< Return to Video

Nathaniel Kahn über "Mein Architekt"

  • 0:00 - 0:03
    Wenn ich an einige der wundervollen Vorträge denke, die wir hier gehört haben,
  • 0:03 - 0:07
    z.B. den von Michael Moschen oder einige der Reden über die Musik
  • 0:07 - 0:09
    und darüber, dass es da einen Erzählstrang gibt
  • 0:09 - 0:12
    und dass die Musik in der Zeit existiert,
  • 0:12 - 0:15
    dann möchte ich eine Sache übers Filmemachen und diesen Film sagen:
  • 0:15 - 0:18
    Auch ein Film existiert in der Zeit und ist eine Erfahrung,
  • 0:18 - 0:21
    die man über sein Gefühl machen sollte.
  • 0:21 - 0:23
    Als ich diesen Film machte, merkte ich, dass sehr viele der Dokumentarfilme,
  • 0:23 - 0:26
    die ich gesehen habe, vom Lernen handeln oder von Erkenntnissen
  • 0:26 - 0:30
    und dass sie von Gesprächen mit klugen Köpfen und Ideen inspiriert sind.
  • 0:30 - 0:33
    Ich aber wollte, dass dieser Film von Gefühlen getragen wurde,
  • 0:33 - 0:35
    und dass er wirklich meinen Weg verfolgt.
  • 0:35 - 0:38
    Anstatt also Interviews zu benutzen, ist er aus Szenen zusammengesetzt,
  • 0:38 - 0:40
    und nebenbei treffen wir auch ein paar Leute.
  • 0:40 - 0:42
    Wir treffen sie aber nur einmal.
  • 0:42 - 0:45
    Sie tauchen nicht mehrmals auf, sodass er tatsächlich wie ein Reisebericht ist.
  • 0:45 - 0:48
    Er ist so etwas wie das Leben: Wenn man erst einmal drin ist,
  • 0:48 - 0:50
    kann man nicht wieder heraus.
  • 0:50 - 0:52
    Ich möchte Ihnen zwei Episoden aus dem Film zeigen:
  • 0:52 - 0:55
    Die erste ist ein ziemlicher Mischmasch,
  • 0:55 - 0:58
    nur drei oder vier kurze Momente mit drei Leuten,
  • 0:58 - 1:00
    die hier heute Abend anwesend sind.
  • 1:00 - 1:02
    Das ist nicht typisch für ihre Rollen im Film,
  • 1:02 - 1:04
    denn sie sind Teil von viel größeren Szenen.
  • 1:04 - 1:07
    Sie konterkarieren einander auf wunderbare Weise.
  • 1:07 - 1:09
    Das Ganze endet mit einer Szene von meinem Vater, von Lou,
  • 1:09 - 1:11
    der über etwas spricht, an dem ihm sehr gelegen ist,
  • 1:11 - 1:13
    nämlich über die Zufälle im Leben. Ich glaube, er dachte,
  • 1:13 - 1:16
    die meisten Dinge im Leben geschehen per Zufall
  • 1:16 - 1:19
    und sind vielleicht überhaupt nicht geplant.
  • 1:19 - 1:23
    Auf diese drei Ausschnitte folgt dann eine Szene von dem,
  • 1:23 - 1:25
    was meines Erachtens wirklich sein großartigstes Gebäude ist,
  • 1:25 - 1:27
    nämlich das Gebäude in Dhaka in Bangladesh.
  • 1:27 - 1:30
    Er baute dort den Regierungssitz auf.
  • 1:30 - 1:32
    Ich bin sicher, das Gebäude wird Ihnen gefallen.
  • 1:32 - 1:37
    Es wird immer noch fotografiert, jedoch nie von einem Filmteam.
  • 1:37 - 1:40
    Wir waren das erste Filmteam, das sich daran wagte.
  • 1:40 - 1:43
    Sie werden also Bilder von diesem bemerkenswerten Gebäude sehen.
