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Robert Wright: Die Evolution des Mitgefühls

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    Ich werde über Mitgefühl und über die Goldene Regel sprechen,
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    und zwar aus einem weltlichen und sogar einer ziemlich wissenschaftlichen Blickwinkel.
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    Ich werde versuchen, Ihnen ein bisschen Naturgeschichte
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    über Mitgefühl und die Goldene Regel zu vermitteln.
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    Deshalb werde ich manchmal eine eher klinische Sprache verwenden
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    und so wird es Ihnen vielleicht nicht so warm ums Herz
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    wie bei anderen Gesprächen über Mitgefühl.
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    Ich will sie nur davor warnen.
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    Zu Beginn will ich sagen, dass ich denke, Mitgefühl ist toll.
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    Die Goldene Regel ist toll. Ich unterstütze beides sehr.
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    Un dich denke, es ist großartig, dass die Weltreligionen,
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    die Führer der Religionen dieser Welt
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    Mitgefühl und die Goldene Regel als grundlegende Prinzipien bekräftigen,
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    als festen Bestandteil ihres Glaubens.
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    Gleichzeitig glaube ich, den Religionen gebührt nicht die ganze Ehre.
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    Ich denke, die Natur hat ihren Teil dazu beigetragen.
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    Ich werde heute behaupten, dass Mitgefühl und die Goldene Regel
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    in gewissem Sinn in die menschliche Natur eingebaut sind.
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    Okay. Aber ich werde auch behaupten, dass,
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    wenn Sie einmal den Sinn verstehen, wie sie Bestandteil der menschlichen Natur sind,
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    Sie verstehen, dass es wirklich nicht genug ist,
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    Mitgefühl und die Goldene Regel zu betonen.
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    Es gibt noch eine Menge mehr zu tun. Okay.
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    Also ein kleiner Abriss der Naturgeschichte, als erstes: Mitgefühl.
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    Am Anfang war das Mitgefühl,
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    und damit meine ich nicht erst, als die ersten Menschen auftauchten,
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    sondern tatsächlich bereits davor.
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    Wahrscheinlich waren in der menschlichen Evolutionslinie,
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    sogar bevor der Homo Sapiens existierte,
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    Gefühle wie Mitgefühl und Liebe und Sympathie
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    bereits auf eine Art im Gen-Pool vorhanden,
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    und Biologen haben eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie das geschah.
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    Es geschah durch ein Prinzip, das als Verwandtenselektion bekannt ist.
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    Die grundlegende Idee der Verwandtenselektion ist,
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    dass, wenn ein Tier Mitgefühl für einen nahen Verwandten empfindet
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    und dieses Mitgefühl dazu führt, dass das Tier dem Verwandten hilft,
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    dann hilft das Mitgefühl schlussendlich dem Fortbestehen der Gene
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    und das ist die Grundlage für das eigentliche Mitgefühl.
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    Vom Standpunkt eines Biologen aus ist Mitgefühl
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    die Methode der Gene, sich selbst zu helfen. Okay.
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    Ich habe Sie gewarnt, dass es nicht warm und romantisch wird. Okay.
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    Ich komme dazu. Ich hoffe, es wird noch ein bisschen wärmer.
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    Für mich ists das nicht – es stört mich nicht so sehr,
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    dass die grundlegende darwinistische Begründung von Mitgefühl
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    eine Art Selbsthilfe auf genetischer Ebene ist.
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    Genau genommen denke ich, das Schlechte an Verwandtenselektion ist nur,
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    dass es heisst, dass diese Art von Mitgefühl,
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    auf natürliche Weise nur in der Familie zum Einsatz kommt.
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    Das ist die schlechte Nachricht. Die Gute ist, Mitgefühl ist etwas natürliches.
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    Die schlechte Nachricht ist, dass Mitgefühl aus Verwandtenselektion
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    naturgemäß auf die Familie begrenzt ist.
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    Es gibt aber mehr gute Nachrichten, die später in der Evolution hinzu kamen,
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    eine Art sekundäre evolutionäre Logik.
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    Biologen nennen das gegenseitigen Altruismus. Okay.
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    Und hier ist die grundsätzliche Idee,
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    dass Migefühl zu guten Taten für Menschen führt, die sich dafür revanchieren werden.
