Return to Video

Steven Pinker über den Mythos Gewalt

  • 0:00 - 0:04
    Bilder wie dieses, vom Konzentrationslager Auschwitz,
  • 0:04 - 0:09
    haben sich in im 20. Jahrhundert in unser Bewusstsein eingebrannt
  • 0:09 - 0:14
    und geben uns ein neues Verständnis davon, wer wird sind,
  • 0:14 - 0:17
    woher wir kommen und in welcher Zeit wir leben.
  • 0:17 - 0:21
    Während des 20. Jahrhunderts, wurden wir Zeugen der Abscheulichkeiten
  • 0:21 - 0:26
    von Stalin, Hitler, Mao, Pol Pot, Ruanda und anderer Völkermorde
  • 0:26 - 0:30
    und obwohl das 21. Jahrhundert erst sieben Jahre alt ist,
  • 0:30 - 0:34
    wurden wir bereits Zeugen des laufenden Genozids in Darfur
  • 0:34 - 0:36
    und des täglichen Horrors im Irak.
  • 0:37 - 0:40
    Das hat zu einem gemeinen Verständnis unserer Situation geführt,
  • 0:40 - 0:44
    nämlich: Dass Modernität uns schreckliche Gewalt gebracht hat und möglicherweise,
  • 0:44 - 0:47
    dass Ureinwohner in Harmonie gelebt haben, von der wir uns auf eigene Gefahr entfernt haben.
  • 0:47 - 0:52
    Hier ein Beispiel
  • 0:52 - 0:55
    aus einem Kommentar über Erntedank der im Boston Globe
  • 0:55 - 0:58
    vor einigen Jahren erschienen ist, in dem der Autor schreibt "Das Leben der Indianer
  • 0:59 - 1:02
    war ein schwieriges, aber es gab keine Arbeitsplatzprobleme,
  • 1:02 - 1:04
    die Harmonie in der Gemeinschaft war stark, Drogenmissbrauch war unbekannt,
  • 1:05 - 1:08
    Kriminalität so gut wie nicht existent, Kriege fanden zwischen Stämmen statt
  • 1:09 - 1:12
    was großteils rituell war und nur selten zu einem willkürlichen
  • 1:12 - 1:16
    oder massenhaften Massaker führte." Nun, dieses Allheilmittel ist Ihnen allen bekannt.
  • 1:17 - 1:20
    Wir erzählen es unseren Kindern; Wir hören es im Fernsehen
  • 1:20 - 1:25
    und in Geschichtsbüchern. Nun, der ursprüngliche Titel dieser Präsentation
  • 1:25 - 1:28
    war, "Alles was du glaubst zu wissen, ist falsch," und ich werde Belege präsentieren
  • 1:28 - 1:31
    dass dieser spezielle Teil unseres gemeinen Verständnisses falsch ist:
  • 1:31 - 1:35
    dass unsere Vorfahren tatsächlich viel gewalttätiger waren als wir es sind,
  • 1:35 - 1:38
    dass Gewalt über eine lange Zeitspanne hinweg auf dem Rückzug ist,
  • 1:39 - 1:42
    und dass wir heute möglicherweise in einer der friedlichsten Zeiten leben seit unsere Spezies existiert.
  • 1:42 - 1:46
    Nun, im Jahrzehnt von Darfur und Irak,
  • 1:47 - 1:50
    mag eine Aussage wie diese irgendwo zwischen Halluzination
  • 1:50 - 1:53
    und Obszönität liegen. Aber ich werde Sie überzeugen
  • 1:53 - 1:59
    dass das der Wahrheit entspricht. Die Abnahme der Gewalt
  • 1:59 - 2:02
    ist ein fraktales Phänomen. Das können Sie über Jahrtausende,
  • 2:02 - 2:05
    über Jahrhunderte, über Jahrzehnte und über Jahre beobachten,
  • 2:06 - 2:08
    obwohl es so aussieht als ob es einen Knick um den Beginn der
  • 2:08 - 2:12
    Neuzeit, Anfang des 16. Jahrhunderts gegeben hätte. Man kann es
  • 2:12 - 2:15
    überall auf der Welt beobachten, wenn auch nicht homogen.
