Robert Wright: Die Evolution des Mitgefühls
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0:01 - 0:05Ich werde über Mitgefühl und über die Goldene Regel sprechen,
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0:05 - 0:11und zwar aus einem weltlichen und sogar einer ziemlich wissenschaftlichen Blickwinkel.
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0:11 - 0:14Ich werde versuchen, Ihnen ein bisschen Naturgeschichte
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0:14 - 0:16über Mitgefühl und die Goldene Regel zu vermitteln.
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0:16 - 0:21Deshalb werde ich manchmal eine eher klinische Sprache verwenden
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0:21 - 0:23und so wird es Ihnen vielleicht nicht so warm ums Herz
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0:23 - 0:25wie bei anderen Gesprächen über Mitgefühl.
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0:25 - 0:28Ich will sie nur davor warnen.
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0:28 - 0:32Zu Beginn will ich sagen, dass ich denke, Mitgefühl ist toll.
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0:32 - 0:35Die Goldene Regel ist toll. Ich unterstütze beides sehr.
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0:35 - 0:37Un dich denke, es ist großartig, dass die Weltreligionen,
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0:37 - 0:40die Führer der Religionen dieser Welt
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0:40 - 0:45Mitgefühl und die Goldene Regel als grundlegende Prinzipien bekräftigen,
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0:45 - 0:48als festen Bestandteil ihres Glaubens.
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0:48 - 0:51Gleichzeitig glaube ich, den Religionen gebührt nicht die ganze Ehre.
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0:51 - 0:55Ich denke, die Natur hat ihren Teil dazu beigetragen.
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0:55 - 1:00Ich werde heute behaupten, dass Mitgefühl und die Goldene Regel
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1:00 - 1:03in gewissem Sinn in die menschliche Natur eingebaut sind.
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1:03 - 1:05Okay. Aber ich werde auch behaupten, dass,
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1:05 - 1:09wenn Sie einmal den Sinn verstehen, wie sie Bestandteil der menschlichen Natur sind,
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1:09 - 1:13Sie verstehen, dass es wirklich nicht genug ist,
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1:13 - 1:16Mitgefühl und die Goldene Regel zu betonen.
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1:16 - 1:19Es gibt noch eine Menge mehr zu tun. Okay.
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1:19 - 1:24Also ein kleiner Abriss der Naturgeschichte, als erstes: Mitgefühl.
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1:24 - 1:27Am Anfang war das Mitgefühl,
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1:27 - 1:30und damit meine ich nicht erst, als die ersten Menschen auftauchten,
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1:30 - 1:32sondern tatsächlich bereits davor.
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1:32 - 1:36Wahrscheinlich waren in der menschlichen Evolutionslinie,
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1:36 - 1:39sogar bevor der Homo Sapiens existierte,
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1:39 - 1:41Gefühle wie Mitgefühl und Liebe und Sympathie
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1:41 - 1:45bereits auf eine Art im Gen-Pool vorhanden,
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1:45 - 1:48und Biologen haben eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie das geschah.
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1:48 - 1:52Es geschah durch ein Prinzip, das als Verwandtenselektion bekannt ist.
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1:52 - 1:58Die grundlegende Idee der Verwandtenselektion ist,
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1:58 - 2:01dass, wenn ein Tier Mitgefühl für einen nahen Verwandten empfindet
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2:01 - 2:05und dieses Mitgefühl dazu führt, dass das Tier dem Verwandten hilft,
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2:05 - 2:10dann hilft das Mitgefühl schlussendlich dem Fortbestehen der Gene
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2:10 - 2:13und das ist die Grundlage für das eigentliche Mitgefühl.
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2:13 - 2:17Vom Standpunkt eines Biologen aus ist Mitgefühl
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2:17 - 2:21die Methode der Gene, sich selbst zu helfen. Okay.
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2:21 - 2:25Ich habe Sie gewarnt, dass es nicht warm und romantisch wird. Okay.
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2:25 - 2:28Ich komme dazu. Ich hoffe, es wird noch ein bisschen wärmer.
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2:28 - 2:30Für mich ists das nicht – es stört mich nicht so sehr,
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2:30 - 2:34dass die grundlegende darwinistische Begründung von Mitgefühl
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2:34 - 2:36eine Art Selbsthilfe auf genetischer Ebene ist.