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    Auch das, wir wissen es alle, ist nicht so eine inspirierende Vorstellung von Mitgefühl,
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    wie Sie sie vielleicht früher schon gehört haben,
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    aber vom Standpunkt eines Biologen ist diese Art von gegenseitigem altruistischen Mitgefühl
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    letztendlich auch eigennützig.
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    Nicht, dass die Menschen das denken, wenn sie Mitgefühl empfinden.
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    Es ist nicht bewusst eigennützig, aber für einen Biologen ist das die Logik.
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    Und deshalb entwickelt man Mitgefühl zusätzlch am ehesten für Freunde und Verbündete.
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    Ich bin sicher, viele von Ihnen fühlen sich wirklich schlecht, wenn einem nahen Freund
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    etwas sehr schlimmes passiert.
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    Aber wenn Sie in der Zeitung lesen,
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    dass jemandem, von dem Sie nie gehört haben, etwas wirklich schlimmes passiert ist,
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    dann können Sie damit wahrscheinlich leben. Okay.
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    Das ist bloss die menschliche Natur.
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    Also noch eine gute und schlechte Nachricht.
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    Es ist gut, dass das Mitgefühl durch diese Art von evolutionärer Logik
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    über die Familie hinaus geht.
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    Die schlechte Nachricht ist, das führt uns nicht zu einem unabhängigen allumfassenden Mitgefühl.
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    Also gibt es immer noch etwas zu tun.
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    Aus dieser Dynamik des gegenseitigen Altruismus resultiert noch etwas anderes,
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    von dem ich denke, dass es eine gute Nachricht ist,
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    nämlich dass die Weise, wie sich das in der menschlichen Art entwickelt hat,
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    zu einer Art intuitiven Anerkennung der Goldenen Regel geführt hat.
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    Ich meine damit nicht, dass die Goldene Regel selber in unseren Genen steckt,
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    aber wenn Sie sich eine Jäger- und Sammler-Gesellschaft ansehen,
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    die keiner der großen religiösen Traditionen ausgesetzt war,
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    keiner ethischen Philosophie,
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    wenn Sie Zeit mit diesen Menschen verbringen, werden Sie herausfinden,
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    dass sie daran glauben, dass gute Taten weitere gute Taten verdienen
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    und dass schlechte Taten bestraft werden sollten.
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    Evolutionspsychologen denken, dass diese Intuition in den Genen verankert ist.
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    Sie verstehen also, dass, wenn sie gut behandelt werden wollen,
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    sie andere gut behandeln müssen.
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    Und es ist gut, andere Menschen gut zu behandeln.
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    Das ist sehr nah an einer Art eingebauten Intuition.
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    Das ist also die gute Nachricht. Wenn Sie gut aufgepasst haben,
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    ahnen Sie wahrscheinlich, dass es hierzu auch eine schlechte gibt, okay,
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    dass wir immer noch nicht bei der allumfassenden Liebe sind,
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    und das stimmt, denn auch wenn die Anerkennung der Goldenen Regeln natürlich ist,
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    ist es auch natürlich, Ausnahmen von der Goldenen Regel zu machen. Okay.
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    Ich meine, wahrscheinlich möchte keiner von uns ins Gefängnis gehen,
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    aber wir denken alle, dass es Leute gibt, die im Gefängnis sein sollten, richtig?
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    Also denken wir, dass wir sie anders behandeln sollten, als wir behandelt werden wollen.
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    Nun, wir haben eine Begründung dafür.
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    Wir sagen, sie haben schlimme Dinge getan, die es rechtfertigen, dass sie im Gefängnis sein sollten.
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    Niemand von uns weitet die Goldene Regel wirklich weitreichend und allumfassend aus.
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    Wir haben die Fähigkeit, Ausnahmen zu machen,
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    Menschen in besondere Kategorien einzuteilen.
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    Das Problem ist, obwohl wir dieses objektive Rechtssystem haben,
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    um Menschen ins Gefängnis zu schicken
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    und, wissen Sie, um zu bestimmen, wer von der Goldenen Regel ausgeschlossen wird,
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    verwenden wir im täglichen Leben eine viel grobere Formel,
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    um diese Entscheidungen zu treffen,
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    auf wen wir die Goldene Regeln nicht ausweiten.