  • 2:16 - 2:18
    Es ist besonders offensichtlich im Westen, beginnend mit England
  • 2:19 - 2:21
    und Holland um die Zeit der Aufklärung.
  • 2:22 - 2:25
    Lassen Sie sich von mir auf einen Ausflug über verschiedene Potenzen von 10 einladen
  • 2:26 - 2:28
    -- vom Jahrtausend bis zu einem Jahr --
  • 2:28 - 2:32
    um Sie hiervon zu überzeugen. Bis vor 10.000 Jahren, lebten alle Menschen
  • 2:32 - 2:35
    als Jäger und Sammler, ohne dauerhafte Siedlungen
  • 2:35 - 2:38
    oder Regierungen. Das ist jener Status von dem gemeinhin gedacht wird
  • 2:38 - 2:43
    er wäre jener von ursprünglicher Harmonie. Aber der Archäologe
  • 2:44 - 2:48
    Lawrence Keeley, der die Todesraten
  • 2:48 - 2:51
    unter noch existierenden Jägern und Sammlern untersucht -- der besten Quelle
  • 2:52 - 2:58
    von Belegen über diesen Lebensstil -- hat einen eher abweichenden Schluss gezeigt.
  • 2:58 - 3:00
    Hier eine Graphik die er erstellt hat und die
  • 3:00 - 3:03
    die Prozentanteile männlicher Todesfälle im Zusammenhang mit Krieg
  • 3:03 - 3:07
    in einer Anzahl von jagenden oder jagend & sammelnden Gemeinschaften zeigt.
  • 3:08 - 3:14
    Die roten Balken zeigen die Wahrscheinlichkeit mit der ein Mann aus
  • 3:14 - 3:17
    den Händen eines anderen Mannes getötet wird, im Gegensatz zum natürlichen
  • 3:17 - 3:21
    Tod, in einer Vielzahl jagender Gesellschaften
  • 3:21 - 3:24
    in den Hochländern von Neu Guinea und dem Amazonas Regenwald.
  • 3:25 - 3:28
    Diese reichen von einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent mit der ein Mann durch
  • 3:28 - 3:31
    die Hände eines anderen Mannes stirbt, im Fall der Gebusi
  • 3:32 - 3:36
    lediglich eine Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent. Der winzige blaue Balken im unteren
  • 3:36 - 3:39
    linken Eck zeigt die entsprechende Statistik der Vereinigten Staaten
  • 3:40 - 3:44
    und Europas im 20. Jahrhundert, und schließt alle Todesfälle
  • 3:44 - 3:49
    der beiden Weltkriege mit ein. Wäre die Todesrate von Stammeskriegen während des
  • 3:49 - 3:55
    20. Jahrhunderts gleich geblieben, wären es zwei Milliarden Tote anstatt von 100 Millionen.
  • 3:55 - 3:58
    Ebenso in der Skala eines Jahrtausends, können wir uns
  • 3:58 - 4:03
    jene frühen Zivilisationen ansehen, wie sie auch in der
  • 4:03 - 4:08
    Bibel beschrieben sind. In dieser vermeintlichen Quelle moralischer Werte
  • 4:08 - 4:12
    findet man Beschreibungen was während eines Krieges zu erwarten war,
  • 4:12 - 4:15
    so wie das Folgende aus Nummer 31: "Und sie führten Krieg
  • 4:15 - 4:18
    gegen Midian, so wie der Herr dem Mose geboten hatte, und
  • 4:18 - 4:21
    töteten alles Männliche. Und Mose sagte zu ihnen
  • 4:21 - 4:25
    'Warum habt ihr alle Weiber leben lassen? So erwürget nun alles, was männlich ist
  • 4:25 - 4:28
    unter den Kindern, und alle Weiber, die Männer erkannt und
  • 4:28 - 4:32
    beigelegen haben; aber alle Kinder, die Weibsbilde sind und nicht Männer erkannt
  • 4:32 - 4:35
    noch beigelegen haben, die lasset für euch leben.'" In anderen Worten,
  • 4:35 - 4:40
    tötet die Männer, tötet die Kinder und wenn ihr Jungfrauen seht dann könnt ihr
  • 4:40 - 4:42
    sie am Leben lassen um sie zu vergewaltigen.
  • 4:43 - 4:47
    Man findet vier oder fünf derartige Passagen in der Bibel.
