Antike Possen: Der Dogenpalast

Wenn dieses Video hochgeladen ist, bin ich ein verheirateter Mann.
Und ich könnte nicht verzückter sein.

Nach der Verlobung mit meiner süßen Liebe Cyan im März 2020
hatten wir eine sehr... ungewöhnliche Verlobungszeit

in einem koordinierten weltweiten Cosplay
von Florenz des 13. Jahrhunderts, ABER...

Wir sind jetzt verheiratet!

Und, um die Festlichkeiten fortzusetzen,
wollte ich dieses Video meiner Frau widmen

Ah! Großartig!

Also habe ich getan, was wirklich durch und durch ich ist,
und gab der Frau ein Forschungsprojekt.

Gleich wird's süß, versprochen.

Ich sagte ihr, sie könne jeden Ort oder jedes
Stück Architektur auf der Welt auswählen und

Ich mach ein Video darüber.

Nun ist Cyan keine Niete in
internationalen Reisen und technisch gesehen

ist sie in mehr europäischen Ländern
gewesen als ich.

Wenn wir also nur die Orte zählen, an denen sie war,
gibt es da eine respektable Auswahl.

Und doch hat mich ihre Wahl völlig
überrascht.

Denn, als Teil eines Familienausflugs nach
London, Paris und Rom

haben sie auch einen kurzen Stopp in
Venedig eingelegt.

Also hat sie die Rialtobrücke, den Markusdom
und das Tor des Arsenals gesehen

Aber, die Zeit war knapp
und es fehlte der Dogenpalast.

Und in einer Wendung, die ich wirklich
nie erwartet hätte, bat sie mich

dieses Spezial-Hochzeits-Video
Venedig widme.

Sie hat mich wirklich darum gebeten,
unaufgefordert, ohne Zwang

Ich weiß, von euch ist niemand überrascht,
aber ich war es ganz sicher.

Aber jedenfalls, hier sind wir: ein Geschenk an meine eine Liebe,
in dem ich über meine andere Liebe spreche.

Ihre Worte, nicht meine.

Um also den Dogenpalast etwas besser wertschätzen
zu können, machen wir ein bisschen Architektur.

In womöglich einem der historisch und
künstlerisch bedeutsamsten Stadtviertel Europas

war dieser Palast der Mittelpunkt einer Republik,
welche über 1000 Jahre hinweg Bestand hatte

und sich vom nördlichen italienischen Festland bis
über die Inseln des östlichen Mittelmeers erstreckt hat.

Von der Gründung der Stadt im Frühmittelalter
bis zu ihrer Eroberung durch Napoleon 1797

war Venedig ein Sonderfall in der Weltgeschichte,
politisch und künstlerisch.

Hierüber habe ich sehr viel mehr
zu vielen anderen Anlässen gesagt, also

werde ich mich nun wie ein Heiliger zurückhalten
und mich auf das eigentliche Thema konzentrieren.

Nun, am Anfang von Venedig,
war es noch nicht wirklich Venedig.

Die erste richtige Stadt in der Lagune war
die Insel Torcello und Mitte bis Ende der

700er, saß die Regierung der Republik
auf der Insel Malamocco.

Nachdem die Insel beinahe erobert worden wäre,
in einer Doppel-Invasion von Byzantinern und Franken

Lange Geschichte

verlegte der Herzog oder Doge die Regierung ins
Innere der Lagune auf die Inseln von Rivo Alto

wo er sich eine Burg baute, von der er verzweifelt hoffte,
dass sie belagerungsfest sein würde.

Ästhetik war hier merklich keine Priorität
und diese originale Festung

ähnelte eher einer Byzantinischen Burg:
weiß-pinke Steinmauern, Mauerzinnen,

dicker Graben auf allen vier Seiten, so stabil wie möglich,
buchstäblich gut genug für Regierungsarbeit,

denn zusätzlich zur Verwendung als Wohnung des
Doge, waren in der Festung auch öffentliche Ämter,

Gerichte, Gefängnisse und Rüstkammern.

