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Winfried Kretschmann: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, der russische Angriffskrieg
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der Ukraine hat uns vor eine neue
Situation gestellt, und zwar nicht nur
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unser Land, ganze Republik, ganz Europa,
ja die ganze Welt. Ich gebe zu: Es gibt
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viele offene Fragen und wenige Schablonen.
Wir müssen vieles neu denken, vieles neu
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machen und gehen mehr ins Risiko. Vieles
werden wir erst nachher besser wissen.
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Entscheidend ist, dass die Richtung stimmt
und dass wir Fehler schnell korrigieren.
-
Ich setze mich ja seit vielen Jahren für
eine neue Fehlerkultur in der Wirtschaft
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ein. Jetzt allerspätestens, in dieser
Krise, brauchen wir diese neue
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Fehlerkultur auch in der Politik!
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Applaus
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Meine Damen und Herren, der Zeitenbruch
fordert viel von uns: Geld und Wohlstand.
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Von den Menschen in der Ukraine fordert er
Unvorstellbares: Sie kämpfen um ihre
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Würde, ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit
und Souveränität, für die Zukunft ihrer
-
Kinder. Und sie kämpfen mit einer
Tapferkeit, die uns tief beeindruckt. Die
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Menschen in der Ukraine kämpfen aber auch
für unsere Sicherheit und für unsere
-
Freiheit. Und deshalb dürfen wir eines
nicht vergessen: Wir zahlen für den
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russischen Angriffskrieg und die daraus
resultierende Inflation in Euro, die
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Ukrainer zahlen in Blut.
So hat es die estnische..
-
Applaus
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So hat es die estische Ministerpräsidentin
Kallas auf den Punkt gebracht. Deshalb
-
bitte ich Sie und alle Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes: Lassen Sie uns die
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Solidarität mit der Ukraine keinen Moment
lang vergessen – auch wenn wir selbst vor
-
großen Aufgaben und Problemen stehen.
-
Applaus
-
Zumal Putin und sein Regime nicht nur die
Ukraine angreifen, sondern auch uns. Er
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dreht uns und unserer Wirtschaft das Gas
ab. Er verbreitet Lügen in den sozialen
-
Netzwerken. Er finanziert Rechtsradikale
und Rechtspopulisten. Er droht mit der
-
Atombombe. Er will Chaos stiften, unsere
Wirtschaft abwürgen, unsere Gesellschaft
-
spalten, und das Vereinte Europa
zerstören. Doch damit wird er keinen
-
Erfolg haben, denn wir lassen uns
nicht einschüchtern!
-
Applaus
-
Gemeinsam mit unseren Partnern halten wir
die Sanktionen gegen Russland aufrecht und
-
wir helfen der Ukraine, sich selbst zu
verteidigen. Aber wir reagieren nicht nur
-
in der Außenpolitik. Sondern sorgen auch
im Inneren dafür, dass wir durch diese
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Krise kommen. Wir haben im Land sehr früh
reagiert und belastbare Krisenstrukturen
-
geschaffen – unter Einbeziehung der
kommunalen Spitzenverbände. Wir waren die
-
erste Landesregierung, die alle zentralen
Akteure an einen Tisch geholt hat und auf
-
einem Gipfel die Weichen für das Gassparen
gestellt hat. Und wir haben gemeinsam mit
-
vielen Partnern aus Wirtschaft, Kommunen
und Gesellschaft eine Energiesparkampagne
-
auf den Weg gebracht, die inzwischen
Früchte trägt. Darüber hinaus setzen Bund
-
und Länder auf eine gezielte Erweiterung
des Energieangebots. Ja, über manche Frage
-
wurde dabei heftig gestritten – das kann
auch in einer lebendigen Demokratie gar
-
nicht anders sein bei der Komplexität
der Entscheidungen. Wichtig ist: Der
-
Bundeswirtschaftsminister hat in den
letzten Monaten in einem Höllentempo alle
-
notwendigen Schritte eingeleitet, damit
wir gut durch den Winter kommen: neue
-
Lieferquellen und mehr Gasimporte, neue
Flüssiggas-Terminals, die Reaktivierung
-
von Kohlekraftwerken, der Weiterbetrieb
von Atomkraftwerken und ein Fuel-Switch
-
von Gas auf andere Brennstoffe. Das
Ergebnis kann sich sehen lassen: Die
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Gasspeicher sind zu fast 100 Prozent
gefüllt. Und die Gefahr einer
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Gasmangellage im Winter ist damit kleiner
geworden. Das ist eine gewaltige Leistung,
-
vor der ich großen Respekt habe.
-
Applaus
-
Und deswegen werden wir die
Bundesregierung weiter auf diesem Weg
-
unterstützen. Vom Treffen der
Ministerpräsidentinnen und
-
Ministerpräsidenten mit dem Kanzler in der
vergangenen Woche geht nun ein weiteres
-
starkes Signal aus: Bund und Länder helfen
all jenen mit dem dritten, ich wiederhole,
-
mit dem dritten Entlastungspaket, die sich
nicht selbst helfen können. Und setzen
-
zugleich einen starken Anreiz zum
Energiesparen. Denn nur, wenn wir
-
solidarisch sind und sparen, kommen wir
gut durch den Winter. Sparmaßnahmen
-
alleine reichen aber nicht. Solidarische
Hilfen alleine reichen auch nicht. Wir
-
brauchen eben beides zusammen. Und deshalb
macht es Mut, dass die Menschen und die
-
Unternehmen in den letzten Wochen und
Monaten kräftig Gas eingespart haben.
-
Herzlichen Dank dafür! Damit haben Sie
Verantwortung für das Ganze übernommen und
-
leisten einen wichtigen Beitrag für unser
Gemeinwesen und gegen diese schwere Krise!
-
Applaus
-
Nun zu den Beschlüssen, die wir bei der
Ministerkonferenz mit dem Kanzler
-
vergangenen Woche gefasst haben: Der
wirtschaftliche Abwehrschirm entlastet die
-
Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen
mit bis zu 200 Milliarden Euro. Darüber
-
hinaus sollen Zufallsgewinne von Öl-, Gas-
und Kohleunternehmen sowie Raffinerien
-
abgeschöpft werden. Auf dieser Basis
werden Preisbremsen für Strom, Gas und
-
Wärme eingeführt. Die Strompreisbremse
soll ab dem 1. Januar 2023 gelten, die
-
Gaspreisbremse für größere Unternehmen
ebenfalls. Es wird angestrebt, dass die
-
Gas- und Wärmepreisbremse für Verbraucher
und kleine und mittlere Unternehmen
-
rückwirkend zum 1. Februar 2023 kommt.
