkt.
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    Fragt man Muti, "warum dirigierst du so?"
  • 6:12 - 6:14
    Antwortet er, "ich bin verantwortlich.
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    Verantwortlich vor ihm."
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    Nein, er meint nicht wirklich IHN. Er meint Mozart,
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    also den -- (Lachen) etwa drei Sitzplätze von der Mitte.
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    (Lachen)
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    Er sagt also, "wenn ich --
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    (Applaus)
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    Wenn ich verantwortlich für Mozart bin,
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    dann ist das die einzige Geschichte, die erzählt wird:
  • 6:31 - 6:35
    Mozart, so wie ich, Riccardo Muti, ihn verstehe."
  • 6:35 - 6:37
    Und wissen Sie, was Muti passiert ist?
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    Vor drei Jahren erhielt er einen Brief, der von allen
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    700 Angestellten der Scala unterzeichnet war,
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    den musikalischen Angestellten, ich meine die Musiker,
  • 6:44 - 6:48
    in dem stand: "Sie sind ein großartiger Dirigent. Wir wollen nicht mit Ihnen arbeiten. Bitte legen Sie Ihr Amt nieder."
  • 6:48 - 6:49
    (Lachen)
  • 6:49 - 6:52
    "Warum? Weil Sie uns keine Entwicklungsmöglichkeiten zugestehen.
  • 6:52 - 6:55
    Sie behandeln uns wie Instrumente, nicht wie Partner.
  • 6:55 - 6:57
    Und unsere Freude an der Musik, etc. etc. ..."
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    Also musste er zurücktreten. Hübsch, nicht?
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    (Lachen)
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    Er ist ein angenehmer Zeitgenosse, wirklich.
  • 7:04 - 7:07
    Nun gut, kann man es mit weniger Kontrolle schaffen,
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    oder mit einer anderen Art von Kontrolle?
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    Schauen wir uns den nächsten Dirigenten an, Richard Strauss.
  • 7:15 - 7:19
    (Musik)
  • 7:43 - 7:47
    Ich befürchte, Sie werden den Eindruck haben, dass ich vor allem deswegen auf ihm herumhacke, weil er alt ist.
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    Das ist nicht wahr. Als junger Mann
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    von circa 30 Jahren schrieb er etwas, das er die
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    "Die Zehn Gebote für Dirigenten" nannte.
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    Das erste lautete: Wenn Sie am Ende des Konzertes schwitzen,
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    heißt das, dass Sie etwas falsch gemacht haben.
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    Das ist das erste. Das vierte wird Ihnen besser gefallen.
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    Es heißt: Nie auf die Posaunen schauen -
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    das ermuntert sie nur.
  • 8:05 - 8:10
    (Lachen)
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    Die Grundidee ist also, es wirklich
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    von allein geschehen zu lassen.
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    Nicht dazwischenfunken.
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    Aber wie geschieht es? Haben Sie gesehen,
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    wie er die Seiten in der Partitur umblättert?
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    Nun, entweder ist er senil
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    und erinnert sich nicht an seine eigene Musik, denn er hat die Musik geschrieben.
  • 8:26 - 8:29
    Oder er vermittelt tatsächlich eine sehr eindrückliche Botschaft an sie, die da lautet:
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    "Na los, Leute. Ihr müsst streng nach Vorschrift spielen.
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    Es geht also nicht um meine Geschichte, nicht um eure Geschichte.
  • 8:35 - 8:38
    Es geht nur um die Ausführung der Musik, so wie sie geschrieben ist,
  • 8:38 - 8:40
    nicht um Interpretation."
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    Interpretation ist die wahre Geschichte des darstellenden Künstlers.
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    Also, nein, das will er nicht. Dieses ist eine andere Art der Kontrolle.
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    Schauen wir uns einen weiteren Über-Dirigenten an,
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    einen deutschen Über-Dirigenten, Herbert von Karajan, bitte.
  • 8:52 - 8:56
    (Musik)
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    Was ist anders? Haben Sie die Augen gesehen? Geschlossen.
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    Haben Sie die Hände gesehen?
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    Haben Sie diese Art Bewegung gesehen? Lassen Sie mich Ihr Dirigent sein. Zweimal.
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    Einmal wie ein Muti, und Sie werden -- (klatscht) -- klatschen, nur einmal.
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    Und dann wie Karajan. Sehen wir, was passiert. Okay?
