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Devdutt Pattanaik: Ost und West - Im Labyrinth der Mythen

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    Zum besseren Verständnis der Angelegenheiten der Mythologie
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    und dessen, was der Job eines Chief Belief Officers sein soll,
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    müssen Sie eine Geschichte hören,
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    über Ganesha,
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    den elefantenköpfigen Gott,
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    welcher der Schreiber der Geschichtenerzähler ist,
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    und über seinen Bruder,
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    den athletischen Kriegsherrn der Götter,
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    Kartikeya.
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    Die beiden Brüder beschlossen eines Tages, um die Wette zu rennen,
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    und zwar dreimal um die Welt.
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    Kartikeya sprang auf seinen Pfau
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    und flog über die Kontinente hinweg
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    und die Berge und die Meere.
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    Er umflog sie zum ersten Mal,
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    er umflog sie zum zweiten Mal,
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    er umflog sie zum dritten Mal.
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    Aber sein Bruder Ganesha
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    spazierte einfach um seine Eltern herum,
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    einmal, zweimal, dreimal,
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    und sprach: "Ich habe gewonnen."
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    "Und wieso?", sagte Kartikeya.
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    Und Ganesha erwiderte,
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    "Du bist um 'die Welt' geflogen.
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    Ich habe 'meine Welt' abgeschritten."
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    Was ist wichtiger?
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    Wenn Sie den Unterschied zwischen "Der Welt" und "Meiner Welt" verstehen,
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    verstehen Sie den Unterschied zwischen Logos und Mythos.
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    "Die Welt" ist objektiv,
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    logisch, universell, sachlich,
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    wissenschaftlich.
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    "Meine Welt" ist subjektiv.
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    Sie ist emotional, persönlich.
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    Sie ist Wahrnehmung, Gedanke, Gefühl, Traum.
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    Es ist das Glaubensgebäude, das wir mit uns tragen.
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    Der Mythos, in dem wir leben.
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    "Die Welt" gibt uns Auskunft, wie die Welt funktioniert,
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    wie die Sonne aufgeht,
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    wie wir geboren werden.
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    "Meine Welt" gibt Auskunft, warum die Sonne aufgeht,
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    warum wir geboren wurden.
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    Jede Kultur versucht, sich selbst zu verstehen,
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    "Warum sind wir hier?"
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    Und jede Kultur bringt ihr eigenes Verständnis vom Leben hervor,
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    ihre eigene maßgeschneiderte Mythologie.
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    Kultur ist eine Reaktion auf die Natur,
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    und dieses Verständnis unserer Vorfahren
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    wird von Generation auf Generation weitergegeben
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    in Gestalt von Geschichten, Symbolen und Ritualen,
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    in denen Rationalität überhaupt keine Rolle spielt.
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    Und so erkennt man, wenn man sie studiert,
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    dass unterschiedliche Völker der Welt
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    die Welt auf unterschiedliche Weise verstehen.
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    Unterschiedliche Völker sehen die Dinge auf unterschiedliche Weise:
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    Unterschiedliche Blickwinkel.
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    Hier ist meine Welt und dort ist deine Welt,
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    und meine Welt ist immer besser als deine Welt,
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    weil meine Welt, wie du siehst, rational ist
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    und deine ist Aberglaube,
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    deine ist Glaube,
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    deine ist unlogisch.
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    Hier liegt die Wurzel des Kampfes der Kulturen.
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    Es gab einen, einst, im Jahre 326 vor Christus
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    an den Ufern eines Flusses namens Indus,
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    im heutigen Pakistan.
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    Dieser Fluss stand Pate für Indiens Namen.
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    Indien. Indus.
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    Alexander, ein junger Makedone,
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    traf dort auf einen, wie er ihn nannte, "Gymnosophen",
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    was "nackter, weiser Mann" bedeutet.
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    Wir wissen nicht, wer er war.
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    Vielleicht war er ein jainischer Mönch,
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    wie Bahubali dort drüben,
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    der Gomateshvara Bahubali,
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    dessen Bildnis nicht weit von Mysore entfernt zu sehen ist.
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    Oder vielleicht war er nur ein Yogi,
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    der auf einem Felsen saß und den Himmel anstarrte,
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    und die Sonne und den Mond.
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    Alexander fragte: "Was tust du?"
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    Und der Gymnosoph antwortete:
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    "Ich mache die Erfahrung des Nichts."
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    Darauf fragte der Gymnosoph:
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    "Was machst du?"
