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Weshalb „Biofabrikation“ die neue industrielle Revolution ist

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    Ich begann meine Karriere
    als Modedesignerin,
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    arbeitete mit Textildesignern
    und Stoffherstellern zusammen.
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    Heute jedoch kann ich meine neuen Kollegen
    weder sehen noch mit ihnen reden,
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    denn sie sind in der Erde
    unter unseren Füßen,
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    auf den Regalen in unseren Supermärkten,
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    und in dem Bier, das ich nach
    diesem Vortrag trinken werde.
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    Die Rede ist von Mikroben
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    und das Gestalten mit Leben.
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    Vor 15 Jahren
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    änderte ich komplett meine Arbeitsmittel
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    und meine Arbeitsweise,
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    nach einer offenbarenden
    Zusammenarbeit mit einem Biologen.
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    Unser Projekt gab mir eine andere
    Sichtweise auf das Leben
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    und brachte eine ganz neue Welt
    an Möglichkeiten mit sich,
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    wie man Dinge gestalten
    und herstellen kann.
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    Ich entdeckte eine radikale Arbeitsweise:
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    Die Biofabrikation.
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    Wortwörtlich das Fabrizieren mit Biologie.
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    Was heißt das?
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    Anstatt Pflanzen, Tieren oder Öle
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    zu Verbrauchswerkstoffen zu verarbeiten
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    kann man die Materialien direkt mit
    lebenden Organismen züchten.
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    Was oft „Vierte Industrielle
    Revolution" genannt wird,
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    bedeutet die Nutzung
    lebender Zellen als Fabriken.
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    Bakterien, Algen, Pilze, Hefen --
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    unsere neusten Designwerkzeuge
    kommen aus der Biotechnologie.
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    Mein eigener Weg zur Biofabrikation
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    begann mit einem Projekt
    namens „Biocouture".
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    Der Anspruch war, statt eine Pflanze wie
    Baumwolle über mehrere Monate
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    auf einem Feld anzubauen,
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    einfach Mikroben zur Herstellung von
    ähnlichem Zellulosematerial in einem Labor
  • 1:58 - 2:00
    innerhalb weniger Tage zu nutzen.
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    Mit bestimmten Arten
    von Bakterien in einer Nährlösung
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    fermentierten wir Zellulosefäden,
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    die von selbst in Textilform wuchsen.
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    Ich trocknete den gewachsenen Stoff
  • 2:15 - 2:21
    und schnitt und nähte daraus eine Auswahl
    an Kleidungsstücken, Schuhen und Taschen.
  • 2:21 - 2:24
    Mit anderen Worten züchteten wir
    Materialien im Labor
  • 2:24 - 2:29
    und machten daraus in wenigen Tagen
    eine Auswahl an Produkten.
  • 2:29 - 2:33
    Und dies steht im Widerspruch zu
    aktuellen Verfahren der Textilherstellung,
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    bei der eine Pflanze angebaut,
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    nur der Teil mit der Baumwolle geerntet,
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    dann als Garn verarbeitet,
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    zu Textilien gewebt,
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    möglicherweise über Ozeane transportiert
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    und schlussendlich geschnitten
    und zum Kleidungsstück genäht wird.
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    All dies kann Monate dauern.
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    Unsere Prototypen zeigten
    also eine Möglichkeit
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    für bedeutende Ressourceneffizienz.
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    Von reduziertem Wasser-, Energie-,
    und Chemikalienverbrauch
  • 3:03 - 3:05
    bei der Herstellung des Materials
  • 3:05 - 3:08
    bis hin zur Vermeidung jeglichen Abfalls.
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    Wir züchteten Stoffe in fertiger Form --
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    sozusagen „Herstellung
    mit biologischen Zusatzstoffen“.
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    Durch Biofabrikation
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    habe ich viele arbeitsintensive Handgriffe
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    durch einen biologischen Schritt ersetzt.
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    Meine Beschäftigung mit
    diesem lebenden System
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    veränderte mein Designdenken.
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    Hier produzierte die Biologie ohne
    jegliches Eingreifen meinerseits
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    -- von anfänglichen
    Wachstumsgrundlagen abgesehen --
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    ein nützliches und nachhaltiges Material.
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    Jetzt nehme ich alle Materialen
    im Kontext der Biofabrikation wahr.
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    Tatsächlich erfindet eine wachsende
    Gruppe internationaler Pioniere
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    viele Materialen mit Biologie neu.
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    Mehrere Unternehmen züchten Pilzmaterial,
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    das aber nicht wirklich aus Pilzen,
  • 4:10 - 4:15
    sondern aus deren Myzel,
    den Wurzelfäden, besteht,
  • 4:15 - 4:19
    um landwirtschaftliche
    Nebenprodukte zu verbinden.