Denn wirklich, warum die Republik verteidigen,
wenn du keine coolen Schwerter hast?

Während die Jahrhunderte vergingen und Venedig
eine der ersten Handelsrepubliken des Mittelmeers wurde,

entschieden die Dogen, dass es angebracht
wäre, den Ort etwas aufzuhübschen

und ihr Castello etwas mehr in eine Art
Palazzo zu verwandeln.

In den 1170ern renovierte Doge Ziani den Palast mit
mehr Obergeschössern, Mauern mit Säulengängen,

zwei lustigen spitzen Türmen auf der Seite am
Wasser und ein paar hübschen kleinen Fußwegen

zwischen der Lagune und dem Palast, sowie
zwischen dem Palast und dem neu erbauten Markusdom

Die persönlichen Gemächer des Dogen waren im Ostflügel beim Kanal; die Gerichte und Bibliothek

waren auf der Westseite beim Piazza und die
meisten Regierungsämter waren im Südflügel

mit Blick auf das Ufer.

Die Kernstruktur blieb die gleiche und
sie sehen sich ehrlicherweise recht ähnlich,

aber diese Renoverungen signalisierten einen erheblichen
Wechsel im Umgangston. Das erste Gebäude war eine Festung

mit dem Zweck die Regierung vor allen anderen zu
beschützen, während dieses Gebäude ein Statement war,

Hölle, es war Hohn.

In einer Zeit, in der schicke Gothische Architektur nur auf
Kirchen war und königliche Burgen zum Schutz dienten

statt Deko, war dies ein weltlicher Palast,
ausgeschmückt mit allen Rüschen, der da rumstand

direkt am Wasser, für die ganze Welt
zu sehen, sicher in dem Wissen

dass ihre Feinde nichts dagegen
tun können.

In mittelalterlicher Geschichte kam man nicht viel näher dran,
sich für unsterblich zu erklären.

Und wie die nächsten paar Jahrhunderte zeigen...
Ja, ja, waren sie irgendwie.

Also, natürlich, machte Venedig ihn
noch hübscher!

Zur Wende der 1300er festigte der Große Rat
seinen Dienstplan zu einer festen Liste von Adelsfamilien

deren erwachsene Männer in den Versammlungen dienen
und den ganzen coolen Republik-Kram machen könnten.

Aber dieses Reformen bedeuteten dass der Maggior Consiglio
in kurzer Zeit hunderte neue Mitglieder bekam,

also beschloss Doge Gradenigo im Jahr 1340,
den Südflügel für eine größere Ratskammer zu erweitern.

Und hier fängt der Palast an, eine Form anzunehmen,
die wir erkennen: Eine doppelte Säulenhalle

mit Gotischen Spitzbögen und der oberen Hälfte
mit einem lustigen weiß-pinken Marmor-Muster dekoriert.

Ein Jahrhundert später erweiterte Doge Foscari
den Westflügel des Palasts im gleichen Stil,

sodass wir jetzt Kontinuität haben, hübsch.

Wo er schon dabei war, baute er die sehr
gotische Portal Della Carta, welche vom Piazza

auf den Schlosshof führt und die andere Seite des
Tunnels wurde in den 1480ern mit einem hübschen

Triumphbogen versehen.

Gerade rechtzeitig, damit der gesamte
Ostflügel des Palasts 1483 abbrennen konnte.

Dies wird sich noch zu einer gewissen
Tendenz entwickeln.

Schnell begannen die Arbeiten, das überraschende Open Air
Schlafzimmer des Doge mit einem Ersatz-Ostflügel abzudecken,

gebaut im heißesten neuen Still der
Renaissance: Neoklassizismus.

Bis jetzt ging es in der venezisch-gotischen Architektur
nur um Spitzbögen, diese kleinen Vierpässe,

und die mutige Miteinbeziehung einer
Akzentfarme zusätzlich zu weiß (hier pink).

Der Standpunkt im Neoklassizismus war grundsätzlich
"nur weißer Marmor, lasst es römisch aussehen."

