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rc3 Vorspannmusik
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Anne Jung: Hallo, mein Name ist Anne Jung.
Ich arbeite als Referentin für globale
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Gesundheit bei der Frankfurter Hilfs- und
Menschenrechtsorganisation Medico
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International. Und ich werde heute darüber
sprechen, wie die Politik und die Pharma-
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Unternehmen den gerechten Zugang zum
Corona-Virus-Impfstoff verhindern. Ganz
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kurz zu Medico International: Medico wurde
1968 in Frankfurt gegründet, um
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medizinische Nothilfe zu leisten und in
Katastrophensituationen aktiv zu werden.
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Hier sieht man einige der ersten Bilder.
Mitte der 70er Jahre bereits lenkte Medico
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seinen Fokus auf die politische Ebene und
kam davon weg, Medikamente zu exportieren,
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sondern hat sich darüber Gedanken gemacht,
wie eigentlich Medikamentenpreise zustande
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kommen und welche Rolle die Pharma-
Industrie dabei steht, spielt. Seitdem
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setzt sich Medico für langfristige
Veränderung von krank machenden
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Lebensverhältnissen ein und unterstützt
heute Projektpartner und
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Projektpartnerinnen in über 40 Ländern der
Welt. An die Stelle von diesen
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Medikamenten-Versand trat die langfristige
Unterstützung von lokalen
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Projektpartner:innen, begleitet durch eine
kritische Kampagnenarbeit, die sich
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zunächst sehr stark gegen die Pharma-
Industrie gerichtet hat. Und schon sind
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wir auch mitten im Thema des heutigen
Vortrags. Die Erleichterung über die
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Erfolgsmeldungen bei der
Impfstoffentwicklung dürfte an der
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Frankfurter Börse und auch in der
Bevölkerung der Industrienationen weitaus
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größer gewesen sein als beispielsweise in
den Armenvierteln von Dakar oder Nairobi.
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Hier sieht man ein paar Bilder. Auf dem
ersten sind äthiopische Arbeiterinnen, die
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in Beirut als Hausangestellte arbeiten und
seit der großen Explosion auf der Straße
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sitzen, auf ihre Rückkehr nach Hause
warten und dem Virus sehr ungeschützt
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ausgesetzt sind. Hier ein Eindruck von
Nairobi aus dem Armenviertel der
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kenianischen Hauptstadt. Viele dort - dies
ist ebenfalls ein Bild aus Nairobi - sind
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sogar zu arm, um sich gute Masken zu
kaufen. Und hier ein Bild aus Moria, dem
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Flüchtlingslager auf den griechischen
Inseln auf Lesbos, die nicht nur seit dem
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Brand, sondern auch schon davor dem Virus
völlig ungeschützt ausgesetzt sind, weil
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die Gesundheitsversorgung unzureichend
sind und die ganz bestimmt auch nicht die
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ersten sein werden, die diesen Impfstoff
bekommen werden. Und ein letztes Bild aus
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dem palästinensischen Flüchtlingslager aus
Beirut. Niemand ist sicher vor Covid19,
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bevor nicht alle davor sicher sind. Das
ist eine Erkenntnis, die wir, glaub ich,
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alle teilen, die auch Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier bei einer Rede vor
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der Weltgesundheitsorganisation WHO betont
hat. Er sagt weiter, selbst wer das Virus
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an seinen eigenen nationalen Grenzen
besiegt, bleibt Gefangener dieser Grenzen,
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solange es nicht überall besiegt sind,
besiegt ist. Auch Ursula von der Leyen,
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die neue EU-Ratspräsidentin, spricht
davon, dass diese Impfung, dieser
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Impfstoff, unser universelles, allgemeines
Gut ist und betont das Menschenrecht auf
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Gesundheit, d. h. die Befreiung vom Virus
bedarf eines globalen Handelns und niemand
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würde dem allen Ernstes widersprechen. Es
gibt allerdings einen kleinen Haken an der
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Sache. Die Regierungen der
Industrienationen verhindern genau das,
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nämlich diesen gerechten Zugang zu einem
Impfstoff für alle Menschen. Man kann
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sehen, dass Deutschland, Europa und viele
andere Industrienationen sich über 14, die
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nur ungefähr 14 Prozent der
Weltbevölkerung repräsentieren, bereits
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über die Hälfte des zu noch
herzustellenden Impfstoffs gesichert
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haben. Die reichen Länder haben bereits
mehr als 5 Milliarden Impfdosen von den
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erfolgreichen Kandidaten für sich
gesichert, während nur ein kleiner Teil
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für die ärmsten Länder zur Verfügung
stehen wird, zumindest am Anfang. Das sieht
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man hier nochmal, wenn man jetzt mal auf
Europa blickt. Auf diese Karte sieht man
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Europa und die USA und andere
Industrienationen werden die ersten sein,
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die den Impfstoff zur Verfügung haben.
Hier geht es weiter. Und die ärmsten
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Länder, darunter auch sehr viele
afrikanische Länder, werden sicher zu den
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letzten sein, die ihn bekommen werden.
Nimmt man diese richtungsweisenden
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Entscheidungen seit Beginn der Pandemie
genauer in den Blick, wird schnell
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deutlich, dass die Industrienationen an
einer neoliberalen Politik festhalten, die
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das Recht auf Gewinn für die Unternehmen,
in dem Fall für die Pharma-Unternehmen
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gegen die Menschenrechte, also konkret in
dem Fall gegen den gerechten und gleichen
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Zugang zu den Impfstoffen absichert. Das
heißt, die Ordnung der Ungleichheit wird
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im Moment mit aller Gewalt verteidigt und
das ist durchaus wörtlich zu verstehen.
