#rC3 - This Is Not A Game (de)

rc3 Vorspannmusik

Herald: Hallo! Von hier kommt jetzt ein
Talk, auf den ich mich schon sehr gefreut

habe und zwar Arne Vogelgesang mit: "This
is not a game". Das wird auf jeden Fall

sehr interessant und spannend und es gibt
danach im Anschluss noch ein Q&A. Ihr könnt

eure Fragen gerne bei Twitter schicken mit
dem Hashtag rc3-one oder dem Hashtag

rc3-restrealitaet. Ihr könnt es auch im
IRC schicken. Wir freuen uns auf jeden

Fall auf Fragen und dann geht's jetzt auch
einfach direkt schon los. Viel Spaß!

Arne: Ja, dann sag ich nochmal Hallo!
Hallo, mein mein Körper ist hier auf der

Bühne der Restrealität. Mein Hirn hat
letzte Nacht nicht geschlafen, ist

irgendwo im Limbo, und ich hoffe es ist
irgendjemand da. Weil ich habe keine

Ahnung. Ich rede ja hier quasi ins Leere
rein. Weil ich nicht geschlafen habe und

da dieser Talk hier Alpha-Version ist und
noch nicht fertig debuggt ist, hab ich überlegt,

ich mache eine echte Remote Experience und
habe ihn zur Entlastung meines

schläfrigen Hirns aufgezeichnet. Ich
spiele jetzt einfach den Talk, den ich

aufgezeichnet habe, mir selber vor, sprech'
ihn hier live wieder nach. Das ist eine

super Misch-Erfahrung für uns alle, wenn
ich meine Slides jetzt nachsynchronisiere,

und naja, Slides ist vielleicht ein
bisschen nett gesagt, es wird ein bisschen

wild, stellenweise auf der Bildebene. Ich
hoffe, dass das für alle, die nicht sehen

können oder schlecht sehen können,
trotzdem noch nett ist. Also auch die

Tonspur ganz gut ist. So ein bisschen
märchenmäßig. Für alle anderen, die sehen

können, es ist zu viel, es sind zu viele
Screenshots drinne und ihr könnt die nicht

alle lesen. Seid nicht sauer, wenn ihr es
nicht könnt. Das ist eher so zum später

mal nachschlagen. Das sind quasi die
Fußnoten auf der Bildebene. So, was gibt's

jetzt? Es gibt keine krassen Enthüllungen
oder sowas. Ich fasse einfach, einfach ein

bisschen Forschungsstand zusammen zu dem
Thema, was in der Ankündigung stand. Ich

habe ein paar Links, falls es
irgendjemanden interessiert

zusammengesammelt und in den Pastebin
gehauen. Da sind nicht viele, weil ich

notorisch schlecht bin, da drin irgendwie
Links zu sammeln. Aber falls ihr mal rein

guckt, dann findet ihr dort ein paar Links
irgendwo hin ins Internet, zu den obskuren

Themen, die jetzt kommen. Was ich hier
mache, ist keine Wissenschaft. Ich erzähle

eine Geschichte, wie alle, die über den
Zustand der Welt berichten, auf irgendeine

Art und Weise. Und um das Spiel mit
solchen Geschichten geht es auch in diesem

Talk jetzt. Das heißt, wenn ich manchmal
so ein bisschen märchenmäßig klinge, dann

auch, weil das das Thema hier ist. Das ist
der Ablauf für diesen Talk, den ich mir

gemacht habe. Ich hab's leider nicht mehr
geschafft, ihn zu digitalisieren. Ich

musste auch leider ein bisschen was
wegkürzen, um in der Zeit zu bleiben. Ich

habe auch vergessen, das Bild auf
Landscape zu drehen, bevor ich

gezeichnet habe. Deswegen muss das
jetzt hier Hochkant, sorry. Also da unten

geht's los. Und das ist dann ungefähr der
Weg, den wir zurücklegen. Und irgendwo da

oben kommen wir dann raus. Und das
Fragezeichen heißt, dass wir mit ein

bisschen Glück danach noch eine Fragerunde
haben können. Ich habe es leider nicht

geschafft, noch eine Minimap zu machen,
obwohl ich das ja gerne gehabt hätte, dass

man immer sieht, wie weit wir schon sind
und so Erfahrungspunkte macht. Vielleicht

dann nächstes Jahr. Und ich versuche ein
Spagat für unterschiedliches Vorwissen.

Wenn ich was erzähle, was ihr alles wisst,
dann seid nicht ärgerlich. Versuche

irgendwie sowas zu machen zwischen Sendung
mit der Maus und rumnerden. Und ich hoffe,

es ist für jeden was dabei. Ein bisschen
ist auf jeden Fall auch für alle was zum

aufregen, ist ja auch wichtig dabei. Und
drin vor, für all die Hater, ist alles

Grütze was ich sage. Ich habe überhaupt
keine Ahnung. Sind viel zu viele

Politikthemen auf dem Kongress. Und lösch
dich. So ich würde sagen wir können jetzt

anfangen mit dem Introvideo und dann
geht's richtig los.

Stimme: Mysterium Q. Ein Verstand weiß
genau, was sich hinter Q verbirgt. Wer

oder was es ist. Es ist sicher. Hat auf
alles eine Antwort und ist überall auf

diesem gesamten Planeten präsent. QAnons,
die wie die Strahlen der Sonne wirken, den

Menschen Hoffnung und Zuversicht schenken.
Donald J. Trump. Ein erwachtes Wesen,

welches in die Schöpfung vertraut. Zum
höchsten Wohle von allen. Was Liebe ist,

nur mit dem Herzen greifbar. Als kleiner
Prinz schon kristallklare Intelligenz, die

Zahlen und Buchstaben und anders formierte
Striche aneinanderreiht, um von uns

wahrhaftig erschaut zu werden, und diese
herzig wohlig warme Energie, die Q

ausmacht, sowie das Brahmaloka und das
Shri Yantra. Der goldene Schnitt. Die

brillante Schöpfung selbst. Ja, wir sind
das Q. Wir sind all das. Das ich bin.

Schöpfer selbst, in geheilter Weiblichkeit,
damit die Liebe und der Frieden sich immer

mehr ausdehnen kann auf diesem
zauberhaften Planeten, mit dieser Natur

und den Wunderwesen, den Menschenkindern,
die sich so sehr sehnen nach diesem Frieden, nach

dieser Harmonie. Nach dieser befriedenden Liebe,
die sich wie warme, weiche Flügel der

Weltenseele um uns alle schmiegt. Und sich
gleichermaßen aus allen Herzen von innen

heraus ausdehnt, ineinanderströmt. Das
kann Q für uns sein. Wenn das uns den

Verstand und unserem Herzen erlauben, die
gemeinsam immer mehr erreichen.

Attila Hildmann: Das ist eine kleine
internationale Gang, die immer wieder die

Menschheit ins Unglück stürzt. Ihnen gehören
die Banken, ihnen gehören Zentralbanken,

ihnen gehören Konzerne, ihnen gehört die
Lebensmittelbranche, ihnen gehören die

Supermärkte, ihnen gehören die Zeitungen,
die Fernsehsender und sie können so viel

Propaganda machen, wie sie wollen. Die
Wahrheit wird ans Licht kommen.

QAnon-Anhänger: Wir müssen extremen
Widerstand leisten. Es geht mittlerweile

gegen die Kinder, es reicht jetzt, Leute,
wir müssen aufwachen. Wir müssen

Widerstand leisten, und zwar richtigen
Widerstand. Wir brauchen eine Bürgerwehr.

Xavier Naidoo: Adrenochrom. Musik und
Schluchzen.

Arne: LARP. Live Action Roleplaying.
Liverollenspiel ist die Rückübertragung

von Pen-und-Paper-Rollenspielen in reales
Ausagieren von echten Menschen in echten

Räumen miteinander. LARPs sind so etwas
wie gamifiziertes Improvisationstheater.

