Wie man ein Gespräch mit Menschen unterschiedlicher Meinung führt
-
0:01 - 0:06Im Vorfeld der Wahlen 2016
beobachtete ich, wie viele andere, -
0:06 - 0:11wachsende Zwietracht, Schärfe
und Bosheit in der öffentlichen Debatte. -
0:11 - 0:14Es war eine irre Steigerung
der Polarisierung, -
0:15 - 0:18entmutigend und bestürzend.
-
0:18 - 0:22Und so überlegten mein Kollege
Jeremy Hay und ich, -
0:22 - 0:25wie wir in unserem Beruf
andere Wege gehen, -
0:25 - 0:28wie wir zu den Gräben,
den Brennpunkten gelangen könnten, -
0:28 - 0:30was Journalisten eben tun,
-
0:30 - 0:33aber wie wir dort
ganz anders ansetzen könnten. -
0:34 - 0:37Wir würden unser
Basis-Handwerkszeug verwenden: -
0:37 - 0:41sorgfältige Prüfung von Informationen,
Recherche, Neugier, -
0:41 - 0:45die Verpflichtung, dem öffentlichen Wohl,
der Demokratie zu dienen -
0:45 - 0:47und etwas Neues zu tun.
-
0:47 - 0:51So entwarfen wir den Prozess,
den wir Dialog-Journalismus nennen, -
0:51 - 0:54um an sozialen und
politischen Brennpunkten -
0:54 - 0:57mit Menschen
ganz unterschiedlicher Meinung -
0:57 - 1:01Gespräche zu polarisierenden Themen
unter journalistischer Leitung zu führen. -
1:04 - 1:08Doch wie sollten wir das
in einer so tief gespaltenen Welt tun, -
1:09 - 1:14in einer Welt, in der Cousins, Onkel
und Tanten nicht miteinander reden können, -
1:14 - 1:18in der wir oft in völlig verschiedenen
Nachrichten-Ökosystemen leben -
1:18 - 1:22und reflexartig alle,
deren Meinung wir nicht teilen, -
1:22 - 1:24schlechtmachen und ablehnen?
-
1:25 - 1:26Doch wir wollten es versuchen.
-
1:26 - 1:32Gleich nach den Wahlen 2016,
in der Zeit vor der Amtseinführung, -
1:32 - 1:36taten wir uns zu diesem Zweck
mit der Alabama Media Group zusammen. -
1:37 - 1:40Wir brachten 25 Trump-Anhänger aus Alabama
-
1:40 - 1:43mit 25 Clinton-Anhängern
aus Kalifornien zusammen -
1:44 - 1:47und zwar in einer geschlossenen
Facebook-Gruppe mit Moderation, -
1:48 - 1:50die einen Monat offen blieb.
-
1:52 - 1:54Wir wollten einen Raum schaffen,
-
1:54 - 1:57wo sie sich mit Neugier und
Offenheit begegnen konnten. -
1:57 - 2:00Und wir wollten,
dass sie Beziehungen eingehen -- -
2:00 - 2:02untereinander und mit uns Journalisten.
-
2:03 - 2:06Wir wollten auch Fakten
und Informationen liefern, -
2:06 - 2:09die sie aufnehmen, verarbeiten
-
2:09 - 2:12und zum Untermauern
ihrer Gespräche nutzen konnten. -
2:13 - 2:18Als Einführung der Gespräche,
als Schritt 1 des Dialog-Journalismus, -
2:19 - 2:23fragten wir, was ihrer Meinung nach
die andere Seite von ihnen halte. -
2:24 - 2:27Als wir die Trump-Anhänger
aus Alabama fragten, -
2:27 - 2:30was die Clinton-Anhänger
aus Kalifornien von ihnen hielten, -
2:30 - 2:32sagten sie etwa das:
-
2:32 - 2:35"Sie glauben, wir sind
religiöse Fundamentalisten, -
2:35 - 2:38hinterwäldlerisch und dumm,
-
2:38 - 2:40haben Südstaaten-Flaggen im Garten,
-
2:40 - 2:43wir sind Rassisten, Sexisten
und ungebildet. -
2:43 - 2:47Wir sind barfuß, schwanger,
haben ungepflasterte Einfahrten. -
2:47 - 2:49Wir sind zimperliche Vollpfosten,
-
2:49 - 2:52tragen Reifröcke und haben
Baumwollfelder hinterm Haus." -
2:53 - 2:56Dann stellten wir
den Kalifornien dieselbe Frage: -
2:56 - 2:58"Was halten wohl
die aus Alabama von euch?" -
2:59 - 3:02Sie sagten: "Dass wir verrückte,
liberale Kalifornier sind. -
3:02 - 3:05Nicht patriotisch. Snobistisch und elitär.