Hier ist der Bund uns Ländern ein weites
-
Stück entgegengekommen. Das ist eine gute
Nachricht für die vielen Millionen
-
privaten Gaskunden und die kleinen Firmen,
die ursprünglich erst im März von der
-
Gaspreisbremse profitieren sollten. Zur
Überbrückung übernimmt der Staat zudem den
-
Dezember-Abschlag für Gas und Wärme. Dabei
ist wichtig, dass die Preisbremsen nicht
-
den gesamten aktuellen Verbrauch
betreffen, so bleibt ein Anreiz zum
-
Energiesparen. Heizkostenzuschüsse zum
Wohngeld ab dem 1. Januar 2023, Hilfen für
-
Kultureinrichtungen, Härtefallmittel für
Krankenhäuser, Universitätskliniken und
-
Pflegeeinrichtungen, Härtefallmittel für
Personen, die vom Preisanstieg anderer
-
Heizmittel finanziell stark überfordert
sind, sowie Liquiditätshilfen für unsere
-
Stadtwerke. Bei der Gaspreisbremse kommt
eine Gerechtigkeitskomponente dazu: Wer
-
über ein höheres Einkommen verfügt und den
Solidaritätszuschlag bezahlt, muss die
-
Unterstützung aus der Gaspreisbremse
versteuern. Neben dem Abwehrschirm haben
-
wir uns mit dem Bund auf eine gemeinsame
Finanzierung des Entlastungspakets III
-
verständigt. Es hat einen Umfang von gut
65 Milliarden Euro. Und mildert viele
-
Härten für die Menschen im Land ab, so
ewa durch die Senkung der Umsatzsteuer
-
auf Gas, Einmalzahlungen an Rentner und
Studierende, die Wohngeldreform, ich will
-
noch einmal sagen, der, das ist eine
Ausweitung des Empfängerkreis um das fast
-
Fünffache, eine, glaube ich ganz wichtige
soziale Maßnahme. Allerdings muss sich das
-
Land daran zur Hälfte beteiligen. Das
möchte ich sagen, das wird uns strukturell
-
auch belasten. Die Erhöhung von
Kinderzuschlag und Kindergeld oder den
-
Abbau der Kalten Progression, wodurch der
Staat seine Inflationsgewinne zurückgibt.
-
Bei dem Entlastungspaket gehen wir Länder
richtig tief mit in die finanzielle
-
Verantwortung. Die Hilfen kosten uns als
Land und die Kommunen in Baden-Württemberg
-
bis 2024 4,8 Milliarden Euro. Das ist
schon eine gewaltige Dimension. Das geht
-
an die Grenze dessen, was wir leisten
können. Und dennoch ist es richtig und
-
wichtig. Denn wir müssen den Menschen und
Unternehmen in dieser tiefen Krise
-
beistehen.
-
Applaus
-
Gleichwohl möchte ich nicht verhehlen,
dass es beim Bund-Länder-Treffen auch
-
Beschlüsse gab, die mir auch Sorgen
machen. So bin ich mit der Verteilung der
-
Flüchtlingskosten nicht zufrieden. Man
muss sich nur die aktuelle Lage in
-
Baden-Württemberg vor Augen führen: Wir
haben in einer großen
-
Gemeinschaftsleistung von Land, Kommunen
und vielen engagierten Bürgerinnen und
-
Bürgern rund 137.000 Schutzsuchende aus
der Ukraine untergebracht. Eine wirklich
-
großartige Leistung, ich möchte allen
danken die dazu beigetragen haben.
-
Applaus
-
Dazu kommen noch einmal rund 22.000
Flüchtlinge aus anderen Staaten. Das sind
-
eineinhalb mal so viele Geflüchtete wie im
Jahr 2015. Viele Kommunen sind am
-
Rande ihrer Leistungsfähigkeit und dieser
schwierigen Lage werden die Finanzzusagen
-
des Bundes bei weitem nicht gerecht. Denn
Land und Kommunen bleiben auf einem
-
Großteil der gestiegenen Kosten sitzen:
Beispiel Flüchtlinge aus der Ukraine: Hier
-
sollen Land und Kommunen über drei Viertel
der Gesamtkosten für 2022 und 2023 tragen,
-
drei Viertel von rund 2,3 Mrd. Euro. Und
auch für Geflüchtete aus anderen
-
Herkunftsländern will der Bund deutlich
weniger zahlen. Wir werden Ostern 2023,
-
also Bund und Länder, über die weitere
Entwicklung sprechen, das ist also in
-
dieser Sprechklausel vereinbart. Ich
prognostiziere aber schon heute: Die
-
Zusagen des Bundes werden sich als
unzureichend erweisen. Er kann dabei nicht
-
stehen bleiben und muss mehr
Verantwortung übernehmen.
-
Applaus
-
Auch beim öffentlichen Nahverkehr müssen
wir mit deutlich weniger Geld vom Bund
-
klarkommen als notwendig wäre. Das
Deutschland-Ticket ist zwar erstmal ein
-
Fortschritt. Es lichtet den Tarifdschungel
im ÖPNV und ist gerade für Pendler ein
-
attraktives Angebot. Aber es ist
mehr als fraglich, ob die höheren
-
Regionalisierungsmittel des Bundes auch
ausreichen. Und ich will noch einmal
-
darauf hinweisen, auch ihre Einwendungen
gestern, dazu ist der Bund verpflichtet.
-
Das ist ein Ausfluss des Artikels 106 des
Grundgesetzes wo ganz klar ein Ausfluss
-
der damaligen Bahnreformen, das sind also
Mittel die uns zustehen. Darauf möchte ich
-
noch einmal großen Wert legen.
-
Applaus
-
Das ist ja klar, wenn jetzt viele Menschen
das neue Ticket nutzen und wir die größere
-
Nachfrage nachher nicht befriedigen können
mit Bussen und Bahnen, oder gar welche
-
abbestellen müssen, weil das Geld nicht
reicht, dann haben wir jawohl ein echtes
-
Problem. In zwei Jahren..
-
Applaus
-
In zwei Jahren ziehen Bund und Länder
Bilanz und da werden wir dann genau
-
hinsehen und den Bund nicht aus seiner
Verantwortung lassen. Trotz dieser
-
kritischen Punkte habe ich dem
Bund-Länder-Beschluss aus voller
-
Überzeugung zugestimmt. Denn zum einen ist
ein breiter politischer Konsens in der
-
Krise eine sehr sehr hohes Gut. Und zum
anderen ist das Entlastungspaket, auf das
-
wir uns verständigt haben,
selbstverständlich insgesamt zum Wohle
-
unseres Landes. Das hat eine gewaltige
Wucht, das sieht man ja auch schon daran,
-
dass sich andere europäische Staaten
darüber beschweren und ich finde wir
-
dürfen dankbar sein, dass wir solch ein
starkes Land sind mit solch engagierten
-
Bürgern, solch einer innovativen
Wirtschaft, dass wir uns so etwas auch
-
leisten können. Auch durch eine insgesamt
doch solide Haushaltspolitik.
