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Der Zeitlupeneffekt (beim Schreiben und Filmen) - Aaron Sitze

  • 0:14 - 0:17
    Mit 16 hatte ich meinen
    ersten Autounfall.
  • 0:17 - 0:19
    Mit dem neuen Führerschein in
    der Tasche fuhr ich gerade nach Hause,
  • 0:19 - 0:21
    als ein Auto auf die
    Kreuzung fuhr
  • 0:21 - 0:23
    und peng! mich erfasste.
  • 0:23 - 0:24
    So schnell war es passiert.
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    Peng!
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    Aber wenn ich mich
    zurückerinnere,
  • 0:26 - 0:28
    dauert es keine
    2 Sekunden.
  • 0:28 - 0:32
    Ich sehe die Autoreifen am
    Stopp-Zeichen vorbeirollen,
  • 0:32 - 0:33
    und ich habe Zeit
    zu denken:
  • 0:33 - 0:36
    „Ich glaube, das Auto
    wird mich erwischen.“
  • 0:36 - 0:38
    Ich sehe, wie sich
    die Motorhaube rechts
  • 0:38 - 0:39
    wie Alufolie aufrollt,
  • 0:39 - 0:42
    wie der rote Lack abblättert
    und durch die Luft fliegt,
  • 0:42 - 0:46
    ich kann das alles sehen,
    als ob es in Zeitlupe abläuft.
  • 0:46 - 0:50
    In meiner Erinnerung dauert
    dieses Ereignis 10 Sekunden.
  • 0:50 - 0:51
    Aber warum?
  • 0:51 - 0:52
    Warum ist die
    Erinnerung länger
  • 0:52 - 0:54
    als das tatsächliche Ereignis?
  • 0:54 - 0:56
    Das ist ein interessantes
    Phänomen,
  • 0:56 - 0:58
    das nicht nur auf
    Autounfälle zutrifft,
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    auf die Achterbahn
  • 0:59 - 1:00
    oder den ersten Kuss.
  • 1:00 - 1:04
    Diese Ereignisse scheinen länger
    zu dauern als in der Wirklichkeit.
  • 1:04 - 1:05
    Aber warum?
  • 1:05 - 1:07
    Und wenn ich über diese
    Erfahrung schreibe,
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    wie kann ich dieses eigenartige
    Gefühl vermitteln?
  • 1:11 - 1:14
    Wie produziere ich
    als Autor Zeitlupe?
  • 1:14 - 1:17
    Die Antwort finden
    wir in Hollywood.
  • 1:17 - 1:19
    Die Art, wie Filmemacher
    etwas in Zeitlupe machen,
  • 1:19 - 1:22
    verrät uns viel darüber, wie
    Autoren Zeitlupe schaffen können.
  • 1:22 - 1:24
    Erinnern wir uns zunächst daran,
    wie Filme funktionieren.
  • 1:24 - 1:27
    Die Kamera hält nicht
    Bewegungen fest,
  • 1:27 - 1:30
    sondern sehr viele
    individuelle Bilder.
  • 1:30 - 1:34
    Wenn diese Bilder über
    den Projektor abgespielt werden,
  • 1:34 - 1:37
    fließen sie ineinander und erzeugen
    den Anschein einer Bewegung,
  • 1:37 - 1:39
    wie beim Daumenkino.
  • 1:39 - 1:41
    Stellen wir uns also vor,
    dass ein Kameramann
  • 1:41 - 1:43
    eine Schauspielerin filmen muss,
    die in normaler Geschwindigkeit
  • 1:43 - 1:45
    über eine Gänseblümchenwiese hüpft.
  • 1:45 - 1:47
    Achtung, los.
  • 1:47 - 1:49
    Sie hüpft über
    die Wiese,
  • 1:49 - 1:50
    er nimmt es auf,
  • 1:50 - 1:52
    und ... Schnitt.
  • 1:52 - 1:53
    Der Einfachheit halber
    sagen wir,
  • 1:53 - 1:56
    dass unser Kameramann
    50 Bilder aufgenommen hat.
  • 1:56 - 1:59
    50 kleine Bilder
    während des ganzen Films.
  • 1:59 - 2:02
    Spielen wir den
