Die Indus-Zivilisation: Crash Course Weltgeschichte #2

Worin John Green über die Indus-Zivilisation redet, eine der größten der alten Zivilisationen. John geht auf das Wer, Wie, Wann, Wo und Warum der Indus-Zivilisation ein und gibt nebenbei noch Beziehungsratschläge.

Quellenhinweise:

Empires of the Indus - http://dft.ba/-1Kwn

Industal auf Wikipedia (Englisch) - http://dft.ba/-1Kwp

Viele Fotos zur Indus-Zivilisation - http://dft.ba/-1Kwq

Hi, ich bin John Green,
willkommen bei Crash Course: Weltgeschichte.

Fangen wir heute mal mit einer Frage an:
Warum bin ich am Leben?

Und warum habe ich keine Augen?
Ah, schon besser.

Wie wir das beantworten führt zur
Organisation zahlloser anderer Gedanken,

z. B. zu unseren Werten, unserem Verhalten,
ob wir Fleisch essen sollten

und ob wir mit dem Jungen Schluss machen
sollten, der supernett ist,

aber wahnsinnig anhänglich, was er nie
im Leben für attraktiv halten kann.

- Was alles zusammen ...
- Mr. Green! Mr. Green!

- Reden Sie da über mich?
- Ja, ich meine dich, Ich von damals.

Ich will dir damit sagen, dass wir unter
anderem deshalb Geschichte studieren,

damit du nicht so ein schlechter Freund bist.

Aber dazu später mehr.

Heute reden wir über Zivilisationen,
aber dazu müssen wir erst

über das Reden über das Reden
über Zivilisationen reden.

Das ist nämlich ein problematischer Begriff,

und zwar so problematisch, dass ich mich an
Kamera 2 wenden muss, um darüber zu reden.

Bestimmte Ansammlungen von Menschen
werden als Zivilisationen betrachtet,

aber z. B. nomadische Kulturen meist
nicht, es sei denn,

es sind - alle zusammen - zu den Mongolen.
[Wir sind die Ausnahme!]

Indem man einige Gruppen als Zivilisationen
bezeichnet, unterstellt man,

dass alle anderen Sozialordnungen
unzivilisiert sind,

was im Grunde dasselbe ist, wie sie als
Wilde oder Barbaren zu bezeichnen.

Nebenbei: Das aus dem Griechischen stammende
"Barbaren" bezeichnete jeden,

der nicht Altgriechisch sprach, denn für die
Griechen klangen alle anderen Sprachen wie

Bar bar bar bar bar bar bar.

Somit sind wir im Grunde alle Barbaren,
bis auf die Altphilologen,

woran wir denken sollten, wenn wir
über Zivilisationen reden.

Zivilisationen sind, wie die meisten Dinge,
die wir studieren, intellektuelle Konstrukte.

Niemand wachte eines Morgens in Theben in
Ägypten auf und sagte: "Was für ein herrlicher

Morgen, ich lebe wirklich im Höhepunkt ägyptischer Zivilisation.

Morgen, ich lebe wirklich im Höhepunkt ägyptischer Zivilisation.

Es sind dennoch nützliche Konstrukte,
besonders wenn man eine Zivilisation

mit einer anderen vergleicht. Sie sind
weniger nützlich, wenn man eine Zivilisation

mit einer nicht-zivilisatorischen
Sozialordnung vergleicht.

Deshalb versuchen wir, das zu vermeiden.

Und ja, ich komme noch zum Guter-Freund-Kram.
Geduld, Grashüpfer.

Was ist also eine Zivilisation? Eine
Zivilisation zu bestimmen ist so ähnlich wie

eine Krankheit zu diagnostizieren. Zeigt man
vier oder mehr der folgenden Symptome,

könnte man eine Zivilisation sein.

Überproduktion: Sobald eine Person genug
Nahrung für mehrere produziert,

kann man eine Stadt bauen,
eine weitere Zivilisationserscheinung.