  • 4:47 - 4:50
    Ebenso findet man in der Bibel den Beleg dafür, dass die Todesstrafe
  • 4:50 - 4:55
    die akzeptierte Strafe für Verbrechen wie Homosexualität
  • 4:55 - 4:59
    Ehebruch, Blasphemie, Götzendienst, Widerspruch gegen die Eltern --
  • 4:59 - 5:03
    [Gelächter] -- und Reisig sammeln am Sabbat war.
  • 5:03 - 5:06
    Nun, klicken wir auf die Vergrößerungslinse
  • 5:06 - 5:09
    eine Größeneinheit weiter und sehen wir uns die Jahrhundertskala an.
  • 5:09 - 5:13
    Obwohl wir keine Statistik über die Kriegsführung im
  • 5:14 - 5:15
    Mittelalter bis hin zur Neuzeit haben
  • 5:15 - 5:18
    wissen wir das aus der konventionellen Geschichte -- der Beweis
  • 5:18 - 5:22
    war die ganze Zeit vor unserer Nase, dass es eine Reduktion
  • 5:22 - 5:25
    in sozial sanktionierten Formen von Gewalt gab.
  • 5:25 - 5:29
    Zum Beispiel, jede soziale Geschichte wird preisgeben, dass Verstümmelung und Folter
  • 5:29 - 5:32
    Routinestrafen für kriminelle Handlungen waren. Die Art von Rechtsverletzung
  • 5:32 - 5:36
    mit der man Heute einen Strafzettel bekommt, hätte damals dazu geführt, dass einem
  • 5:36 - 5:40
    die Zunge abgeschnitten wird, die Ohren abgeschnitten werden oder man geblendet würde,
  • 5:40 - 5:42
    eine Hand abgehackt werden würde und so weiter.
  • 5:42 - 5:46
    Es gibt viele raffinierte Formen von sadistischen Strafen:
  • 5:47 - 5:49
    Verbrennen am Pfahl, Ausweiden, Rädern
  • 5:50 - 5:52
    von Pferden auseinander gezerrt zu werden und so weiter.
  • 5:53 - 5:57
    Die Todesstrafe war eine Bestrafung für eine lange Liste von nicht-gewalttätigen Vergehen:
  • 5:57 - 6:01
    Kritik am König, einen Brotlaib zu stehlen. Sklaverei, selbstverständlich,
  • 6:02 - 6:05
    war die bevorzugte Form der Arbeitseinsparung und Grausamkeit war
  • 6:06 - 6:09
    eine verbreitete Form von Unterhaltung. Möglicherweise das lebhafteste Beispiel dafür
  • 6:09 - 6:12
    war die Praxis der Katzenverbrennung in welcher die Katze an einem Anschlag
  • 6:12 - 6:15
    hochgezogen wurde und dann an einer Schlinge in das Feuer gelassen wurde,
  • 6:15 - 6:20
    und die Zuschauer kreischten vor Gelächter und die Katze, heulend vor Schmerz,
  • 6:21 - 6:23
    wurde bis zum Tod verbrannt.
  • 6:23 - 6:26
    Was ist mit Einzelmorden? Nun, es gibt gute Statistiken,
  • 6:26 - 6:32
    weil viele Kommunen die Todesursachen aufzeichneten.
  • 6:32 - 6:36
    Der Kriminologe Manuel Eisner
  • 6:37 - 6:39
    erhob alle historischen Aufzeichnungen in Europa
  • 6:39 - 6:44
    für Mordraten in jedem Dorf, Dörfchen, Stadt und Land
  • 6:44 - 6:46
    das er finden konnte und ergänzte diese
  • 6:46 - 6:49
    mit landesweiten Daten als Staaten anfingen Statistiken zu erheben.
  • 6:50 - 6:57
    Er trug das auf einer logarithmischen Skala auf, beginnend bei 100 Toten
  • 6:57 - 7:03
    pro 100.000 Menschen pro Jahr, was ungefähr der Mordrate
  • 7:03 - 7:08
    im Mittelalter entsprach. Die Zahl sinkt bis zu
  • 7:08 - 7:12
    weniger als ein Mord pro 100.000 Menschen pro Jahr
  • 7:13 - 7:17
    in sieben oder acht europäischen Ländern. Dann ist da ein leichter Aufwärtsknick
  • 7:17 - 7:21
    in den 1960er Jahren. Die Menschen die sagen dass Rock'n'roll zu einem
  • 7:21 - 7:24
    Verfall der moralischen Werte führen würde hatten also zu einem kleinen Funken recht.