-
Applaus
-
Also das Paket lässt niemanden im Stich
und es wird auch mit Sicherheit eine
-
größere Insolvenzwelle verhindern. Darüber
hinaus übernimmt meine Landesregierung
-
weitere Verantwortung und wird eigene
Hilfsprogramme auflegen. Wir treffen
-
umfassend Vorsorge für die absehbaren
Haushaltsrisiken und planen dafür im
-
Doppelhaushalt eine Rücklage von über 2,5
Milliarden Euro ein. Ich will noch einmal
-
darauf hinweisen was der Finanzminister
gesagt hat, hier geht es nicht um wenige
-
Wochen oder Monate, wir brauchen schon
einen längeren Atmen, mindestens über zwei
-
Jahre hinweg und deswegen sind diese hohen
Rücklagen nicht nur notwendig und
-
gerechtfertigt, sie sind auch im Prinzip
von Weitsicht, das möchte ich einmal
-
sagen. Und ich bin dem Finanzminister
dankbar, dass er das so eingeleitet hat.
-
Applaus
-
Also die Bürger und die Unternehmen im
Land können sich auf uns verlassen: Wir
-
lassen niemanden im Regen stehen, wenn
unsere Hilfe gebraucht wird. Also deswegen
-
haben wir ja auch immer gesagt: Wenn es
bedrohliche Lücken gibt in den Bundeshilfen,
-
dann werden wir diese stopfen und
den Betroffenen unter die Arme greifen.
-
Und die erste Lücke, die wir identifiziert
haben, ist die „Winterlücke“ zwischen dem
-
Dezember-Abschlag und der
Energiepreisbremse: Der Staat übernimmt ja
-
für alle Gaskunden die Abschlagszahlung im
Dezember. Die Energiepreisbremsen greifen
-
für kleine und mittlere Unternehmen aber
erst im Februar oder März, andere
-
Bundeshilfen noch später. Gleichzeitig
brennt vielen Unternehmen und
-
Handwerksbetrieben aus dem Mittelstand
schon jetzt der Kittel. Dabei geht es vor
-
allem um die kurzfristige Sicherung von
Liquidität. Um diesen Betrieben gezielt zu
-
helfen, legen wir unter Hochdruck ein
Liquiditätsprogramm auf. Es umfasst zwei
-
Komponenten: Erstens ein zinsverbilligtes
Darlehen mit einem Zinssatz von 2,1
-
Prozent statt vier Prozent. Zweitens einen
zinsverbilligter Liquiditätskredit plus
-
einen zusätzlichen Tilgungszuschuss
obendrauf. Diese Instrumente bringen wir
-
sehr schnell an den Start. Noch im
Dezember können Anträge gestellt werden.
-
Und die Gelder stehen spätestens ab dem 1.
Januar 2023 zur Auszahlung bereit. Damit
-
bauen wir eine verlässliche Brücke
zwischen Dezember-Abschlag und den
-
weiteren Hilfen des Bundes.
-
Applaus
-
Ich will noch einmal darauf hinweisen,
Herr Fraktionsvorsitzender Stoch, kein
-
anderes Land macht etwas anderes. Auch aus
den anderen Ländern die das angekündigt
-
haben ist selbstverständlich noch kein
einziger Euro abgeflossen und es ist einfach
-
ein Gebot der praktischen Vernunft, dass man
Landesprogramme abgestimmt mit
-
Bundesprogrammen macht und so
gehen alle Länder vor und wir auch.
-
Applaus
-
Das sieht man deutlich am nächsten Punkt,
dem gemeinsamen Härtefallprogramm mit dem
-
Bund für besonders.. Geld zur Verfügung
stellt für besonders betroffene kleine und
-
mittlere Unternehmen. Die
Wirtschaftsminister von Bund und Ländern
-
werden hierzu bis zum 1. Dezember ein
Konzept vorlegen. Also auch das ist im
-
Gang. Und die Länder werden diese
Programme designen und umsetzen und es ist
-
natürlich sinnvoll, dass sie das im
Geleitzug machen und nicht jedes Land
-
etwas völlig anderes macht, sondern
zugeschnitten auf die Bedürfnisse seiner
-
Wirtschaft und seiner Einrichtungen solch
ein Härtefallprogramm auflegt. Außerdem..
-
Applaus
-
Außerdem richten wir unser
Bürgschaftsprogramm neu aus. Damit
-
unterstützen wir unsere Unternehmen in den
kommenden beiden Jahren mit Bürgschaften
-
in Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Zum
Dritten unterstützen wir als
-
Landesregierung das Handwerk und kleinere
Unternehmen mit einem Beratungsangebot zur
-
Energiekostenentlastung. Das Programm
startet im Dezember. Als vierten Baustein
-
legen wir einen Sondertopf für die soziale
Infrastruktur auf. Damit stärken wir die
-
wichtige Arbeit der Familienhilfe und
Jugendhilfe in dieser schwierigen Zeit.
-
Und stellen dafür 30 Millionen Euro zur
Verfügung. Sie sehen also:
-
Applaus
-
Wir handeln schnell, jedenfalls so schnell
es geht. Wir handeln gezielt. Und wir
-
handeln so, dass denen geholfen wird, die
Hilfe brauchen und wir handeln abgestimmt
-
mit dem Bund, alles andere wäre nicht
richtig. Auf die ökonomische
-
Herausforderung, Entschuldigung. Also wir
werden es in der Krise auch weiter so
-
handhaben, deswegen sind die Rücklagen da,
dass wir jederzeit auch neu reagieren
-
können. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei einer solchen Krise liegt der Fokus
-
natürlich erst einmal auf schnellen Hilfen
und kurzfristigen Maßnahmen. Dadurch
-
verhindern wir akute wirtschaftliche und
soziale Notlagen. Das ist die dringende
-
Aufgabe – und die nehmen wir sehr ernst.