-
3:05 - 3:08Gottlos und freizügig mit den Kindern.
-
3:08 - 3:11Für Karriere und nicht für Familie.
-
3:11 - 3:14Elitäre, abgehobene Intellektuelle,
-
3:14 - 3:17reich, Bio-Freaks, echt realitätsfern."
-
3:20 - 3:23Dank solcher Anfangsfragen
-
3:23 - 3:26und durch Bewusstmachung
und Austausch von Stereotypen -
3:27 - 3:29sehen Menschen auf allen Seiten
-
3:29 - 3:34ihre eigenen vereinfachten,
oft kleinlichen Zerrbilder. -
3:34 - 3:38Danach können wir den
echten Gesprächsprozess starten. -
3:41 - 3:44Seit Beginn des Projekts vor zwei Jahren
-
3:44 - 3:49organisieren wir landesweit Dialoge und
Partnerschaften mit Medienorganisationen. -
3:49 - 3:54Es geht um höchst umstrittene Themen:
Waffen, Immigration, Rassismus, Bildung. -
3:56 - 4:01Und es ist bemerkenswert --
echter Dialog ist tatsächlich möglich. -
4:01 - 4:05Mit der richtigen Gelegenheit
und der nötigen Struktur -
4:05 - 4:09sind viele -- nicht alle -- gern bereit,
sich auf den anderen einzulassen. -
4:13 - 4:15Allzu oft vertiefen
Journalisten die Gräben: -
4:15 - 4:19aus Sensationslust, wegen der Leser,
um Vorurteile zu bedienen. -
4:20 - 4:22Zu oft gehen wir von Partei zu Partei,
-
4:22 - 4:25lassen je einen Vertreter zu Wort kommen,
-
4:25 - 4:28beginnen mit einer Anekdote,
enden mit einer Pointe -
4:28 - 4:31und der Leser findet freudig
seine Meinung bestätigt. -
4:32 - 4:36Doch unser Dialogprozess hat
ein anderes Tempo und einen anderen Fokus. -
4:37 - 4:40Das Prinzip unserer Arbeit:
-
4:40 - 4:45Dialog ist trotz Differenzen wesentlich
für eine funktionierende Demokratie. -
4:45 - 4:49Journalismus und Journalisten haben dabei
eine komplexe Rolle zu spielen -
4:51 - 4:53Wie arbeiten wir?
-
4:54 - 4:57Wir achten jederzeit
auf größtmögliche Transparenz -
4:57 - 4:59bei Methoden und Motiven.
-
4:59 - 5:04Wir beantworten jederzeit Fragen,
erklären, warum wir was tun. -
5:04 - 5:09Wir versichern, dass es keine Falle ist:
Niemand wird für dumm verkauft. -
5:09 - 5:11Jede Erfahrung ist wichtig.
-
5:12 - 5:15Und wir bitten immer um anderes Benehmen,
-
5:15 - 5:18weg von den reflexartigen Beschimpfungen,
-
5:18 - 5:20die wir so verinnerlicht haben,
-
5:20 - 5:25so dass wir sie nicht mehr wahrnehmen,
egal auf welcher Seite wir stehen. -
5:26 - 5:29Viele kommen ziemlich wütend
zu den Gesprächen. -
5:29 - 5:33Sie sagen etwa: "Wie kann man X glauben?
Wie kann man Y lesen? -
5:33 - 5:36Ist das tatsächlich so passiert?"
-
5:37 - 5:40Doch normalerweise
stellen wir immer voller Freude fest, -
5:40 - 5:43dass sich die Leute vorstellen.
-
5:43 - 5:45Sie sagen, wer sie sind, woher sie kommen,
-
5:45 - 5:48sie beginnen, einander Fragen zu stellen.
-
5:48 - 5:52Mit der Zeit kommen sie immer wieder
auf schwierige Themen zurück, -
5:52 - 5:57jedes Mal mit etwas mehr Empathie,
mehr Detail, mehr Neugier. -
5:57 - 6:01Unsere Journalisten und Moderatoren
unterstützen das aus Kräften, -
6:01 - 6:06denn das ist keine Debatte, kein Kampf,
keine Talkshow am Sonntagmorgen, -
6:06 - 6:08kein Abhaken von Gesprächsthemen,
-
6:09 - 6:13keine Flut von Memes und GIFs
oder Artikeln mit griffigen Schlagzeilen. -
6:14 - 6:17Und es geht nicht um
politische Siege durch Fangfragen. -
6:20 - 6:25Wir haben bemerkt, dass unsere
Zwietracht allen schadet. -
6:25 - 6:29Sie ist ein Zustand tiefen Unglücks.