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Betrachtet man nämlich das Ringen um den
kommenden Impfstoffe, zeigt sich, wie die
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Krise gelöst werden soll: auf Kosten der
Armen. Die Nebenwirkungen sind tödlich und
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werden auch wirtschaftliche, geografische
und soziale Ungleichheiten dramatisch
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vergrößern. Zunahme von Armut, Zunahme
auch von anderen Krankheiten, die nicht
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mehr angemessen behandelt werden können,
wie HIV, AIDS, Malaria und viele andere.
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Das heißt, hier droht eine Restaurierung
der Zweiteilung der Welt in Nord und Süd,
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auch wenn deren Überwindung in
Sonntagsreden immer wieder bekräftigt
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wird. An Alternativen indes mangelt es
eigentlich nicht. Vor einiger Zeit haben
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die Regierungen von Indien und von
Südafrika gemeinsam bei der
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Welthandelsorganisation, nicht zu
verwechseln mit der
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Weltgesundheitsorganisation, dass eines
die WTO, das andere ist die WHO. Eine
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Ausnahmeregelung beantragt von dem
sogenannten TRIPS-Abkommen, in dem Patente
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und handelsbezogene Aspekte des geistigen
Eigentums geregelt werden. Die beiden
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Regierungen argumentieren, ich zitiere
"Wir brauchen eine grundlegende, eine
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umfassende Aussetzung der Patentregelung,
bis die Weltbevölkerung eine Immunität
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gegen das Virus entwickelt hat." Dieses
umkämpfte und bis heute umstrittene TRIPS-
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Abkommen, das wurde im Jahr 1995 auf
Initiative der Industrienationen und
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internationaler Unternehmen geschlossen,
darunter interessanterweise auch Pfizer,
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eines der Unternehmen, die
jetzt den ersten Impfstoff mit entwickelt
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haben. Aber auch Firmen, die jetzt in der
Welt des Chaos Computer Clubs sicherlich
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bekannter sind wie Microsoft, IBM, HP und
so weiter. Mit Microsoft ist dabei, und
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das ist wichtig für das, was ich nachher
nochmal kurz erklären werde, ist auch ein
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Unternehmen dabei, mit dem die Bill und
Melinda Gates Stiftung ihr
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Stiftungskapital generierte und die eben
für den Bereich der globalen Gesundheit
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von sehr großer Bedeutung sind. Explizites
Ziel dieses sogenannten TRIPS-Abkommen war
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es, die Patente abzusichern gegen
praktisch die öffentlichen Interessen und
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damit auch die ganzen Einwände, die damals
schon, also in den 90er Jahren angemeldet
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wurden, von den Ländern des Südens einfach
so beiseite zu schieben. Das Abkommen,
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dieses TRIPS-Abkommen, sieht
Ausnahmeregelungen vor, die es im Fall von
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einem sogenannten Gesundheitsnotstand
erlauben würden, Zwangslizenzen oder
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Parallelimporte für einen Impfstoff zu
ermöglichen und damit den Patentschutz
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auszuhebeln. Dieser von Südafrika und
Indien vorgeschlagene Way war also diese
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Ausnahmeregelung. Es ist so eine Art
Verzichtserklärung, benennt natürlich
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diese Ausnahmesituation, denn es ist klar,
dass wir im Moment ist natürlich mit einer
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gesundheitlichen Ausnahmesituation
globalen Ausmaßes zu tun haben und sagt,
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dass der Schutz des geistigen Eigentums
eine rechtzeitige Versorgung mit
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bezahlbaren medizinischen Produkten
herstellen muss und damit auch eine
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Generikaproduktion ermöglich. Keine Angst,
mit den Fachworten bin ich gleich zu Ende.
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Generika sind einfach Arzneimittel, die
bei gleicher Zusammensetzung und Wirkung
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nicht den Markennamen tragen und deswegen
einfach im Verkauf um einiges billiger
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sind als die Original-Präparate, was
natürlich wiederum für arme Länder von
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besonderer Bedeutung ist. Eine Superidee,
die die beiden Länder da hatten. Und
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eigentlich müsste auch die Bundesregierung
begeistert dafür sein. Ich zitiere nochmal
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Steinmeier: "Niemand ist sicher vor dem
Virus, bevor wir nicht alle sicher sind."
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Aber das funktioniert überhaupt nicht. Die
USA, die Europäische Union,
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Großbritannien, Norwegen, die Schweiz,
Japan, Kanada, Australien, Brasilien
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lehnten diesen Vorschlag sofort ab. Knapp
100 Staaten, fast alle aus den armen
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Ländern des globalen Südens, jedoch sind
begeistert dafür, diesen Antrag zu
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unterstützen. Weil aber die
Welthandelsorganisation alle Beschlüsse im
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Konsens fassen muss, können sich wenige
Länder gegen den Willen der Mehrheit
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durchsetzen. Und selbst wenn es eine
beachtliche Mehrheit ist, weil insgesamt
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gibt es 164 Mitgliedsstaaten bei der
Welthandelsorganisation. Das Interessante
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ist, dass man hier nochmal erwähnen muss,
wie eigentlich die Entwicklung des Covid19-
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Impfstoffes vorangegangen ist, weil die
Hauptargumentation gegen diese
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Ausnahmeregelung bei der
Welthandelsorganisation ist, ohne die
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Pharmaindustrie gäbe es keine Forschung
und damit würde auch die
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Impfstoffentwicklung gebremst werden. Man
kann hier aber bei dieser Übersicht, die
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man sich gar nicht im Detail angucken
muss, sondern es reicht eigentlich zu
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gucken, wieviel blau und gelb ist und wie
viel rot, um zu erkennen, dass ein
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Großteil der Mittel für die Erforschung
und Entwicklung des Impfstoffes durch
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öffentliche Gelder, durch
Regierungsgelder, aber auch durch
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alternative Zusammenschlüsse wie Gavi oder
auch die Gates-Stiftung zustande gekommen
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sind und ein viel geringerer Teil durch
die Pharmaindustrie selber zur Verfügung
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gestellt wurde. Man kann also eigentlich
daraus ableiten, dass diese Impfstoffe uns
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allen gehören. Tatsächlich ist es aber so,
dass wir sehen können, dass die Risiken,
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also die Mittel, die zur Verfügung
gestellt werden, von der Allgemeinheit,
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von der Gesellschaft getragen werden.