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2:36 - 2:39Genau genommen denke ich, das Schlechte an Verwandtenselektion ist nur,
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2:39 - 2:43dass es heisst, dass diese Art von Mitgefühl,
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2:43 - 2:46auf natürliche Weise nur in der Familie zum Einsatz kommt.
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2:46 - 2:49Das ist die schlechte Nachricht. Die Gute ist, Mitgefühl ist etwas natürliches.
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2:49 - 2:52Die schlechte Nachricht ist, dass Mitgefühl aus Verwandtenselektion
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2:52 - 2:54naturgemäß auf die Familie begrenzt ist.
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2:54 - 2:58Es gibt aber mehr gute Nachrichten, die später in der Evolution hinzu kamen,
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2:58 - 3:01eine Art sekundäre evolutionäre Logik.
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3:01 - 3:04Biologen nennen das gegenseitigen Altruismus. Okay.
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3:04 - 3:07Und hier ist die grundsätzliche Idee,
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3:07 - 3:15dass Migefühl zu guten Taten für Menschen führt, die sich dafür revanchieren werden.
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3:15 - 3:20Auch das, wir wissen es alle, ist nicht so eine inspirierende Vorstellung von Mitgefühl,
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3:20 - 3:22wie Sie sie vielleicht früher schon gehört haben,
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3:22 - 3:27aber vom Standpunkt eines Biologen ist diese Art von gegenseitigem altruistischen Mitgefühl
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3:27 - 3:30letztendlich auch eigennützig.
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3:30 - 3:32Nicht, dass die Menschen das denken, wenn sie Mitgefühl empfinden.
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3:32 - 3:37Es ist nicht bewusst eigennützig, aber für einen Biologen ist das die Logik.
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3:37 - 3:43Und deshalb entwickelt man Mitgefühl zusätzlch am ehesten für Freunde und Verbündete.
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3:43 - 3:49Ich bin sicher, viele von Ihnen fühlen sich wirklich schlecht, wenn einem nahen Freund
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3:49 - 3:51etwas sehr schlimmes passiert.
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3:51 - 3:52Aber wenn Sie in der Zeitung lesen,
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3:52 - 3:55dass jemandem, von dem Sie nie gehört haben, etwas wirklich schlimmes passiert ist,
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3:55 - 3:57dann können Sie damit wahrscheinlich leben. Okay.
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3:57 - 3:59Das ist bloss die menschliche Natur.
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3:59 - 4:01Also noch eine gute und schlechte Nachricht.
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4:01 - 4:03Es ist gut, dass das Mitgefühl durch diese Art von evolutionärer Logik
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4:03 - 4:05über die Familie hinaus geht.
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4:05 - 4:10Die schlechte Nachricht ist, das führt uns nicht zu einem unabhängigen allumfassenden Mitgefühl.
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4:10 - 4:12Also gibt es immer noch etwas zu tun.
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4:12 - 4:17Aus dieser Dynamik des gegenseitigen Altruismus resultiert noch etwas anderes,
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4:17 - 4:19von dem ich denke, dass es eine gute Nachricht ist,
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4:19 - 4:23nämlich dass die Weise, wie sich das in der menschlichen Art entwickelt hat,
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4:23 - 4:27zu einer Art intuitiven Anerkennung der Goldenen Regel geführt hat.
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4:27 - 4:31Ich meine damit nicht, dass die Goldene Regel selber in unseren Genen steckt,
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4:31 - 4:35aber wenn Sie sich eine Jäger- und Sammler-Gesellschaft ansehen,
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4:35 - 4:38die keiner der großen religiösen Traditionen ausgesetzt war,
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4:38 - 4:40keiner ethischen Philosophie,
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4:40 - 4:42wenn Sie Zeit mit diesen Menschen verbringen, werden Sie herausfinden,
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4:42 - 4:45dass sie daran glauben, dass gute Taten weitere gute Taten verdienen
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4:45 - 4:47und dass schlechte Taten bestraft werden sollten.
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4:47 - 4:53Evolutionspsychologen denken, dass diese Intuition in den Genen verankert ist.
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4:53 - 4:57Sie verstehen also, dass, wenn sie gut behandelt werden wollen,
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4:57 - 4:59sie andere gut behandeln müssen.
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4:59 - 5:01Und es ist gut, andere Menschen gut zu behandeln.