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    Und Alexander sagte: "Ich bin dabei, die Welt zu erobern."
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    Und dann lachten beide.
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    Jeder hielt den anderen für einen Narren.
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    Der Gymnosoph sagte: "Warum erobert er die Welt?
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    Das ist sinnlos."
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    Und Alexander dachte,
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    "Warum sitzt er hier herum und tut nichts?
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    Was für eine Verschwendung von Lebenszeit."
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    Um diesen Unterschied in der Sichtweise zu verstehen,
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    müssen wir die subjektive Wahrheit
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    Alexanders verstehen:
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    seinen Mythos und die Mythologie, aus der er erwachsen war.
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    Alexanders Mutter, seine Eltern, sein Lehrer Aristoteles,
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    alle erzählten ihm die Geschichte von Homers "Ilias".
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    Sie berichteten ihm von einem großen Helden Namens Achilles,
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    der, sofern er sich am Kampfgeschehen beteiligte, den Sieg gewiss machte,
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    aber, wenn er sich vom Kampf zurückzog,
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    war die Niederlage unausweichlich.
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    "Achilles war ein Mann, der Geschichte gestalten konnte,
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    ein Mann der Vorsehung,
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    und das ist, was auch du sein solltest, Alexander."
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    Das war, was er hörte.
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    "Was solltest du nicht sein?
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    Du solltest nicht Sisyphos sein,
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    der bei Tage einen Fels einen Berg hinaufrollt,
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    nur um ihn am nächsten Morgen wieder heruntergerollt aufzufinden.
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    Lebe kein Leben, das gleichförmig ist,
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    mittelmäßig, bedeutungslos.
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    Sei einzigartig! --
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    Wie die griechischen Heroen,
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    wie Iason, der über das Meer fuhr
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    mit den Argonauten und das goldene Vlies raubte.
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    Sei einzigartig wie Theseus,
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    der das Labyrinth durchdrang und den stierköpfigen Minotaurus tötete.
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    Wenn du an einem Wettrennen teilnimmst, gewinne! --
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    denn wenn du gewinnst, wird dein Siegesrausch
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    dem Ambrosia der Götter gleichen wie nichts anderes."
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    Denn, sehen Sie, die Griechen glaubten,
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    dass man nur einmal lebt
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    und nach dem Tode den Fluss Styx überqueren muss,
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    und wenn man ein außerordentliches Leben gelebt hat,
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    wird man ins Elysium gelangen,
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    oder, wie die Franzosen es nennen: die "Champs-Élysées" --
  • 6:06 - 6:07
    (Lachen) --
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    den Himmel der Heroen.
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    Aber das sind nicht die Geschichten, die der Gymnosoph gehört hatte.
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    Er hörte eine ganz andere Geschichte.
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    Er hörte von einem Mann namens Bharat,
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    nach dem Indien "Bhārata" genannt wird.
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    Bharat hat ebenfalls die Welt erobert.
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    Und dann erklomm er den höchsten Gipfel
  • 6:32 - 6:35
    des höchsten Berges in der Mitte der Welt
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    namens Meru.
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    Und dort wollte er sein Banner aufrichten, um zu sagen:
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    "Ich war als erster hier."
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    Aber als er den Bergesgipfel erreicht hatte,
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    sah er die Kuppe übersät mit zahllosen Bannern
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    von Welteroberern vor ihm,
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    und jede rief ihm zu "'Ich war zuerst hier'...
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    so dachte ich, bevor ich hierhergekommen bin."
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    Und plötzlich, vor diesem Sinnbild der Unendlichkeit,
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    fühlte Bharat sich unbedeutend.
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    Dies war die Mythologie des Gymnosophen.
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    Sehen Sie, er hatte Helden wie Ram -- Raghupati Ram
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    und Krishna, Govinda Hari.
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    Diese waren aber nicht zwei Helden zweier verschiedener Abenteuer.
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    Sie waren zwei Leben ein und desselben Helden.
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    Wenn das Ramayana endet, beginnt das Mahabharata.
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    Wenn Ram stirbt, wird Krishna geboren.
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    Wenn Krishna stirbt, wird er eines Tages als Ram wiedergeboren werden.
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    Sehen Sie, die Inder kannten auch einen Fluss,
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    der das Land der Lebenden vom Land der Toten trennt.
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    Aber man überquert ihn nicht einmal.
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    Man überquert ihn unzählige Male.
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    Das wurde Vaitarni genannt.