Wir müssen den Blick aber auch auf die
-
längerfristigen Lösungen richten, also auf
das wichtige. Ich habe in meiner ersten
-
Regierungserklärung zum Angriffskrieg
Russlands von einem Zeitenbruch
-
gesprochen. Bundespräsident Steinmeier
sprach kürzlich von einem Epochenbruch,
-
und dass nun für uns eine „Epoche im
Gegenwind“ beginnt. Auf diese neue Epoche
-
mit ihrer Vielzahl von Herausforderungen
muss sich unser Land langfristig
-
einstellen: Auf die geopolitische
Herausforderung mit dem aktuellen Krieg
-
als Auslöser, aber auch auf den sich
zuspitzenden Konflikt zwischen China und
-
den USA. Auf die autoritäre
Herausforderung mit einem Angriff auf
-
unsere Demokratie und unseren Zusammenhalt
von innen und außen. Auf die ökonomische
-
Herausforderung mit den drei D –
Digitalisierung, Dekarbonisierung und
-
disruptive Geschäftsmodelle. Und auf die
ökologische Herausforderung mit der
-
Klimakrise und dem Artensterben – der
wohl größten Aufgabe, mit der wir als
-
Menschheit je konfrontiert waren. Vor
diesem Hintergrund müssen wir uns die
-
Frage stellen: Wie sorgen wir dafür, dass
unsere Kinder und Enkel auch in Zukunft
-
gut in unserem Land leben können? Und um
das zu ermöglichen, müssen wir heute in
-
der Krise nicht nur das Dringende tun,
sondern eben auch das Wichtige angehen.
-
Applaus
-
Und das Wichtige – das heißt zuallererst:
Wir müssen unsere Wirtschaft und unsere
-
Energieerzeugung dekarbonisieren, um die
Klimaerhitzung zu stoppen, um die Freiheit
-
der kommenden Generationen zu schützen und
um unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig zu
-
halten. Aber eben auch – und das macht der
russische Überfall auf die Ukraine
-
deutlich: Um unsere Sicherheit und
Unabhängigkeit zu garantieren und damit
-
Energie künftig für alle bezahlbar bleibt.
Dafür ist der Ausbau der Erneuerbaren
-
Energien eine Art Generalschlüssel.
Erneuerbare Energien sind heute eben nicht
-
mehr nur Klimaenergien und
Wohlstandsenergien. Sie sind jetzt auch
-
Sicherheitsenergien und Freiheitsenergien.
Und deshalb machen wir noch sehr viel mehr
-
Tempo.
-
Applaus
-
Als Klimaleugner stellt man sich natürlich
ausserhalb solch einer Debatte.
-
Applaus
-
Und deshalb machen wir nun auch sehr viel
mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren
-
Energien, beim Ausbau der Netze, bei
Zukunftstechnologien wie grünem
-
Wasserstoff, Brennstoffzellen oder
intelligenten Stromnetzen. Wir stellen die
-
entscheidenden Weichen für die
Erneuerbaren: Das
-
Klimaschutzsofortprogramm haben wir
bereits umgesetzt. Zwei Prozent der
-
Landesfläche werden für Windräder und
Freiflächenphotovoltaik reserviert. Wir
-
haben eine Vergabeoffensive für
Windkraftanlagen im Staatswald gestartet.
-
Und wir haben das Jahreskontingent für
Freiflächen-Photovoltaik verfünffacht. Und
-
auch bei der Beschleunigung der Planungs-
und Genehmigungsverfahren für die
-
Windkraft kommt unsere Task-Force im Land
richtig gut voran. Ich denke an die
-
Digitalisierung der Genehmigungsverfahren,
die Öffnung der Landschaftsschutzgebiete,
-
Grünzüge und Wasserschutzgebiete für
Erneuerbare Energien, die Ermittlung von
-
Flächen für Photovoltaik entlang von
Straßen oder die Abschaffung des
-
Widerspruchsverfahrens. Zusammengerechnet
erreichen wir so ab dem kommenden Frühjahr
-
einen Beschleunigungseffekt von
zweieinhalb bis drei Jahren. Das ist ein
-
gewaltiger Fortschritt. Und die
Task-Force arbeitet ja noch weiter!
-
Applaus
-
Zudem erneuern wir gerade zum zweiten Mal
seit der Landtagswahl unser
-
Klimaschutzgesetz. Und machen das
ehrgeizigste Klimaschutzgesetz der
-
Republik noch ehrgeiziger: Wir verankern
verbindliche CO2-Einsparziele in alle
-
Sektoren. Alle landeseigenen Gebäude
müssen bis 2030 eine Solaranlage auf dem
-
Dach haben. Und wir führen einen
Klimavorbehalt für alle Förderprogramme
-
ein. Bereits im letzten Jahr haben wir
eine Solardachpflicht für alle Neubauten
-
und für bestehende Gebäude bei
grundlegenden Dachsanierungen beschlossen.
-
So entstehen jetzt Jahr für Jahr über
60.000 Solardächer im Land. Das kann sich
-
sehen lassen – da ist
aber auch noch mehr drin.
-
Applaus
-
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe
vorhin den Ausbau der Erneuerbaren
-
Energien als Generalschlüssel für die
Zukunft bezeichnet, und das ist richtig.
-
Es gibt aber auch ein paar Türen, wo
dieser Schlüssel jedenfalls nicht direkt
-
funktioniert: Wichtige industriellen
Prozesse, der Flug- und Schiffsverkehr
-
oder der Schwerlastverkehr kommen mit
erneuerbarem Strom oder erneuerbarer Wärme
-
nicht aus. Dafür brauchen wir einen
anderen Energieträger, Wasserstoff. Und
-
deshalb hat sich die Landesregierung
entschlossen auf den Weg gemacht um Baden-
-
Württemberg zur ersten Adresse der
Wasserstoffwirtschaft zu machen.
-
Applaus
-
Mit unserer Wasserstoff Roadmap. Und mit
einer Wasserstoff-Plattform, die ein
-
gemeinsames Dach für alle Dimensionen der
Förderung bietet: für Produktion,
-
Infrastruktur und Anwendungen. Und mit der
Ansiedlung von Cellcentric, einer
-
Brennstoffzellenfabrik von Daimler Trucks
und Volvo, kann das Land in diesem
-
umkämpften Zukunftsmarkt einen wichtigen
Erfolg vermelden, er hat allerdings des
-
großen Einsatzes vieler bedurft um das
hinzubekommen, aber wir sind sehr
-
glücklich darüber.