Menschen treffen sich für einen bestimmten
Zeitraum, z. B. ein Wochenende, um in einer

fiktiven Welt, z. B. einem Kongress nach
bestimmten Regeln miteinander umzugehen,

zu spielen, Hacker zu spielen zum Beispiel.
Liverollenspiele sind ein Hobby, das

seinen eigenen kleinen Markt und eine
reiche und vielfältige Szene ausgebildet

hat, mit Dutzenden von verschiedenen
Welten und Spielsystemen. Ein echtes LARP

hat neben einer Spielwelt auch einen Plot,
fiktive Charaktere und einen klaren,

geteilten Rahmen von Zeit und Ort und
Regeln, sowie für den Ablauf

verantwortliche SpielleiterInnen. Nicht
zwangsläufig immer alles davon, aber doch

immer genug, um es als ein verabredetes
Spiel erkennbar zu machen, um zu wissen,

wo das Spiel beginnt und wo es aufhört.
Formen des Rollenspiels sind aber

natürlich jenseits von LARPs und Tabletops
und Pen-and-Papers auch weit verbreitet in

pseudonymen und anonymen Foren und Chats
im World Wide Web. Wer dort behauptet,

jemand zu sein, spielt zwangsläufig - sei
es sich selbst oder jemand anderen. Und

das Gegenüber spielt mit, oder auch nicht.
In dieser digitalen Uneigentlichkeit hat

das Wort LARP in den letzten Jahren eine
erstaunliche Karriere hingelegt: vom

abschätzigen Spottwort zum quasi
analytischen Begriff und einer sozialen

Praxis. Ein Onlineverhältnis wird dann zum
LARP, wenn eine Partei Rollen spielt, dies

aber nicht erkennbar macht und andere
UserInnen durch Interaktionen diese Fiktion

validieren, also in das Spiel einsteigen.
Entweder, weil sie die Behauptung

tatsächlich glauben oder weil sie einfach
Lust haben, mitzuspielen und so zumindest

temporär eine Wirklichkeit zu erschaffen,
gemeinsam so zu tun als ob. Niemand larpt

für sich allein. Auf anonymen Imageboards
hat diese Form des Rollenspiels Tradition

als ein soziales Unterhaltungsformat und
ist eine Möglichkeit, die kollektiven

Bezug zur politischen Realität zu
gestalten. So kündigte im Juni 2016 ein

User auf dem Imageboard "4chan" an, als
FBI-Mitarbeiter alle Fragen der übrigen

Anons wahrheitsgemäß zu beantworten. Ein
"ask me anything". "FBIAnon" schrieb über

die total korrupte Regierung der USA, über
strategische Spiele, die angebliche

Verstrickung der Clintons in
Menschenhandel und Kindesmissbrauch und

davon, wie ein Rätselspiel namens
"Cicada" benutzt würde, um eine Simulation

der gesamten Welt zu erstellen.
"Perceptions shape reality", sagt der

FBIAnon: "Wahrnehmung formt Realität". Es
war der Sommer vor der

Präsidentschaftswahl in den USA, und die
User des Politikboards "pol "auf 4chan

waren hungrig auf schmutzige Geschichten
über die politische Gegnerin Trumps. Unter

den Millionen von Usern, die 4chan
frequentieren und täglich hunderttausende

von Posts verfassen, treiben sich
natürlich weder alle auf dem Politikboard

herum, noch sind alle von ihnen Nazis oder
Teil der Alt-Right oder sowas. Letztere

hatte aber seit einigen Jahren mehr als
einen Fuß auf dem Boden des aktivsten

4chan-Bretts pol und so löcherte man dort
FBIAnon mit Fragen zur Bestätigung der

eigenen Ansichten. Das LARP war ein großer
Erfolg. Und FBIAnon kehrte deswegen im

gleichen Jahr noch mehrere Male zurück
nach pol, um Fragen zu beantworten. Die

Figur ging sozusagen in Serie. Weitere
Insider-Anons folgten. Ein CIA-Azubi,

irgendjemand von Blackwater, irgendjemand
von der Polizei , irgendjemand vom Geisel-

Rettungsteam, irgendjemand mit Zugriff auf
Hotel-Überwachungskameras, irgendjemand

aus dem Weißen Haus, irgendjemand aus
irgendwelchen oberen Rängen irgendwo,

irgendjemand mit einem großen Penis. Und
immer wieder gelegentliche Besserwissende

Irgendwers von irgendwo, die der auf
politisches Entertainment hungrigen Menge

angeblicher Fußsoldaten Donald Trumps
Durchhalteparolen zuriefen. Und "Enjoy the

show, we are winning". Das politische
Entertainment LARP war ein signifikanter

Teil der Content-Produktion auf 4chan und
anderen Imageboards geworden und hatte

dabei die Praktiken 'Leaken' und
'Whistleblowen' als Spielformen integriert.

Was vom FBIAnon-LARP 2016 im kollektiven
Gedächtnis von pol am deutlichsten hängen

blieb, war das nicht neue, aber prägnant
aktualisierte Raunen von sexuellem

Kinderhandel der Eliten, das im ständigen
antisemitischen Grundrauschen von pol eine

willkommene Möglichkeit war, alte
antijüdische Ritualmordlegenden zu

aktualisieren. Und noch etwas blieb von
FBIAnon im Gedächtnis. Nämlich ein

Versprechen, im Oktober würden neue Leaks
folgen. Und das taten sie. Der larpende

FBIAnon postete seinen ersten Thread auf
4chan 2016 an just dem Tag, an dem im

realen FBI Hillary Clinton zu ihrer
Nutzung eines privaten E-Mail-Servers in

ihrer Funktion als Verteidigungsministerin
befragt wurde. Drei Tage später rügte FBI-

Direktor James Comey Hillary Clinton
öffentlich dafür, erklärte aber, für

weitere Ermittlungen gegen sie keine
Indizien zu haben, vermutlich auch, um zu

verhindern, dass der Geheimdienst in den
Wahlkampf hineingezogen werden würde. Nun,

das schlug fehl. Am 28. Oktober, elf Tage
vor der Präsidentschaftswahl, kündete

Comey die Wiederaufnahme der Ermittlungen
gegen Hillary Clinton an. Denn auf dem

beschlagnahmten Laptop des Demokraten
Anthony Weiner, der wegen Sexting mit

einem minderjährigen Mädchen beschuldigt
wurde, waren E-Mails vom Server der

Clintons aufgetaucht. Diese Ankündigung
von Comey bescherte Donald Trump

möglicherweise die Präsidentschaft. Sie
war aber nur der letzte Baustein eines

äußerst schmutzigen Wahlkampfs. Anfang
Oktober hatten sich Anschuldigungen gegen

Donald Trump gehäuft wegen sexueller
Gewalt. Die "grab 'em by the

pussy"-Aufzeichnung wurde veröffentlicht.
Eine Anklage gegen Trump und Jeffrey

Epstein wegen Vergewaltigung einer
13-Jährigen war eingegangen. Es sah nicht

gut aus für den Kandidaten der
Republikanischen Partei. Trump spielte die

Angriffe auf seine Person, wie üblich und
soweit es möglich war, als Anschuldigungen

gegen Hillary und vor allem Bill Clinton
zurück, der ebenfalls der Vergewaltigung

beschuldigt worden war und der auch
Beziehungen zu Epstein unterhalten hatte.

Doch es gab noch eine weitere Möglichkeit
zum Gegenangriff. Am 07.10., eine halbe

Stunde nach der Veröffentlichung des "grab
'em by the pussy"-Tapes, begann Wikileaks

mit der schrittweisen Publikation
Tausender gehackter E-Mails des

demokratischen Lobbyisten John Podesta.
Ein von der Rechten in den USA fiebernd

erwartetes Ereignis. Jede neue Tranche
veröffentlichter E-Mails wurde sofort

genauestens untersucht und durchwühlt nach
Hinweisen, die sich für Angriffe gegen

Clinton nutzen lassen könnten. Am
wirkmächtigsten dabei erwiesen sich

weniger die faktischen Aufschlüsse über
Lobbyismus, mit denen Wikileaks die

Publikation der E-Mails legitimiert hatte,
sondern ihre Verarbeitung zu jener

Verschwörungs-Gruselgeschichte, die
FBIAnon bereits vorgezeichnet hatte. Fünf

Tage vor der Präsidentschaftswahl am
03.11.2016 veröffentlichte Wikileaks eine

neue Tranche der Podesta-Mails, und in
kürzester Zeit grub ein Anon aus der Masse

der Nachrichten eine Einladung von Marina
Abramovic an John Podesta aus. John

Podestas Bruder Tony sammelte Kunst und
hatte Geld gespendet für Abramowic' nie

gebautes Kunstinstitut für
Performancekunst. Als Gegenleistung lud

Abramowic ihn, seinen Bruder und andere
Großspender 2015 zu einem Abendessen ein

mit dem Titel "Spirit Cooking". Letztlich
sollten bei diesem Essen einfach nur

Suppen gekocht werden. Aber jemand grub
eine alte Schweineblut-Performance von

Abramovic mit dem gleichen Titel auf
YouTube aus, und 4chan rief: "uahh!".