Unklar, ob diese beiden miteinander
gut aussehen oder nicht

Die interne Debatte über Ästhetik wurde beiseite gelegt,
als 1498 der Hauptarchitekt Antonio Rizzo

der Veruntreung von Baumitteln schuldig
befunden wurde und dann weggelaufen ist.

Mit einem noch nichtmal halbfertigen Gebäude wurde
Pietro Lombardo beauftragt, das Projekt neu zu beurteilen.

Er hatte die guten Manieren, keinen Betrug mit dem
Budget zu begehen, aber sein erweitertes Design

war weit teurer als Rizzo's
ursprünglicher Vorschlag.

Soweit also das Finanzamt der
Republik betroffen war... Gleichstand.

Der Bau am neoklassischen Flügel war
schließlich zu Beginn der 1600er abgeschlossen,

mit der berüchtigten Seufzerbrücke, durch
welche Gefangene aus den Zellen im Palast

ihren letzten Blick auf Venedig werfen
würden, bevor sie über den Kanal in das

erstaunlich schicke Gefängnis umziehen.

Bald darauf wurden die anderen 2 1/2
Fassaden im Schlosshof teilerneuert wurden,

um zu der schicken großen neuklassischen Seite
zu passen, mit einem vergleichsweise unterschätzten,

aber sehr eleganten zweigeschössigen Säulenhalle.

Un die sieht vielleicht nicht nach viel aus,
ist aber tatsächlich ziemlich Galaxy-Brain:

Sie nehmen die Idee der Klassischen Ordnungen, in der
Säulen einfach anfangen und hübscher werden, wenn sie übereinander gesetzt werden,

und wenden das auf Bögen an.

Das Erdgeschoss hat ganz runde Bögen,
klassisches Rom, aber das zweite Geschoss hat

Spitzbögen, Venezianische Gotik.

Und es ist so einfach, dass es genial ist: die sehr
klassische Idee von je höher, desto hübscher nehmen

und diese auf Bögen anwenden, während man die gitischen
Wurzeln der Stadt ehrt, indem man die Spitzbögen oben drauf setzt.

Selbst als Venedig voll neoklassizistisch war,
war es noch immer Venezisch-Gotisch.

Ich finde das sehr cool in einem abstrakten Sinn,
aber es sieht auch so schön aus: der blasse Marmor

spielt mit den Schatten in den Bögen und
dieser Kontrast zwischen schwarz und weiß ist sauber.

Die Formen sind stark, die Details passen hinein,
es ist gerade so kompliziert wie es sein muss.

Genau das ist mein
Lieblingsteil an diesem ganzen Palast.

Nun, zwischen Verbrecher-Bub Rizzo, Schickie-Mann
Lombardo und Säulengang-Erweiterer Bartolomeo Manopola

ist unklar, wer genau diese großartige
Idee hatte; nachdem ich aber eine Weile

diese Wände angestarrt und mich durch einen italienischen
Wikipedia-Artikel über Manopola gearbeitet habe,

den sich selbst übersetzen musste, bin ich
versucht zu sagen, dass Lombardo die Vision hatte

und Manopola sie umgesetzt hat.

Nicht relevant für die Geschichte, aber
die Frage ging mir wirklich auf die Nerven,

also wollte ich, dass ihr es wisst.

Die letzten Veränderungen an der Außenseite kamen nach
einem Feuer in den Süd- und Westflügeln 1577

und der berühmte neoklassizistische Architekt
Andrea Palladio schlug vor, das ganze Ding abzureißen

und es nochmal zu machen.

Dies ist das einzige Mal, dass ihr mich das hier sagen hört:
Gott sei Dank hat niemand auf Palladio gehört.

Sie haben alles neugebaut, wie es war und ihre
extravaganten Bedürfnisse stattdessen im Inneren ausgelebt.

Als Resultat erschreckend häufiger Brände besteht
das Innere aus Arbeiten aus den 15 und 1600ern

als erblindend goldener Barock der
trend du jour war.

Es ist läuchtig, wunderschön
und viel zu kompliziert.