  • 1:43 - 1:45
    Vorweg ein paar Informationen darüber:
  • 1:45 - 1:47
    Es wurde ausschließlich von Hand gebaut.
  • 1:47 - 1:51
    Erst im letzten Jahr hat man einen Kran benutzt.
  • 1:51 - 1:54
    Es wurde ausschließlich von Hand und mit Bambusgerüsten gebaut.
  • 1:54 - 1:56
    Die Arbeiter trugen diese Körbe mit Beton auf ihren Köpfen
  • 1:56 - 1:58
    und kippten sie in die Verschalungen.
  • 1:58 - 2:00
    Es ist der Regierungssitz des Landes.
  • 2:00 - 2:03
    und man brauchte 23 Jahre für seine Errichtung,
  • 2:03 - 2:06
    eine Leistung, auf die man dort sehr stolz zu sein scheint.
  • 2:06 - 2:08
    Sein Bau dauerte so lang wie der des Taj Mahal.
  • 2:08 - 2:11
    Leider dauerte es so lang, dass Lou seine Fertigstellung nicht mehr erlebte.
  • 2:11 - 2:14
    Er starb 1974.
  • 2:14 - 2:17
    Der Bau wurde erst 1983 abgeschlossen.
  • 2:17 - 2:19
    Er dauerte also noch viele Jahre an,
  • 2:19 - 2:22
    nachdem Lou schon gestorben war.
  • 2:22 - 2:24
    Denken Sie daran, wenn Sie das Gebäude sehen,
  • 2:24 - 2:28
    dass wir die Dinge, um die wir im Leben so intensiv bemühen, manchmal nie im fertigen Zustand sehen.
  • 2:28 - 2:32
    Das hat mich wirklich an meinem Vater tief beeindruckt,
  • 2:32 - 2:34
    dass er so sehr von seiner Sache überzeugt war
  • 2:34 - 2:36
    und daran glaubte, dass trotz aller Widrigkeiten
  • 2:36 - 2:39
    etwas Positives dabei herauskommen würde.
  • 2:39 - 2:41
    Selbst mitten im Krieg mit Pakistan, als der Bau zum Stehen kam,
  • 2:41 - 2:44
    arbeitete er weiter, denn er dachte:
  • 2:44 - 2:46
    "Wenn der Krieg vorüber ist,
  • 2:46 - 2:49
    werden sie dieses Gebäude brauchen."
  • 2:49 - 2:51
    Hier jetzt also die zwei ausgewählten Filmausschnitte.
  • 2:51 - 2:54
    Film ab!
  • 2:54 - 3:01
    (Applaus)
  • 3:02 - 3:05
    Richard Saul Wurman: Ich weiß noch, wie er am Penn-College eine Rede hielt.
  • 3:05 - 3:08
    Ich kam nach Hause und sagte zu meinen Eltern:
  • 3:08 - 3:11
    "Ich habe da gerade einen Mann getroffen, der wenig zu tun hat,
  • 3:11 - 3:15
    irgendwie hässlich ist, eine komische Stimme hat
  • 3:15 - 3:17
    und Lehrer ist.
  • 3:17 - 3:20
    Ich weiß, dass ihr nie von ihm gehört habt. Aber merkt euch diesen Tag,
  • 3:20 - 3:23
    eines Tages werdet ihr von ihm hören,
  • 3:23 - 3:26
    denn er ist ein faszinierender Mann."
  • 3:26 - 3:32
    Frank Gehry: Ich habe gehört, dass er eine Affäre mit Ingrid Bergman hatte. Stimmt das?
  • 3:32 - 3:34
    Nathaniel Kahn: Wenn ja, dann hat er Glück gehabt.
  • 3:34 - 3:36
    (Gelächter)
  • 3:36 - 3:37
    NK: Haben Sie das wirklich gehört?
  • 3:37 - 3:40
    FG: Ja, als er in Rom war.
  • 3:40 - 3:43
    Moshe Safdie: Er war ein richtiger Nomade.