Hashtag "Spirit Cooking" trendete einen
Tag später mit einer Million Tweets auf

Twitter und Wikileaks sorgte für Hits mit
Beiträgen. Reichweitenstarke Influencer

machten Beiträge über satanische Rituale
in der Demokratischen Partei, alles drei

Tage vor der Wahl. Doch damit nicht genug.
Ab dem 03.11. kehrte auch der Anfang

Oktober auf 4chan zuerst getestete, aber
von der Community damals noch nicht

angenommene Begriff "Pizzagate" zurück und
trat in den kommenden Tagen einen

Siegeszug an. Erste Pizzafantasien hatten
sich entzündet an einer Mail von 2009 in

dem Podesta-Konvolut, in der der Freikauf
zweier Journalistinnen aus Nordkorea mit

einem Foto gefeiert wurde, das beide beim
Pizzaessen mit der Tochter einer der

beiden zeigte. Ein Teil der NutzerInnen
auf 4chan beschloss nun an ein eigenes

Meme zu glauben. Bilder von Pizza waren
seit Jahren Teil eines Spiels, auf den Ruf

nach kinderpornografischen Material in
unmoderierten Boardseiten mit Bildern zu

antworten, deren Inhalte die gleichen
Initialen wie "CP" hatten: Captain Picard,

Clown-Pics, Cheese Pizza...
Donald Trump: "It's wrong, isn't it?".

Frau: "But it feels so right.". Donald
Trump: "Then it's a deal?". Frau: "Yes! We

eat the pizza the wrong way!".
Arne: Nimmt man dazu die Tatsache, dass

auch Demokraten gerne Pizza essen und
"Cheesecake" ein Wort für erotische

Frauenfotografie im 20. Jahrhundert war...
Na: "perception shapes reality". Die

Geschichte war fertig. Mit geschulter
Fantasie und einem kräftigen Schuss

Projektion wurde in der Folge auf 4chan
ein ganzes fiktives Geheimvokabular

geschöpft, das die Podesta-E-Mails als
gigantischen Beweis für jene globale

Verschwörung zu lesen erlaubte, an der
schon seit Jahren auf Conspiracy Boards

und Foren gebastelt worden war. Einen Tag
nach der Wiederaufnahme des Wortes

Pizzagate auf 4chan landete der Begriff
als Infografik auf "Reddit". Diese Grafik

ging viral und dann Richtung Twitter, wo
Hashtag "Spirit Cooking" schon wartete.

Dort köchelt der Hashtag Pizzagate für
einen Monat, begleitet von einer stetig

wachsenden Zahl von Drohungen gegen die
bei Liberalen beliebte Washingtoner

Pizzeria "Comet Ping Pong", die zum
Zentrum der vermeintlichen Verschwörung

erklärt worden war. Und 1,4 Millionen
Tweets und genau einen Monat später

stürmte ein Mann mit einem Sturmgewehr in
die Pizzeria auf der Suche nach jenem

unterirdischen Verlies, in dem die
angeblich entführten und versklavten

Kinder gefangen gehalten wurden. Es gab
kein Verlies, nicht einmal einen Keller.

Niemand starb, obwohl drei Schüsse
abgegeben wurden. Aber Donald Trump war

inzwischen zum reichsten Präsidenten der
USA gewählt worden. Und die Alt-Right

hatte auf dem Fundament von Leaks und
erbitterter politischer Polarisierung

einen real wirkungsvollen
Verschwörungsmythos entworfen. Pizzagate,

von 4chan bis zum Sturmgewehr sozusagen.
Pizzagate lehrte Trumps UnterstützerInnen

vor allem eines: Mit den richtigen
Fragmenten von Realität versorgt, kann

eine engagierte Recherchecommunity aus
einigen Fakten, vielen Fiktionen und einem

klaren Ziel eine Thrillergeschichte
konstruieren, die in kurzer Zeit die

politische Wirklichkeit beeinflussen kann.
"Stories shape reality". Diese Erkenntnis

war nicht neu, aber die Arbeit der Alt-
Right für Donald Trump und an Pizzagate

brachte den Beteiligten ein neues Gefühl
dafür, welches Potenzial politisches

Crowdsourcing im Netz in Zukunft entfalten
könnte. Man musste nur lernen, die

Topologie zu bespielen.
Exkurs: Stand Ende 2020, schon seit

einigen Jahren, besteht die soziale Praxis
der meisten Menschen im Netz, mir z.B.

auch, aus zwei wesentlichen Handlungen:
Recherchieren und Weitersagen. Copy und

Share, Get und Post. Wurde Flanieren im
Netz früher als ein Surfen auf dem

virtuellen Datenstrom metaphorisiert,
beschäftigen wir uns heute entweder mit

dem Scrollen und Refreshen unserer
sozialen Apps, der selbstreferenziellen

Dauerschleife des digitalen Miteinanders,
oder immer wieder mit Immersion in

Teilwirklichkeiten, mit dem Sturz ins
Kaninchenloch, dem Sich-verlieren in den

so genannten seltsamen Ecken des
Internets. Das Kaninchenloch, das "rabbit

hole" ist bekannt aus Lewis Carrolls
"Alice im Wunderland". Dort war es der

Startpunkt einer wundersamen Reise in den
Untergrund des sozialen Bewusstseins. Ihr

wisst das alle, popkulturell einflussreich
im Internet wurde dieses Motiv des

Kaninchenbau vor allem durch seine
Verarbeitung im Cyberpunkfilm "The Matrix"

von 1999, die meisten werden davon gehört
haben. In Matrix bedeutete für den

Protagonisten, dem weißen Kaninchen zu
folgen und später die bittere rote Pille

der Erkenntnis zu schlucken, den Weg der
vermeintlichen Erleuchtung zu beschreiten,

zum Aufwachen in den düsteren,
eigentlichen Zustand einer simulierten und

maschinell kontrollierten Welt, aus der
Erlösung dringend nötig ist, deren Utopie

aber gerade mit dem Nehmen der roten Pille
zerstört wurde. Im beginnenden 21.

Jahrhundert ist der Sturz in das "rabbit
hole" kein Kinderspiel mehr, sondern eine

allen Internet bewohnenden, offenstehende,
mindestens verstörende, wenn nicht die

eigene Wirklichkeit komplett umkrempelnde,
die fundamentale Künstlichkeit der Welt

entlarvende Erfahrung. Diese Erfahrung und
ihr Versprechen, durch sie zum Messias

werden zu können, kann süchtig machen. Es
gibt immer noch mehr Wahrheit, die aus den

Stollen der Verschwörungsbergwerke des
Netzes geborgen werden und dann zum

Energielieferanten werden könnte.
"Truther" sind die Bergleute des

Postfaktischen, und Q ist das gamifizierte
"rabbit hole". Am 06.10.2010 sagte Donald

Trump bei einem Pressefotofermin vor einem
Abendessen mit hochrangigen Militärs und

ihren LebenspartnerInnen, während er ein
Zeichen in die Luft malte: "Wissen Sie,

was das hier darstellt? Das ist die Ruhe
vor dem Sturm.". Vielleicht ist das die

Ruhe vor dem Sturm. Eine verlässliche
Menge an JournalistInnen, bereits geschult

darin, kryptische Äußerungen des
Präsidenten ebenso wie den täglich

wachsenden Korpus von Twitterbotschaften
Trumps auszulegen und in News zu

verwandeln, setzte diese Bemerkung prompt
in einen Sturm medialer Aufregung um. Und

auf 4chan machte sich parallel dazu die
ebenso aufgeregte Menge an Gefolgsleuten

Trumps ebenfalls an die Exegese des
Rätsels: Was hatte er gemeint? Die

überwiegenden Auslegungen waren neben den
üblichen skeptischen und Shitposts vor

allem das textliche
Großbuchstabenäquivalent zu hoch

geworfenen Händen und apokalyptischen
Ausrufen über den nahenden Dritten

Weltkrieg. Vorfreude auf ethnische
Säuberungen aus der faschistischen

Fraktion und einige LARPs, die versuchten,
den Effekt von Trumps Bemerkung zu nutzen.