Es ist so viel los, dass man in den Räumen schnell die
Orientierung verliert, aber wenn du auf individuelle Werke

heranzoomst, enthält das Innere des
Dogenpalasts einige der besten Kunstwerke,

die du in Europa finden wirst, mit Meisterwerken
der gefeiertsten Künstler venezianischer Geschichte.

Und sie wollten nicht subtil sein: Wenn du ein
22x7 Meter Tintoretto Gemälde namens

Paradiso auf die Rückwand der Großen
Ratskammer hängst, unter eine Darstellung, auf der

Venedig buchstäblich ein Gott wird,
ist der Punkt klar.

Und dieses ganze Schick hatte auch eine politische
Dimension, es hat ausländische Diplomaten gewowed

wenn sie kamen, um Geschäfte mit Venedig zu machen.

Die Gemächer des Doge sind eine außerordentliche
Darstellung von Macht und Reichtum, sie führen Besucher

eine goldene Treppe hinaus, durch eine Schildhalle,
einen Kartenraum und, mein persönlicher Favorit:

Der rote Raum (Sarla degli Scarletti), der nicht
rot ist, sondern scheinbar so genannt wird, weil

die Ratsmitglieder rote Roben trugen,
wenn sie in dem Raum waren.

Allein das macht dies zum besten Palast
der Welt, denn, meines Wissens, ist es

der einzige Palast mit einem Raum nur
für zusammen passende Pyjama Parties.

Ahem, deine Hoheit der König von England wünscht
um eine Audienz mit dem Doge, doch zuerst wünscht

er um eine Tasse heißen Kakao und Euer gigantösestes
Kissen, so dass seine Hoheit die Waffen heben möge

gegen den König von Frankreich, um ihn in sein nerviges Gesicht
zu patschen und seine spießig-kindlichen Haare zu versauen.

Eine Begenung, von der ich mir vorstelle,
dass sie sich zumindest zwei mal ereignet hat.

Zusätzlich zu den Gemächern des Doge,
beinhielt der Palast jede denkbare Staatsfunktion:

Der Große Rat, der Senat, der Rat der 10,
das Kabinett des Doge, die Abstimmhalle,

Gerichte, Ämter für Auslandsaffären,
das Kommando der Marine...

Es war der gesamte Staatsapparat der Republik.

Sicher, er wird Dogenpalast genannt, weil der darin gelebt hat,
aber in seiner Funktion war es der Palast der Republik.

Eine weitere schöne Wendung der Venezianischen
Geschichte, der einen Widerspruch darstellt,

aber auch vollkommen Sinn ergibt.

Und ich liebe diesen Ort einfach. Er ist so vollkommen
Venezianisch in jedem Aspekt seines Charakters.

Die Geschichte dieses Gebäudes ist komplett verwoben
mit der Geschichte der Republik als Ganzes,

politisch, künstlerisch und, durch
auffällige Unerwähntheit, militärisch.

UND, eine der berühmtesten Kirchen der Weltgeschichte,
der Markusdom, ist genau da.

Ich habe ihn nur zwei mal erwähnt,
die ganze Zeit und er war im Hintergrund

von mindestens der Hälfte der Bilder,
die ich euch gezeigt habe.

Er könnte genausogut der Nordflügel des Palasts sein!

So, all das um zu sagen:
Fröhliche Hochzeit zu meiner lieben Frau Cyan,

Ich kann es nicht erwarten,
dich einmal dorthin mitzunehmen.

Vielen Dank für's Zuschauen!

Ihr versteht, mein genialer und hinterhältiger Plan ist,
dass wenn mir immer mehr Formatideen kommen,

ich valide und gerechtfertigte Gründe habe,
mehr über Venedig und Florenz zu sprechen.

Ich meine, technisch gesehen, habe ich noch kein
Video gemacht, in dem es nur um den Duomo geht,

aber JETZT ist das eine Möglichkeit.

Also, mal sehen, wohin wir uns entwickeln,
Ich seh euch im nächsten Video.