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    Grundsätzlich geht es darum, wenn Sie mein Feind oder mein Rivale sind,
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    wenn Sie nicht mein Freund sind oder zu meiner Familie gehören,
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    tendiere ich viel weniger dazu, die Goldene Regel auf Sie anzuwenden. Okay.
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    Wir tun das alle
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    und man sieht es überall auf der Welt.
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    Sie sehen es im Mittleren Osten.
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    Menschen aus Gaza feuern Geschosse auf Israel ab.
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    Sie würden nicht wollen, dass jemand sie beschiesst, aber sie sagen,
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    «Nun, aber die Israeli, oder manche von ihnen, haben Dinge getan,
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    durch die sie einer speziellen Gruppe angehören.»
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    Die Israeli würden nicht wollen, dass man ihnen ein Embargo auferlegt,
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    aber sie zwingen es Gaza auf und sagen,
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    «Nun, die Palästinenser, oder manche von ihnen, haben sich das selbst zuzuschreiben.»
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    Diese Ausschlüsse von der Goldenen Regel sind es, die eine Menge der Probleme auf dieser Welt verursachen.
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    Und es ist natürlich, das zu tun.
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    Die Tatsache, dass die Goldene Regel sozusagen in uns steckt,
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    wird uns also nicht einfach so die allumfassende Liebe bringen.
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    Es wird die Welt nicht retten.
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    Ich habe aber noch eine gute Nachricht, die die Welt retten könnte. Okay.
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    Sitzen Sie schon auf der vordersten Kante Ihres Stuhls?
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    Sehr gut, denn bevor ich Ihnen die gute Nachricht präsentiere,
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    muss ich einen kleinen Umweg über akademisches Gelände machen.
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    Ich hoffe also, dass ich Ihre Aufmerksamkeit damit halten kann,
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    wie die Welt gerettet werden könnte.
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    Es geht um diese Nicht-Nullsummenspiele, über die Sie jetzt ein wenig gehört haben.
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    Nur eine kleine Einführung in die Spieltheorie.
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    Es wird nicht weh tun, okay.
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    Es geht um Nullsummen- und Nicht-Nullsummenspiele.
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    Wenn Sie fragen, welche Art von Situation
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    dazu führt, dass Menschen Freunde und Verbündete werden,
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    heisst die fachliche Antwort: Eine Nicht-Nullsummen-Situation.
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    Und wenn Sie fragen, welche Art von Situation
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    dazu führt, dass Menschen einander als Feinde definieren,
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    dann ist es eine Art Nullsummen-Situation.
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    Was also bedeuten diese Begriffe?
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    Ein Nullsummenspiel ist grundsätzlich das, was Sie im Sport kennen,
  • 8:01 - 8:03
    wo es einen Gewinner und einen Verlierer gibt.
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    Das heisst, ihre Ergebnisse heben sich auf. Okay.
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    Im Tennis ist jeder Punkt entweder gut für Sie und schlecht für den Gegner,
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    oder gut für ihn, schlecht für Sie.
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    So oder so, die Ergebnisse heben sich auf. Das ist ein Nullsummenspiel.
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    Wenn Sie nun aber im Doppel spielen,
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    ist die Person auf Ihrer Seite des Netzes
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    in einer Nicht-Nullsummen-Beziehung mit Ihnen.
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    Denn jeder Punkt ist entweder gut für Sie beide, win-win,
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    oder schlecht für Sie beide, lose-lose. Okay.
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    Das ist ein Nicht-Nullsummen-Spiel.
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    Und im wirklichen Leben gibt es viele Nicht-Nullsummenspiele.
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    In der Wirtschaftslehre, sagen wir, wenn Sie etwas kaufen,
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    heisst das, Sie wollen lieber die Ware als das Geld,
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    aber der Verkäufer will lieber das Geld als die Ware.
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    Sie fühlen sich beide als Gewinner. Okay.
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    In einem Krieg spielen zwei Verbündete ein Nicht-Nullsummenspiel.
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    Es ist entweder win-win oder lose-lose für sie.
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    Es gibt also eine Menge Nicht-Nullsummenspiele im realen Leben.