Dieser Effekt lässt sich mit einem Satz
beschreiben: "Bald geht's los.". Ein

filmisches Suspensegefühl, das durch
tägliche mantrahafte Wiederholungen von

"Calm before the storm, it's the calm
before the storm." am Leben gehalten

wurde, eine Art politisches Lampenfieber,
das die nächsten Wochen auf 4chan

begleitete. "Perception shapes reality
shapes perception", betete die Menge am

Altar ihres Gottes "Kek". Drei Wochen
später, am 28. Oktober 2017, berichteten

die Medien, dass die Grand Jury, die
eingerichtet worden war, um eine mögliche

russische Einflussnahme auf die Wahl von
2016 und Verbindungen zum Trump'schen

Wahlkampfteam zu untersuchen, eine erste
Serie von nicht öffentlichen Anklagen,

sogenanten "sealed indictments", erhoben
hatte. Erste Festnahmen wurden bereits für

den folgenden Montag angekündigt. News!
Auf 4chan entspann sich zwischen "lefty

pol" und "righty pol", den politischen
Fraktionen, ein heftiger Kampf darum, für

wen diese geheimen Anklagen bestimmt sein
würden. Die Trump-AnhängerInnen in der

Mehrzahl auf dem Board, entwickelten im
Zuge dieser Diskussion die Grundlage für

einen Mythos. Die eigentlich potenziell
gegen den Präsidenten und sein Team

gerichtete Untersuchung sei nämlich in
Wirklichkeit eine verdeckte Operation,

um endlich die korrupten Demokraten zur
Rechenschaft zu ziehen. Eine Art LARP auf

höchster Ebene der Regierung. Folgerichtig
begann auch ein User als InsiderAnon zu

larpen und vorauszusagen, Hillary Clinton
würde verhaftet werden am Montag - dies

stünde schon fest. Er oder ein anderer
User, man kann das ja nie so genau sagen,

variierte diese Behauptung und
dramatisierte sie mit zusätzlichen

vermeintlichen Gewissheiten, um sie
überzeugender zu machen. Nun,

Überraschung: Hillary Clinton wurde nicht
verhaftet, aber der Post mit der falschen

Ankündigung ihrer Verhaftung war die
Geburt des größten LARPs in der Geschichte

der Chans und der Figur Q, inmitten des
nun vermeintlich beginnenden Sturms. Ton

und Melodie waren mit den ersten Posts
gesetzt, und das Spiel begann in diesem

Stil. Erst nach zwei Tagen und einem
Dutzend weiterer Posts mit verschiedenen

Identitäten erschien überhaupt der erste
Thread, der als "Q Clearance Patriot"

gekennzeichnet war. Kürzel eines Users mit
einer angeblichen Sicherheitsfreigabe des

Energieministeriums zur vertraulichen
Informationen über Kernkraftanlagen, wofür

auch immer das wichtig gewesen wäre. Erst
ab dem 02.11. endeten Posts mit einem Q,

was in der Folge zur Signatur der Figur
QAnon werden sollte. Das war die

Findungsphase. In dieser Phase hatte das
LARP bereits alle wesentlichen Elemente

inkorporiert, die in Folge auf größerer
Ebene wirksam werden sollten. Die Idee

eines angeblich von wenigen jüdischen
Familien kontrollierten tiefen Staates,

gegen den Trump ankämpfen würde als
einsamer Held, das Versprechen eines

spirituellen großen Erwachens zur
Wahrheit, christlich evangelikale

Frömmigkeit und den Pizzagate-Mythos
angeblicher satanischer Rituale, und mit

ihm auch die Legende von "Adrenochrom(e)".
Diese Story, dass sich aus dem Blut

terrorisierter Kinder mit dem Adrenalin-
Abbauprodukt "Adrenochrom" eine

Verjüngungsdroge gewinnen ließe, mit der
die Elite ihr Leben verewige, war ein ganz

besonders kurioser Fall. Aus Aldous
Huxleys Buch "The Doors of Perception" und

durch den Film "Fear and Loathing in Las
Vegas" hindurch war diese Fiktion 2011 in

ein Gespräch auf dem 4chan-Board für
traditionelle Spiele gelandet, in dem es

um Hintergrundgeschichten des Tabletop-
Rollenspiels "Warhammer" ging, und

irrlichterte in den folgenden Jahren
zwischen dem Verschwörungsboard "x" und

dem Politically-Incorrect-Board "pol" hin
und her, bis sie von Pizzagate einverleibt

wurde und nun von QAnon. In den zwei
Wochen nach dem ersten Q-Post oder wie

LARPerInnen die Beiträge von Q im Geiste
der Agentenstory nennen, die zu glauben

sie beschlossen haben, in den zwei Wochen
nach dem ersten QDrop, in diesen zwei

Wochen also entwickelten der oder die
unbekannten Postenden von dem, was Q

werden sollte on-the-fly einen eigenen
Stil für ihr LARP, eine spezifische

Mischung aus kryptischen Andeutungen,
vermeintlich codierten Agentenkürzeln und

vor allem aus Fragen. Diese Fragen, der
angeblich sokratische Stil der

Botschaften, erwiesen sich als
Erfolgsrezept des ganzen LARPs. Sie

animierten die anderen Anons dazu, weiter
das zu tun, was sie sowieso schon taten,

nämlich zu recherchieren und ihre
Rechercheergebnisse miteinander zu teilen.

Copy und Share, Get und Post. Aber sie
erlaubten es dem Orakel Q, diese Ausflüge

in verschwörungsmythische Kaninchenlöcher
zu dirigieren und zu zentralisieren. Mit

steigender Akzeptanz und Autorität des
LARPs wurde so, wer immer die Posts von Q

verfasste, zu einer Art Spielleiter für
eine politische Wirklichkeit zweiter

Ordnung. Dieses gemeinschaftliche Spiel
mit der Realität wurde durch eine

janusköpfige Botschaft am Laufen gehalten,
die sich wiederholte. Erstens: Das ist ein

Spiel. Zweitens: Das ist kein Spiel. All
dies zusammen wies darauf hin, dass es

sich bei Q um etwas anderes handelte als
ein LARP, ein Live-Rollenspiel. Wenn das,

was da passierte, überhaupt als Spiel zu
beschreiben sein sollte, dann eher als ein

"Alternate Reality Game" - ein "ARG". Ein
ARG ist in der Regel eine Kombination aus

Rätsel und Story, eingebettet in die reale
Welt, eine Art digitalisierte

Schnitzeljagd des 21. Jahrhunderts.
Bekannt geworden sind Alternate Reality

Games als komplexe Werbekampagnen, weil
ihre Organisation und Logistik ziemlich

aufwendig und deswegen teuer ist und sich
bislang nicht viel Geld damit verdienen

ließ. Ein Beispiel ist das
ARG "Majestic", eine 2001 per Guerilla-

Marketing beworbene Verschwörungserzählung
von Electronic Arts, die die Spielenden

per E-Mail, Messenger, Telefon und Fax
hineinzog, in eine Story über

Geheimdienste, UFOs, Chemtrails, per
Impfung injizierte Mikrochips und

Terrorismus, aber auch "lonelygirl15", der
meist abonnierte YouTube-Kanal des Jahres