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    Man geht wieder, und wieder, und wieder.
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    Weil nichts, sehen Sie,
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    für immer ist in Indien, nicht einmal der Tod.
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    Und so kommt es zu diesen großartigen Ritualen,
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    in denen große Bildnisse der Muttergottheiten errichtet
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    und für 10 Tage angebetet werden ...
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    Und was macht man am Ende der 10 Tage?
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    Man wirft sie in den Fluss.
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    Weil es enden muss.
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    Und im nächsten Jahr wird sie zurückkehren.
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    Es gibt nichts Neues unter der Sonne,
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    und diese Regel gilt nicht nur für den Mensch,
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    sondern auch für die Götter.
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    Sehen Sie, die Götter
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    müssen immer wieder und wieder zurückkehren
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    als Ram, als Krishna.
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    Sie leben nicht nur unendliche Leben,
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    sondern dasselbe Leben wird unendlich oft gelebt,
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    bis man den Sinn des Ganzen versteht.
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    Und täglich grüßt das Murmeltier.
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    (Lachen)
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    Zwei unterschiedliche Mythologien.
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    Welche ist richtig?
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    Zwei unterschiedliche Mythologien, zwei unterschiedliche Perspektiven auf die Welt.
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    Eine linear, eine zyklisch.
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    Der eine glaubt, dieses sei das eine und einzige Leben.
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    Der andere glaubt, dieses sei eines von vielen Leben.
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    Folglich war der Nenner im Leben von Alexander "Eins".
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    Und der Wert seines Lebens war die Summe
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    seiner Leistungen.
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    Der Nenner im Leben des Gymnsophen war "Unendlich".
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    Und damit, egal was er anstellte,
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    war es immer "Null".
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    Und ich glaube, dass dieses mythologische Paradigma
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    die indischen Mathematiker dazu brachte,
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    die Zahl "Null" zu entdecken.
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    Wer weiß?
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    Und das bringt uns zur Mythologie des Geschäfts.
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    Wenn Alexanders Glaube sein Verhalten beeinflusst hat,
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    wenn der Glaube des Gymnosophen sein Verhalten beeinflusst,
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    dann beeinflusst er zwangsläufig auch ihr jeweiliges Geschäft.
  • 9:46 - 9:48
    Sehen Sie, was ist Geschäft denn anderes
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    als ein Ergebnis aus dem Verhalten des Marktes
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    und dem Verhalten einer Organisation?
  • 9:53 - 9:56
    Und wenn man sich die Kulturen rund um den Erdball betrachtet
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    muss man nur ihre Mythologie verstehen
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    und man wird erkennen, wie sie sich verhalten und wie sie Geschäfte machen.
  • 10:01 - 10:05
    Schauen Sie.
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    In Kulturen, die an nur ein Leben glauben, wird man überall auf der Welt
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    eine Besessenheit mit binärer Logik,
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    absoluten Wahrheiten, Standardisierung,
  • 10:13 - 10:16
    Absolutheit und linearen Mustern im Design finden.
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    Schaut man aber auf Kulturen, die eine zyklische Auffassung
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    auf der Basis unendlich vieler Leben vertreten, wird man Vertrautheit mit Uneindeutigkeit,
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    mit Meinungen,
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    mit kontextabhängigem Denken,
  • 10:28 - 10:31
    mit allem Relativen finden, irgendwie --
  • 10:31 - 10:32
    (Lachen)
  • 10:32 - 10:34
    meistens.
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    (Lachen)
  • 10:35 - 10:38
    Schauen Sie sich Kunst an, betrachten Sie die Ballerina.
  • 10:38 - 10:40
    Wie linear sie ist in ihrer Bewegung.
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    Und dann sehen Sie die indische klassische Tänzerin,
  • 10:42 - 10:44
    die Kuchipudi-Tänzerin, die Bharatanatyam-Tänzerin,
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    kurvig.
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    (Lachen)
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    Und dann schauen Sie die Unternehmen an.
  • 10:51 - 10:53
    Standard-Geschäftsmodell:
  • 10:53 - 10:57
    Vision, Mission, Werte, Prozesse.
  • 10:57 - 10:59
    Klingt sehr nach der Reise durch die
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    Wildnis hin ins gelobte Land,
  • 11:01 - 11:03
    mit den Geboten in der Hand des Führers.
  • 11:03 - 11:08
    Und wenn du mitspielst, wirst du in den Himmel kommen.