Das hören wir immer wieder. -
6:30 - 6:32Viele sagen, sie schätzten die Chance,
-
6:32 - 6:35voll Respekt, Neugier
und Offenheit zu interagieren. -
6:35 - 6:39Sie seien froh und erleichtert,
die Waffen senken zu können. -
6:40 - 6:41Wir tun unsere Arbeit
-
6:41 - 6:45als Kampfansage gegen das
politische Klima in unserem Land. -
6:45 - 6:48Dabei wissen wir, wie schwierig es ist,
-
6:48 - 6:52Menschen verschiedener Herkunft
im Gespräch zu halten und zu unterstützen. -
6:53 - 6:57Und wir wissen: Demokratie
hängt von unserer Fähigkeit ab, -
6:57 - 6:59gemeinsame Probleme
zusammen anzugehen. -
7:00 - 7:04Dazu stellen wir Gemeinschaft ins
Zentrum des journalistischen Prozesses: -
7:04 - 7:07Wir stellen unser Ego zurück
und hören ganz genau zu, -
7:07 - 7:12durchleuchten unsere Vorurteile
und Gedankenmuster -
7:12 - 7:14und ermuntern auch andere dazu.
-
7:16 - 7:20Wir tun dies, weil der Journalismus
als Institution angefochten wird; -
7:20 - 7:23er hatte immer eine Rolle zu spielen
und das wird so bleiben, -
7:23 - 7:27um den Austausch von Ideen
und Meinungen zu unterstützen. -
7:28 - 7:32Bei vielen Gruppenteilnehmern
wirken die Treffen nach. -
7:33 - 7:35Viele werden über politische Grenzen
-
7:35 - 7:37Freunde auf Facebook
oder im wirklichen Leben. -
7:37 - 7:40Nach dem ersten Trump-Clinton Projekt
-
7:41 - 7:44gründeten etwa zwei Drittel
der Frauen Facebook-Gruppen, -
7:44 - 7:46wählten einen Moderator aus jedem Staat
-
7:46 - 7:49und diskutieren weiter
über kontroverse Themen. -
7:50 - 7:54Menschen erzählen uns immer wieder
sie seien dankbar dafür, mitzumachen, -
7:55 - 7:58zu wissen, dass die anderen
nicht verrückt sind, -
7:58 - 8:01und für die Chance,
sich mit anderen zu vernetzen, -
8:01 - 8:03mit denen sie sonst nicht geredet hätten.
-
8:05 - 8:07Was wir gesehen und erfahren haben,
-
8:07 - 8:10ist trotz unseres Namens
"Spaceship Media" keine Sci-Fi. -
8:11 - 8:14Wenn man andere beschimpft
oder in eine Schublade steckt, -
8:14 - 8:16werden sie einem nicht zuhören.
-
8:16 - 8:20Häme hilft nicht, Scham hilft nicht,
Herablassung hilft nicht. -
8:22 - 8:25Echte Kommunikation
benötigt Übung und Einsatz, -
8:25 - 8:27Beherrschung und Selbstwahrnehmung.
-
8:28 - 8:32Kein Algorithmus kann
unsere Situation lösen. -
8:32 - 8:36Denn echte menschliche Bindung
ist eben echte menschliche Bindung. -
8:37 - 8:41Seien Sie neugierig, legen Sie Wert
auf Diskussion, nicht Debatte, -
8:41 - 8:43reißen Sie innere Mauern nieder,
-
8:44 - 8:48denn echte Bindung
über alle Differenzen hinweg -
8:48 - 8:51ist die Arznei, die unsere
Demokratie dringend braucht. -
8:52 - 8:54Danke.
-
8:54 - 8:55(Applaus)
- Title:
- Wie man ein Gespräch mit Menschen unterschiedlicher Meinung führt
- Speaker:
- Eve Pearlman
- Description:
-
Wie können wir in einer tief gespaltenen Welt mit Subtilität, Neugierde und Respekt harte Gespräche führen? Die langjährige Reporterin Eve Pearlman stellt den "Dialog-Journalismus" vor, ein Projekt, bei dem Journalisten mitten in soziale und politische Untiefen eintauchen, um bei Diskussionen zwischen Menschen unterschiedlicher Meinungen zu vermitteln. Wir beobachten eine Gruppe, die sich unter normalen Umständen nie getroffen hätte - 25 Liberale aus Kalifornien und 25 Konservative aus Alabama - und die über kontroverse Themen diskutiert. "Eine echte Verbindung über Differenzen hinweg: eine Arznei, den unsere Demokratie dringend braucht", so Pearlman.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 09:09
Andrea Hielscher edited German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
Andrea Hielscher approved German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
Andrea Hielscher edited German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
Andrea Hielscher edited German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
FAE Weiden accepted German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
FAE Weiden edited German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
FAE Weiden edited German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree | ||
FAE Weiden edited German subtitles for How to lead a conversation between people who disagree |