Während man jetzt schon absehen kann, dass
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die Gewinne für die Pharmaindustrie aus
der Impfstoffentwicklung sehr hoch sein
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werden. Hier sieht man die Entwicklung an
der Börse nach Bekanntwerden der
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Entwicklung des Impfstoffes. Man kann
also, was diese Diskussion bei der
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Welthandelsorganisation anbelangt, sagen,
das Menschenrecht auf Gesundheit wird dem
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Recht auf Gewinn für die Pharmaindustrie
untergeordnet. Und dass das so ist, also
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dass das Menschenrecht auf Gesundheit dem
Recht auf Gewinn untergeordnet wird, ist
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umso skandalöser, als dass wir über viele
Jahre Erfahrungen gesammelt haben, was für
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dramatische Auswirkungen es hat, wenn das
genauso umgesetzt wird. Und da lohnt sich
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ein ganz kurzer Blick auf die HIV/AIDS-
Krise der 1980er Jahre, die ja bis heute
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andauert und keinesfalls bereits als
erledigt zu betrachten ist. Denn bis heute
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sterben mehr als eine halbe Million
Menschen im Jahr an HIV/Aids. In Folge
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dieser Patentregelung, wo das TRIPS-
Abkommen was ich vorhin erwähnt habe nur
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beispielhaft dafür steht, musste jahrelang
jede Kostensenkung für HIV/AIDS
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Medikamente in weltweit
vernetzten politischen Kämpfen erst
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erstritten werden. Zehntausende starben
wegen der hohen Kosten für diese
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Medikamente allein an AIDS und deswegen
auch der Titel des heutigen Vortrages.
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Patente töten. Dennoch hält sich aber
dieser Erklärungsversuch, dass es ohne die
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Pharmaindustrie keine Forschung gäbe, ganz
hartnäckig in den Köpfen, obwohl
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vielfältig bewiesen worden ist, dass das
einfach nicht stimmt. Die Regierungen der
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Welt stellen Milliarden für Forschung und
Entwicklung bereit. Alleine die EU ist mit
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600, ist mit 6,5 Milliarden Euro dabei.
Das haben wir in dem Schaubild davor
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gesehen. Das sind also, ich kann es
nochmal betonen, größtenteils öffentliche
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Mittel, von denen große Summen eben auch
an die Pharmaindustrie gehen, ohne dass
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aber die Preispolitik für den zukünftigen
Impfstoff im öffentlichen Interesse
-
geregelt wurde. Das heißt, im Detail
wissen wir bis heute nicht, zu welchem
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Endpreis der Impfstoff abgegeben wird. Und
das müsste eigentlich selbstverständlich
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sein und würde auch, wäre auch ein
demokratischer Vorgang, dass wenn
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öffentliche Mittel, also auch unser aller
Gelder rein fließt, das dann gleichsam
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bekannt wird, zu welchen Preisen dann der
Impfstoff abgegeben wird und diese Kosten
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auch gedeckelt werden. Die Politik hat
aber leider beschlossen, aus all diesen
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Erfahrungen jetzt z.B. aus der HIV/AIDS-
Krise eben überhaupt nichts zu lernen,
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sondern an dieser Logik, wie ich sie
dargestellt habe, weiter festzuhalten. Der
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Handelsbeauftragte für den Schutz
geistiger Eigentumsrechte sagte
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beispielsweise, dass diese Anreize für
Innovationen, die gesetzt werden durch den
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Patentschutz, eine rasche Lieferung von
Impfstoffen und Therapien gewährleisten
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würden. Auch die EU sagte, es gäbe
überhaupt keine Hinweise, dass Fragen des
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geistigen Eigentums bei COVID19 bezogenen
Medikamenten ein reales Hindernis
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darstellten. Dabei haben wir immer dabei,
dabei können wir jetzt schon sehen, wie
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ungerecht die globale Verteilung des
Impfstoffes ablaufen wird. Es wird im
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Moment weiter verhandelt. Bei der WTO im
Januar findet die nächste Runde statt und
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es gilt natürlich zu hoffen und auch
entsprechenden öffentlichen Druck
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auszuüben, dass die Industrienationen noch
einschwenken und es dennoch jetzt gelingen
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wird, dass der Vorschlag von Südafrika
und Indien sich durchsetzt. Man kann also
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jetzt als Zwischenfazit resümieren: In
einer globalen Ausnahmesituation wie
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dieser weigern sich die Regierungen der
Industrienationen, ihr System in Frage zu
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stellen. Dazu gibt es noch ein zweites
Beispiel. Und jetzt schwenken wir von der
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Welthandelsorganisation zur
Weltgesundheitsorganisation über. Dort war
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es so, dass Costa Rica, unterstützt von
der Weltgesundheitsorganisation, einen
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sehr guten Vorschlag gemacht hat schon
ganz früh nach Beginn der Pandemie. Die
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WHO hatte nämlich schon sehr früh die
Gefahr erkannt, dass das bestehende
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Patentregime die gerechte Verteilung des
Impfstoffes behindert und nicht
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begünstigt. Aus diesem Grund kündigte sie
auf die Initiative von Costa Rica die
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Gründung eines sogenannten COVID19
Technology Access Pools, also das hab ich
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kurz abgekürzt C-TAP, an. Dieser C-TAP
sollte eingerichtet werden, um Patente und
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alle anderen Formen von geistigem
Eigentum, Know how, Daten,
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Geschäftsgeheimnisse, Software zu sammeln
und den Technologietransfer zu
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unterstützen. Das ist ja etwas, was man
eben auch aus der IT-Welt natürlich kennt
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und wo es ganz sinnvoll ist, wenn alle
sich wiederum daraus bedienen können, um
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dann daraus weiter zu forschen und Sachen
weiterzuentwickeln und besser zu machen.