-
Applaus
-
Daneben brauchen wir grünen Wasserstoff
natürlich auch als Energieträger. Denn der
-
Süden ist das industrielle Herz
Deutschlands, und das soll weiter kräftig
-
schlagen. Aus diesem Grund haben wir im
Sommer eine Wasserstoff-Allianz mit Bayern
-
gegründet. So werden wir die Verfügbarkeit
von Wasserstoff im Süden sichern, unsere
-
Länder bestmöglich in das deutsche und
europäische Wasserstoffnetz einbinden und
-
mit einer eigenen Task Force gemeinsame
Forschungsprojekte initiieren. Ich komme
-
zum Thema Innovationen, dem zweiten Punkt
unserer Agenda. Genauer gesagt: Gezielte
-
Investitionen in Innovationen in die
entscheidenden technologischen
-
Zukunftsfelder – in Green Tech, smarte
Produktion, Life Sciences, Künstliche
-
Intelligenz und Quantentechnik. Denn rund
um diese Zukunftsthemen entsteht gerade
-
eine neue Welt: Die Wirtschaft der
Zukunft. Die Arbeitsplätze der Zukunft.
-
Und die Forschungszentren und Fabriken der
Zukunft. Darüber hinaus sind Investitionen
-
in diese Zukunftsfelder die beste
Krisenvorsorge überhaupt. Deshalb starten
-
wir eine Reihe neuer Initiativen und
Projekte: Wir setzen eine neue
-
Ansiedlungsstrategie auf, damit es
innovative Unternehmen so leicht wie
-
möglich haben, sich bei uns in
Baden-Württemberg niederzulassen. Dafür
-
bauen wir „Baden-Württemberg
International“ zur One-Stop-Agency aus,
-
wir vernetzen sie mit allen relevanten
Akteuren im Land und setzen eine Datenbank
-
für alle verfügbaren Flächen auf. So
schaffen wir die Grundlage für
-
hochinnovative Neuansiedlungen. Im Bereich
der smarten Produktion errichten wir mit
-
dem Smart Production Park unter Führung
des Cyber Forums in Karlsruhe einen neuen
-
Leuchtturm. Dabei geht es um die
Schnittstelle von Digitalisierung und
-
Produktion: Um Industrie 4.0, um E-
Commerce und hochinnovative Start-ups. Im
-
Bereich der Künstlichen Intelligenz setzen
wir neben dem Cyber Valley mit dem
-
Innovationspark KI in Heilbronn ein neues,
großes Ausrufezeichen und machen
-
Baden-Württemberg endgültig zum
KI-Spitzenreiter in Europa.
-
Applaus
-
Die Gesundheitswirtschaft bauen wir weiter
zu einem starken wirtschaftlichen
-
Standbein des Landes aus. Dafür schaffen
wir im Bereich der Lebens- und
-
Gesundheitswissenschaften nach dem Vorbild
des Cyber Valley einen neuen
-
Innovationsmotor: den Innovationscampus
Health and Life Sciences. Er bündelt die
-
gesamte Power und Exzellenz von
Wissenschaft und Wirtschaft in der
-
Rhein-Neckar- Region und wird zum neuen
Kern eines strahlkräftigen Ökosystems der
-
Lebenswissenschaften.
-
Applaus
-
Zudem bauen wir unsere europaweite
Spitzenposition als Quanten-Land aus. Denn
-
die Quantentechnologie hat gigantische
Anwendungsmöglichkeiten: Neue Materialien,
-
eine neue Chemie, eine neue Medizin, neue
Medikamente und nicht zuletzt ein
-
Durchbruch in der Künstliche Intelligenz –
all das rückt mit der Quantentechnik in
-
greifbare Nähe. Das ist allerdings auch
ökologisch wichtig, weil wir alle wissen,
-
dass das Internet heute einen
Energieverbrauch hat der schon so groß ist
-
wie der gesamte Flugverkehr. Deshalb
bündeln wir unsere Kräfte, vernetzen
-
unsere Top- Forschungsstandorte: Freiburg,
Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz,
-
Stuttgart, Tübingen und Ulm gemeinsam –
damit werden wir Weltspitze im Bereich der
-
Quantenforschung. Bei all diesen
Forschungsvorhaben spielen Start-ups eine
-
wichtige Rolle. Baden-Württemberg ist
schon heute neben Berlin und Bayern einer
-
der drei stärksten Start- up-Standorte
Deutschlands. In den Acceleratoren,
-
unseren Olympiastützpunkten sozusagen für
Start-ups, setzen wir gezielt auf den
-
Zukunftsbereich Green Tech, Erneuerbare
Energien und Kreislaufwirtschaft. Denn wir
-
wissen: Gerade hier brauchen wir die
disruptive Kraft der Start-ups. Darüber
-
hinaus treiben wir Innovationen mit
unseren Strategiedialogen voran. Mit einem
-
Format, das entscheidende Vorteile hat:
Sie bringen alle relevanten Akteure
-
zusammen, bündeln die Kräfte von Staat,
Wirtschaft, Wissenschaft und
-
Zivilgesellschaft. Und sie begegnen den
Herausforderungen auf Augenhöhe anstatt
-
den Problemen hinterherzurennen. Sie sind
auf Umsetzung angelegt und werden an
-
konkreten Projekten und Zielen gemessen.
Deshalb sind sie ein zentraler
-
Innovationsmotor in unserem Land. Und
deshalb wollen wir sie im anstehenden
-
Doppelhaushalt auch stärken. Gestartet
sind wir mit dem Strategiedialog
-
Automobilwirtschaft, mit dem wir den
Transformationsprozess der
-
Automobilwirtschaft aktiv unterstützen. In
diesem Rahmen haben wir inzwischen 300
-
Millionen Euro in die Zukunft der
Mobilität investiert. Und der Bund hat
-
dieses Format inzwischen erfreulicherweise
kopiert. Das wünschen sich die Beteiligten
-
auch vom Forum Gesundheitsstandort,
mit dem wir uns wirtschaftlich breiter
-
aufstellen. Gerade setzen wir eine Roadmap
zur Nutzung von Gesundheitsdaten um. Damit
-
bringen wir die digitale personalisierte
Medizin voran. Hinzu kommt nun der
-
Strategiedialog zum bezahlbaren Wohnen und
innovativen Bauen, der im Juni gestartet
-
ist und der zur Landwirtschaft, der im
September gestartet ist.
-
Applaus
-
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Innovation
setzt mehr voraus als gute Ideen oder ein
-
kluges Geschäftsmodell. Innovation braucht
auch gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und
-
Mitarbeiter, die entwickeln, tüfteln und
produzieren – und so dafür sorgen, dass
-
aus einer guten Idee auch ein gutes
Produkt wird. Und das setzt in Zeiten der
-
Digitalisierung, der Transformation, des
Strukturwandels eine umfassende und aktive
-
Weiterbildungspolitik voraus. Denn unsere
Arbeitswelt verändert sich rasant. Baden-
-
Württemberg hat deshalb im letzten Jahr
als erstes Land überhaupt eine
-
ressortübergreifende
Weiterbildungsoffensive gestartet. Die
-
beste Weiterbildungsoffensive der
Republik! Auf Initiative des
-
Staatsministeriums bündeln das
Wirtschafts-, das Wissenschafts- und das
-
Kultusministerium ihre Kräfte und setzen
miteinander verzahnte Maßnahmenpakete um.