  • 3:43 - 3:45
    Als ich ihn vom Büro her kannte, kam er immer gerade von einer Reise zurück,
  • 3:45 - 3:47
    arbeitete dann immer zwei oder drei Tage intensiv
  • 3:47 - 3:50
    und packte dann seine Sachen und verschwand wieder.
  • 3:50 - 3:54
    Er pflegte bis drei Uhr morgens mit uns im Büro zu arbeiten,
  • 3:54 - 3:56
    aber immer hatte er das Gefühl, ein Nomade zu sein.
  • 3:56 - 4:02
    Ich finde, so tragisch sein Tod auf dem Bahnhof auch war,
  • 4:02 - 4:04
    so typisch war er doch gleichzeitig für sein Leben.
  • 4:04 - 4:06
    Oft denke ich, dass ich im Flugzeug sterben werde
  • 4:06 - 4:08
    oder auf dem Flughafengelände
  • 4:08 - 4:11
    oder beim Joggen ohne Personalausweis.
  • 4:11 - 4:13
    Ich weiß auch nicht, warum ich das mit meiner
  • 4:13 - 4:16
    Erinnerung an seinen Tod in Verbindung bringe.
  • 4:16 - 4:21
    Er war eben tief innerlich ein Nomade.
  • 4:21 - 4:24
    Louis Kahn: Wie sehr doch unser Leben vom Zufall abhängt
  • 4:24 - 4:28
    und wie sehr vom Einfluss äußerer Umstände!
  • 5:44 - 5:49
    Mann: Wir arbeiten in der Morgenschicht und freuen uns immer
  • 5:49 - 5:53
    über den Fußmarsch hierher und über die Schönheit der Stadt und ihre Atmosphäre.
  • 5:53 - 5:57
    Dies ist der schönste Ort in Bangladesh.
  • 5:57 - 5:59
    Und wir sind stolz darauf.
  • 5:59 - 6:01
    NK: Sie sind stolz darauf?
  • 6:01 - 6:04
    Mann: Ja, es ist das Nationalzeichen von Bangladesh.
  • 6:04 - 6:07
    NK: Wissen Sie irgendetws über den Architekten?
  • 6:07 - 6:14
    Mann: Architekt? Ich weiß nur, dass er ein [undeutlich] Architekt ist.
  • 6:14 - 6:17
    NK: Nun, eigentlich bin ich hier, weil ich der Sohn des Architekten bin,
  • 6:17 - 6:19
    er war mein Vater.
  • 6:19 - 6:21
    Mann: Oh! Ihr Vater ist Louis Farrakhan?
  • 6:21 - 6:24
    NK: Ja, aber nicht Louis Farrakhan, sondern Louis Khan.
  • 6:24 - 6:27
    Mann: Louis Kahn, ja!
  • 6:27 - 6:29
    (Lachen)
  • 6:29 - 6:31
    Mann: Lebt Ihr Vater noch?
  • 6:31 - 6:34
    NK: Nein, er ist schon vor 25 Jahren gestorben.
  • 6:34 - 6:37
    Mann: Schön, Sie hier wieder begrüßen zu dürfen.
  • 6:37 - 6:38
    NK: Danke sehr.
  • 7:18 - 7:20
    NK: Er hat das Gebäude nie fertig gesehen.
  • 7:20 - 7:23
    Nein, Papa hat das hier nie gesehen.
  • 7:45 - 7:49
    Shamsul Wares: Es war fast unmöglich, für ein Land wie das unsere zu bauen.
  • 7:49 - 7:53
    Vor 50 Jahren war hier nichts, nur Reisfelder.
  • 7:53 - 7:56
    Aber seitdem wir ihn hierher eingeladen hatten,
  • 7:56 - 7:58
    glaubte er, dafür verantwortlich zu sein.
  • 7:58 - 8:01
    Er wollte hier ein zweiter Moses sein, er brachte uns die Demokratie.