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    Wie Muti. Bereit? Denn Muti ...
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    (Lachen) Okay? Bereit? Versuchen wir's.
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    Publikum: (klatscht)
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    Itay Talgam: Hmmm ... nochmal.
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    Publikum: (klatscht)
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    Itay Talgam: Gut. Jetzt wie ein Karajan. Da Sie ja schon geübt sind,
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    erlauben Sie, dass ich mich kurz konzentriere, meine Augen schließe. Kommen Sie, kommen Sie.
  • 9:56 - 9:58
    Publikum: (klatscht) (Lachen)
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    Itay Talgam: Warum nicht zusammen? (Lachen)
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    Weil Sie nicht wussten, wann sie spielen sollten.
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    Jetzt kann ich Ihnen sagen, sogar die Berliner Philharmoniker
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    wussten nicht, wann Sie spielen sollten.
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    (Lachen)
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    Aber ich werde Ihnen sagen, wie sie damit umgehen. Ganz ohne Zynismus.
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    Das ist ein deutsches Orchester, ja?
  • 10:11 - 10:15
    Sie schauen Karajan an. Und dann sehen sie einander an.
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    (Lachen)
  • 10:18 - 10:21
    "Verstehst du, was der Kerl will?"
  • 10:21 - 10:23
    Und danach sehen sie
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    einander wirklich an und die Stimmführer im Orchester
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    führen das ganze Ensemble im Zusammenspiel.
  • 10:28 - 10:30
    Und wenn Karajan danach gefragt wird
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    sagt er tatsächlich, "Ja, das Schlimmste,
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    was ich meinem Orchester antun kann,
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    ist, ihm eine klare Anweisung zu geben.
  • 10:38 - 10:40
    Denn das würde
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    das Ensemblespiel verhindern, das Aufeinanderhören,
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    das man für ein Orchester braucht."
  • 10:46 - 10:48
    Das ist doch toll. Und was ist mit den Augen?
  • 10:48 - 10:50
    Warum sind die Augen geschlossen?
  • 10:50 - 10:54
    Es gibt eine wunderbare Geschichte über Karajan, als er in London dirigierte.
  • 10:54 - 10:57
    Und er gibt einem Flötisten seinen Einsatz, ungefähr so.
  • 10:57 - 11:00
    Der arme Kerl hat keine Ahnung, was er tun soll. (Lachen)
  • 11:00 - 11:03
    "Maestro, bei allem Respekt, wann soll ich anfangen?"
  • 11:03 - 11:06
    Was denken Sie, war Karajans Antwort? Wann soll ich anfangen?
  • 11:06 - 11:10
    Oh, ja. Er sagte: "Sie fangen an, wenn Sie es nicht mehr aushalten können."
  • 11:10 - 11:13
    (Lachen)
  • 11:13 - 11:18
    Das heißt, du weißt, du hast keinerlei Macht, irgendwas zu ändern.
  • 11:18 - 11:22
    Es ist meine Musik. Die wahre Musik ist nur in Karajans Vorstellung.
  • 11:22 - 11:25
    Und du musst meine Gedanken lesen. Also stehst du unter gewaltigem Druck,
  • 11:25 - 11:27
    weil ich dir keine Anweisung gebe,
  • 11:27 - 11:29
    und doch musst du meine Gedanken lesen.
  • 11:29 - 11:31
    Das ist somit eine andere Art, eine sehr spirituelle, und dennoch
  • 11:31 - 11:34
    sehr stabile Kontrolle.
  • 11:34 - 11:36
    Können wir es auf andere Weise tun? Natürlich können wir das. Gehen wir zurück
  • 11:36 - 11:38
    zum ersten Dirigenten, den wir gesehen haben:
  • 11:38 - 11:40
    Carlos Kleiber heißt er. Das nächste Video, bitte.
  • 11:42 - 11:46
    (Musik)
  • 12:38 - 12:40
    (Lachen) Yeah.
  • 12:40 - 12:43
    Nun gut, das ist anders. Aber ist das nicht genauso beherrschend?
  • 12:43 - 12:46
    Nein, ist es nicht. Weil er ihnen nicht vorschreibt, was sie tun sollen.
  • 12:46 - 12:48
    Wenn er so macht, heißt das nicht:
  • 12:48 - 12:51
    "Nimm deine Stradivari und, wie Jimi Hendrix,
  • 12:51 - 12:53
    zerschmettere sie auf dem Boden." Das ist es nicht.