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Die Schaffung von so 'nem Patent Pool ist
auch überhaupt nichts Neues und auch
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überhaupt nichts Revolutionäres. Das hat
es z.B. auch bei der Bekämpfung von HIV
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AIDS bereits gegeben, mit sehr guten
Ergebnissen. Hier konnten sich nämlich
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Verfahren durchsetzen, die sehr
erfolgreich waren und die ermöglicht
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haben, dass die Preise für die Medikamente
HIV/AIDS sich sehr weit entwickelt haben.
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So, wie ist es weitergegangen mit dieser
wichtigen Initiative? 40 Länder haben sich
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dieser C-TAP-Initiative angeschlossen und,
das ist auch wieder keine Überraschung, es
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waren vor allen Dingen die Länder aus dem
globalen Süden. Aus Europa sind nur
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Belgien, die Niederlande, Portugal dabei.
Fast alle Länder indes, in denen die
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Pharma-Industrie heimisch ist, so auch die
Bundesregierung, unterstützen diese C-TAP
-
Initiative überhaupt nicht. Die Reaktion
der Pharmaindustrie selber ließ nicht
-
lange auf sich warten. Das
Pharmaunternehmen Pfizer beispielsweise
-
hält den Vorschlag für gefährlich, wie es
in der Presseerklärung heißt, für Unsinn.
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AstraZeneca empfiehlt, die Pharmaindustrie
könnte ja vielleicht auf freiwilliger
-
Basis einige ihrer Produkte ohne
Profitinteresse abgeben. Und fast alle
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Industrienationen haben sich dieser
Haltung angeschlossen. Dabei hat eben der
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Vorläufer, den ich vorhin erwähnt habe,
im Bereich HIV/AIDS ganz
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hervorragend funktioniert. Patente
beeinflussen auf katastrophale Weise, wie
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sich eine Epidemie auf die Bevölkerung, die
Infektionszahlen und eben auch auf die
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Mortalitätsrate auswirkt. Diese beiden
Initiativen, die vorgestellt habe aus dem
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Süden sind richtig, aber eben überhaupt
nicht revolutionär, weil beide innerhalb
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des Patentsystems irgendwie noch verortet
sind und gar nicht die grundlegende
-
Überwindung des Patentsystems einfordern.
Dennoch haben die Industrienationen einen
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anderen Weg beschritten, um zu
reagieren auf diese Krise. Sie halten, und
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das wird jetzt deutlich, mit aller Gewalt
an ihrem System fest und
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verhindern, wie geschildert, den Erfolg
der beiden Initiativen. Weil sie jedoch
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natürlich auch ein Eigeninteresse haben,
nochmal, es ist erst vorbei, wenn es für
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alle vorbei ist, aber auch, weil sie
natürlich eine politische Einsicht haben,
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dass sie hier nicht völlig untätig sein
dürfen, bleiben dürfen, einen Ausweg
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finden müssen. Machen sie genau das, was
die internationale Politik der letzten
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Jahre kennzeichnet. Sie kooperieren
einfach mit der Industrie in den so
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genannten Public Private Partnerships,
also privat-öffentlicher Zusammenarbeit.
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Und eine Sache, die sie, die sie begonnen
haben, ist eine Initiative, die heißt Act,
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also tu was, handle, die im Kontext steht
mit der sogenannten Covax-Initiative. Und
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hier arbeiten Impf-Allianzen zusammen mit
Mitgliedsstaaten der WHO, auch die WHO
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selber ist mit an Board, aber auch die
Bill und Melinda Gates-Stiftung, die in
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den letzten Jahren, und das ist hier
wichtig nochmal zu betonen, zu einem der
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wichtigsten privaten Finanziers von der
WHO geworden ist. Ich hoffe, dass dieser
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Zusammenhang einigermaßen klar geworden
ist. Aber rekapitulieren wir das nochmal.