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5:01 - 5:05Das ist sehr nah an einer Art eingebauten Intuition.
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5:05 - 5:08Das ist also die gute Nachricht. Wenn Sie gut aufgepasst haben,
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5:08 - 5:11ahnen Sie wahrscheinlich, dass es hierzu auch eine schlechte gibt, okay,
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5:11 - 5:13dass wir immer noch nicht bei der allumfassenden Liebe sind,
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5:13 - 5:18und das stimmt, denn auch wenn die Anerkennung der Goldenen Regeln natürlich ist,
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5:18 - 5:23ist es auch natürlich, Ausnahmen von der Goldenen Regel zu machen. Okay.
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5:23 - 5:27Ich meine, wahrscheinlich möchte keiner von uns ins Gefängnis gehen,
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5:27 - 5:30aber wir denken alle, dass es Leute gibt, die im Gefängnis sein sollten, richtig?
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5:30 - 5:34Also denken wir, dass wir sie anders behandeln sollten, als wir behandelt werden wollen.
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5:34 - 5:36Nun, wir haben eine Begründung dafür.
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5:36 - 5:41Wir sagen, sie haben schlimme Dinge getan, die es rechtfertigen, dass sie im Gefängnis sein sollten.
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5:41 - 5:45Niemand von uns weitet die Goldene Regel wirklich weitreichend und allumfassend aus.
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5:45 - 5:48Wir haben die Fähigkeit, Ausnahmen zu machen,
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5:48 - 5:50Menschen in besondere Kategorien einzuteilen.
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5:50 - 5:54Das Problem ist, obwohl wir dieses objektive Rechtssystem haben,
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5:54 - 5:57um Menschen ins Gefängnis zu schicken
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5:57 - 6:01und, wissen Sie, um zu bestimmen, wer von der Goldenen Regel ausgeschlossen wird,
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6:01 - 6:05verwenden wir im täglichen Leben eine viel grobere Formel,
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6:05 - 6:08um diese Entscheidungen zu treffen,
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6:08 - 6:11auf wen wir die Goldene Regeln nicht ausweiten.
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6:11 - 6:15Grundsätzlich geht es darum, wenn Sie mein Feind oder mein Rivale sind,
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6:15 - 6:17wenn Sie nicht mein Freund sind oder zu meiner Familie gehören,
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6:17 - 6:22tendiere ich viel weniger dazu, die Goldene Regel auf Sie anzuwenden. Okay.
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6:22 - 6:24Wir tun das alle
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6:24 - 6:27und man sieht es überall auf der Welt.
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6:27 - 6:30Sie sehen es im Mittleren Osten.
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6:30 - 6:33Menschen aus Gaza feuern Geschosse auf Israel ab.
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6:33 - 6:35Sie würden nicht wollen, dass jemand sie beschiesst, aber sie sagen,
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6:35 - 6:37«Nun, aber die Israeli, oder manche von ihnen, haben Dinge getan,
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6:37 - 6:39durch die sie einer speziellen Gruppe angehören.»
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6:39 - 6:42Die Israeli würden nicht wollen, dass man ihnen ein Embargo auferlegt,
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6:42 - 6:44aber sie zwingen es Gaza auf und sagen,
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6:44 - 6:47«Nun, die Palästinenser, oder manche von ihnen, haben sich das selbst zuzuschreiben.»
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6:47 - 6:55Diese Ausschlüsse von der Goldenen Regel sind es, die eine Menge der Probleme auf dieser Welt verursachen.
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6:55 - 6:58Und es ist natürlich, das zu tun.
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6:58 - 7:01Die Tatsache, dass die Goldene Regel sozusagen in uns steckt,
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7:01 - 7:07wird uns also nicht einfach so die allumfassende Liebe bringen.
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7:07 - 7:09Es wird die Welt nicht retten.
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7:09 - 7:14Ich habe aber noch eine gute Nachricht, die die Welt retten könnte. Okay.
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7:14 - 7:17Sitzen Sie schon auf der vordersten Kante Ihres Stuhls?
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7:17 - 7:19Sehr gut, denn bevor ich Ihnen die gute Nachricht präsentiere,
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7:19 - 7:24muss ich einen kleinen Umweg über akademisches Gelände machen.