  • 11:08 - 11:10
    Aber in Indien gibt es dieses eine gelobte Land nicht.
  • 11:10 - 11:13
    Es gibt viele gelobte Länder,
  • 11:13 - 11:16
    abhängig von deiner Stellung in der Gesellschaft,
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    abhängig von Stadium deines Lebens.
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    Sehen Sie, Unternehmen werden nicht wie Institutionen geführt,
  • 11:22 - 11:25
    sondern nach den Eigenheiten einzelner Menschen.
  • 11:25 - 11:28
    Es geht immer um Vorlieben.
  • 11:28 - 11:32
    Es geht immer um meine Vorlieben.
  • 11:32 - 11:34
    Sehen Sie, indische Musik, zum Beispiel,
  • 11:34 - 11:36
    kommt ohne das Konzept des geordneten Zusammenspiels aus.
  • 11:36 - 11:40
    Es gibt keinen Dirigenten.
  • 11:40 - 11:43
    Ein Musiker steht vorn und alle anderen folgen.
  • 11:43 - 11:47
    Und man kann diese Aufführung nicht replizieren.
  • 11:47 - 11:49
    Es geht nicht um Dokumentation und Vertrag.
  • 11:49 - 11:53
    Es geht um das miteinander sprechen und Glauben.
  • 11:53 - 11:57
    Es geht nicht um das Einhalten von Regeln. Es geht um den Rahmen,
  • 11:57 - 12:01
    darum, den Job zu erledigen, indem man die Regeln ausdehnt oder bricht --
  • 12:01 - 12:03
    sehen Sie sich einfach die Inder hier an,
  • 12:03 - 12:05
    Sie sehen, wie sie lächeln; die wissen, worum es geht.
  • 12:05 - 12:06
    (Lachen)
  • 12:06 - 12:08
    Und dann sehen Sie die Leute an, die in Indien Geschäfte gemacht haben,
  • 12:08 - 12:10
    Sie sehen den Ausdruck der Verzweiflung auf ihren Gesichtern.
  • 12:10 - 12:11
    (Lachen)
  • 12:11 - 12:15
    (Applaus)
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    Sehen Sie, das ist Indien heute. Die Grundauffassung der Wirklichkeit
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    basiert auf einem zyklischen Weltbild.
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    Sie ist also hochgradig divers und geprägt von schneller Veränderung,
  • 12:22 - 12:25
    chaotisch, uneindeutig, unvorhersehbar.
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    Und die Leute fühlen sich gut damit.
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    Und dann passiert die Globalisierung.
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    Die Anforderungen modernen institutionellen Denkens werden hereingetragen.
  • 12:34 - 12:38
    Welches seine Wurzeln in der "Einmal-Leben"-Kultur hat.
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    Und eine Auseinandersetzung wird stattfinden,
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    wie an den Ufern des Indus.
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    Es wird unausweichlich passieren.
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    Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Ich bin studierter Arzt.
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    Den chirurgischen Facharzt wollte ich nicht machen. Fragen Sie nicht, warum.
  • 12:52 - 12:54
    Ich liebe die Mythologie zu sehr.
  • 12:54 - 12:56
    Ich wollte Mythologie studieren. Aber studieren kann man das nirgends.
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    Also musste ich es mir selbst beibringen.
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    Und Mythologie zahlt sich nicht aus. Bis jetzt, jedenfalls.
  • 13:01 - 13:05
    (Lachen)
  • 13:05 - 13:08
    Also musste ich einen Job annehmen. Und habe in der Pharmaindustrie gearbeitet.
  • 13:08 - 13:10
    Und im Gesundheitswesen.
  • 13:10 - 13:12
    Und ich war im Marketing, ich war Vertriebler,
  • 13:12 - 13:15
    und ein Wissensmanager, Inhaltsmanager und ein Trainer.
  • 13:15 - 13:18
    Ich war sogar Unternehmensberater für Strategie und Taktik.
  • 13:18 - 13:20
    Und immer sah ich die Verzweiflung
  • 13:20 - 13:23
    bei meinen amerikanischen und europäischen Kollegen,
  • 13:23 - 13:25
    wenn sie es mit Indien zu tun hatten.
  • 13:25 - 13:28
    Beispiel: Bitte beschreiben Sie uns den Ablauf
  • 13:28 - 13:31
    der Rechnungsstellung bei Krankenhäusern.
  • 13:31 - 13:35
    Schritt A. Schritt B. Schritt C. Meistens.