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Das TRIPS-Abkommen, dass die Engpässe bei
der Versorgung mit überlebensnotwendigen
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Medikamenten erst hervorgerufen hat, kam
unter anderem auf Initiative des
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Unternehmens Microsoft zustande. Durch das
TRIPS-Abkommen, was ich am Anfang erwähnt
-
habe, konnten die Gewinne des Konzerns
immer weiter vergrößert werden. Dieses
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Geld, was darüber generiert wurde, setzt
Bill Gates nun im Rahmen der Bill-und-
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Melinda-Gates-Stiftung ein, um davon unter
anderem Impfungen zu finanzieren. Und das
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Ganze zusammengenommen nennt man
Philanthrokapitalismus. Die Gates-Stiftung
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ist also nicht die Ursache, wie viele auch
Verschwörungstheoretiker behaupten, der
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Misere, sondern ein Symptom der
Privatisierung der Weltgesundheit. Und
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deswegen ist es auch folgerichtig, dass
bei dieser Lösung, der sich jetzt fast
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alle Industrienationen angeschlossen
haben, die Patente unangetastet bleiben,
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weil nämlich auch die Gates-Stiftung
verhindern möchte, dass die Patente auf
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essentielle Arzneimittel einfach
abgeschafft werden. Das bedeutet aber,
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dass diese neue Impfallianz den
privatwirtschaftlichen Akteuren einen Raum
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bietet, Wohltätigkeit zu entfalten. Es
werden also sehr viel Mittel gesammelt,
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dass kann überhaupt nicht in Abrede
gestellt werden. Aber die Frage der
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öffentlichen Güter und dass der Impfstoff
ein Gemeingut sein müsste, bleibt dabei
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ausgeklammert. Und, das ist genauso
wichtig mit in den Blick zu nehmen, die
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Empfänger:innen der Impfung, gerade in den
Ländern des Südens, bleiben gefangen in
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ihrer Opferrolle und derjenigen, die
sozusagen auf Hilfe warten, die auf
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freiwilliger Basis und nicht in rechtlich
geregelten Rahmen dann passiert. Wir haben
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also ganz gut jetzt nachvollziehen können,
dass die Patente Medikamente teuer machen.
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Und das spiegelt sich hier in unserem
Slogan "Patente sind teuer, aber dafür
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ungerecht". Diese Ungerechtigkeit
bezieht sich natürlich nicht nur auf den
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Impfstoff. Hier sieht man beispielsweise
eine Demonstration von Textilarbeiterinnen
-
in Pakistan von einer pakistanischen
Gewerkschaft organisiert, die eben in sehr
-
starke ökonomische Schwierigkeiten geraten
sind, weil die bestellten Textilien nach
-
dem Beginn der Pandemie gar nicht mehr
abgeholt wurden. Es gibt aber auch, das
-
habe ich nur erwähnt, um den Blick nochmal
zu weiten, dass natürlich diese ganze
-
Frage gerade nicht nur eine Frage des
Impfstoffes ist, sondern auf ganz viele
-
andere Formen der kapitalistischen
Produktionsweise anzuwenden ist, wo man
-
die Auswirkungen der Pandemie eben genau
so sehen kann. Und hier nochmal ein
-
optimistisches Bild, wo eine Gruppe
kubanischer Gesundheitsarbeiterinnen und
-
-arbeiter aus Solidarität nach Südafrika
gereist sind, um dort das
-
Gesundheitssystem zu unterstützen. So, das
heißt also, die Lösung wäre eigentlich so
-
einfach, nämlich es geht darum, wenn wir
Covid19 erfolgreich eindämmen wollen, wäre
-
ein ganz wichtiger Beitrag dafür, die
Patente auf essentielle Arzneimittel
-
einfach abzuschaffen. Hierzu ein kurzer
Film.
-
Musik
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Ich komme zum Schluss und zum Resümee von
meinem Vortrag. Eine global gedachte
-
Gesundheitspolitik kann nur dann
funktionieren, wenn sie nach
-
menschenrechtlichen Prinzipien
ausgerichtet wird und die Patente als
-
globale Allmende denkt. Wem gehören die
Patente also? Den Menschen. Und auf die
-
Frage, warum er seinen Impfstoff nicht
patentieren lässt, hat der Erfinder des
-
Impfstoffs gegen Kinderlähmung
geantwortet: Wem gehören Sie? Den
-
Menschen. Darf man die Sonne patentieren?
Das darf man natürlich nicht. Und deswegen
-
hat er seine Entdeckung freigegeben, für
alle verfügbar gemacht. Und das hat dazu
-
beigetragen in den letzten Jahrzehnten,
dass Kinderlähmung heute als fast
-
ausgestorben, als ausgerottet gilt.
Gebraucht wird also etwas ganz anderes als
-
die Modelle, die die Industrienationen
vorschlagen. Es braucht eine an den
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Gesundheitsbedürfnissen der Menschen
ausgerichtete Politik, die
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Arzneimittel als globale öffentliche Güter
behandelt und die Macht von
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Pharmaunternehmen im öffentlichen
Interesse begrenzt. Hierfür sind die
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Entkopplung von Forschungskosten und Preis
bei Medikamenten unbedingte Voraussetzung,
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um neue Anreizmechanismen zu setzen, die
Innovation fördern und dann auch für alle
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zugänglich machen. Dieses Prinzip in Frage
zu stellen, heißt nichts anderes als die
-
Systemfrage zu stellen. Und das wird nicht
von alleine passieren. Und deswegen haben
-
wir uns international zusammengeschlossen,
mit ganz vielen Ländern auch des globalen
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Südens, um den notwendigen politischen
Druck aufzubauen. Und interessant ist
-
eben, dass das, was daran funktioniert im
Moment nämlich, dass wir niemals zuvor ein
-
soziales Privileg, das wir haben werden,
nämlich sehr früh einen Zugang zu haben zu
-
den Impfstoffen, als ungerecht empfunden
haben, obwohl wir uns natürlich auch in
-
der Verzweiflung komplett daran klammern.