-
Dafür investieren wir bis Ende 2024
insgesamt 40 Millionen Euro. Das ist
-
vorausschauende Politik, denn wir bereiten
damit unsere Beschäftigten gut auf die
-
Zukunft vor, wir befähigen sie mit den
Veränderungen der Zeit umzugehen und so
-
legen wir die Grundlage
für den Wohlstand von Morgen.
-
Applaus
-
Das, meine Damen und Herren, hat viel mit
Resilienz zu tun. Damit komme ich zum
-
dritten Punkt unserer Agenda: der Stärkung
der Widerstandsfähigkeit unseres Landes.
-
In den letzten 30 Jahren haben wir uns
darauf verlassen, dass wir billiges Gas
-
aus Russland bekommen, mit dem unsere
Industrie hochwertige Güter herstellt. Wir
-
hatten weitgehend freien Zugang zu den
wichtigsten Märkten und die Vereinigten
-
Staaten haben für unsere Sicherheit
gesorgt. Quasi zum Nulltarif. Wir müssen
-
nun damit umgehen, dass diese Zeit vorbei
ist. Es zeichnet sich ab, dass die
-
Weltordnung in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten neu ausgekämpft wird, und dass
-
die Klimaerhitzung weitere Krisen
verursachen wird. Das verlangt deutliche
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Korrekturen. Zur Energie habe ich ja
bereits gesprochen. Um unsere Verteidigung
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zu stärken, hat der Bund ein
100-Milliarden-Euro-Sondervermögen
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beschlossen. Ein richtiger und wichtiger
Schritt. Und auch was unsere
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Handelsbeziehungen angeht, müssen wir nun
eine Neujustierung vornehmen. Keine
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180-Grad-Wendung, aber eine Neujustierung,
das ist mir wichtig. Das Beispiel
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„Russland“ lehrt uns, wie gefährlich die
Abhängigkeit von autoritären Staaten ist.
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Dafür müssen wir Vorsorge treffen, bevor
dieser Fall eintritt. Also jetzt. Darüber
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hinaus müssen wir zur Kenntnis nehmen,
dass ein Land wie China seine
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Wirtschaftspolitik immer weniger am
Freihandel und immer mehr an der
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Geopolitik ausrichtet. Das heißt nicht,
dass China als Handelspartner ausfällt.
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Der chinesische Markt wird auch in Zukunft
eine sehr wichtige Rolle spielen. Aber es
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heißt, dass wir uns auf eine andere
Gangart einstellen müssen. Was bedeutet
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das konkret? Ich sehe hier drei vorrangige
strategische Ziele: Erstens: Die
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europäische Zusammenarbeit verstärken,
damit die EU als starker Player in
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technologischen Schlüsselbranchen
auftreten kann. Zweitens: Den Freihandel
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mit demokratischen Staaten stärken. Und
drittens: Bestehende Partnerschaften im
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asiatischen Raum stärken und neue
Partnerschaften ausbauen. Denn all dies
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trägt zur Diversifikation unserer
Handelsbeziehungen bei und sichert uns
-
gegen geopolitische Risiken ab. Sehr
geehrte Damen und Herren, Deutschland hat
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nur als Teil des Vereinten Europa eine
Chance, global mitzuspielen. Deshalb ist
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es entscheidend, dass die EU ihre
technologische Zusammenarbeit verstärkt.
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Nur dann haben wir die nötige
Schwungmasse, um in den Schlüsselbranchen
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ganz vorne mit dabei zu sein. Nur dann haben
wir die Marktmacht, um die entscheidenden
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Standards zu setzen. Hier ist die EU mit
den IPCEI-Projekten auf dem richtigen Weg,
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von dem auch viele Unternehmen in
Baden-Württemberg profitieren. Wir müssen
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aber auch an sensible Branchen denken:
Etwa den Mobilfunk. An die pharmazeutische
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Industrie und die Medizintechnik. Oder an
Antibiotika, die wir ja fast vollständig
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importieren müssen. Europa muss
resilienter werden. Und bei wichtigen
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Technologien den Anschluss an die
Weltspitze schaffen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Baden-Württemberg hat eine starke,
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mittelständisch geprägte Industrie.
Deshalb ist es in unserem vitalen
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Interesse, den Freihandel zu fördern. Ich
denke dabei gerade auch an die USA,
-
unseren wichtigsten Handelspartner. Nach
dem Scheitern von TTIP wäre es an der
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Zeit, einen neuen Anlauf zu unternehmen.
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Applaus
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Ich denke an Kanada, wo nun endlich mit
der Ratifizierung von CETA gerechnet
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werden kann. Und ich denke an das
EU-Mercosur-Abkommen mit den Staaten
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Südamerikas. Das Ergebnis der
Präsidentschaftswahl in Brasilien hat hier
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die Tür wieder ein Stück weit geöffnet,
und das müssen wir nutzen. Ich denke auch
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an den asiatischen Raum, mit
wirtschaftlichen starken Ländern wie den
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ASEAN-Staaten, Japan und Südkorea, oder
auch an aufstrebende Staaten wie Indien.
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Ich weiß, dass es bei Freihandelsabkommen
immer wieder Bedenken mit Blick auf
-
ökologische und soziale Standards gibt.
Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen.
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Aber ich sage auch hier ganz deutlich: Wir
müssen auch kompromissbereit sein – gerade
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wenn es um Abkommen mit demokratischen
Staaten geht. Denn ein Kompromiss mit
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einem demokratischen Staat ist deutlich
besser als die Abhängigkeit von einem
-
autoritären Staat.
-
Applaus
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Die neue Epoche stellt aber auch neue
Anforderungen an den Staat: Wir brauchen
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starke, verlässliche öffentliche
Institutionen, die Halt geben in
-
Zeiten des Gegenwinds. Der Staat muss aber
auch schneller und effektiver werden,
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damit wir auf Augenhöhe mit den
Herausforderungen der Zeit bleiben. Das
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heißt: Wir brauchen eine moderne
Verwaltung. Wir müssen übertriebene
-
bürokratische Fesseln abstreifen und uns
am Prinzip der Einfachheit orientieren.
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Und wir brauchen weniger
Verhinderungskultur und mehr
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Ermöglichungskultur.