Dies führt auch zur Arbeitsteilung,
was wiederum zum Handel führt.

Wenn z. B. jeder Beeren sammelt,
brauchen wir nicht zu tauschen,
[Meins - Deins]

denn ich habe Beeren und du hast Beeren.
[Meins - Deins]

Aber wenn ich Beeren sammle
und du Hämmer herstellst,
[Meins - Deins]

haben wir plötzlich einen Grund zum Handel.
[Meins - Deins]

Assoziiert werden Zivilisationen in der Regel
auch mit sozialer Schichtung,

Zentralisierung, gemeinsamen Werten,

in der Regel in Form von Religion,
und Schriften.

Und zumindest am Anfang
wurden sie fast immer mit Flüssen assoziiert.

Heutzutage kann man ein Stück Land einfach
horizontal und senkrecht halbieren

und - zack!- eine Stadt bauen.

Aber vor 5000 Jahren wurden Zivilisationen
fast immer mit Flüssen assoziiert,

z. B. dem Tigris und dem Euphrat, dem
Gelben Fluss, dem Nil, dem Amazonasbecken,

dem Coatzacoalcos-- gaah, es lief so gut,
bis Coatzacoalcos kam!

- Coatzacoalcos
- Coatzacoalcos. Vielleicht.

Warum Flusstäler? Sie sind flach, gut
bewässert und bei Hochwasser

wird nährstoffreicher Schlick abgelagert.

Zu diesen Zivilisationen später mehr,
aber reden wir erst mal über diesen Typen.

Die Indus-Zivilisation, das ist nämlich
mein absoluter Favorit.

Sie befand sich in der Flussniederung des
Indus und des Sarasvati,

so ziemlich dem besten Ort der Welt
für eine alte Zivilisation,

denn die Flüsse überfluteten
regelmäßig zweimal pro Jahr.

Es gab dort also mehr Kalorien pro Meter

als sonst irgendwo auf dem Planeten.

Wir wissen, dass die Indus-Zivilisation vor
langer Zeit ihre Blütezeit hatte,

wahrscheinlich um 3000 v. u. Z.

Warum hängt diese Frage buchstäblich
über meinem Kopf?

Aber Leute aus dem Industal betrieben bereits
3500 v. u. Z. Handel mit Mesopotamiern.

Wir wissen auch, dass sie
die größte der alten Zivilisationen war.

Archäologen haben über 1500 Stätten entdeckt.

Was wissen wir also über diese Kultur?
Ab in die Thought Bubble.

Alles, was wir über die Indus-Zivilisation
wissen, wissen wir durch Archäologie.

Sie nutzten zwar eine Schriftsprache,
aber wir können sie nicht lesen.

Und bisher ist noch kein Rosetta-Stein
aufgetaucht, mit dem wir sie lernen können.

Ich meinte den anderen Rosetta-Stein,
Thought Bubble. Genau.

Obwohl, wenn ich darüber nachdenke,
wäre beides gut.

Also, wir wissen Folgendes:
Sie hatten erstaunliche Städte,

Harappa und Mohenjo-Daro
sind die bekanntesten,

mit dichten, mehrstöckigen Häusern aus
gleich großen Steinen

entlang senkrecht verlaufender Straßen.

Ich meine, das war keine antike Version von
Houston, eher Chicago.

Das heißt, sie hatten eine Art Regierung
und Zoneneinteilung,

aber wir wissen nicht, was der Regierung
ihre Autorität verlieh.

Städte waren nach dem Wind ausgerichtet,
sodass sie natürlich klimatisiert wurden.

Und sie waren sauber.
Die meisten Häuser waren mit einem

zentralen Abwassersystem verbunden,
das mithilfe der Schwerkraft Dreck und Wasser

in großen Abwassergräben unter den
Hauptstraßen aus der Stadt transportierte.

Ein Abwassersystem,
auf das viele europäische Städte

des 18. Jahrhunderts
neidisch gewesen wären.