2006 lässt sich als ARG beschreiben.
Dieser anfangs ganz normal wirkende

persönliche Channel eines Teenagers
verwandelte sich von Video zu Video in

eine haarsträubende Geschichte über die
Entführung junger Mädchen durch einen

Kult, der aus ihrem Blut Verjüngungsdrogen
für die Kultmitglieder herstellte. Wenn

diese beiden Beispielstorys seltsam
bekannt klingen, dann deswegen, weil sich

Verschwörungserzählungen ideal eignen, um
alternative Realitäten zu erschaffen. Das

ist ja sozusagen ihr Job. Genreprägend für
Alternate Reality Games war eine von ihren

Fans "The Beast" getaufte Kampagne für den
Steven-Spielberg-Film "AI" von 2001. Eine

Kampagne, die sich über Dutzende Webseiten
hinweg und mit Hinweisen in Trailern, in

Werbeanzeigen, auf Plakaten, in
Telefonachrichten und Ereignissen wie

inszenierten Demonstrationen gegen
künstliche Intelligenz im öffentlichen

Raum abspielte. Am Beispiel von "The
Beast" wurden die genreprägenden

Eigenschaften von ARGs durch die ARG-
Community kodifiziert. Alternate Reality

Games sind typischerweise transmedial. Sie
laufen quer durch digitale und analoge

Räume und Werkzeuge, verbinden diese
miteinander und bewegen die Spielenden

durch sie hindurch. Diese Nutzung
verschiedener realer Kommunikationskanäle

macht ARGs von grundauf interaktiv. Das
Spiel interagiert mit den Lebenswelten der

Spielenden, und diese interagieren mit der
Spielwirklichkeit und schreiben sie

teilweise mit. Man könnte sagen, die
Realität der Spielenden selbst ist die

Plattform, auf der das Spiel stattfindet.
Und: ARGs sind kollaborativ. Fast immer

erfordern sie die Zusammenarbeit der
einzelnen Spielenden oder erhöhen

wenigstens bei Zusammenarbeit erheblich
den Spielspaß und erschaffen dadurch oft

Communitys, die noch lange nach Ende des
Spiels weiter existieren und die

Spielfiktion fortschreiben. Die leitenden
Entwickler von "The Beast" prägten einige

Terminologien und Prinzipien für ihre
Arbeit an der Kampagne, die in der Szene

in der Folge als so etwas wie Grundlagen
für die Entwicklung von ARGs angesehen

wurden, die goldenen Regeln sozusagen.
Jedes ARG braucht demnach ein "rabbit

hole", einen Einstiegspunkt, an dem man in
die Fiktion eintreten kann. Jedes ARG

braucht einen oder mehrere "puppet
master". SpielleiterInnen, die die Spiel

Wirklichkeit konstruieren und in
Interaktion mit den Spielenden

fortschreiben, sich aber gleichzeitig
verborgen halten. Denn: "It is not a

game". Ein ARG behauptet ständig, kein
Spiel zu sein, um seine Immersion

aufrechtzuerhalten, die Fiktion von
Realität. Diese als "tinag" abgekürzte

Formel "this is not a game" beschreibt
einen wesentlichen Effekt, mehr noch als

den ästhetischen Anspruch von Alternate-
Reality-Games, nämlich die Verschiebung

der Wahrnehmung von Wirklichkeit bei den
Spielenden. Indem Mustererkennung

stimuliert wird. Alle Dinge, alle
Ereignisse, alle Kommunikationen in meiner

Lebenswelt könnten ja letztlich
überraschender Teil des Spiels sein, das

ich gerade spiele. Oder sie könnten
einfach nur real sein. Ich muss aber

spielen, um das herauszufinden.
"Perception shapes reality". Das

Spieldesign eines ARGs muss deswegen so
angelegt sein, dass Spielende nicht in

Apophänie abdriften. Das ist das Erkennen
von Verbindungen und Bedeutungen, wo

eigentlich gar keine sind. Wenn das
passiert, dann verfolgen die Spielenden

möglicherweise Spuren, die keine sind und
verpassen dabei die tatsächlichen Rätsel.

Ein Alternate-Reality-Game muss also trotz
seines Realismus sicherstellen, dass

Spielende wissen, dass sie spielen und wo
das Spiel endet. Es braucht eine klare

Grenze zur Realität. Dies nicht nur um des
Spielspaßes willen, sondern weil ein ARGs

sich sonst in ein Instrument verwandeln
kann, um diese Grenze zwischen Fiktion und

Realität aufzulösen. Das ist nicht nur ein
möglicher Grund, weswegen US-Geheimdienste

bereits in der letzten Dekade begannen,
sich für ARGs zu interessieren. Es bringt

uns auch zurück zu QAnon. Das Spiel, das
genau diese Auflösung der Grenze zwischen

Realität und Fiktion perfektionierte. Der
erste gezielte Versuch, Q aus dem

Bilderbrett-Universum ins Internet der
"Normies" zu bringen, war designt wie der

Auftakt eines ARGs: ein Set von
Fragekarten mit der kanonischen

Aufforderung zum Recherchespiel "Follow
the White Rabbit". Das ganze spielte,

natürlich, auf Twitter, Donald Trumps
Hauptwirkungsstätte, und wurde angestoßen

von einem neu eingerichteten Twitter-
Account "THEWH17ERABB17" ("The White

Rabbit"). Mit "17", denn Q ist der 17.
Buchstabe des Alphabets. Über diesen

Twitter-Account wurde das Frageprinzip der
QDrops in Form von Texttafeln

vereinheitlicht und nach außen
weitergereicht. Ab dem 08.11.2017 wurden

so innerhalb von zehn Tagen ungefähr 100.000
Tweets mit dem Hashtag "Follow the

White Rabbit" abgesetzt, von zum Teil sehr
speziellen Accountclustern. Von Anfang an

wurde dabei auch ein zentrales Motiv
mitverbreitet, das neben dem tief

eingeschriebenen Antisemitismus die
vielleicht beunruhigendste politische

Botschaft von Q ist: die Sehnsucht nach
und das Versprechen von Militärtribunalen

als Mittel der Säuberung des korrupten
Establishments, also das Versprechen eines

Putsches. Ich habe mir mal die Mühe
gemacht, die Verwendung des Hashtags auf

4chan seit 2012 nachzuvollziehen. Wir
sehen hier, was die aktivistische

Bespielung der Phrase "Follow the white
Rabbit" im Vergleich zu ihrer vorherigen

Nutzung in Gesprächen auf 4chan ausmacht.
Das ist dieser Peak da hinten. Das zeigt

auch die Vereinnahmungenslust, den Appetit
des Q-Komplexes, seine Gefräßigkeit. Q

hatte bereits in diversen Posts die Phrase
"Alice & Wonderland" als vermeintlichen

Code für Hillary Clinton und Saudi Arabien
benutzt. Und nun wurde das Rabbit-Hole-

Motiv mit der Hashtagkampagne "Follow the
White Rabbit" endgültig von QAnon besetzt.