Wir werden uns beim Impfen genauso unwohl
-
fühlen wie z.B. beim Tragen von billigen
Jeans, die in Pakistan oder Bangladesch
-
hergestellt worden sind. Und das ist genau
der Preis unserer imperialen Lebensweise,
-
mit der immer mehr Menschen sich nicht
mehr abfinden wollen. Und deswegen bin ich
-
sehr froh, dass ich im Rahmen von diesem
Kongress das Thema besprechen konnte.
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Vielen Dank.
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Herald: Ja, Anne, vielen Dank für den
spannenden Vortrag. Ah, wir haben auch
-
schon die ein oder andere Frage aus dem
Internet, aus dem Chat, aus dem IRC und
-
aus den Twitter zusammengesucht und würden
da auch gleich in die Q&A starten.
-
Anne: Alles klar.
Herald: Und zwar die erste Frage aus dem
-
Internet: Wie müsste denn die
Impfstoffentwicklung weiter gefasst sein,
-
um die medizinische Forschung organisiert
werden, um gleichzeitig performanter als
-
auch... performant als auch finanziert
werden zu können?
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Anne: Ja, also die Frage der Finanzierung
ist die, die uns immer wieder gestellt
-
wird und das Interessante ist ja, dass die
Annahme, dass ohne Pharmaindustrie keine
-
Forschung stattfinden würde, einfach ein
Mythos ist. Aus unserer Sicht, und das ist
-
von vielen in den letzten Jahren
durchgerechnet worden und es gibt auch bei
-
der Weltgesundheitsorganisation wichtige
Stimmen, die das immer wieder
-
unterstreichen. Wäre es absolut
finanzierbar, die Forschung an
-
essentiellen Arzneimitteln aus dem
öffentlichen Budget zu finanzieren, weil
-
wir einfach sehr viel Geld sparen würden,
weil die Medikamentenpreise sinken würden
-
und weil ja jetzt schon auch sehr viel
öffentliche Mittel bereitgestellt werden.
-
Und wenn man das gegeneinander rechnet,
kriegt man da ein ganz gutes Ergebnis.
-
Dazu kommt ja auch, dass es ja nicht darum
geht, jetzt die Pharmaindustrie zu
-
enteignen. Das wäre sicherlich auch mal
eine Überlegung wert, lacht das in Angriff
-
zu nehmen. Aber zunächst geht es ja darum,
dass die Pharmaindustrie weiter auch durch
-
den Vertrieb und die Produktion von
Medikamenten Geld verdient. Die Forderung,
-
die im Moment im Raum steht, ist ja vor
allen Dingen die, in deren Abgabepreisen
-
zu deckeln.
Herald: Danke! Die Anschlussfrage dazu:
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Jetzt stellen die Regierungen öffentliche
Mittel bereit für die Entwicklung, müsste
-
das dann nicht auch ein Allgemeingut sein?
Anne: Genau, also das ist genau der Kern.
-
Danke für diese Frage. Dass wir im Moment
die Situation haben, dass sozusagen die
-
gesellschaftlichen Risiken werden so
vergesellschaftet. Ja, wir tragen das
-
alles. Es gab auch Versuche von der
Pharmaindustrie zu sagen, dass alleine die
-
Gesellschaft für die Spätfolgen von
Impfungen beispielsweise verantwortlich
-
gemacht werden soll und sie da auch raus
sind. Und die Gewinne werden privatisiert
-
und das gibt ein Missverhältnis, was
einfach nicht in Ordnung ist. Und das
-
Absurde ist halt im Moment, dass es ganz
viele Verträge gibt, auch der
-
Bundesregierung, mit Pharmaunternehmen, und
wir einfach gar nicht wissen, was da genau
-
drinsteht und welcher finale Abgabepreis
für die verschiedenen Impfstoffe da
-
eigentlich geregelt wurde. Das heißt also,
dass die Vergaberichtlinien da überhaupt
-
nicht eingehalten werden, sondern dass da
ein großes Geheimnis draus gemacht wird.
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Und das ist gleichzeitig einfach auch ein
Demokratiedefizit.
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Herald: Stimmt. Dazu passt auch eine
andere Frage. Falls die Patente dann
-
freigegeben werden könnten, hätten denn
die ärmeren Länder überhaupt die
-
Möglichkeit, den Impfstoff selbst
herzustellen? Müsste dann nicht auch
-
wieder eine Entwicklungshilfe stattfinden?
Anne: Also nicht automatisch, das ist
-
klar. Also beispielsweise auf dem
afrikanischen Kontinent, wo ich mich jetzt
-
besser auskenne, weil ich eben bei medico
seit vielen Jahren auch für diese Region
-
zuständig bin, gibt es sehr wenig
Produktionskapazitäten. Und dazu kommt,
-
dass ja einige der Impfstoffe auch
ausgesprochen komplex sind, wo man nicht
-
einfach sagen kann, ähnlich wie bei einer
Textilfabrik, man stellt da irgendeine
-
Fabrik hin und nach drei Wochen kann man
diesen Impfstoff da produzieren. Man hätte
-
das viel früher anfangen müssen, schon im
März, als die Pandemie ausgebrochen ist.
-
Dennoch ist es natürlich total wichtig,
auch über Corona hinaus zu denken und da
-
in Form von Wirtschaftshilfe auch
Veränderungen herbeizuführen. Aber es gibt
-
z.B. in asiatischen Ländern wie in Indien
und Bangladesch ziemlich gute Fabriken. Es
-
wird auch der Impfstoff ja zum Teil da
schon hergestellt, vor allen Dingen in
-
Indien, dass diese Produktion ist eher
geschwächt worden, wiederum durch das
-
rigide Patentmanagement. Wenn das nicht da
wäre, wäre das für viele auch ärmere
-
Länder jetzt schon möglich, auch
komplexere Arzneimittel selber zu
-
produzieren.