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Applaus
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Aus dem Off: Herr Ministerpräsident,
lassen sie eine Zwischenfrage des
-
Abgeordneten Herrn Dr. Schweikert aus der
FDP Fraktion zu oder nicht?
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Kretschmann: Eine.
Schweickert: Herr Ministerpräsident,
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vielen Dank für das Zulassen der
Zwischenfrage und insbesondere auch für
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das klare Commitment Richtung Freihandel.
Hier hätte ich eine Frage an Sie: Was darf
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ich denn dann von der Landesregierung als
Initiativen, wenn sie sagen das muss
-
ausgebaut werden, können wir ja nicht nur
die Unternehmen allein lassen, dann müssen
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hier ja auch irgendwelche
Rahmenbedingungen geschaffen werden, was
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sind denn ihre Vorstellungen um von Zeiten
der Landesregierung dann, diese
-
internationalen Freihandelsaktivitäten zu
unterstützen?
-
Kretschmann: Ja wir haben gerade eine
USA-Reise gemacht. Wir verstärken dort die
-
Partnerschaften und haben erreicht, dass
zum Beispiel Kalifornien jetzt hier eine
-
wirtschaftliche, also eine
wirtschaftspolitische Dependance macht.
-
Wir haben ja schon länger eine in
Kalifornien. Nicht das sind genau die
-
Dinge die wir bei diesen Reisen in diese
Länder angehen um sowas zu forcieren, auch
-
Bündnisse auf regionaler Ebene zu
schließen wie es ja mit der an der Under2
-
Coalition gemacht haben. Und diese
Initiativen natürlich auch in Europa und
-
beim Bund zu adressieren. Nicht. Bitte?
[Unverständlich im Hintergrund] Ja ich
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meine wenn sie zu Handelsabkommen kommen
wollen, die auch Mehrheiten finden und
-
akzeptiert werden in der Bevölkerung, da
müssen sie ja klären um was es geht und
-
das ist der Sinn solcher Reisen und
Veranstaltungen. Die machen mir jetzt so
-
Spaß weil der Spaß, soll ja heißen, ist
überschaubar, sondern die machen wir
-
gerade um so etwas vorzubereiten, uns
Kenntnisse darüber zu schaffen. Schauen
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was andere Länder machen was ihre
Initiativen sind, nicht, deswegen haben wir
-
zum Beispiel Pittsburgh besucht, eine
Stadt die den Strukturwandel erfolgreich
-
gemeistert hat, jetzt ein wichtiger
Gesundheitsstandort ist. Da können sie
-
sich deutlich machen was mit KI los ist
dann können Sie aber auch feststellen, in
-
verschiedenen Runden, nach welchen
Kriterien und Werten werden dort solche
-
Programme gemacht, nicht. Und darauf kommt
es doch letztlich an? Wir gewinnen doch
-
nur die Zustimmung unserer Bevölkerung,
wenn auch die Grundlage unseres
-
Wertekanons stimmt bei solchen Abkommen,
sonst entsteht eben massiver Widerstand.
-
Applaus
-
Das können sie.. können sie etwa beim
MERCOSUR Abkommen, das ja mal geplant
-
wird, sehen wie es da massiven Widerstand
zum Beispiel in der Bauernschaft gibt.
-
Also ist es doch dienlich wenn man nach
Brasilien reißt, sich dort informiert,
-
sich mit denen austauscht und weiß worum
es eigentlich geht. Mit ihnen ins Gespräch
-
kommt, einen Dialog was unsere Ansprüche
sind was ihre sind. Anders findet sowas ja
-
nicht statt, denn klar ist ja,
Außenpolitik machen ja nicht wir, wir
-
machen das in diesem Bereich der
Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik um
-
solche Dinge vorzubereiten und nachher
aber auch sprechfähig zu sein. Schließlich
-
müssen wir ja am Ende im Bundesrat solchen
Abkommen zustimmen oder sie ablehnen. Und
-
deswegen muss man selber auch gut
informiert sein und ich kann ja auch in
-
der EU nur dann wirkungsvoll zugange sein,
wenn ich eine Ahnung habe was in der Welt
-
sich abspielt. Reisen bildet,
wenn man es richtig macht.
-
Applaus
-
Also wir dürfen bei der Frage der
Entbürokratisierung zwei Fehler nicht
-
machen. wir dürfen weder besinnungslos
deregulieren, was dann Großkrisen auslösen
-
kann, wir haben es an der Finanzmarktkrise
gesehen. Aber auch nicht Überregulieren
-
und den Staat zum Schluss überfordern und
schwächen. In diesem Sinne gebe ich den
-
Startschuss zu einer grundlegenden
Verwaltungsmodernisierung in
-
Baden-Württemberg.
-
Applaus
-
Ich habe den Chef der Staatskanzlei zum
Koordinator der Landesregierung für die
-
Modernisierung der Verwaltung,
Bürokratieabbau und eine bessere
-
Rechtssetzung gemacht, eine
Koordinierungsstelle im Staatsministerium
-
geschaffen und einen Ausschuss der
Amtschefs aller Ressorts ins Leben
-
gerufen. Wir erarbeiten einen Masterplan
für die Transformation der Verwaltung.
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Eine erste Version werden wir schon Ende
des Jahres veröffentlichen. Der Masterplan
-
hat drei Säulen: Erstens: Eine klare
Orientierung an den Bürgerinnen und
-
Bürgern. Zweitens: Die Verwaltungskultur
fit machen für das digitale Zeitalter.
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Drittens: Moderne Führung und zeitgemäßes
Personalmanagement. Das bilden wir auch im
-
kommenden Doppelhaushalt ab: Für
Digitalisierung und
-
Verwaltungsmodernisierung sind 250
Millionen Euro vorgesehen.
-
Also ein großes Paket um diesem Ziel näher
zu kommen, will ich nochmal sagen, das
-
sich jetzt durch die Taskforce Erneuerbare
Energien, wo ich mich ja fast jede Woche
-
mit diesen Fragen beschäftige nun auch
einen sehr diffizielen Einblick bekommen
-
habe in das ganze Verwaltungshandeln und
ich will es einmal so zusammen fassen.
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Wenn wir nicht Entbürokratisieren bei
allem was nicht wirklich notwendig ist,
-
wird der Standort Deutschland ins
Hintertreffen geraten, so können wir nicht
-
weitermachen, wir müssen dieses Land
wieder besser und schneller handlungsfähig
-
und wettbewerbsfähig machen gegenüber
anderen Nationen in der Welt.