  • 13:35 - 13:37
    (Lachen)
  • 13:37 - 13:39
    Wie parametrisiert man "meistens"?
  • 13:39 - 13:43
    Wie verpackt man es in einer netten, kleinen Software? Das geht nicht.
  • 13:43 - 13:45
    Immer wieder habe ich meine Ansichten Leuten erzählt.
  • 13:45 - 13:47
    Aber keiner wollte zuhören,
  • 13:47 - 13:51
    wissen Sie, bis ich Kishore Biyani von der "Future Group" traf.
  • 13:51 - 13:56
    Wissen Sie, er hat die größte Kaufhauskette aufgebaut, sie heißt "Big Bazaar".
  • 13:56 - 13:58
    Und es gibt mehr als 200 Ladenkonzepte
  • 13:58 - 14:00
    verteilt auf 50 Städte und Großstädte in Indien.
  • 14:00 - 14:04
    Und er hatte es mit vielfältigen und dynamischen Märkten zu tun.
  • 14:04 - 14:06
    Und er wusste ganz intuitiv,
  • 14:06 - 14:08
    dass bewährte Methoden,
  • 14:08 - 14:11
    entwickelt in Japan, China, Europa und Amerika
  • 14:11 - 14:14
    in Indien nicht funktionieren würden.
  • 14:14 - 14:18
    Er wusste, dass institutionelles Denken in Indien nicht funktioniert. Individuelles Denken schon.
  • 14:18 - 14:22
    Er hatte ein intuitives Verständnis für die mythische Struktur Indiens.
  • 14:22 - 14:24
    Also bat er mich, sein Chief Belief Officer zu sein und sagte:
  • 14:24 - 14:27
    "Alles was ich von dir will, ist, dass du Glauben miteinander in Einklang bringst."
  • 14:27 - 14:29
    Klingt so einfach.
  • 14:29 - 14:31
    Aber Glaube ist nicht messbar.
  • 14:31 - 14:33
    Man kann ihn nicht messen, man kann ihn nicht managen.
  • 14:33 - 14:35
    Wie also konstruiert man Glauben?
  • 14:35 - 14:39
    Wie schärft man die Wahrnehmung der Menschen für das Indisch-Sein?
  • 14:39 - 14:43
    Selbst wenn man Inder ist, ist es nicht offensichtlich.
  • 14:43 - 14:47
    Und so habe ich versucht, nach dem Standard-Modell der Kultur zu arbeiten,
  • 14:47 - 14:49
    also Geschichten, Symbole und Rituale zu entwickeln.
  • 14:49 - 14:52
    Und eines dieser Rituale werde ich Ihnen zeigen.
  • 14:52 - 14:55
    Es basiert, wie Sie sehen, auf dem hinduistischen Ritual des "Darshan".
  • 14:55 - 14:57
    Hindus verfügen nicht über das Konzept von Geboten.
  • 14:57 - 14:59
    Also ist nichts richtig oder falsch an dem, was man in deinem Leben tut.
  • 14:59 - 15:02
    Also weiß man nicht so recht, wie man in Gottes Augen dasteht.
  • 15:02 - 15:05
    Wenn man also in den Tempel geht, sucht man vor allem eine Audienz mit Gott.
  • 15:05 - 15:07
    Man will Gott sehen.
  • 15:07 - 15:11
    Und man will, dass Gott einen selbst sieht, und deshalb haben die Götter sehr große Augen,
  • 15:11 - 15:13
    große, sich nie schließende Augen,
  • 15:13 - 15:16
    die manchmal aus Silber gemacht sind,
  • 15:16 - 15:18
    damit sie einen ansehen.
  • 15:18 - 15:20
    Weil man nicht weiß, ob man richtig handelt oder nicht, ist also alles was man ersehnt
  • 15:20 - 15:24
    göttliches Mitgefühl.
  • 15:24 - 15:27
    "Nur damit du weißt, woher ich komme, warum ich da improvisiert habe."
  • 15:27 - 15:28
    (Lachen)
  • 15:28 - 15:30
    "Warum ich diesen Weg gewählt habe,
  • 15:30 - 15:35
    warum mich die Abläufe nicht interessieren, versteh mich einfach, bitte."
  • 15:35 - 15:38
    Und darauf basierend haben wir ein Ritual für die Filialleiter entwickelt.