Herald: Anschlussfrage dazu bzw. eine
-
andere Frage, die ich hoffentlich nicht
über das Thema hinausgeht. Wie hat es dann
-
mit, sagen wir mal, Produktionsengpässen
in Indien und Co zusammenzuhängen?
-
Anne: Die Frage hab ich nicht genau
verstanden. Mit was für
-
Produktionsengpässen?
Herald: Medikamentenproduktionsengpässe
-
zum Beispiel.
Anne: Naja was den Corona-Impfstoff
-
anbelangt ist es halt so, und das ist ja
total interessant, jetzt gerade gestern
-
nochmal auf die Nachrichten in Deutschland
zu gucken, das ja jetzt schon auch
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Biontech nicht der Lage ist, ausreichend
schnell den Impfstoff herzustellen, noch
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nicht mal für den deutschen Bedarf.
Deswegen wird jetzt überlegt das nach
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Marburg und andere Orte auszulagern. Und
hier hat plötzlich jemand von der FDP,
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also bekannt wirklich als die Partei des
Neoliberalismus gesagt, man müsste jetzt
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über Lizenzen nachdenken. Das ist
natürlich wirklich absolut unglaublich.
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Ja, jetzt seit Monaten fordert die
Weltgesundheitsorganisation, fordern
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Hunderte von Ländern aus dem globalen
Süden ein, dass es Zwangslizenzen gibt,
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dass sozusagen das Rezept des Impfstoffes
auch weitergegeben wird, weil es schwierig
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ist, einfach mit einem Menschheitsproblem
zu tun haben, was unbedingt gelöst werden
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muss. Also mit einem globalen Problem. Und
jetzt wird es in Deutschland eng und
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plötzlich spricht man über so
weitreichende Maßnahmen. Das zeigt
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gleichzeitig, auch wenn natürlich
Christian Lindner nicht in der
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Regierungsverantwortung ist, das
Kernproblem ist im Moment, dass es an
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einem politischen Willen fehlt. Die
Rahmenbedingungen würden sich schaffen
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lassen. Dafür kann man auch Mittel
bereitstellen. Aber es ist einfach so,
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dass man im Moment resümieren muss, dass
die Industrienation es einfach nicht
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machen wollen.
Herald: Unsere nächste Frage ist noch: Wie
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viele Unternehmen sind denn insgesamt an
TRIPS, beteuert TRIPS beteiligt? Wie groß
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ist denn die Gewinn? Der Gewinnzuwachs
ungefähr?
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Anne: Also das ist nicht so, dass man
sagen kann, dass nur die Unternehmen, die
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jetzt das TRIPS-Abkommen bei der WTO in
den Neunzigerjahren so gepusht haben,
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daran beteiligt sind, sondern die
Vorzüge für die Unternehmen gelten ja für
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alle Unternehmen. Es gab aber eben, und
das fand ich interessant eben nochmal
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anzugucken auch jetzt für den Vortrag bei
euch heute, eine kleine Gruppe von
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Unternehmen, die wirklich so eine Art
Lobbyverband gegründet haben, nur mit dem
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Ziel, eben besonders scharfes TRIPS-
Abkommen hinzukriegen, dass besonders
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strenge Patentschutzvorgaben vorsieht und
eben den Schutz des sogenannten geistigen
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Eigentums vorantreibt. Und dieser Gruppe
von Unternehmen, die das besonders gepusht
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haben, war eben das Pharmaunternehmen
Pfizer auch dabei und auch Microsoft. Aber
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grundsätzlich ist es so, dass die Vorteile
für Unternehmen und die Nachteile eben im
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Bereich der Medikamentenproduktion
für die allgemeine
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Bevölkerung gleichermaßen gilt.
Herald: Dazu noch eine andere Möglichkeit
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aus dem Chat. Jemand fragt, dürfte eine
Firma gegen Patentzahlungen, also ich
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glaube, da geht es um Lizenzierung von dem
Patent, nicht auch den Impfstoff
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herstellen und wäre nicht das auch noch
eine Möglichkeit? Ich glaube das wäre auch
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noch so eine so eine Subventionsfrage.
Anne: Also das wäre auf jeden Fall eine
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Möglichkeit. Das ist ja, im Prinzip geht
das ja genau in die Richtung von dem, was
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die Weltgesundheitsorganisation auch
vorschlägt, die ja auch keineswegs jetzt
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gerade dabei ist, den Sozialismus
auszurufen, sondern einfach einen sehr
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pragmatischen, sehr klugen Vorschlag
gemacht hat, wie möglichst schnell ein
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möglichst sicherer Impfstoff an möglichst
viele Menschen gerecht in der Welt
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verteilt werden kann. Also eine völlig
vernünftige Forderung, die da aufgestellt
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wurde. Und es ist aber so, dass eben diese
Lizenzen können entweder freiwillig
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rausgerückt werden von den
Pharmaunternehmen. Das passierte
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ja auch in der Vergangenheit. Bei HIV,
AIDS Medikamenten, aber auch bei ganz
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vielen anderen Medikamenten gab es eben
diese Lizenz-Zahlung an das
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Kernunternehmen oder das Unternehmen, das
ursprünglich an der Entwicklung beteiligt
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war. Und dann wurde eben an anderen Orten
auch produziert. Aber im Moment ist es so,
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dass die meisten Firmen das nicht wollen.