    Film jetzt
  • 2:02 - 2:06
    mit einem Tempo von 50 Bildern
    pro 5 Sekunden ab.
  • 2:06 - 2:07
    Das Tempo ist konstant,
  • 2:07 - 2:09
    der Projektor läuft immer
    in der selben Geschwindigkeit.
  • 2:09 - 2:14
    Wir haben 50 Bilder; unser
    Film dauert also 5 Sekunden.
  • 2:14 - 2:17
    Sie hüpft über die Wiese ...
  • 2:17 - 2:19
    ... und Schnitt!
  • 2:19 - 2:22
    Wie verlangsamen wir
    die Zeit im Film?
  • 2:22 - 2:24
    Wie schaffen wir Zeitlupe?
  • 2:24 - 2:28
    Das überrascht Sie vielleicht,
    aber wir reduzieren die Bilderzahl nicht,
  • 2:28 - 2:31
    sondern wir
    erhöhen sie.
  • 2:31 - 2:32
    Achtung, los!
  • 2:32 - 2:34
    Sie hüpft über die Wiese,
  • 2:34 - 2:35
    er nimmt es auf,
  • 2:35 - 2:37
    und Schnitt.
  • 2:37 - 2:41
    Wir haben jetzt einen
    langen Film,
  • 2:41 - 2:43
    mit, sagen wir, 100 Bildern.
  • 2:43 - 2:45
    Wenn wir ihn jetzt
    abspielen,
  • 2:45 - 2:48
    braucht er länger,
    bis er fertig ist,
  • 2:48 - 2:51
    und jetzt sehen wir die
    Schauspielerin in Zeitlupe,
  • 2:51 - 2:57
    wie sie über die
    Gänseblümchenwiese hüpft!
  • 2:57 - 2:58
    Das führt uns nun
    zum Schreiben.
  • 2:58 - 3:00
    Wenn Sie eine Erzählung
    schreiben,
  • 3:00 - 3:03
    möchten Sie vielleicht für
    eine Szene Zeitlupe verwenden.
  • 3:03 - 3:05
    Das ist ein cooler Effekt,
    so wie in Hollywood,
  • 3:05 - 3:08
    und der Leser wird auf wichtige
    Momente aufmerksam gemacht.
  • 3:08 - 3:09
    So machen Sie das:
  • 3:09 - 3:11
    Wenn wir lesen,
  • 3:11 - 3:13
    macht unser Gehirn aus
    den Wörtern Bilder,
  • 3:13 - 3:15
    und die Bilder fließen
    zu einer Handlung zusammen.
  • 3:15 - 3:18
    Was wir lesen,
    ist also das,
  • 3:18 - 3:20
    was wir während
    des Lesens sehen.
  • 3:20 - 3:22
    Stellen Sie sich z. B. vor,
    Sie schreiben eine Erzählung
  • 3:22 - 3:25
    über Ihren spielentscheidenden Wurf
    in einem Meisterschaftsspiel.
  • 3:25 - 3:27
    Diesen Moment möchten
    Sie als Autor
  • 3:27 - 3:29
    vielleicht zeitlich
    verlangsamen,
  • 3:29 - 3:32
    um die Spannung in jeder
    einzelnen Sekunde festzuhalten,
  • 3:32 - 3:34
    die diese Szene erzeugt.
  • 3:34 - 3:35
    Sie konzentrieren sich,
  • 3:35 - 3:36
    setzen den Stift an,
  • 3:36 - 3:38
    Sie möchten die
    Zeit verlangsamen,
  • 3:38 - 3:39
    Sie schreiben:
  • 3:39 - 3:41
    "Ich warf den Ball
    in den Korb.
  • 3:41 - 3:44
    Die Zeit blieb stehen.
    Dann haben wir gewonnen."
  • 3:44 - 3:47
    Es braucht 2 Sekunden,
    dies zu lesen;
  • 3:47 - 3:51
    also stellt sich Ihr Leser eine
    Szene vor, die 2 Sekunden dauert.
  • 3:51 - 3:53
    Der Ball fliegt hinauf,
    kommt herunter, fertig.
  • 3:53 - 3:56
    Obwohl Sie geschrieben haben:
    "Die Zeit blieb stehen",
  • 3:56 - 3:58
    haben Sie den Effekt bei
    Ihrem Leser nicht ausgeübt.
  • 3:58 - 4:00
    Es reicht nicht aus,
    es nur zu sagen.
  • 4:00 - 4:02
    Erinnern wir uns an
    unseren Film –
  • 4:02 - 4:04
    die Zeit verlangsamt sich
    mit mehr Bildern –
  • 4:04 - 4:06
    und versuchen Sie
    es nochmal.