-
Applaus
-
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme
zum fünften Punkt unserer Agenda:
-
Zusammenhalt schaffen in Zeiten von Krise
und stürmischer Veränderung. Das ist keine
-
leichte Aufgabe. Unsere Gesellschaft war
bereits von zwei Jahren durch die Pandemie
-
wundgerieben, als der Krieg im Februar
nach Europa kam. Und mit ihm eine große
-
Zahl von Geflüchteten, eine massive
Inflation, explodierende Energiepreise und
-
die Gefahr einer tiefen Wirtschaftskrise.
Deshalb ist es ja so wichtig, dass Bund
-
und Länder gemeinsam so umfassende
Entlastungspakete geschnürt haben. Sie
-
sind notwendig, damit wir auch durch diese
Krise kommen, ohne dass es unsere
-
Gesellschaft auseinandertreibt. Auch
Entlastungspakete alleine reichen nicht
-
aus. Wir müssen alle Ressourcen
mobilisieren. Und unsere wichtigsten
-
Ressourcen in dieser Krise sind nicht
Gasspeicher, Pipelines oder LNG-Terminals.
-
Unsere wichtigste Ressource – das sind die
Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Wir
-
brauchen ihr Enga..
-
Applaus
-
Wir brauchen ihr Engagement, ihren
Gemeinsinn, ihren Durchhaltewillen, um
-
diese Krise zu stemmen und zu meistern.
Das verlangt von uns als politisch
-
Verantwortlichen, dass wir ehrlich sind.
Zumutungen benennen und die Lage nicht
-
beschönigen. Und das heißt aber auch, dass
wir den Bürgerinnen und Bürgern auf
-
Augenhöhe auch etwas zutrauen. Aber auch
ihre Verantwortung einfordern. Die
-
Botschaft lautet also nicht nur: „Wir
kümmern uns“, das tun wir natürlich auch.
-
Sie lautet auch: „Wir brauchen Euch“. Wir
dürfen die Bürgerinnen und Bürger nicht
-
unterschätzen. Sie sind stärker und
klarer, als viele immer meinen. Das zeigt
-
auch die breite Zustimmung der Bevölkerung
zur Unterstützung der Ukraine. Die
-
Menschen sind bereit, Verantwortung zu
übernehmen, und ja, wenn es sein muss,
-
auch Opfer zu erbringen. Und genau diese
Haltung brauchen wir: Weniger Eigennutz
-
und mehr Gemeinwohl. Weniger Demokratie
als Lieferservice und mehr Demokratie als
-
gemeinsame Aufgabe. Das ist die Haltung,
mit der wir durch den Winter kommen.
-
Applaus
-
Wir brauchen diesen Gemeinsinn und diese
aktive Bürgergesellschaft aber auch über
-
die akute Krise hinaus. Denn die große
Transformation gelingt ja nur, wenn wir
-
zusammen anpacken, wenn wir das
klimaneutrale Baden-Württemberg als
-
gemeinsame Mission begreifen – als großes
gesamtgesellschaftliches Projekt. Und das
-
heißt aber eben auch, wir wischen Ängste
natürlich nicht einfach vom Tisch und wir
-
entscheiden nicht über die Köpfe der Leute
hinweg. Wir müssen zuhören, wo es Sorgen
-
und Kritik gibt, auf Bedenken mit
Argumenten antworten, und Brücken bauen
-
statt Gräben aufzureißen. Genau das tut
meine Landesregierung: Mit der
-
Unterstützung von lokalen Klimagesprächen
und bürgerschaftlichen Klimaprojekten –
-
allein 100 in den letzten beiden Jahren
Mit beratenden Bürgerforen zu wichtigen
-
Gesetzentwürfen der Landesregierung ab dem
kommenden Jahr. Und das ist eine echte
-
demokratiepolitische Innovation! Und mit
einer eigenen Servicestelle für
-
Bürgerbeteiligung, die den Städten,
Gemeinden und Behörden mit Rat und Tat zur
-
Seite steht, wenn sie Beteiligungsprojekte
durchführen. Auch das erweist sich als
-
höchst hilfreich und wir haben es am
Beispiel Weilheim gesehen, wie
-
fruchtbringend so etwas ist. Also das sind
alles wichtige Schritte, denn die große
-
Transformation können wir nur mit den
Bürgern meistern und nicht gegen sie. Da
-
geht es um Bürgerbeteiligung. Es geht aber
auch um Wertschätzung. Denn wer regionale
-
Lebensmittel einkauft oder im Alltag
Energie spart, wer sich eine Solaranlage
-
aufs Dach schraubt oder mit dem Fahrrad
zur Arbeit pendelt, wer sich eine
-
Wärmepumpe einbaut oder seinen Verbrenner
gegen ein E-Auto austauscht, der leistet
-
damit auch einen wichtigen Beitrag fürs
Gemeinwohl. Und der ist Mitglied im Team
-
„Klimaneutrales Baden-Württemberg“. Und
damit eben auch ein wertvoller Teil der
-
Transformation.
-
Applaus
-
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir,
wenn die Bürger heute nach vorne schauen,
-
dann dominieren bei den meisten die
Sorgen. Aber der größte Fehler, den wir
-
machen könnten, wäre, uns von unseren
Ängsten lähmen zu lassen und dafür gibt es
-
keinen Grund. Deshalb möchte ich an dieser
Stelle mal die Perspektive wechseln. Wie
-
fällt wohl der Blick aus, wenn die
Menschen in Baden-Württemberg in 20 Jahren
-
auf heute zurückschauen? Ich wünsche mir,
dass der Blick zurück wie folgt ausfällt:
-
Wir sehen den Krisenwinter und die frühen
2020er Jahre als eine Phase, in der wir
-
eine schwere Krise gemeinsam
durchgestanden haben. Als wir die
-
Transformation unter schwierigen
Bedingungen mutig angegangen sind – und so
-
die Grundlage gelegt haben, für einen
neuen, nachhaltigen Wohlstand. Als wir
-
durch konsequenten Klimaschutz unseren
Beitrag geleistet haben, die globale
-
Erhitzung zu begrenzen. Als wir unser Land
widerstandsfähiger gemacht haben. Und uns
-
als Europäer selbst behauptet und die Idee
von Demokratie und Menschenrechten
-
verteidigt haben. Nun ist ja allen klar:
Ich bin Ministerpräsident und kein
-
Prophet. Ich kann natürlich nicht
versprechen, dass es so kommen wird. Aber
-
ich bin davon überzeugt, dass wir es
schaffen können, wenn wir es nur wollen,
-
davon bin ich fest überzeugt. Und dass ein
klimaneutrales Baden-Württemberg, in dem
-
wir gut in Freiheit und Wohlstand
zusammenleben, dass das möglich ist.
-
Lassen Sie uns alles dafür tun.
Herzlichen Dank.
-
Applaus