Und das größte öffentliche Gebäude in
Mohenjo-Daro war kein Tempel oder Palast,

sondern ein Badehaus, das Historiker
"Großes Bad" nennen.

Wir wissen nicht, wozu es genutzt wurde,
aber da die spätere indische Kultur

enormen Wert auf rituelle Reinheit legte,
worauf auch das Kastensystem aufbaute,

vermuten einige Historiker, dass es eine Art
riesiges Taufbecken war.

Sie betrieben auch Handel. Eins der coolsten
Dinge der Indus-Zivilisation waren Siegel,

die als Identifikationsmarker auf Waren
und Tontafeln genutzt wurden.

Auf diesen Siegeln ist die Schrift,
die wir noch immer nicht entschlüsseln können

und eine Reihe fantastischer Zeichnungen,
oft mit Tieren und Monstern.

Eins der berühmtesten und beängstigendsten
zeigt einen Mann, der anscheinend

Wasserbüffelhörner auf dem Kopf trägt
und im Schneidersitz

zwischen einem Tiger und einem Büffel sitzt.

Wir wissen zwar nicht, was genau da los ist,
aber das war definitiv ein mächtiger Kerl,

da er anscheinend den Tiger
kontrollieren kann.

Wie sagen uns die Siegel,
dass sie Handel betrieben?

Sie wurden in Mesopotamien gefunden,
nicht im Industal.

Außerdem fanden Archäologen Dinge wie
Bronze im Industal,

was dort aber nicht natürlich vorkommt.

Womit sie handelten?
Baumwolltüchern.

Noch immer ein so faszinierendes Exportgut,
dass es Thema des 40.

und letzten Videos dieser Serie wird.

Aber hier das Erstaunlichste über
das Indus-Volk:

Sie waren friedlich.
Archäologen fanden zwar 1500 Stätten,

aber sie fanden kaum Beweise für Kriege und
fast keine Waffen.

Danke, Thought Bubble. Bevor wir nun
über den faszinierenden Niedergang

der Indus-Zivilisation reden,
Zeit für den offenen Brief.

Zauberei!
Was das Geheimfach wohl heute für mich hat?

Ah, feine Kleidung!

Das Geheimfach fand wohl, dass ich
nicht schick genug für den Anlass war.

Ein offener Brief an Historiker.

Liebe Historiker,
das Große Bad, wirklich?!

Das Große Bad?!

Ich versuche Geschichte spannend zu gestalten
und ihr gebt mir einen Begriff,

bei dem man an Duftkerzen, Badesalz und
Haarpflegeprodukte von Frédéric Fekkai denkt?

Ich weiß ja, die manchmal langweiligen Namen
der Geschichte sind nicht eure Schuld.

Ihr habt die Federalist Papers nicht benannt,
oder die Österreichisch-Ungarische Monarchie

oder Adam Smith. Aber wenn ihr mal etwas benennen dürft, nehmt ihr "das Große Bad"?!

[Schon gewusst: Die Unsichtbare Hand kann man
in nebeligen Nächten in London sehen.]

Nicht "das Epische Bad
von Mohenjo-Daro" oder

"das Bad aller Bäder" oder

"der Coole Pool" oder

"das Matsch-Mysterium von Mohenjo-Daro"

oder "das Wasser-Wunder"?

DAS GROSSE BAD?! WIRKLICH?
Das könnt ihr besser!

Liebe Grüße,
John Green

Was wurde also aus diesem Volk?
Das hier schon mal nicht:

Sie wurden nicht zu den aktuellen
Bewohnern des Gebiets,

Hinduistische Inder oder muslimische Pakistani.

Diese Völker kamen wahrscheinlich
aus dem Kaukasus.

Stattdessen nahm die Zivilisation im Industal
etwa um 1750 v. u. Z. ab,

bis sie ganz verschwand.