Dabei fraß die Q-Community alles
hasenbezogene, was ihr unterkam. Der

Künstler Alex Podesta z. B., über dessen
Hasenskulpturen jemand im Netz stolperte,

wurde kurzerhand zum Verwandten der
Lobbyisten Tony und John erklärt, der er

nicht ist, und mit dieser Verbindung zur
Pizzagate der White Rabbit, zum sinistren

Beweis für all das Böse, das man halt den
Gegnern unterstellen wollte. Andererseits

war der weiße Hase seit Jahren ein Motiv
in der US-Neonaziszene, weil er halt weiß

war. Das "White Rabbit Radio" des
einflussreichen White-Supremacy-Aktivisten

Tim Murdock wurde von diesem beworben als
ein diskursives "game that will teach you

practical politics". Und natürlich kannte
die Nazifraktion auf "pol" dieses Spiel,

und wenn Q irgendetwas war, dann genau
solch ein Game - auf Drogen. Hase böse,

Hase gut, Hase ich, Hase du, im Sturz
durchs Kaninchenloch ist die Logik von

Zeichen relativ unerheblich. Wichtig ist,
dass sie existieren, sich vervielfältigen

lassen und zu Waffen werden können, indem
man sie so zusammensetzt, wie man sie

gerade brauchen kann. Zum "Meme-Magic".
Das erklärt, weswegen so gut wie nichts an

QAnon inhaltlich neu ist. Seine
Innovation liegt in der Mischung und

Umdeutung, in der Verschmelzung und der
Meme-ifizierung des Bekannten, so ähnlich,

wie auch die Politik von Donald Trump
funktioniert. User von 4chan begannen zu

diesem Zweck damit, sich selbst als
Figuren des Spiels zu begreifen. Die Rolle

des weißen Kaninchens anzunehmen, sie
alleine würden aus den Brotkrumen Qs im

finsteren Verschwörungswald jenen Kuchen
backen, mit dem sie den Rest der Welt ins

Reich der Erleuchtung locken würden. "The
lie is a cake". Schon einige Tage vor der

White-Rabbit-Kampagne erschien das erste
Q-Analyse-Video auf YouTube und bescherte

seiner Produzentin Tracey Beanz in Folge
ein kräftiges Wachstum und eine Position

im inneren Zirkel der QAnon-
EvangelistInnen. Kurz vor Jahresende

kontaktierten Vertreter der QAnon-
Community, die mittlerweile auf 8chan

gewechselt war - lange Story -,
kontaktierten Tracey, und alle

beschlossen, in einem YouTube-Livestream
auf ihrem Kanal gemeinsam in Zukunft

Q-Inhalte gezielt in das Internet jenseits
der chan-Ökologie verbreiten zu wollen.

Sie nannten das "pink pilling", also eine
weich gezeichnete und leichter

verdaulichere Propaganda für all jene, die
von der Kultur und Struktur anonymer

Imageboards abgeschreckt wären. Der erste
Schritt zur Erreichung dieser Zielgruppen

war die Einrichtung eines Subreddits:
"Calm before the storm". Und dann, zu

Beginn des Jahres 2018, setzte der
Siegeszug von QAnon im Netz ein, von QAnon-

Blogs und Truther-Homepages über
patriotische Nachrichtenseiten, Foren,

Menschen aus Nigeria, für
Videospiele, für vegane Ernährung, Kanäle

reichweitenstarker InfluencerInnen oder
erfolgloser Musiker, die anfingen, auf

Klicks durch radikalen politischen Content
zu setzen, christliche Netzwerke und immer

wieder Twitter, Twitter, Twitter, Twitter,
Twitter. 2018 führte das "Time Magazine" Q

unter den 25 einflussreichsten Personen im
Internet auf. Schon im April hatte die

erste QAnon-Demonstration in der "real
world" mit 200 Menschen in Washington D.C.

stattgefunden. Parallel dazu begannen die
Versuche, die Verbreitung des neuen

Verschwörungsphänomens einzudämmen. Im
März sperrte Reddit "Calm before the

storm" den "Great Awakening"-Subreddit.
Apple warf im Juli 2018 die beliebteste

iOS-App in der Entertainmentsparte aus dem
eigenen Store, mit der man sich die

neuesten Post von QAnon direkt auf das
Smartphone schicken lassen konnte. 2019

schaffte es eins von mehreren Q-Büchern
bis auf Platz zwei der US-Amazon-

Bestsellerliste. Im Sommer des gleichen
Jahres schwörten mehrere US-Politiker und

Influencer in den sozialen Medien unter
dem Hashtag "Take the oath" einen Schwur

auf QAnon. Und nach der Stilllegung von
8chan nach den Terroranschlägen von 2019

erschien Betreiber Jim Watkins vor dem US-
Kongress mit einem Q-Pin am Revers. Und

dann kam 2020 und die Proteste gegen die
Eindämmungsmaßnahmen, die neue

internationale Zielgruppen erschlossen und
miteinander kurzschlossen. "QAmoms",

[unverständlich]Q. 88 Millionen Views für
#pizzagate auf TikTok. Mittlerweile hatten

wir viel Berichterstattung darüber, auch
hier, weil Deutschland das Land mit der

größten nicht englischsprachigen
Q-Community weltweit geworden ist. Wie

QAnon sich im deutschsprachigen Bereich
mit den Corona-Protesten verzahnte, werden

wahrscheinlich Räuberhose und Kattascha
nachher in ihrem Vortrag über den

deutschen Kaninchenbau mal genauer
erzählen, sodass ich darüber jetzt hier

gar nicht weiter reden möchte. Um in der
Perspektive diese Talks hier zu bleiben:

QAnon ist nicht nur ein viel zu
erfolgreicher Meta-Verschwörungsmythos und

ein lukratives Geschäftsfeld für eine
beachtliche Menge von "Griftern",

B-Promis, Reichsbürgern und Schlangenöl-
VerkäuferInnen geworden. Es ist

wahrscheinlich auch das am besten
dokumentierte Alternate Reality Game in

der Geschichte. Es gibt diverse Homepages,
die Q-Posts archivieren und öffentlich

zugänglich machen, absurde Karten,
detaillierte Bücher, War-Rooms, in denen

Ressourcen, Memes und "Baker" koordiniert
werden. Unzählige "Beweise" für Trumps

Unterstützung von Q und eine Art
astrologische Uhr, auf der QDrops, Trump-

Tweets und ihre Sekunden genauen Uhrzeiten
in Relation gebracht werden können. Und

natürlich stellt sich bei all diesem
realitätsbiegenden Inferno die Frage: Wer

zur Hölle ist dafür verantwortlich? Wer
postet als Q? Und an dieser Stelle muss

ich leider enttäuschen, denn der Versuch,
diese Frage zu beantworten, würde zum

gegenwärtigen Zeitpunkt einen ganzen
Clusterfuck von "rabbit holes" ins Gemisch

bringen. Zu anonymen Claims über frühe
AutorInnenschaften, interne Streitigkeiten

unter den "Bakern" und in der Truther-
Community, Löcher zu mehreren möglichen

unfreundlichen Übernahmen des Q-Accounts
und den Weg von 4chan zu 8chan und 8kun,

zu gehackten Trip-Codes, zu Yoga und
Füllfederhaltern, zur Geschäftemacherei im

Q-Komplex, dem dunklen Diskordianismus, in
der feindlichen Kooptierung von Cicada

3301 und QAnon, Löcher zur Q-Group in der
NSA, die für die Gegenaufklärung von

realem Whistleblowing und die Verfolgung
von Menschen wie Edward Snowden, Chelsea

Manning oder Reality Winner zuständig ist,
die tatsächlich ihre Existenz riskieren

für das, was wir früher mal Wahrheit
genannt haben. Zu ambivalenten

Kunstwerken, zu Star Trek, Luther
Blissetts Q-Roman und Project Mayhem, zur

Cryptostatue im Innenhof des CIA-
Hauptquartiers, deren immer noch nicht

vollständig entschlüsselter Cyphertext
eigentümliche Qs aufweisen. Wer sich

wirklich gut verlieren will, kann dies mit
der Frage nach den Hintermännern oder

Hinterfrauen von Q tun und damit letztlich
Teil des Spiels werden. Just follow the

white rabbit.
Werbespot: "I wonder what Trump's aim is

this time?" "Trump got a new deal!".
"Trump has a new game! What is it?".

Donald J. Trump: "My new game is 'Trump-
The game'."

Arne: Die Sache ist. Nichts lässt sich
momentan mit Gewissheit über die

Hinterleute von QAnon sagen. Es gibt nur
mehr oder weniger fundierte Spekulationen,

auch wenn diese gelegentlich mit ähnlicher
Überzeugtheit vorgetragen werden wie die

Behauptungen der Q-Gläubigen. Stattdessen
könnte ich mit ein paar allgemeinen Ideen

zum Charakter des Games enden, oder wir
könnten einfach direkt in die Fragerunde

gehen, weil die Zeit mir sagt, dass dafür
eigentlich eine gute Gelegenheit wäre.