Also AstraZeneca hat das gemacht.
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Deswegen wird ja in Indien auch schon
relativ viel Impfstoff produziert. Aber
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viele andere Unternehmen verweigern das.
Und die Politik hat eben auf ganz
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unterschiedlichen Ebenen die
Möglichkeiten, da einzugreifen. Ja, das
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darf man nicht vergessen. Also es gibt
immer so eine Vorstellung von der
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Übermacht der Industrie. Das ist ja gar
nicht der Fall, sondern es gibt eben
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Ausnahmeregelungen, sowohl beim TRIPS-
Abkommen, es gibt die Möglichkeit auch
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über die WHO zu sagen, wir haben es mit
einem globalen Gesundheitsnotstand zu tun.
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Da gibt es bestimmte Maßnahmen, die
ergriffen werden können und selbst im
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Infektionsschutzgesetz in Deutschland sind
solche Möglichkeiten vorgesehen. Und wenn
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man das alles sich genauer ansieht, was es
an Optionen gäbe, kommt man immer wieder
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zu dem gleichen Schluss, nämlich dass die
Politik in den Industrienationen einfach
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sehr bewusste Entscheidung getroffen hat,
dem Recht auf Gewinne für die
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Pharmaunternehmen eine Priorität
einzuräumen, obwohl es einfach auch aus
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epidemiologische Perspektive, von
Gerechtigkeit noch ganz zu schweigen,
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einfach überhaupt keinen Sinn macht.
Herald: Dazu eigentlich auch passend die
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Frage, ob ärmere Länder nicht einfach das
Patent ignorieren könnten, nicht unbedingt
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auf Corona bezogen, sondern ganz
allgemein.
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Anne: Also es geht also erst einmal es gab
es gibt z.B. jetzt geregelt natürlich
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Ausnahmeregelungen in der Vergangenheit
immer wieder für die allerärmsten Länder.
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Die haben das häufig über Jahre erstritten
und auch mit einem hohen Preis gezahlt,
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weil man darf nicht vergessen, dass dieser
Titel Patente töten ja sehr wörtlich zu
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verstehen ist, dass in den letzten
Jahrzehnten einfach Hunderttausende, wenn
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nicht Millionen Menschen gestorben sind,
weil sie einfach keinen Zugang hatten zu
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günstigen Arzneimitteln. Und es ist
einfach so, dass die Gefahr für diese
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armen Länder sehr groß ist. Also erstmal
ist es so bei dem Coronaimpfstoff, das
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können die gar nicht einfach so machen.
Ja, wo sollen sie's herkriegen? Man könnte
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aufrufen dazu, sozusagen das in der Fabrik
zu stehlen und das dann einfach
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weiterzugeben. Aber auch dann wäre das
wahrscheinlich gar nicht so einfach
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möglich. Wenn Länder gesagt haben, wir
müssen jetzt Medikamente herstellen, das
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ist einfach im Gesundheitsinteresse
unserer Bevölkerung absolut notwendig, ist
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es so, dass sie wahnsinnig unter Druck
gesetzt wurden. Ihnen wurden die
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Entwicklungshilfegelder gestrichen.
Sie wurden mit Klagen überzogen und so
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weiter. Das ist wirklich eine sehr
gefährliche Sache. Man hat das schon bei
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ganz banaleren Sachen gesehen, um nur um
das mal klarzumachen, was das bedeutet. In
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Mexiko zum Beispiel hat die Regierung
irgendwann mal so einen besonders krassen
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Zucker verboten, der aus den USA
importiert wurde, weil dort die Menschen
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so stark am Diabetes II erkrankt sind.
Daraufhin hat dann unter Bezugnahme auf
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das Freihandelsabkommen NAFTA, das auch so
ein Abkommen, das kennen vielleicht einige
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auch, die amerikanische Zuckerindustrie
die Regierung von Mexiko verklagt. Und die
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haben Millionen an Strafe bezahlen müssen,
weil sie ein Gesetz verabschiedet haben,
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das die Gesundheit ihrer eigenen
Bevölkerung schützt. Ja, so sind diese
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Abkommen gestrickt. Und das ist eben eine
politische Entscheidung gewesen, die das
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möglich gemacht hat, dass sie so gestrickt
sind. Und deswegen ist es total wichtig,
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dass in all diesen Verträgen immer die
Frage von Menschenrechten und jetzt bei
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dem Thema, was wir heute besprechen dem
Menschenrecht auf Gesundheit die Priorität
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eingeräumt wird. Herald: Ja, ich sehe
gerade an der Stelle, ist uns, geht uns
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leider die Zeit aus. Vielen Dank nochmal
für den spannenden Vortrag.
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Anne: Danke für die Fragen.
Herald: Wir haben noch einige Fragen
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übrig. Haben dafür aber jetzt leider keine
Zeit.
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Anne: Also gern per E-Mail. Oder ich. Denn
wir sind ja unter www.medico.de
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erreichbar. Ihr könnt die Fragen gerne per
E-Mail schicken oder über andere Kanäle.
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Dann können wir die noch beantworten.
Herald: Oh das ist supernett, dann an der
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Stelle an den Chat, an die Leute vor den
Streams. Ihr könnt gerne über die medico
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Website fragen an die Anne stellen. Und
hier geht's weiter mit Herald News Show.
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Ich wünsche euch noch einen angenehmen
Tag, habt noch viel Spaß im Restinternet
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und Ciao und bis bald.
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Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de
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