  • 15:38 - 15:42
    Nachdem ein Filialleiter seine Ausbildung abgeschlossen hat und kurz bevor er den Laden übernimmt,
  • 15:42 - 15:46
    verbinden wir ihm die Augen, wir stellen alle, für die er Verantwortung hat, um ihn herum,
  • 15:46 - 15:50
    die Kunden, seine Familie, sein Team, seinen Boss.
  • 15:50 - 15:53
    Man verkündet seine wichtigsten Aufgabenbereiche und Leistungsindikatoren, man gibt ihm die Schlüssel,
  • 15:53 - 15:55
    und dann entfernt man die Augenbinde.
  • 15:55 - 15:58
    Und jedesmal sieht man eine Träne,
  • 15:58 - 16:00
    weil der Groschen gefallen ist.
  • 16:00 - 16:04
    Ihm wird klar, dass er kein Profi sein muss,
  • 16:04 - 16:07
    um Erfolg zu haben,
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    nicht seine Gefühle abschalten muss,
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    sondern dass er alle diese Leute mit in seine Welt
  • 16:13 - 16:17
    hineinnehmen muss, um Erfolg zu haben, sie glücklich zu machen,
  • 16:17 - 16:19
    den Boss glücklich zu machen, jeden glücklich zu machen.
  • 16:19 - 16:22
    Der Kunde ist glücklich, denn der Kunde ist Gott.
  • 16:22 - 16:25
    Dieses Einfühlungsvermögen brauchen wir. Hat dieser Glaube erst Einzug gehalten,
  • 16:25 - 16:28
    findet Verhalten statt, findet Geschäft statt.
  • 16:28 - 16:31
    Und so ist es.
  • 16:31 - 16:34
    Dann kommen wir also zurück zu Alexander
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    und dem Gymnosophen.
  • 16:36 - 16:40
    Und jeder fragt mich: "Was ist der bessere Weg, dieser oder jener?"
  • 16:40 - 16:42
    Und das ist eine sehr gefährliche Frage.
  • 16:42 - 16:46
    Weil sie einen auf den Pfad des Fundamentalismus und der Gewalt führt.
  • 16:46 - 16:48
    Also werde ich diese Frage nicht beantworten.
  • 16:48 - 16:50
    Stattdessen werde ich Ihnen eine indische Antwort geben,
  • 16:50 - 16:52
    das indische Kopfschüttlen.
  • 16:52 - 16:54
    (Lachen)
  • 16:54 - 16:58
    (Applaus)
  • 16:58 - 17:00
    Abhängig vom Kontext,
  • 17:00 - 17:02
    abhängig vom Ergebnis,
  • 17:02 - 17:05
    wähle dein Paradigma.
  • 17:05 - 17:08
    Weil beide Denkmuster menschliche Konstrukte sind.
  • 17:08 - 17:11
    Sie sind kulturelle Schöpfungen,
  • 17:11 - 17:14
    nicht natürliche Erscheinungen.
  • 17:14 - 17:17
    Und wenn Sie also das nächste Mal jemandem begegnen, einem Fremden,
  • 17:17 - 17:19
    dann habe ich eine Bitte:
  • 17:19 - 17:22
    Verstehen Sie, dass Sie in einer subjektiven Wahrheit leben,
  • 17:22 - 17:24
    und der andere auch.
  • 17:24 - 17:26
    Verstehen Sie das.
  • 17:26 - 17:31
    Und wenn Sie das verstehen, werden Sie eine spektakuläre Entdeckung machen.
  • 17:31 - 17:33
    Sie werden entdecken, dass inmitten unendlicher Mythen
  • 17:33 - 17:35
    die ewige Wahrheit liegt.
  • 17:35 - 17:37
    Wer sieht alles?
  • 17:37 - 17:39
    Varuna hat immerhin tausend Augen.
  • 17:39 - 17:42
    Indra einhundert.
  • 17:42 - 17:44
    Sie und ich nur zwei
  • 17:44 - 17:47
    Danke.
  • 17:47 - 18:05
    (Applaus)
Title:
Devdutt Pattanaik: Ost und West - Im Labyrinth der Mythen
Speaker:
Devdutt Pattanaik
Description:

Devdutt Pattanaik öffnet uns die Augen für einen neuen Blick auf die Mythen Indiens und des Westens -- und zeigt, warum diese grundverschiedenen Systeme des Gottesglaubens, des Umgangs mit dem Tod und der Jenseitsvorstellung uns dabei helfen, uns konsequent misszuverstehen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:08
Matthias Daues added a translation

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