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    Dieser Vorgang wird „Naturkleber“ genannt.
  • 4:24 - 4:27
    Typischerweise nimmt man dafür Schimmel,
  • 4:27 - 4:33
    gibt Müll wie Mais- oder Hanfstängel dazu
  • 4:33 - 4:34
    sowie etwas Wasser,
  • 4:34 - 4:39
    lässt das Myzel einige Tage darüberwachsen
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    und entfernt den Schimmelpilz.
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    Übrig bleibt eine 3D-Form.
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    Unglaublicherweise können wir
    alle möglichen Strukturen
  • 4:48 - 4:51
    mithilfe lebender Organismen herstellen.
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    Zum Beispiel Schaum für Plastik in Schuhen
  • 4:55 - 4:58
    bis hin zu Kunstleder.
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    Möbel, Bodenbelag --
    alles wird gerade ausprobiert.
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    Pilze können auch
    feuerfestes Material herstellen,
  • 5:07 - 5:09
    ohne belastende Chemikalien.
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    Diese Stoffe sind hydrophob,
    also wasserabweisend.
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    Sie haben höhere
    Schmelztemperaturen als Plastik.
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    Polystyrol braucht zur
    Zersetzung tausende Jahre.
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    Pilzstyropor dagegen
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    kompostiert bei Ihnen im Hintergarten
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    in nur 30 Tagen.
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    Lebewesen wandeln Abfall
  • 5:36 - 5:41
    in kostengünstige Materialen
    mit hoher Qualität,
  • 5:41 - 5:46
    die Plastik und andere CO₂-lastige
    Werkstoffe ersetzen können.
  • 5:47 - 5:51
    Wenn wir einmal mit dieser
    Herstellungsvariante anfangen,
  • 5:51 - 5:56
    erscheinen vorherige Verfahren irrational.
  • 5:57 - 6:00
    Nehmen wir einen kleinen Backstein.
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    Die Zementindustrie ist für ca. 8 %
  • 6:04 - 6:06
    der weltweiten CO₂-Abgase verantwortlich.
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    Das ist mehr als alle Flugzeuge und
    Schiffe innerhalb eines Jahres.
  • 6:10 - 6:18
    Zement muss in Hochöfen bei
    über 1400 °C gebrannt werden.
  • 6:19 - 6:23
    Nun der Vergleich mit bioMASON®.
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    Eine Bodenmikrobe transformiert
    lose Partikel wie Sand oder Kiesel
  • 6:30 - 6:35
    zu Steinen aus Biozement.
  • 6:35 - 6:39
    Dieser Prozess findet bei Raumtemperatur
  • 6:39 - 6:41
    in nur wenigen Tagen statt.
  • 6:41 - 6:44
    Hydrokulturen für Steine.
  • 6:44 - 6:49
    Ein Bewässerungssystem spült
    nährstoffreiches Wasser
  • 6:49 - 6:51
    um die Steinsplitter,
  • 6:51 - 6:53
    auf denen sich Bakterien anhaften.
  • 6:54 - 6:56
    Die Bakterien produzieren Kristalle,
  • 6:56 - 6:59
    die alle Sandkörner umschließen
  • 6:59 - 7:03
    und die Partikel miteinander verbinden,
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    bis hin zum festen Stein.
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    Wir können nun Baustoffe
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    auf elegante Weise herstellen,
  • 7:11 - 7:14
    wie die Natur auch Korallenriffe bildet.
  • 7:15 - 7:20
    Und diese biologischen Steine
    sind fast dreimal so stark
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    wie ein Betonblock.
  • 7:24 - 7:28
    Im Gegensatz zur
    traditionellen Zementproduktion
  • 7:28 - 7:30
    binden sie mehr Kohlenstoff,
    als sie freisetzen.
  • 7:31 - 7:36
    Wenn wir nun die 1,2 Billionen Backsteine,
  • 7:36 - 7:38
    die jedes Jahr gemacht werden,
  • 7:38 - 7:40
    durch Biosteine ersetzen könnten,
  • 7:40 - 7:43
    könnten wir die CO₂-Emissionen
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    um 800 Millionen Tonnen jährlich senken.
  • 7:48 - 7:55
    (Applaus)
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    Neben der Herstellung von
    Materialien mit Lebewesen,
  • 8:00 - 8:02
    gestalten wir nun auch Produkte,
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    die ihr Wachstum fördern.
  • 8:04 - 8:07
    Das rührt aus der Erkenntnis,
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    dass das seit jeher unbeachtete Leben
  • 8:12 - 8:16
    unser größter Helfer sein könnte.
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    Dafür haben wir viele Wege ausprobiert,
  • 8:21 - 8:25
    um Mikroben in unserer Umwelt zu fördern.