Oder ist das richtig? Machen wir das.
Herald: Hallo [unverständlich] wieder da und

und habe auch einige Fragen
mitgebracht. Danke schon mal

erstmal für den tollen Vortrag. Ich saß da
ganz gebannt, wie wahrscheinlich die

meisten zu Hause vor ihren Bildschirmen
auch. Auf jeden Fall schon mal eine Frage:

Wie ist es denn dazu gekommen, dass du da
so tief eingetaucht bist und wie gehst du

damit um? Und: gibt es denn auch einen Weg
zurück?

Arne: lacht Der Weg zurück? Wie ist es
dazu gekommen? Rabbit Holes natürlich.

Also es ist ja nicht so, dass das quasi
nur das Spiel der einen Seite wäre. Ich

hab irgendwie eine Woche lang verbracht,
in so ganz unangenehmen Bereichen, wo sich

so Leute... Also ich will ja nicht anfangen,
davon zu erzählen, aber es war eine

Mischung aus einer Bitte, ein bisschen
Inhalt zu produzieren. Ich werde aus dem

Vortrag, den ich jetzt hier getestet habe,
auch noch ein Video machen, das

wahrscheinlich im Januar erscheinen wird.
Dann vielleicht auch noch um die Teile

ergänzt, die ich jetzt rausgelassen habe
und dann auf jugendschutz.net erscheint.

Aber dass ich mir jetzt Q vorknöpfe, hab
ich mir tatsächlich selber ausgesucht,

weil ich dachte, "okay, das ist spannend".
Ich wusste aber nicht, wie viel Zeit ich

damit verbringen würde. Naja, es ist ein
bisschen unangenehm. Es ist natürlich

faszinierend. Diese Faszination ist das,
was ich jetzt so ein bisschen mit

vermitteln wollte. Du vergräbst sich da so
rein, und das ist ja genau das, was dieses

Spiel am Laufen hält. Und in der Recherche
darüber, wie es funktioniert und was die

Geschichte ist, kann ich das dann auch ein
bisschen besser nachvollziehen. Aber ich

komme auch wieder raus, weil leben will
ich da nicht.

Angel: Moment, Info für die Aufnahme: Wir
zeichen das gerade noch auf, es läuft aber

nicht mehr im Netz. Stream ist offline,
aber das ist nicht unser Problem.

Herald: Einfach weitermachen? Ich mache
einfacher weiter, sorry, okay. Dann noch

die Frage auch ein bisschen darauf, weil
du eben meintest: du kommst da wieder

raus? Gott sei Dank. Aber siehst du da 'ne
Chance, wenn die Leute, die da

reinrutschen und die ja auch in großer
Zahl vermutlich nicht verstehen, dass sie

da spielen? Siehst du 'ne Chance, die
wieder zurückzuholen oder denen irgendwie,

klar, das ist ja eine ganz häufige Frage,
gerade wenn es um so Verschwörungssachen

geht, gibt's ne Möglichkeit die Leute da
wieder raus zu befreien und die wieder in

die Realität zu holen - unsere Realität.
Arne: Es gibt Leute, die die sich besser

damit auskennen als ich. Weil das sind,
das sind ja. Also das sind Fragen, die die

Sekten-Beratungsstellen mit betreffen, die
die Suchanfragen betreffen, die

psychologische Sachen sind. Pia
Lamberty hat dazu geschrieben und so

weiter, und der allgemeine Tenor den ich
mitbekommen habe: Ja, natürlich kommt man

wieder raus. Es ist wie bei den meisten
Fällen von suchtähnlichen Strukturen oder

auch von von sektenähnlichen Strukturen, in
denen du landest. Du musst das irgendwann halt

wollen. Und auch in anderen
Zusammenhängen. Je näher du jemandem bist,

der verloren geht, desto besser ist es,
nicht so schnell den Kontakt abzubrechen

und die Leute alleine zu lassen. Auch wenn
es saumäßig anstrengend ist. Weil

jede Kontaktpersonen, die nicht irgendeine
verrückte Recherchecommunity von QAnon

ist, einen Weg zurück in
die Normalität und die Realität bedeuten

kann. Eine andere Frage ist es immer dann,
wenn wenn man öffentliche Diskussionen

hat, wie man dann damit umgeht und diese
beiden Sachen zu separieren. Wie hält man

es auf der persönlichen Ebene aus und wie
lange und wie viel Geduld kann man da

aufbringen? Und wie sehr muss man den
ideologischen Inhalten auf der

öffentlichen Ebene widersprechen? Das kann
man beides glaube ich, teilweise

unabhängig voneinander bearbeiten. Aber
natürlich, naja, niemand ist verloren.

Aber manche Leute wollen natürlich
verloren gehen. Und diejenigen, die

ideologisch arbeiten, die sind vielleicht
nicht verloren gegangen, sondern die

machen das mit Absicht. Entweder weil sie
sich politisch was davon versprechen oder

in vielen Fällen auch einfach Geld oder
Macht.

Herald: Das ist super, weil das beantwortet
auch eine der nächsten Fragen, genau was

was du wohl denkst, was so prominente
UnterstützerInnen, also z. B. Trump, ich

hab auch gelesen, auch Roseanne Barr ist
wohl auch ganz groß dabei. Ob die wohl

wissen, dass gespielt wird und das eben
einfach für sich nutzen? Wie du jetzt

gerade schon gesagt hast, dass die Themen
eben Geld, Macht sein können. Wie so deine

Einschätzung dazu ist? Ob die auch ob die
wirklich daran glauben?

Arne: Ich finde, es ist es immer ein
bisschen müßig, Annahmen darüber

anzustellen, was andere Leute denken oder
glauben oder so. Man weiß es halt einfach

nicht. Ich würde sagen, Leute, die, die
irgendwie prominent sind, sich also in

Öffentlichkeit bewegen mit einer
öffentlichen Persona, die wissen natürlich,

was auch öffentliches Spiel bedeutet und
was Arbeit mit Aufmerksamkeit bedeutet.

Und ich fand das im Fall von Xavier Naidoo
interessant, weil der relativ früh da

drübergegangen ist. Ich dachte so: Was
ist sein Kalkül? Also was ist die Mischung

aus persönlicher Betroffenheit, von dem
eigenen Glauben, von "Political

Inclination" oder sowas und auch dem
Wissen darüber, dass er jetzt z. B. mit

einer neuen Platte, die er rausbringt,
einfach mal versucht, die Werbung komplett

abzukoppeln und die Publikationen von den
herkömmlichen Vertriebsmedien, sondern zu

sagen: Wir haben möglicherweise jetzt
einen einen alternativen Markt mit

alternativer Politik und einer
alternativen Realität, der tatsächlich

auch ökonomisch funktionieren könnte.
Aufmerksamkeitsökonomisch und auch

finanziell. Das ist eine beunruhigende
Vorstellung. Und ich glaube, an dem Punkt

sind die meisten noch nicht die, die immer
noch denken: "Ja gut, der klinkt sich aus

und jetzt ist er komplett unten durch und
kann nicht mehr existieren". Aber

vielleicht ist das nicht so. Vielleicht
sind diejenigen, die wir jetzt sehen, die

versuchen, da auch ihren Schnitt zu
machen, Pioniere für eine, für eine sehr

viel fragmentiertere und zerklüftete
multiple Realität, auch politisch, in der

Businesses noch ganz anders laufen, auch
Entertainment anders läuft.

Herald: Gibt es denn aktuell irgendwelche
koordinierten Aktivitäten oder

Institutionen, die sich mit den
beschriebenen Dynamiken genauer befassen?

Also gibt's da z. B. aktive Forschungs-
oder Handlungsansätze, wie damit umzugehen

ist. Weißt du das?
Arne: Es ist vor kurzem der Bericht

erschienen, dessen Name mir nicht
einfällt, weil ich bin mir gerade nur bei

"HOPE not hate", aber es ist irgendetwas
mit De-hate oder irgendwie. Es gibt dann

einen ausführlichen Bericht. Kann ich
irgendwie nochmal auf Twitter suchen und

posten. Ich bin leider zu müde, um mich
jetzt gerade zu erinnern, der speziell zu

QAnon veröffentlicht wurde und die
deutsche Situation ein bisschen mehr

anschaut. Natürlich gibt's
antifaschistische Aufklärung relativ viel.