Warum?
Historiker haben drei Theorien:

1. Eroberung: Wie sich herausstellte,
war es eine furchtbare Militärstrategie,

keine Waffen zu haben, und es kann sein,
dass die Menschen im Industal

von Menschen aus dem Kaukasus
völlig überrannt wurden.

2. Umweltkatastrophen:
Es kann sein, dass sie

ihr Ende selbst verursachten,
indem sie ihre Umwelt zerstörten.

3. Erdbeben!

Der interessantesten Theorie zufolge änderte
ein riesiges Erdbeben den Flussverlauf

so sehr, dass viele
der Nebenflüsse austrockneten.

Ohne ausreichend Bewässerung konnten die
Städte sich nicht versorgen,

also packten sie alles zusammen
und suchten sich grünere Weiden.

Naja, wahrscheinlich nicht Weiden,
sie werden kaum Nomaden geworden sein.

Wahrscheinlich haben sie nur ein anderes Tal
bezogen und weiter Ackerbau betrieben.

Ich langweile euch schon, und ich habe
noch gar nichts dazu gesagt, wie man

ein besserer Freund und/oder eine
bessere Freundin wird. Das mache ich jetzt!

Wir wissen nicht, warum die
Indus-Zivilisation endete,

aber wir wissen auch nicht wirklich,
warum sie begann.

Warum bauten diese Leute Städte,
hoben Schwimmbäder aus

und stellten übermäßig
verschnörkelte Siegel her?

War ihre Motivation Hunger, Angst,
der Wunsch nach Gesellschaft,

das Bedürfnis in der Nähe ihrer Sakralräume
zu bleiben oder das allgemeine Gefühl,

dass das Stadtleben einfach viel aufregender
war als das Jagen und Sammeln?

Darüber nachzudenken, was sie motivierte
ihr Leben so zu gestalten,

hilft uns bei der Gestaltung unseres
eigenen Lebens.

Kurz gesagt: Du bist anhänglich,
weil du von Angst

und dem Drang nach Gesellschaft
motiviert wirst.

Und sie findet es nervig, weil es schon genug
Arbeit ist, für sich selbst verantwortlich

zu sein, ohne dabei noch für dich
verantwortlich zu sein.

Außerdem hilft ihr deine
Anhänglichkeit nicht wirklich,

und vom Industal in der Bronzezeit bis
zum Schulalltag heute

dreht sich im Leben alles um Zusammenarbeit.

Wir tauschen Stoff gegen Bronze,
bauen gemeinsam Städte und

arbeiten zusammen, damit die Menschenleben
nach dem Wind ausgerichtet sind.

Nächste Woche reisen wir hier hin
und reden über Mesopotamien.

Aber wenn ihr bis dahin Fragen habt,
stellt sie in den Kommentaren,

und unser Team halbausgebildeter Semi-Profis
wird sich alle Mühe geben, sie zu beantworten.

Außerdem gibt es im Video-Info unten
einige Quellenempfehlungen,

sagte er und zeigte auf seine Hose.

Danke fürs Zusehen und bis nächste Woche.

Produzent und Regisseur der heutigen Folge
von Crash Course ist Stan Muller,

geschrieben wurde sie von meinem High-
School-Geschichtslehrer Raoul Meyer und mir,

unser Grafikteam ist Thought Bubble und
Drehbuchaufsicht führte Danica Johnson.

Der Spruch der Woche der letzten Folge war
"Doppel-Cheeseburger",

In den Kommentaren könnt ihr
den Spruch der Woche für diese Folge raten

und auch neue Sprüche der Woche vorschlagen.

Dort könnt ihr auch eure Fragen
zu diesem Video stellen und unser Team

semi-professioneller Quasi-Historiker
wird versuchen, sie zu beantworten.

Danke fürs Zusehen,
und wie man bei mir Zuhause so schön sagt:

Don't forget to be awesome.

[Letzte Folge: Die Agrarrevolution]
[Nächste Folge: Das alte Mesopotamien]