  • 8:25 - 8:30
    Ein tolles Beispiel sind die Architekten,
  • 8:30 - 8:36
    die Hauswände wie Rinde entwerfen.
  • 8:37 - 8:40
    Aber nicht nur zur Dekoration!
  • 8:40 - 8:43
    Sie sehen die Baustruktur
  • 8:43 - 8:47
    als Träger für lebende Ökosysteme.
  • 8:48 - 8:54
    Diese Oberflächenstrukturen
    sollen Leben unterstützen.
  • 8:54 - 8:58
    Wenn wir Leben mit der gleichen
    Entschlossenheit kultivieren,
  • 8:58 - 9:03
    wie wir es gerade unterdrücken,
  • 9:03 - 9:06
    können wir den Großstadtdschungel
  • 9:06 - 9:12
    zu einem wirklich lebendigen,
    wachsendem Ökosystem machen.
  • 9:13 - 9:19
    Indem wie die Oberflächenansiedlung
    von nutzbringenden Mikroben unterstützen,
  • 9:19 - 9:22
    können wir passiv das Klima kontrollieren,
  • 9:22 - 9:24
    Regenwasser aufnehmen,
  • 9:24 - 9:26
    und sogar die CO₂-Emissionen reduzieren,
  • 9:26 - 9:30
    da wir weniger Energie zum Kühlen
    oder Heizen der Gebäude brauchen.
  • 9:31 - 9:35
    Wir begreifen gerade erst das Potential
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    von natürlicher Technologie.
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    Ich bin gespannt, denn wir schaffen gerade
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    eine neue Materialwelt.
  • 9:49 - 9:56
    Eine, die weg von der Ausbeutung
    fossiler Ressourcen
  • 9:56 - 10:00
    hin zu ursprünglichen,
    erneuerbarem Leben arbeitet.
  • 10:01 - 10:03
    Statt Leben wegzukonzipieren,
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    gestalten wir mit und für es.
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    Verpackungen, Mode, Schuhe,
    Möbel, Baustoffe --
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    Bioprodukte können am Einsatzort
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    mit lokalen Ressourcen,
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    weniger Land und Energie
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    und sogar bei Abfallverwertung entstehen.
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    Bislang war die Biotechnologie
  • 10:29 - 10:36
    den mächtigen, multinationalen Chemie-
    und Biotechnologiefirmen vorbehalten.
  • 10:36 - 10:40
    Im letzten Jahrhundert kamen Werkstoffe
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    von DuPont, Dow, BASF und Co.
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    Aber die Materialrevolution
    im 21. Jahrhundert führen Start-Ups
  • 10:51 - 10:54
    mit kleinen Gruppen und wenig Kapital.
  • 10:55 - 10:59
    Und dabei haben deren Gründer nicht alle
    einen wissenschaftlichen Abschluss.
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    Es sind Künstler,
    Architekten und Designer.
  • 11:05 - 11:08
    Über eine Milliarde Dollar wurden schon
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    in solche Start-Ups zur Biofabrikation
    von Konsumgütern investiert.
  • 11:13 - 11:18
    Wir haben keine andere Wahl,
    als in Zukunft zu biofabrizieren.
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    Von Ihrer Jacke,
  • 11:20 - 11:22
    über Ihren Stuhl,
  • 11:22 - 11:24
    bis zu Ihrem Haus --
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    die Materialien Ihrer Umgebung
  • 11:27 - 11:31
    sollten weder Ihrer noch
    der Gesundheit des Planeten schaden.
  • 11:32 - 11:34
    Wenn Materialen nicht recycelt
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    oder kompostiert werden können,
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    sollten wir sie ablehnen.
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    Ich habe mich dieser Zukunft verschrieben,
  • 11:43 - 11:48
    indem ich diese wunderbare Arbeit zeige
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    und die Zusammenarbeit von Designern,
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    Wissenschaftlern, Investoren
    und Marken erleichtere.
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    Weil wir eine Materialrevolution brauchen.
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    Und wir brauchen sie jetzt.
  • 12:01 - 12:02
    Vielen Dank.
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    (Applaus)
Title:
Weshalb „Biofabrikation“ die neue industrielle Revolution ist
Speaker:
Suzanne Lee
Description:

Können wir Kleidung aus Mikroben, Möbel von Lebewesen und Häuser mit Rinde „wachsen“ lassen? TED Fellow Suzanne Lee erklärt die aufregenden Entwicklungen im Gebiet der Biofabrikation und zeigt, wie wir durch sie große Müllquellen wie Plastik oder Zement mit nachhaltigen und umweltfreundlichen Alternativen ersetzen können.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
12:20

German subtitles

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