Mit 16 hatte ich meinen ersten Autounfall. Mit dem neuen Führerschein in der Tasche fuhr ich gerade nach Hause, als ein Auto auf die Kreuzung fuhr und peng! mich erfasste. So schnell war es passiert. Peng! Aber wenn ich mich zurückerinnere, dauert es keine 2 Sekunden. Ich sehe die Autoreifen am Stopp-Zeichen vorbeirollen, und ich habe Zeit zu denken: „Ich glaube, das Auto wird mich erwischen.“ Ich sehe, wie sich die Motorhaube rechts wie Alufolie aufrollt, wie der rote Lack abblättert und durch die Luft fliegt, ich kann das alles sehen, als ob es in Zeitlupe abläuft. In meiner Erinnerung dauert dieses Ereignis 10 Sekunden. Aber warum? Warum ist die Erinnerung länger als das tatsächliche Ereignis? Das ist ein interessantes Phänomen, das nicht nur auf Autounfälle zutrifft, auf die Achterbahn oder den ersten Kuss. Diese Ereignisse scheinen länger zu dauern als in der Wirklichkeit. Aber warum? Und wenn ich über diese Erfahrung schreibe, wie kann ich dieses eigenartige Gefühl vermitteln? Wie produziere ich als Autor Zeitlupe? Die Antwort finden wir in Hollywood. Die Art, wie Filmemacher etwas in Zeitlupe machen, verrät uns viel darüber, wie Autoren Zeitlupe schaffen können. Erinnern wir uns zunächst daran, wie Filme funktionieren. Die Kamera hält nicht Bewegungen fest, sondern sehr viele individuelle Bilder. Wenn diese Bilder über den Projektor abgespielt werden, fließen sie ineinander und erzeugen den Anschein einer Bewegung, wie beim Daumenkino. Stellen wir uns also vor, dass ein Kameramann eine Schauspielerin filmen muss, die in normaler Geschwindigkeit über eine Gänseblümchenwiese hüpft. Achtung, los. Sie hüpft über die Wiese, er nimmt es auf, und ... Schnitt. Der Einfachheit halber sagen wir, dass unser Kameramann 50 Bilder aufgenommen hat. 50 kleine Bilder während des ganzen Films. Spielen wir den Film jetzt mit einem Tempo von 50 Bildern pro 5 Sekunden ab. Das Tempo ist konstant, der Projektor läuft immer in der selben Geschwindigkeit. Wir haben 50 Bilder; unser Film dauert also 5 Sekunden. Sie hüpft über die Wiese ... ... und Schnitt! Wie verlangsamen wir die Zeit im Film? Wie schaffen wir Zeitlupe? Das überrascht Sie vielleicht, aber wir reduzieren die Bilderzahl nicht, sondern wir erhöhen sie. Achtung, los! Sie hüpft über die Wiese, er nimmt es auf, und Schnitt. Wir haben jetzt einen langen Film, mit, sagen wir, 100 Bildern. Wenn wir ihn jetzt abspielen, braucht er länger, bis er fertig ist, und jetzt sehen wir die Schauspielerin in Zeitlupe, wie sie über die Gänseblümchenwiese hüpft! Das führt uns nun zum Schreiben. Wenn Sie eine Erzählung schreiben, möchten Sie vielleicht für eine Szene Zeitlupe verwenden. Das ist ein cooler Effekt, so wie in Hollywood, und der Leser wird auf wichtige Momente aufmerksam gemacht. So machen Sie das: Wenn wir lesen, macht unser Gehirn aus den Wörtern Bilder, und die Bilder fließen zu einer Handlung zusammen. Was wir lesen, ist also das, was wir während des Lesens sehen. Stellen Sie sich z. B. vor, Sie schreiben eine Erzählung über Ihren spielentscheidenden Wurf in einem Meisterschaftsspiel. Diesen Moment möchten Sie als Autor vielleicht zeitlich verlangsamen, um die Spannung in jeder einzelnen Sekunde festzuhalten, die diese Szene erzeugt. Sie konzentrieren sich, setzen den Stift an, Sie möchten die Zeit verlangsamen, Sie schreiben: "Ich warf den Ball in den Korb. Die Zeit blieb stehen. Dann haben wir gewonnen." Es braucht 2 Sekunden, dies zu lesen; also stellt sich Ihr Leser eine Szene vor, die 2 Sekunden dauert. Der Ball fliegt hinauf, kommt herunter, fertig. Obwohl Sie geschrieben haben: "Die Zeit blieb stehen", haben Sie den Effekt bei Ihrem Leser nicht ausgeübt. Es reicht nicht aus, es nur zu sagen. Erinnern wir uns an unseren Film – die Zeit verlangsamt sich mit mehr Bildern – und versuchen Sie es nochmal. Schreiben Sie jetzt VIEL mehr. "Ich ging in die Knie und hielt den Ball ganz locker. Ich prellte den Ball noch einmal zu Boden und sammelte meine Gedanken. Das war der Moment. Mein rechter Arm streckte sich, als ich den Ball mit einer sanften Drehung abwarf, er drehte sich leicht, als er in hohem Bogen in Richtung Korb flog. Ich hielt den Atem an. Der Ball berührte den Korb, und rutschte mit einem leisen, beglückenden Zischen durch das Netz. Das Publikum sprang von seinen Sitzen hoch." Jetzt haben wir die Zeit durch unser Schreiben verlangsamt. Das Fazit ist: Es gibt Momente in unserem Leben, die länger brauchen als die Wirklichkeit. Wenn Sie Ihre Erzählung planen, denken Sie an diese Momente, diese Augenblicke im Leben, die länger brauchten als die Uhr: Der Augenblick, in dem man schlechte Nachrichten bekommt, gute Nachrichten bekommt, das momentane Hochgefühl, wenn man merkt, der Sprung ist geglückt, oder der Moment, in dem man merkt, man wird ihn nicht schaffen. Wenn Sie diese Momente in Ihrer Erzählung festhalten, können Sie den Zeitlupeneffekt beim Schreiben nützen. Denken Sie daran: Es reicht nicht zu sagen: "Die Zeit blieb stehen", ebensowenig, ein paar zusätzliche Adjektive in einen Satz zu packen und dann abzuschließen. Anschauliches Schreiben ist gutes Schreiben, das stimmt. Aber wenn Sie das Gefühl der Zeitlupe im Leben ausdrücken wollen, müssen Sie in Wahrheit mehr Platz auf der Seite verbrauchen, sozusagen mehr Film verwenden. Auf diese Weise werden Sie Spannung erzeugen und den Leser interessiert halten. So werden Sie das nächste Mal, wenn Sie schreiben, die Kamera beim Schreiben im Griff haben.