  • 7:25 - 7:28
    Aber es war eine Abnahme von zumindest zwei Potenzen der Größe
  • 7:29 - 7:31
    der Mordraten vom Mittelalter bis jetzt
  • 7:32 - 7:35
    und der Ellenbogen trat im frühen 16. Jahrhundert auf.
  • 7:37 - 7:39
    Gehen wir einen Schritt tiefer bis zur Jahrzehnte-Skala.
  • 7:39 - 7:41
    Entsprechend den nicht-regierungs Organisationen
  • 7:42 - 7:46
    die solche Statistiken erheben, gab es seit 1945 in Europa und Amerika
  • 7:46 - 7:49
    einen starken Abfall von zwischenstaatlichen Kriegen,
  • 7:50 - 7:54
    tödlichen ethnischen Unruhen oder Pogromen und Militärputschen,
  • 7:54 - 7:58
    sogar in Südamerika. Weltweit gab es eine steile Abnahme
  • 7:58 - 8:03
    von Toten in zwischenstaatlichen Kriegen. Die gelben Balken zeigen die Anzahl
  • 8:04 - 8:08
    von Toten pro Krieg und pro Jahr von 1950 bis heute.
  • 8:09 - 8:13
    Wie Sie sehen können sinkt die Todesrate von 65.000 Toten
  • 8:13 - 8:17
    pro Konflikt, pro Jahr in den 1950ern bis zu 2.000 Toten
  • 8:17 - 8:21
    pro Konflikt pro Jahr in diesen Jahrzehnt, so schrecklich das ist.
  • 8:21 - 8:24
    Sogar bei der Betrachtung eines Jahres kann man eine Abnahme von Gewalt feststellen.
  • 8:25 - 8:28
    Seit dem Ende des Kalten Krieges gab es weniger Bürgerkriege,
  • 8:28 - 8:34
    weniger Genozide -- tatsächlich, eine 90 prozentige Abnahme seit den Höhepunkten nach dem 2. Weltkrieg --
  • 8:34 - 8:40
    und sogar eine Umkehrung von den 1960er Zunahmen in Mordraten und gewalttätigen Verbrechen.
  • 8:40 - 8:44
    Das ist aus den "FBI Uniform Crime Statistics": Sie sehen
  • 8:44 - 8:47
    dass es eine ziemlich niedrige Gewaltrate in den 50ern und den 60ern gab
  • 8:48 - 8:52
    danach ging es einige Jahrzehnte nach oben und begann
  • 8:52 - 8:56
    einen starken Abfall, beginnend in den 1990ern, so dass es beinahe
  • 8:56 - 9:00
    auf das Niveau von 1960 zurückfiel.
  • 9:00 - 9:02
    Präsident Clinton, wenn Sie hier sind, danke.
  • 9:02 - 9:04
    [Gelächter]
  • 9:04 - 9:07
    Die Frage ist also, wieso so viele Menschen falsch liegen
  • 9:07 - 9:11
    wenn es um so etwas Wichtiges geht? Ich denke es gibt viele Gründe.
  • 9:11 - 9:14
    Einer davon ist dass wir bessere Nachriten haben: "Die assoziierte Presse
  • 9:14 - 9:18
    ist ein besserer Chronist der Kriege auf dieser Erde
  • 9:18 - 9:22
    als die Mönche aus dem 16. Jahrhundert es waren."
  • 9:22 - 9:27
    Da ist also eine kognitive Illusion: Wir Kognitiv-Psychologen wissen, dass es umso einfacher ist
  • 9:27 - 9:30
    sich an spezifische Fälle von etwas zu erinnern,
  • 9:30 - 9:33
    je höher die Wahrscheinlichkeit ist dass man sich zuordnet.