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7:24 - 7:27Ich hoffe also, dass ich Ihre Aufmerksamkeit damit halten kann,
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7:27 - 7:30wie die Welt gerettet werden könnte.
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7:30 - 7:33Es geht um diese Nicht-Nullsummenspiele, über die Sie jetzt ein wenig gehört haben.
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7:33 - 7:36Nur eine kleine Einführung in die Spieltheorie.
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7:36 - 7:38Es wird nicht weh tun, okay.
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7:38 - 7:40Es geht um Nullsummen- und Nicht-Nullsummenspiele.
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7:40 - 7:44Wenn Sie fragen, welche Art von Situation
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7:44 - 7:47dazu führt, dass Menschen Freunde und Verbündete werden,
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7:47 - 7:50heisst die fachliche Antwort: Eine Nicht-Nullsummen-Situation.
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7:50 - 7:52Und wenn Sie fragen, welche Art von Situation
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7:52 - 7:54dazu führt, dass Menschen einander als Feinde definieren,
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7:54 - 7:56dann ist es eine Art Nullsummen-Situation.
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7:56 - 7:58Was also bedeuten diese Begriffe?
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7:58 - 8:01Ein Nullsummenspiel ist grundsätzlich das, was Sie im Sport kennen,
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8:01 - 8:03wo es einen Gewinner und einen Verlierer gibt.
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8:03 - 8:06Das heisst, ihre Ergebnisse heben sich auf. Okay.
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8:06 - 8:11Im Tennis ist jeder Punkt entweder gut für Sie und schlecht für den Gegner,
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8:11 - 8:13oder gut für ihn, schlecht für Sie.
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8:13 - 8:16So oder so, die Ergebnisse heben sich auf. Das ist ein Nullsummenspiel.
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8:16 - 8:18Wenn Sie nun aber im Doppel spielen,
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8:18 - 8:20ist die Person auf Ihrer Seite des Netzes
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8:20 - 8:23in einer Nicht-Nullsummen-Beziehung mit Ihnen.
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8:23 - 8:26Denn jeder Punkt ist entweder gut für Sie beide, win-win,
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8:26 - 8:28oder schlecht für Sie beide, lose-lose. Okay.
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8:28 - 8:30Das ist ein Nicht-Nullsummen-Spiel.
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8:30 - 8:33Und im wirklichen Leben gibt es viele Nicht-Nullsummenspiele.
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8:33 - 8:36In der Wirtschaftslehre, sagen wir, wenn Sie etwas kaufen,
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8:36 - 8:39heisst das, Sie wollen lieber die Ware als das Geld,
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8:39 - 8:42aber der Verkäufer will lieber das Geld als die Ware.
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8:42 - 8:44Sie fühlen sich beide als Gewinner. Okay.
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8:44 - 8:47In einem Krieg spielen zwei Verbündete ein Nicht-Nullsummenspiel.
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8:47 - 8:50Es ist entweder win-win oder lose-lose für sie.
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8:50 - 8:57Es gibt also eine Menge Nicht-Nullsummenspiele im realen Leben.
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8:57 - 9:01Und grundsätzlich könnte man das, was ich vorhin darüber sagte,
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9:01 - 9:04wie Mitgefühl und die Goldene Regel angewandt werden, neu formulieren,
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9:04 - 9:10indem man einfach sagt, Mitgefühl geschieht vor allem in Nicht-Nullsummen-Situationen,
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9:10 - 9:13in denen Menschen sich in einer potenziellen win-win Situation mit einem
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9:13 - 9:16ihrer Freunde oder Verbündeten wahrnehmen.
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9:16 - 9:18Die Anwendung der Goldenen Regel
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9:18 - 9:21geschieht am natürlichsten über diese Nicht-Nullsummen-Kanäle.
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9:21 - 9:23In einer Art Netz von Nicht-Nullsummenspielen
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9:23 - 9:27würde man also erwarten, dass Mitgefühl und die Goldene Regel
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9:27 - 9:29wie von Zauberhand funktionieren.
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9:29 - 9:31Bei Nullsummen-Kanälen würde man etwas anderes erwarten.
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9:31 - 9:35Okay. Jetzt sind Sie bereit für die gute Nachricht, von der ich sagte, sie könnte die Welt retten.