  • 12:53 - 12:55
    Er sagt: "Dies ist eine Bewegung der Musik.
  • 12:55 - 12:57
    Ich eröffne dir einen Freiraum
  • 12:57 - 12:59
    für eine weitere Ebene
  • 12:59 - 13:01
    der Interpretation."
  • 13:01 - 13:03
    Das ist eine andere Geschichte.
  • 13:03 - 13:05
    Aber wie läuft das alles zusammen,
  • 13:05 - 13:07
    wenn es ihnen keine Anweisungen erteilt?
  • 13:07 - 13:09
    Es ist wie auf einer Achterbahnfahrt.
  • 13:09 - 13:11
    Man bekommt eigentlich gar keine Anweisungen.
  • 13:11 - 13:15
    Aber die Kräfte des Ablaufs selbst halten einen in der Spur.
  • 13:15 - 13:17
    Das ist, was er tut.
  • 13:17 - 13:19
    Interessanterweise existiert die Achterbahn in Wirklichkeit gar nicht.
  • 13:19 - 13:23
    Sie ist kein greifbares Ding. Sie ist in den Köpfen der Musiker.
  • 13:23 - 13:26
    Und das macht sie zu Partnern.
  • 13:26 - 13:28
    Du hast den Plan im Kopf.
  • 13:28 - 13:31
    Du weißt, was zu tun ist, selbst wenn Kleiber dich nicht dirigiert.
  • 13:31 - 13:34
    Aber hier und da und das. Du weißt, was zu tun ist.
  • 13:34 - 13:37
    Und du wirkst dabei mit, die Achterbahn zu bauen,
  • 13:37 - 13:39
    ja, durch Klang,
  • 13:39 - 13:41
    während du schon in voller Fahrt bist.
  • 13:41 - 13:44
    Das ist sehr aufregend für die Musiker.
  • 13:44 - 13:46
    Sie müssen danach für zwei Wochen ins Sanatorium.
  • 13:46 - 13:47
    (Lachen)
  • 13:47 - 13:49
    Es ist sehr ermüdend. Nicht wahr?
  • 13:49 - 13:53
    Aber so macht man am besten Musik.
  • 13:53 - 13:56
    Aber es geht nicht nur um Motivation
  • 13:56 - 13:59
    und darum, ihnen eine Menge physischer Energie zu verleihen.
  • 13:59 - 14:01
    Sie müssen auch sehr professionell sein.
  • 14:01 - 14:03
    Und schauen Sie nochmal Kleiber zu.
  • 14:03 - 14:05
    Können wir das nächste Video haben, schnell?
  • 14:05 - 14:09
    Sie werden sehen, was passiert, wenn einer einen Fehler macht.
  • 14:09 - 14:12
    (Musik) Wieder sehen Sie diese wunderbare Körpersprache.
  • 14:12 - 14:15
    (Musik)
  • 14:18 - 14:21
    Und jetzt ist da ein Trompeter,
  • 14:21 - 14:23
    der etwas nicht genau so macht, wie es sein sollte.
  • 14:23 - 14:25
    Folgen Sie dem Video. Sehen Sie hin.
  • 14:28 - 14:32
    Sehen Sie, das zweite Mal für denselben Musiker.
  • 14:34 - 14:37
    (Lachen) Und jetzt das dritte Mal für denselben Musiker.
  • 14:41 - 14:42
    (Lachen)
  • 14:42 - 14:44
    "Warten Sie nach dem Konzert auf mich.
  • 14:44 - 14:46
    Ich hätte da etwas mit Ihnen zu besprechen."
  • 14:46 - 14:50
    Wissen Sie, die Autorität steht zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird. Das ist sehr wichtig.
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    Aber Autorität reicht nicht, um Menschen zu Partnern zu machen.
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    Schauen wir uns das nächste Video, bitte. Sehen Sie, was hier passiert.
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    Vielleicht überrascht es Sie, nachdem Sie Kleiber als so einen
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    hyperaktiven Kerl gesehen haben.
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    Er dirigiert Mozart.
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    (Musik)
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    Das ganze Orchester spielt.
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    (Music)
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    Und jetzt etwas anderes.
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    (Musik)
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    Sehen Sie? Er ist zu 100 Prozent da,
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    aber nicht gebietend, er gibt keine Anweisung.