  • 8:01 - 8:03
    Er ist kein politischer Mensch,
  • 8:03 - 8:05
    aber in seiner Rolle hat er uns die Einrichtung für die Demokratie
  • 8:05 - 8:08
    gegeben, von der aus wir uns weiterentwickeln können.
  • 8:08 - 8:12
    So gesehen, ist er sehr wichtig.
  • 8:12 - 8:14
    Ihn interessierte nicht, wieviel Geld unser Land hat
  • 8:14 - 8:17
    oder ob er je in der Lage sein würde, den Bau zu beenden.
  • 8:17 - 8:20
    Aber irgendwie hat er es geschafft. Dies ist das größte Projekt,
  • 8:20 - 8:25
    das er hier im ärmsten Land der Welt gebaut hat.
  • 8:25 - 8:27
    NK: Es hat ihn das Leben gekostet.
  • 8:27 - 8:30
    SW: Ja, er hat dafür mit dem Leben bezahlen müssen.
  • 8:30 - 8:34
    Deshalb ist er ein großer Mann, und wir werden immer an ihn denken.
  • 8:34 - 8:36
    Und er war obendrein sehr menschlich.
  • 8:36 - 8:41
    Sein Verlust an Privatleben gehört untrennbar
  • 8:41 - 8:44
    zum Schicksal großartiger Leute.
  • 8:44 - 8:47
    Ich glaube, sein Sohn wird das verstehen
  • 8:47 - 8:49
    und deswegen keinen Groll hegen oder das Gefühl haben,
  • 8:49 - 8:52
    vernachlässigt worden zu sein.
  • 8:52 - 8:55
    Er hat sich auf andere Weise um ihn gekümmert,
  • 8:55 - 8:57
    doch um das zu verstehen, braucht es viel Zeit.
  • 8:57 - 9:01
    In sozialer Hinsicht war sein Leben
  • 9:01 - 9:03
    wie das eines Kindes. Er war keineswegs erwachsen.
  • 9:03 - 9:05
    Er konnte zu nichts nein sagen.
  • 9:05 - 9:08
    und weil er nie nein sagen konnte,
  • 9:08 - 9:11
    haben wir heute dieses Gebäude.
  • 9:11 - 9:14
    Sehen Sie, nur so kann man ihn richtig verstehen.
  • 9:14 - 9:17
    Einen kürzeren Weg oder eine andere Art,
  • 9:17 - 9:20
    ihn zu verstehen, gibt es nicht.
  • 9:20 - 9:28
    Er hat uns dieses Gebäude gegeben,
  • 9:28 - 9:30
    und wir fühlen genauso wie er,
  • 9:30 - 9:33
    deshalb hat er uns seine Liebe geschenkt.
  • 9:33 - 9:36
    Ihnen konnte er wahrscheinlich nicht die richtige Art von Liebe geben,
  • 9:36 - 9:39
    aber uns, unserem Volk hat er die richtige Art von Liebe gegeben,
  • 9:39 - 9:41
    das ist wichtig.
  • 9:41 - 9:43
    Das müssen Sie einfach verstehen.
  • 9:43 - 9:45
    Er verfügte über jede Menge Liebe,
  • 9:45 - 9:47
    er liebte jeden.
  • 9:47 - 9:51
    Und um jeden lieben zu können, hat er manchmal
  • 9:51 - 9:54
    seine nächsten Angehörigen aus dem Blick verloren.
  • 9:54 - 9:59
    Das ist bei Männern seines Formats unvermeidlich.
  • 10:03 - 10:10
    (Applaus)
Title:
Nathaniel Kahn über "Mein Architekt"
Speaker:
Nathaniel Kahn
Description:

Nathaniel Kahn zeigt und Auszüge aus seinem Dokumentarfilm "Mein Architekt", mit dem er versucht, seinen Vater, den legendären Architekten Louis Kahn, zu verstehen: ein wichtiger Film für jeden, der die Beziehungen zwischen Kunst und Liebe verstehen will.

more » « less
Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
10:10
Wolf Ruschke added a translation

German subtitles

Revisions