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9:35 - 9:38Und jetzt kann ich zugeben, dass sie das vielleicht auch nicht tut,
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9:38 - 9:44jetzt wo ich ihre Aufmerksamkeit hatte für drei Minuten theoretischen Zeugs.
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9:44 - 9:49Aber sie könnte es tun. Und die gute Nachricht ist,
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9:49 - 9:53dass die Geschichte naturgemäß diese Netze von Nicht-Nullsummenspielen erweitert hat,
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9:53 - 9:57diese Netze, die Kanäle für Mitgefühl sein können.
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9:57 - 10:00Sie können bis zur Steinzeit zurückblicken
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10:00 - 10:08und ich denke, durch die technologische Entwicklung, Straßen, das Rad, Schrift,
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10:08 - 10:11eine Menge Transport- und Kommunikationstechnologien
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10:11 - 10:14haben unaufhaltsam dazu geführt, dass sich mehr Menschen
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10:14 - 10:17in mehr Nicht-Nullsummen-Beziehungen befinden können
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10:17 - 10:20mit mehr und mehr Menschen über immer weitere Distanzen. Okay.
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10:20 - 10:23Das ist sozusagen die Geschichte der Zivilisation.
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10:23 - 10:28Deswegen ist die soziale Organisation über das Jäger- und Sammler-Dorf
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10:28 - 10:31zum antiken Staat, zum Imperium geworden und jetzt sind wir in einer globalisierten Welt.
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10:31 - 10:35Und die Geschichte der Globalisierung ist vor allem eine Geschichte von Nicht-Nullsummenspielen.
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10:35 - 10:37Okay. Sie haben wahrscheinlich schon vom Begriff der wechselseitigen Abhängigkeit gehört,
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10:37 - 10:41der in der modernen Welt verwendet wird. Es ist nur ein anderes Wort für Nicht-Nullsumme.
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10:41 - 10:44Wenn Ihre Glück in einer wechselseitigen Abhängigkeit zu jemandem steht,
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10:44 - 10:47dann leben Sie in einer Nicht-Nullsummen-Beziehung mit dem anderen.
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10:47 - 10:49Und das können Sie in der modernen Welt überall beobachten.
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10:49 - 10:51Sie haben es in der letzten Wirtschaftskrise gesehen,
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10:51 - 10:54wo schlechte Dinge mit der Wirtschaft geschehen,
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10:54 - 10:57schlecht für alle, für einen großen Teil der Welt.
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10:57 - 11:00Gute Dinge geschehen, sie sind gut für einen großen Teil der Welt.
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11:00 - 11:03Und wissen Sie, ich bin froh zu sagen, aus meiner Sicht gibt es wirklich Beweise,
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11:03 - 11:06dass diese Art von Nicht-Nullsummen-Verbindungen
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11:06 - 11:09die Spanne der Moral erweitern kann.
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11:09 - 11:12Ich meine, wenn Sie amerikanische Einstellungen
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11:12 - 11:16gegenüber Japanern im Zweiten Weltkrieg betrachten,
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11:16 - 11:18die Schilderungen über Japaner
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11:18 - 11:20in den amerikanischen Medien, quasi als Untermenschen
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11:20 - 11:22und die Tatsache betrachten, dass wir Atombomben abgeworfen haben,
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11:22 - 11:25ohne wirklich groß darüber nachzudenken.
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11:25 - 11:27Und dann vergleichen Sie das mit der heutigen Einstellung,
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11:27 - 11:30ich denke, teilweise hat das mit wirtschaftlichen Verflechtungen zu tun.
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11:30 - 11:33Jede Form der wechselseitigen Abhängigkeit, Nicht-Nullsummen-Beziehung,
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11:33 - 11:36zwingt einen, die Menschlichkeit der anderen anzuerkennen.
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11:36 - 11:38Ich denke, das ist eine gute Sache.
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11:38 - 11:41Die Welt ist voller Nicht-Nullsummen-Dynamik.
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11:41 - 11:45Umweltprobleme lassen uns alle auf vielerlei Arten im gleichen Boot sitzen.
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11:45 - 11:50Es gibt Nicht-Nullummen-Beziehungen, die den Menschen vielleicht gar nicht bewusst sind.