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    Und grundsätzlich könnte man das, was ich vorhin darüber sagte,
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    wie Mitgefühl und die Goldene Regel angewandt werden, neu formulieren,
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    indem man einfach sagt, Mitgefühl geschieht vor allem in Nicht-Nullsummen-Situationen,
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    in denen Menschen sich in einer potenziellen win-win Situation mit einem
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    ihrer Freunde oder Verbündeten wahrnehmen.
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    Die Anwendung der Goldenen Regel
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    geschieht am natürlichsten über diese Nicht-Nullsummen-Kanäle.
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    In einer Art Netz von Nicht-Nullsummenspielen
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    würde man also erwarten, dass Mitgefühl und die Goldene Regel
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    wie von Zauberhand funktionieren.
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    Bei Nullsummen-Kanälen würde man etwas anderes erwarten.
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    Okay. Jetzt sind Sie bereit für die gute Nachricht, von der ich sagte, sie könnte die Welt retten.
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    Und jetzt kann ich zugeben, dass sie das vielleicht auch nicht tut,
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    jetzt wo ich ihre Aufmerksamkeit hatte für drei Minuten theoretischen Zeugs.
  • 9:44 - 9:49
    Aber sie könnte es tun. Und die gute Nachricht ist,
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    dass die Geschichte naturgemäß diese Netze von Nicht-Nullsummenspielen erweitert hat,
  • 9:53 - 9:57
    diese Netze, die Kanäle für Mitgefühl sein können.
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    Sie können bis zur Steinzeit zurückblicken
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    und ich denke, durch die technologische Entwicklung, Straßen, das Rad, Schrift,
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    eine Menge Transport- und Kommunikationstechnologien
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    haben unaufhaltsam dazu geführt, dass sich mehr Menschen
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    in mehr Nicht-Nullsummen-Beziehungen befinden können
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    mit mehr und mehr Menschen über immer weitere Distanzen. Okay.
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    Das ist sozusagen die Geschichte der Zivilisation.
  • 10:23 - 10:28
    Deswegen ist die soziale Organisation über das Jäger- und Sammler-Dorf
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    zum antiken Staat, zum Imperium geworden und jetzt sind wir in einer globalisierten Welt.
  • 10:31 - 10:35
    Und die Geschichte der Globalisierung ist vor allem eine Geschichte von Nicht-Nullsummenspielen.
  • 10:35 - 10:37
    Okay. Sie haben wahrscheinlich schon vom Begriff der wechselseitigen Abhängigkeit gehört,
  • 10:37 - 10:41
    der in der modernen Welt verwendet wird. Es ist nur ein anderes Wort für Nicht-Nullsumme.
  • 10:41 - 10:44
    Wenn Ihre Glück in einer wechselseitigen Abhängigkeit zu jemandem steht,
  • 10:44 - 10:47
    dann leben Sie in einer Nicht-Nullsummen-Beziehung mit dem anderen.
  • 10:47 - 10:49
    Und das können Sie in der modernen Welt überall beobachten.
  • 10:49 - 10:51
    Sie haben es in der letzten Wirtschaftskrise gesehen,
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    wo schlechte Dinge mit der Wirtschaft geschehen,
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    schlecht für alle, für einen großen Teil der Welt.
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    Gute Dinge geschehen, sie sind gut für einen großen Teil der Welt.
  • 11:00 - 11:03
    Und wissen Sie, ich bin froh zu sagen, aus meiner Sicht gibt es wirklich Beweise,
  • 11:03 - 11:06
    dass diese Art von Nicht-Nullsummen-Verbindungen
  • 11:06 - 11:09
    die Spanne der Moral erweitern kann.
  • 11:09 - 11:12
    Ich meine, wenn Sie amerikanische Einstellungen
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    gegenüber Japanern im Zweiten Weltkrieg betrachten,
  • 11:16 - 11:18
    die Schilderungen über Japaner
  • 11:18 - 11:20
    in den amerikanischen Medien, quasi als Untermenschen
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    und die Tatsache betrachten, dass wir Atombomben abgeworfen haben,
  • 11:22 - 11:25
    ohne wirklich groß darüber nachzudenken.
  • 11:25 - 11:27
    Und dann vergleichen Sie das mit der heutigen Einstellung,
  • 11:27 - 11:30
    ich denke, teilweise hat das mit wirtschaftlichen Verflechtungen zu tun.