  • 9:33 - 9:36
    Dinge die wir mit blutiger Beweisführung in der Zeitung lesen
  • 9:37 - 9:41
    brennen sich mehr ins Gedächtnis als Berichte über viel mehr an Altersschwäche
  • 9:41 - 9:46
    sterbende Menschen in deren Betten. Es gibt Dynamiken in der Meinung
  • 9:47 - 9:52
    und Interessensmärkte: Niemand hat jemals Zuseher, Befürworter und
  • 9:52 - 9:53
    Spender angezogen indem gesagt wurde
  • 9:54 - 9:56
    "Es sieht so aus als würden die Dinge immer besser und besser werden."
  • 9:56 - 9:57
    [Gelächter]
  • 9:57 - 9:59
    Es gibt ein Schuldgefühl über die Behandlung der Ureinwohner
  • 10:00 - 10:03
    im modernen intellektuellen Leben und eine Verweigerung der Anerkennung
  • 10:03 - 10:05
    dass es irgend etwas Gutes in der westlichen Kultur geben könnte.
  • 10:06 - 10:10
    Und natürlich, unser Wechsel von Standards kann den Wechsel
  • 10:11 - 10:13
    im Verhalten überholen. Einer der Gründe warum die Gewalt sank
  • 10:14 - 10:17
    ist, dass Menschen der Gewalt in ihrer Zeit überdrüssig wurden.
  • 10:17 - 10:20
    Das ist ein Prozess der anzuhalten scheint,
  • 10:20 - 10:24
    aber wenn es das Verhalten, gemessen an den Standards der Zeit, überholt
  • 10:24 - 10:27
    sehen die Dinge immer barbarischer aus als sie es, gemessen an
  • 10:27 - 10:31
    historischen Standards, gewesen wären. Heute also, werden wir - richtigerweise - aufgebracht
  • 10:31 - 10:37
    wenn eine Hand voll Mörder in Texas durch die Giftspritze exekutiert
  • 10:37 - 10:41
    wird nachdem der Prozess 15 Jahre gedauert hat. Wir beachten nicht
  • 10:42 - 10:45
    dass sie vor wenigen hundert Jahren am Scheiterhaufen verbrannt
  • 10:45 - 10:48
    worden wären wenn sie den König kritisiert hätten und das nach einem
  • 10:48 - 10:51
    Verfahren das 10 Minuten gedauert hätte -- und tatsächlich, dass sich das wieder und wieder
  • 10:51 - 10:55
    wiederholt hätte. Heute betrachten wir die Todesstrafe
  • 10:56 - 10:59
    als Beweis dafür wie tief unsere Verhaltensweisen sinken können,
  • 10:59 - 11:01
    eher als dass wir anerkennen wie hoch die Standards gestiegen sind.
  • 11:03 - 11:06
    Nun, warum hat die Gewalt abgenommen? Niemand weiß es wirklich,
  • 11:06 - 11:10
    aber ich habe vier Erklärungen gelesen, von denen ich denke,
  • 11:11 - 11:14
    dass sie einen Funken an Plausibilität haben. Die erste ist: Vielleicht
  • 11:14 - 11:17
    lag Thomas Hobbes richtig. Er war derjenige der sagte
  • 11:17 - 11:22
    dass Leben im Status der Natur "einzeln, arm, fies, vertiert
  • 11:22 - 11:26
    und kurz sei". Er argumentierte, dies sei nicht so weil
  • 11:26 - 11:29
    Menschen einen ursprünglichen Blutdurst hätten,
  • 11:29 - 11:32
    oder aggressive Instinkte oder teritorielle Gebote
  • 11:33 - 11:36
    sondern wegen der Logik der Anarchie. Im Status der Anarchie
  • 11:36 - 11:40
    gibt es eine ständige Versuchung deine Nachbarn vorsorglich zu erobern
  • 11:40 - 11:43
    bevor sie dich erobern können. Etwas aktueller bot Thomas Schelling
  • 11:43 - 11:45
    eine Analogie eines Hausbesitzers der ein Rascheln
  • 11:46 - 11:48
    im Keller hört. Als guter Amerikaner hat er eine Pistole
  • 11:48 - 11:51
    im Nachtkasten - er zielt also seine Waffe und geht die Treppe runter.
  • 11:52 - 11:54
    Und was er sieht ist ein Einbrecher mit einer Waffe in seiner Hand.
  • 11:55 - 11:56
    Jeder der beiden denkt,
  • 11:56 - 12:00
    Ich will diesen Kerl nicht wirklich töten, aber er ist dabei mich zu töten.