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11:50 - 11:54Okay, zum Beispiel verstehen sich viele amerikanische Christen
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11:54 - 11:58nicht in einer Nicht-Nullsummen-Beziehung
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11:58 - 12:00mit Muslimen auf der anderen Seite der Welt,
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12:00 - 12:05aber tatsächlich sind sie das, denn wenn diese Muslime immer glücklicher werden
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12:05 - 12:08mit ihrem Platz in der Welt und fühlen, dass sie einen Platz darin haben,
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12:08 - 12:11ist das gut für die Amerikaner, denn es wird weniger Terroristen geben,
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12:11 - 12:13welche die Sicherheit Amerkias angreifen.
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12:13 - 12:17Wenn sie immer unglücklicher werden, ist das schlecht für die Amerikaner. Okay.
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12:17 - 12:20Es gibt also ganz viele Nicht-Nullsummen.
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12:20 - 12:25Die Frage ist jetzt: Wenn es so viele Nicht-Nullsummen gibt,
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12:25 - 12:29warum ist die Welt noch nicht erfüllt von Liebe, Frieden und Verständnis?
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12:29 - 12:32Die Antwort ist kompliziert. Es wäre vielleicht die Gelegenheit für einen weiteren Vortrag,
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12:32 - 12:36aber sicherlich hängt es erst einmal damit zusammen,
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12:36 - 12:40dass es auch eine Menge Nullsummen-Situationen auf der Welt gibt.
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12:40 - 12:44Und wissen Sie, manchmal erkennen die Menschen auch
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12:44 - 12:49die Nicht-Nullsummen-Dynamik auf der Welt nicht.
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12:49 - 12:51Ich denke, in diesen beiden Bereichen
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12:51 - 12:54können Politiker eine Rolle spielen.
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12:54 - 12:56Hier geht es nicht nur um Religion.
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12:56 - 13:01Ich denke, Politiker können dabei helfen, Nicht-Nullsummen-Beziehungen zu fördern,
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13:01 - 13:04wissen Sie, wirtschaftliches Engagement ist in der Regel besser als Blockaden usw.,
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13:04 - 13:06in dieser HInsicht, denke ich.
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13:06 - 13:09Und Politiker können, sollten sich bewusst sein,
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13:09 - 13:11dass, wenn Menschen überall auf der Welt auf sie schauen
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13:11 - 13:13und auf ihre Nation, okay,
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13:13 - 13:15und ihre Hinweise annehmen,
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13:15 - 13:19ob Sie in ein einer Nullsummen- oder einer Nicht-Nullsummen-Beziehung mit einer Nation
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13:19 - 13:22wie zum Beispiel Amerika oder irgendeiner anderen sind,
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13:22 - 13:25dann funktioniert die menschliche Psychologie ungefähr so:
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13:25 - 13:27Fühlen wir, dass wir respektiert werden?
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13:27 - 13:30Denn wissen Sie, geschichtlich gesehen, wenn man nicht respektiert wird,
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13:30 - 13:33wird man wahrscheinlich nicht in einer gegenseitig vorteilhaften
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13:33 - 13:36Nicht-Nullsummen-Beziehung mit anderen enden.
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13:36 - 13:41Wir müssen uns dieser Art von Signalen, die wir aussenden, bewusst sein.
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13:41 - 13:46Manches davon wiederum liegt sozusagen im Bereich der politischen Arbeit.
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13:46 - 13:48Wenn es etwas gibt, wozu ich jeden Menschen ermutigen kann,
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13:48 - 13:51Politiker, religiöse Führer und auch uns alle,
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13:51 - 13:56dann wäre es das, was ich 'die moralische Vorstellungskraft erweitern' nenne.
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13:56 - 13:59Damit meine ich Ihre Fähigkeit, sich selber an die Stelle
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13:59 - 14:02von Menschen in ganz anderen Situationen zu setzen.
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14:02 - 14:04Das ist nicht dasselbe wie Mitgefühl,
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14:04 - 14:10aber es führt zu Mitgefühl. Es öffnet die Kanäle für Mitgefühl.
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14:10 - 14:13Ich befürchte, hier haben wir eine weitere gute und schlechte Nachricht,
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14:13 - 14:16denn die moralische Vorstellungskraft ist Teil der menschlichen Natur.
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14:16 - 14:21Das ist gut, aber wir haben auch hier die Tendenz, sie selektiv anzuwenden.