  • 11:30 - 11:33
    Jede Form der wechselseitigen Abhängigkeit, Nicht-Nullsummen-Beziehung,
  • 11:33 - 11:36
    zwingt einen, die Menschlichkeit der anderen anzuerkennen.
  • 11:36 - 11:38
    Ich denke, das ist eine gute Sache.
  • 11:38 - 11:41
    Die Welt ist voller Nicht-Nullsummen-Dynamik.
  • 11:41 - 11:45
    Umweltprobleme lassen uns alle auf vielerlei Arten im gleichen Boot sitzen.
  • 11:45 - 11:50
    Es gibt Nicht-Nullummen-Beziehungen, die den Menschen vielleicht gar nicht bewusst sind.
  • 11:50 - 11:54
    Okay, zum Beispiel verstehen sich viele amerikanische Christen
  • 11:54 - 11:58
    nicht in einer Nicht-Nullsummen-Beziehung
  • 11:58 - 12:00
    mit Muslimen auf der anderen Seite der Welt,
  • 12:00 - 12:05
    aber tatsächlich sind sie das, denn wenn diese Muslime immer glücklicher werden
  • 12:05 - 12:08
    mit ihrem Platz in der Welt und fühlen, dass sie einen Platz darin haben,
  • 12:08 - 12:11
    ist das gut für die Amerikaner, denn es wird weniger Terroristen geben,
  • 12:11 - 12:13
    welche die Sicherheit Amerkias angreifen.
  • 12:13 - 12:17
    Wenn sie immer unglücklicher werden, ist das schlecht für die Amerikaner. Okay.
  • 12:17 - 12:20
    Es gibt also ganz viele Nicht-Nullsummen.
  • 12:20 - 12:25
    Die Frage ist jetzt: Wenn es so viele Nicht-Nullsummen gibt,
  • 12:25 - 12:29
    warum ist die Welt noch nicht erfüllt von Liebe, Frieden und Verständnis?
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    Die Antwort ist kompliziert. Es wäre vielleicht die Gelegenheit für einen weiteren Vortrag,
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    aber sicherlich hängt es erst einmal damit zusammen,
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    dass es auch eine Menge Nullsummen-Situationen auf der Welt gibt.
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    Und wissen Sie, manchmal erkennen die Menschen auch
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    die Nicht-Nullsummen-Dynamik auf der Welt nicht.
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    Ich denke, in diesen beiden Bereichen
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    können Politiker eine Rolle spielen.
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    Hier geht es nicht nur um Religion.
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    Ich denke, Politiker können dabei helfen, Nicht-Nullsummen-Beziehungen zu fördern,
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    wissen Sie, wirtschaftliches Engagement ist in der Regel besser als Blockaden usw.,
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    in dieser HInsicht, denke ich.
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    Und Politiker können, sollten sich bewusst sein,
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    dass, wenn Menschen überall auf der Welt auf sie schauen
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    und auf ihre Nation, okay,
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    und ihre Hinweise annehmen,
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    ob Sie in ein einer Nullsummen- oder einer Nicht-Nullsummen-Beziehung mit einer Nation
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    wie zum Beispiel Amerika oder irgendeiner anderen sind,
  • 13:22 - 13:25
    dann funktioniert die menschliche Psychologie ungefähr so:
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    Fühlen wir, dass wir respektiert werden?
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    Denn wissen Sie, geschichtlich gesehen, wenn man nicht respektiert wird,
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    wird man wahrscheinlich nicht in einer gegenseitig vorteilhaften
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    Nicht-Nullsummen-Beziehung mit anderen enden.
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    Wir müssen uns dieser Art von Signalen, die wir aussenden, bewusst sein.
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    Manches davon wiederum liegt sozusagen im Bereich der politischen Arbeit.
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    Wenn es etwas gibt, wozu ich jeden Menschen ermutigen kann,
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    Politiker, religiöse Führer und auch uns alle,
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    dann wäre es das, was ich 'die moralische Vorstellungskraft erweitern' nenne.
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    Damit meine ich Ihre Fähigkeit, sich selber an die Stelle
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    von Menschen in ganz anderen Situationen zu setzen.