Im englischen Bereich ist man immer noch
ein bisschen weiter, weil einfach, vor

allem in USA, das Phänomen halt viel
früher wirksam geworden ist. Ich hab das

Gefühl, sehr viel Recherche gerade in die
Hintergründe ist tatsächlich immer noch

von Einzelpersonen gemacht. Und Jim
Stewartson ist jemand, der in den USA

da viel geschrieben hat, auch zu diesen
ganzen Beziehungen zu Alternate-Reality-

Games. Und man merkt dann auch immer, wie
die Leute selber halt auch so krass

abtauchen in diese Recherche.
Und ich weiß von nichts, was das jetzt

akademisch auf eine irgendwie sauberere
Basis stellen würde und ob das überhaupt

geht.
Herald: Okay. Kennst du, das passt dann

auch dazu, die Frage kam: Kennst du
"Arturo Tafoyovsky" bzw. "Lestat" von

Cicada und die Forschung zu FBIAnon und
Qanon? Und was hältst du davon, falls du

es kennst?
Arne: Also es ist zum Teil der Teil, den

ich rausgekickt habe hier, dieses ganze
Cicada-Rabbit-Hole. Das ist auch das

Böseste. Also da bin ich am weitesten
abgestürzt in der Recherche zu, weil ja,

es ist mir bekannt, dass es extrem schwer
durchzusehen. Da sind Leute, die

seitenlange, ewige, detaillierteste
Recherche machen mit Leaks, und du hast

eine relativ kleine Gruppe von so ich
würde sagen "darken Hardcore-

Diskordianern", die einfach einen
kompletten Mindfuck abziehen, die

rückwirkend versuchen so quasi Ownership
zu ergreifen von Cicada, von QAnon. Da

werden irgendwie. Da wird quasi Geschichte
gefälscht. Leute kämpfen gegeneinander. Du

weißt aber nicht: Sind das jetzt LARPs?
Streiten die sich wirklich oder tun die

nur so als ob? Es ist komplett
undurchsichtig und krass. Es hat einen

krassen Entertainmentfaktor auch. Aber da
jetzt hineinzugehen und das irgendwie zu

verarbeiten für das, was so tut, als wäre
es seriöse Erkenntnis, ist enorm

schwierig. Aber ja, wer sichs
wirklich hart geben will, der kann da mal

reinschauen, würde ich sagen.
Herald: Danke dir. Es sind noch ganz schön

viele Fragen offen. Wir haben aber gar
nicht mehr so viel Zeit. Zwei Minuten.

Dann, Moment. Also da nehme ich die am
meisten gestellte Frage noch, schiebe ich

die noch um eins und dann bekommst du die
ganz zum Schluss. Genau. Wie lange hast du

denn jetzt damit Zeit verbracht? Also wie
lange recherchierst du schon darüber? Wie

zeitaufwendig ist es für dich?
Arne: Mit dem Anfang der

Hygienedemonstrationen Ende März, April,
hier in Berlin bin ich in so ein bisschen

in die Beobachtung von diesen ganzen
Corona-Sachen abgetaucht. Da werden wir ja

heute auch nochmal mehr von hören. Und da
meldete sich relativ schnell auch QAnon.

Da war ich vorher schon mal immer dran
vorbeigekommen, weil es ja auch vorher

schon Thema war. Aber naja gut, spätestens
mit diesem Reichstags-Sturm und alles

sowas und der Art und Weise, wie
das in den Telegram-Gruppen dann so

zirkuliert wurde, war klar, dass das eine
einflussreichere Sache ist. Und was mich

am längsten beschäftigt hat, war diese
Verbindung von den reichsbürgerlichen

Bereichen dieser ganzen Coronaleugner-
Szene und den Nazis und den, ich würde mal

sagen, eher esoterischen und Wellness-
Szenen. Das hatte noch gar nicht direkt

etwas mit QAnon zu tun, aber QAnon hat etwas
ganz Ähnliches gemacht und passt da auch

sehr gut rein. Und das war das, was mich
am Anfang am meisten fasziniert hat. Gar

nicht so der harte Kern und die
Geschichte. Das, was ich jetzt hier

erzählt habe, ist tatsächlich das Ergebnis
meines eigenen Interesses für den Vortrag

hier, mal ein paar Wochen lang genauer
rein zu gucken und das alles zusammen zu

sammeln. Es hat viel länger gedauert, als
ich dachte, und mich mal darüber zu

informieren. Und ich habe bei der
Gelegenheit wahnsinnig viel über 4chan

gelernt, auch weil da der Großteil sich
abspielte. Also eine gute Gelegenheit, ein

Gefühl für die Kultur da zu kriegen, wenn
man halt nicht so viel rumhängt. Aber das

dauert eine Weile. Okay, also es dauert vor
allen Dingen, das dann zu sortieren und

irgendwie zu versuchen, eine Geschichte
draus zu machen. Ich weiß auch nicht, ob

mir das wirklich gut gelungen ist.
Es ist halt so viel Krempel.

Herald: Also das Feedback ist auf jeden

Fall: Sehr, sehr guter Vortrag geworden.
Vielen Dank. Kann ich noch eine letzte

Frage stellen? Eine letzte noch, weil die
kam echt oft und die hab ich auch selber.

Und zwar, genau: Was denkst du denn, wie
es jetzt weitergeht, wenn Donald Trump

tatsächlich weg ist? Wird dann das Spiel
aufhören? Wird es auf ein neues Level

gehen? Wird es eine andere Spielumgebung
geben? Hast du irgendeine Einschätzung

aufgrund deines Wissens über diese Szene?
Arne: Also diese Trump-Geschichte ist ja

jetzt noch nicht vorbei. Das ist
vielleicht der beunruhigendste Teil, dass

im Grunde eine fanatische Gefolgschaft
erzeugt wurde. Ganz ganz gezielt. Die

einen Militärputsch und so eine
Übernahme, wie sie ja auch immer wieder

diskutiert wurde, jetzt als Gefahr die
ganze Zeit, sehr begrüßen würde. Das finde

ich ziemlich irre. Dann gibt es diese
Bestrebungen von Trump, jetzt sozusagen so

zum Wordleader zu werden. Also diese
Bewegung zu nutzen, um darauf

weiterzufahren. Insofern ist die Frage,
was er politisch noch vorhat. Selbst wenn

der jetzt in der Versenkung verschwindet,
glaube ich, dass einerseits diese

Konstruktion selber, dieses gefräßige
Recherchespiel, was jede blöde

verschwörungsmythische Quark-Ideologie
vereinnahmen kann, durchaus

überlebensfähig ist. Die Frage ist, wie
gut der "hope porn" funktioniert. Das sind

ja so zwei Sachen: "fear porn" - "hope
porn", die sich immer so die Hand reichen.

Einerseits Angst vor dem Untergang und
andererseits, es gibt den Plan und jemand

wird uns retten. Wenn dieser Erlöserfigur
jetzt fehlt, braucht es wahrscheinlich

eine neue. Da die ja sowieso total fiktiv
ist, auch dieser Trump, der da angebetet

wird, ist ja komplett irreal, ist das
vielleicht gar nicht so schwer. Der andere

Bereich ist dass all jene, die gezielt
ideologisch arbeiten in diesem QAnon-

Komplex glaube ich sehr sehr viel gelernt
haben über so eine Arbeit, also wie

man Realität abfucken kann, wie
man Leute motiviert, zusammenhält, wie man

dieses Crowdsourcing betreibt, was
quasi allen dem dem guten alten

demokratischen Diskurs, den es
vielleicht nicht mehr so in der guten Form

gibt, wie man sie sich mal vorgestellt
hat, vielleicht gab es ihn auch nie

wirklich so, total den Boden unter den
Füßen wegzieht, und mit der Fähigkeit, ich

glaube, die Russen haben das schon ein
bisschen früher ausprobiert und das ist

halt jetzt massiv in der westlichen Welt
angekommen. Und das wird uns auf jeden

Fall weiter begleiten. Das geht nicht
wieder weg.

Herald: Vielen. Vielen (Dank).
rc3 Abspannmusik

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