  • 12:00 - 12:04
    Möglicherweise ist es besser ihn zuerst zu erschießen, bevor er mich erschießt
  • 12:04 - 12:06
    besonders deshalb, weil selbst wenn er mich nicht töten will
  • 12:06 - 12:09
    er sich momentan darüber sorgen könnte dass ich ihn töten würde
  • 12:09 - 12:11
    bevor er mich tötet." Und so weiter.
  • 12:12 - 12:16
    Jäger und Sammler gingen explizit durch den gleichen Gedankengang
  • 12:17 - 12:20
    und werden oft ihre Nachbarn ausrauben, aus Angst zuerst ausgeraubt zu werden.
  • 12:22 - 12:25
    Nun, ein Weg mit diesem Problem umzugehen ist Abschreckung:
  • 12:25 - 12:30
    Du wirst nicht zuerst zuschlagen, aber du hast eine öffentliche Politik die ankündigt
  • 12:30 - 12:33
    dass du wild zurückschlagen wirst, wenn du angegriffen wirst.
  • 12:33 - 12:35
    Das einzige Problem ist, dass diese Politik gerne
  • 12:35 - 12:39
    als Bluff enttarnt wird und deshalb kann dies nur funktionieren
  • 12:40 - 12:44
    wenn es glaubhaft ist. Um es glaubhaft zu machen musst du alle Beleidigungen rächen
  • 12:45 - 12:49
    und alles bereinigen, was zu einem Teufelskreis von blutigen Vendetten führt.
  • 12:49 - 12:54
    Leben wird zu einer Episode der Sopranos. Hobbes' Lösung,
  • 12:54 - 12:58
    der "Leviathan", war dass eine Autorität zur legitimen Anwendung
  • 12:58 - 13:03
    von Gewalt in einer einzigen demokratischen Agentur zusammengefasst wird -- ein Leviathan --
  • 13:04 - 13:07
    und dann kann so ein Staat die Versuchung anzugreifen mindern,
  • 13:07 - 13:10
    weil jede Form der Aggression bestraft werden wird,
  • 13:10 - 13:15
    was den Profit auf Null senkt. Das würde die Versuchung
  • 13:15 - 13:19
    präventiv anzugreifen, um zu vermeiden als erster angegriffen zu werden, verschwinden lassen.
  • 13:19 - 13:23
    Und es entfernt die Notwendigkeit eines launischen Vergeltungsmechanismuses
  • 13:23 - 13:26
    um die Vergeltungsbedrohung glaubhaft zu machen. Deshalb würde es
  • 13:26 - 13:32
    zu einem Status des Friedens führen. Eisner -- der Mann der die Mordraten aufgetragen hat
  • 13:32 - 13:34
    die sie in den vorigen Folien nicht gesehen haben --
  • 13:35 - 13:38
    argumentierte dass, die Zeit der Abnahme der Mordrate in Europa
  • 13:39 - 13:43
    mit der Zunahme zentralistischer Staaten zusammenfiel.
  • 13:43 - 13:46
    Das ist ein bisschen Unterstützung für die Leviathan-Theorie.
  • 13:46 - 13:50
    Ebenfalls unterstützt wird sie durch den Umstand den wir heute Gewalteruptionen in
  • 13:50 - 13:54
    in Gebieten mit Anarchie vorfinden: fehlgeschlagene Staaten, zusammengebrochene Reiche
  • 13:54 - 13:58
    Grenzregionen, Mafias, Straßenbanden und so weiter.
  • 14:00 - 14:03
    Die zweite Erklärung ist, dass in vielen Zeiten und Orten
  • 14:03 - 14:06
    die Empfindung vorherrscht, dass das Leben billig sei.
  • 14:07 - 14:11
    In früheren Zeiten, als im eigenen Leben Leid und früher Tod
  • 14:11 - 14:15
    üblich waren, gab es weniger Hemmung diese auch anderen
  • 14:15 - 14:19
    zuzufügen. Und als Technologie und ökonomische Effizient das Leben
  • 14:19 - 14:23
    länger und schöner werden lassen, hat der Einzelne auch höhere Vorstellungen vom Leben im Allgemeinen.
  • 14:23 - 14:26
    Das war ein Argument des Politikwissenschafters James Payne.