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    Das ist nicht dasselbe wie Mitgefühl,
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    aber es führt zu Mitgefühl. Es öffnet die Kanäle für Mitgefühl.
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    Ich befürchte, hier haben wir eine weitere gute und schlechte Nachricht,
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    denn die moralische Vorstellungskraft ist Teil der menschlichen Natur.
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    Das ist gut, aber wir haben auch hier die Tendenz, sie selektiv anzuwenden.
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    Wenn wir jemanden einmal als Feind definiert haben,
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    haben wir naturgemäß Schwierigkeiten, uns in ihn hineinzuversetzen.
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    Wenn wir einen besonders schwierigen Fall nehmen wollen, zum Beispiel für einen Amerikaner,
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    jemanden im Iran, der eine amerikanische Flagge verbrennt und Sie sehen ihn im Fernsehen.
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    Nun, der durchschnittliche Amerikaner wird der moralischen Übung,
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    sich in den Kopf dieser Person zu versetzen und der Vorstellung,
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    etwas mit dieser Person gemeinsam zu haben, widerstehen.
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    Und Sie erklären ihnen dann, die anderen denken, dass Amerika sie nicht respektiert
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    und sie sogar dominieren will, und sie hassen Amerika.
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    Gab es jemals jemanden, der so wenig Respekt für Sie hatte,
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    dass Sie ihn für einen Moment gehasst haben?
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    Sie werden sich diesem Vergleich verweigern, das ist natürlich und menschlich.
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    Und ganz ähnlich wird die Person im Iran reagieren,
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    wenn Sie versuchen, ihm einen Amerikaner menschlich zu machen, der sagte, dass der Islam böse sei,
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    sie werden ein Problem damit haben. Okay.
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    Es ist also sehr schwierig, die moralische Vorstellungskraft der Menschen
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    über das Maß zu erweitern, dass es naturgemäß erreicht.
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    Ich denke wiederum, es ist die Mühe wert,
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    denn es hilft uns, zu verstehen,
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    dass, wenn man die Anzahl jener Menschen verringern will, die Flaggen verbrennen,
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    es hilfreich ist, zu verstehen, warum sie das tun.
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    Ich denke, es ist eine gute Übung für die Moral eines jeden.
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    Ich würde sagen, hier kommen wiederum die religiösen Führer ins Spiel,
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    denn religiöse Führer sind gut darin, Themen für die Menschen neu auszurichten,
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    den emotionalen Mittelpunkt des Gehirns zu nutzen
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    um ihr Bewusstsein zu verändern und ihre Art des Denkens neu zu definieren.
  • 15:45 - 15:49
    Ich meine, religiöse Führer sind sozusagen im Inspirationsgeschäft.
  • 15:49 - 15:51
    Genau jetzt ist es ihre große Berufung,
  • 15:51 - 15:55
    Menschen rund um die Welt zu helfen, ihre moralische Vorstellungskraf zu erweitern
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    und zu erkennen, dass sie in vielerlei Hinsicht alle im selben Boot sitzen.
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    Von einem weltlichen Standpunkt und soweit es Mitgefühl und die Goldene Regel betrifft,
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    würde ich meine Sicht der Dinge so zusammen fassen:
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    Die gute Nachricht ist, dass Mitgefühl und die Goldene Regel
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    in einem gewissen Sinn in die menschlichen Natur eingebaut sind.
  • 16:20 - 16:25
    Es ist bedauerlich, dass sie tendenziell selektiv angewandt werden.
  • 16:25 - 16:29
    Und es wird viel Arbeit brauchen, das zu ändern.
  • 16:29 - 16:34
    Aber niemand hat je behauptet, es würde einfach werden, Gottes Arbeit zu tun. Vielen Dank.
  • 16:34 - 16:36
    (Applaus)
Title:
Robert Wright: Die Evolution des Mitgefühls
Speaker:
Robert Wright
Description:

Robert Wright erklärt anhand von Evolutionsbiologie und Spieltheorie, warum wir die Goldene Regel anerkennen («Behandle andere, wie Du selbst behandelt werden möchtest»), warum wir sie manchmal trotzdem missachten und warum es Hoffnung gibt, dass wir in naher Zukunft alle genügend Mitgefühl haben werden, um ihr zu folgen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
16:36
Karin Friedli added a translation

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