  • 4:06 - 4:10
    Schreiben Sie jetzt
    VIEL mehr.
  • 4:10 - 4:12
    "Ich ging in die Knie und
    hielt den Ball ganz locker.
  • 4:12 - 4:15
    Ich prellte den Ball noch
    einmal zu Boden
  • 4:15 - 4:16
    und sammelte
    meine Gedanken.
  • 4:16 - 4:18
    Das war der Moment.
  • 4:18 - 4:22
    Mein rechter Arm streckte sich, als ich
    den Ball mit einer sanften Drehung abwarf,
  • 4:22 - 4:27
    er drehte sich leicht, als er
    in hohem Bogen in Richtung Korb flog.
  • 4:27 - 4:29
    Ich hielt den Atem an.
  • 4:29 - 4:32
    Der Ball berührte den Korb,
  • 4:32 - 4:37
    und rutschte mit einem leisen,
    beglückenden Zischen durch das Netz.
  • 4:37 - 4:41
    Das Publikum sprang von
    seinen Sitzen hoch."
  • 4:41 - 4:45
    Jetzt haben wir die Zeit
    durch unser Schreiben verlangsamt.
  • 4:45 - 4:46
    Das Fazit ist:
  • 4:46 - 4:49
    Es gibt Momente in
    unserem Leben,
  • 4:49 - 4:50
    die länger brauchen
    als die Wirklichkeit.
  • 4:50 - 4:52
    Wenn Sie Ihre
    Erzählung planen,
  • 4:52 - 4:54
    denken Sie
    an diese Momente,
  • 4:54 - 4:57
    diese Augenblicke im Leben,
    die länger brauchten als die Uhr:
  • 4:57 - 4:59
    Der Augenblick, in dem man
    schlechte Nachrichten bekommt,
  • 4:59 - 5:01
    gute Nachrichten
    bekommt,
  • 5:01 - 5:05
    das momentane Hochgefühl,
    wenn man merkt, der Sprung ist geglückt,
  • 5:05 - 5:09
    oder der Moment, in dem man merkt,
    man wird ihn nicht schaffen.
  • 5:09 - 5:11
    Wenn Sie diese Momente
    in Ihrer Erzählung festhalten,
  • 5:11 - 5:14
    können Sie den Zeitlupeneffekt
    beim Schreiben nützen.
  • 5:14 - 5:18
    Denken Sie daran: Es reicht nicht
    zu sagen: "Die Zeit blieb stehen",
  • 5:18 - 5:21
    ebensowenig, ein paar
    zusätzliche Adjektive
  • 5:21 - 5:23
    in einen Satz zu packen
    und dann abzuschließen.
  • 5:23 - 5:25
    Anschauliches Schreiben ist
    gutes Schreiben, das stimmt.
  • 5:25 - 5:30
    Aber wenn Sie das Gefühl der Zeitlupe
    im Leben ausdrücken wollen,
  • 5:30 - 5:32
    müssen Sie in Wahrheit
  • 5:32 - 5:35
    mehr Platz auf der
    Seite verbrauchen,
  • 5:35 - 5:37
    sozusagen mehr
    Film verwenden.
  • 5:37 - 5:39
    Auf diese Weise werden Sie
    Spannung erzeugen
  • 5:39 - 5:41
    und den Leser
    interessiert halten.
  • 5:41 - 5:42
    So werden Sie das nächste Mal,
    wenn Sie schreiben,
  • 5:42 - 5:45
    die Kamera beim Schreiben
    im Griff haben.
Title:
Der Zeitlupeneffekt (beim Schreiben und Filmen) - Aaron Sitze
Description:

Ganze Lektion: http://ed.ted.com/lessons/slowing-down-time-in-writing-film-aaron-sitze

Manche Augenblicke in unserem Leben scheinen ewig zu dauern. Ob nun der erste Kuss oder ein Autounfall, die Zeit scheint sich auszudehnen ... oder sogar stehenzubleiben. Aaron Sitze erklärt, wie dieses Gefühl im Kino erzeugt wird, und dass die gleichen Regeln für den Zeitlupeneffekt auch beim Schreiben gelten.
Eine Lektion mit Aaron Sitze, Animation von TED-Ed.

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English
Team:
closed TED
Project:
TED-Ed
Duration:
06:00

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