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    Vielmehr genießt er, was der Solist spielt.
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    (Musik)
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    Ein weiteres Solo. Sehen Sie, was Sie daraus mitnehmen können.
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    (Musik)
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    Sehen Sie sich seine Augen an.
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    Okay. Haben Sie's gesehen?
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    Zuvorderst ist es ein Kompliment, das wir alle gerne bekommen.
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    Es ist kein Feedback. Es ist ein "Hmmm ..." Ja, es kommt von dort.
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    Das ist etwas Gutes.
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    Und dazu kommt, dass es
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    hier um schon um Kontrolle geht,
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    aber um eine ganz bestimmte Art.
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    Wenn Kleiber so macht -- haben Sie seine Augen gesehen,
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    wie sie dahin wandern? (singt)
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    Wissen Sie, was passiert? Die Schwerkraft ist aufgehoben.
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    Kleiber erschafft nicht nur einen Prozess,
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    sondern er erschafft auch die Rahmenbedingungen,
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    in denen der Prozess abläuft.
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    Und wieder ist der Oboist
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    völlig autonom
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    und deshalb glücklich und stolz auf seine Arbeit,
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    und kreativ und all das.
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    Und die Ebene, auf der Kleiber die Kontrolle ausübt, ist eine andere.
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    Kontrolle ist so nicht länger ein Nullsummenspiel.
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    Sie haben diese Kontrolle. Sie haben diese Kontrolle. Und alles, was Sie in
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    partnerschaftlichem Spiel zusammenbringen, erschafft die beste Musik.
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    Bei Kleiber geht es also um den Prozess.
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    Bei Kleiber geht es um die Rahmenbedingungen.
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    Aber man braucht Prozess und Inhalt, um Sinn zu erschaffen.
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    Lenny Bernstein, mein persönlicher Maestro,
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    denn er war ein großartiger Lehrer,
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    Lenny Bernstein hat immer vom Sinn her angefangen. Sehen Sie sich das bitte an.
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    (Musik)
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    Erinnern Sie sich an Mutis Gesicht, ganz am Anfang?
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    Er hatte einen wunderbaren Ausdruck, aber nur einen.
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    (Lachen)
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    Haben Sie Lennys Gesicht gesehen?
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    Wissen Sie, warum? Weil diese Musik Schmerz ausdrückt.
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    Und man erzeugt einen schmerzvollen Klang.
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    Und man schaut Lenny an und er leidet.
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    Aber nicht auf eine Weise, die man beenden möchte.
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    Er leidet, als ob er sich auf jüdische Weise amüsiert, wie man (im Englischen) sagt.
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    (Lachen)
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    Aber Sie können die Musik auf seinem Gesicht sehen.
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    Sie können sehen, dass er den Taktstock weggelegt hat. Kein Taktstock mehr.
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    Jetzt geht es um dich, den Mitspieler,
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    der die Geschichte erzählt.
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    Jetzt dreht sich die Sache um. Du erzählst die Geschichte. Und du erzählst die Geschichte.
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    Und wenngleich kurz, wirst du doch zum Erzähler der Geschichte,
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    dem die Gemeinschaft, die ganze Gemeinschaft, zuhört.
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    Und Bernstein macht das möglich. Ist das nicht wunderbar?
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    Wenn Sie jetzt alle diese Dinge, über die wir gesprochen haben,
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    zusammenbringen, und vielleicht noch ein paar andere,
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    dann erreichen Sie möglicherweise diesen herrlichen Zustand des Tuns, ohne zu tun.
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    Und für das letzte Video, glaube ich, ist das wohl die beste Überschrift.
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    Mein Freund Peter sagt:
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    "Wenn du etwas liebst, dann schenke es her." Also, bitte.
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    (Musik)
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    (Applaus)
Title:
Itay Talgam: Führen Sie wie die großen Dirigenten.
Speaker:
Itay Talgam
Description:

Der Dirigent eines Orchesters steht vor der denkbar größten Herausforderung: Vollendetes Zusammenspiel zu ermöglichen, ohne ein Wort zu sagen. In seinem bezaubernden Vortrag zeigt Itay Talgam am Beispiel von sechs großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts deren jeweils einzigartigen Stil und zieht daraus wichtige Lehren für alle, die Führungsverantwortung tragen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
20:31
Matthias Daues added a translation

German subtitles

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