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14:21 - 14:23Wenn wir jemanden einmal als Feind definiert haben,
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14:23 - 14:28haben wir naturgemäß Schwierigkeiten, uns in ihn hineinzuversetzen.
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14:28 - 14:32Wenn wir einen besonders schwierigen Fall nehmen wollen, zum Beispiel für einen Amerikaner,
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14:32 - 14:36jemanden im Iran, der eine amerikanische Flagge verbrennt und Sie sehen ihn im Fernsehen.
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14:36 - 14:39Nun, der durchschnittliche Amerikaner wird der moralischen Übung,
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14:39 - 14:43sich in den Kopf dieser Person zu versetzen und der Vorstellung,
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14:43 - 14:46etwas mit dieser Person gemeinsam zu haben, widerstehen.
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14:46 - 14:50Und Sie erklären ihnen dann, die anderen denken, dass Amerika sie nicht respektiert
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14:50 - 14:53und sie sogar dominieren will, und sie hassen Amerika.
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14:53 - 14:55Gab es jemals jemanden, der so wenig Respekt für Sie hatte,
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14:55 - 14:57dass Sie ihn für einen Moment gehasst haben?
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14:57 - 15:00Sie werden sich diesem Vergleich verweigern, das ist natürlich und menschlich.
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15:00 - 15:02Und ganz ähnlich wird die Person im Iran reagieren,
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15:02 - 15:06wenn Sie versuchen, ihm einen Amerikaner menschlich zu machen, der sagte, dass der Islam böse sei,
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15:06 - 15:08sie werden ein Problem damit haben. Okay.
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15:08 - 15:13Es ist also sehr schwierig, die moralische Vorstellungskraft der Menschen
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15:13 - 15:16über das Maß zu erweitern, dass es naturgemäß erreicht.
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15:16 - 15:19Ich denke wiederum, es ist die Mühe wert,
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15:19 - 15:21denn es hilft uns, zu verstehen,
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15:21 - 15:23dass, wenn man die Anzahl jener Menschen verringern will, die Flaggen verbrennen,
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15:23 - 15:25es hilfreich ist, zu verstehen, warum sie das tun.
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15:25 - 15:28Ich denke, es ist eine gute Übung für die Moral eines jeden.
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15:28 - 15:31Ich würde sagen, hier kommen wiederum die religiösen Führer ins Spiel,
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15:31 - 15:38denn religiöse Führer sind gut darin, Themen für die Menschen neu auszurichten,
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15:38 - 15:40den emotionalen Mittelpunkt des Gehirns zu nutzen
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15:40 - 15:45um ihr Bewusstsein zu verändern und ihre Art des Denkens neu zu definieren.
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15:45 - 15:49Ich meine, religiöse Führer sind sozusagen im Inspirationsgeschäft.
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15:49 - 15:51Genau jetzt ist es ihre große Berufung,
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15:51 - 15:55Menschen rund um die Welt zu helfen, ihre moralische Vorstellungskraf zu erweitern
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15:55 - 15:59und zu erkennen, dass sie in vielerlei Hinsicht alle im selben Boot sitzen.
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15:59 - 16:05Von einem weltlichen Standpunkt und soweit es Mitgefühl und die Goldene Regel betrifft,
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16:05 - 16:09würde ich meine Sicht der Dinge so zusammen fassen:
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16:09 - 16:15Die gute Nachricht ist, dass Mitgefühl und die Goldene Regel
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16:15 - 16:20in einem gewissen Sinn in die menschlichen Natur eingebaut sind.
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16:20 - 16:25Es ist bedauerlich, dass sie tendenziell selektiv angewandt werden.
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16:25 - 16:29Und es wird viel Arbeit brauchen, das zu ändern.
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16:29 - 16:34Aber niemand hat je behauptet, es würde einfach werden, Gottes Arbeit zu tun. Vielen Dank.
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16:34 - 16:36(Applaus)
- Title:
- Robert Wright: Die Evolution des Mitgefühls
- Speaker:
- Robert Wright
- Description:
-
Robert Wright erklärt anhand von Evolutionsbiologie und Spieltheorie, warum wir die Goldene Regel anerkennen («Behandle andere, wie Du selbst behandelt werden möchtest»), warum wir sie manchmal trotzdem missachten und warum es Hoffnung gibt, dass wir in naher Zukunft alle genügend Mitgefühl haben werden, um ihr zu folgen.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 16:36