  • 14:27 - 14:31
    Eine dritte Erklärung beschwört das Konzept eines "nicht Nullsummenspiels",
  • 14:31 - 14:35
    und wurde im Buch Non-Zero vom Journalisten
  • 14:35 - 14:38
    Robert Wright ausgearbeitet. Wright hebt hervor, dass unter gewissen Umständen
  • 14:39 - 14:42
    Kooperation, Nicht-Gewalt eingeschlossen, beiden Parteien in einer
  • 14:42 - 14:48
    Interaktion nützen kann, so wie es Vorteile aus dem Handel tun
  • 14:48 - 14:52
    wenn beide ihre Aufschläge weitergeben und so Gewinn machen, oder wenn zwei Parteien
  • 14:52 - 14:55
    ihre Waffen niederlegen und die so genannte Friedensdividende aufteilen,
  • 14:55 - 14:58
    was dazu führt, dass sie nicht die ganze Zeit kämpfen müssen.
  • 14:59 - 15:01
    Wright argumentiert, dass Technologie die Anzahl von
  • 15:01 - 15:05
    Positiv-Summen Spielen gesteigert hat in welche Menschen eher verwickelt werden
  • 15:06 - 15:09
    weil sie den Handel von Gütern, Dienstleistungen und Ideen
  • 15:09 - 15:12
    über längere Distanzen und unter größeren Gruppen von Menschen zulassen.
  • 15:13 - 15:16
    Das Ergebnis ist, dass Menschen lebendig wertvoller werden als tot
  • 15:16 - 15:21
    und Gewalt sich aus eigennützigen Gründen verringert. So wie Wright es darstellt,
  • 15:22 - 15:24
    "Unter den vielen Gründen aus denen ich denke wir hätten die Atombombe nicht auf Japan
  • 15:24 - 15:27
    abwerfen sollen ist einer, dass sie meinen Mini-Van gebaut haben."
  • 15:27 - 15:29
    [Gelächter]
  • 15:29 - 15:33
    Die vierte Erklärung ist aus einem Buch mit dem Titel
  • 15:33 - 15:36
    The Expanding Circle vom Philosophen Peter Singer,
  • 15:37 - 15:40
    der argumentiert, dass die Evolution den Menschen einen Sinn
  • 15:40 - 15:45
    für Empathie vererbt hat: Die Fähigkeit die Interessen anderer
  • 15:45 - 15:49
    vergleichbar mit den eigenen zu behandeln. Leider, als Voreinstellung
  • 15:49 - 15:53
    wenden wir das nur auf einen kleinen Kreis der Freunde und Familie an.
  • 15:53 - 15:56
    Menschen außerhalb dieses Kreises werden sub-human behandelt
  • 15:56 - 16:00
    und können ungestraft ausgebeutet werden. Aber über die Geschichte
  • 16:00 - 16:04
    betrachtet, hat sich dieser Kreis erweitert. Man kann an historischen Aufzeichnungen
  • 16:04 - 16:07
    sehen wie es vom Dorf, zum Clan, zum Stamm,
  • 16:08 - 16:11
    zur Nation, zu anderen Rassen, beiden Geschlechtern erweitert wird
  • 16:11 - 16:13
    und, in Singer's eigener Argumentation, etwas ist das wir
  • 16:13 - 16:18
    auf andere empfindende Spezies erweitern sollten. Die Frage ist,
  • 16:18 - 16:21
    wenn dies passiert ist, was hat diese Erweiterung ausgelöst?
  • 16:21 - 16:24
    Hier ist eine Reihe von Möglichkeiten. Die Kreise in einem Sinn
  • 16:24 - 16:28
    der Gegenseitigkeit zu erweitern, wie Robert Wright es darstellt.
  • 16:29 - 16:33
    Die Logik der goldenen Regel: Je mehr man darüber nachdenkt und mit anderen
  • 16:33 - 16:37
    Menschen interagiert, umso mehr realisiert man das haltlose
  • 16:37 - 16:41
    Privileg der eigenen Interessen über deren,
  • 16:41 - 16:44
    zumindest nicht wenn man will, dass sie einem zuhören. Man kann sagen,
  • 16:44 - 16:47
    dass meine Interessen speziell sind im Vergleich zu den Ihren,
  • 16:47 - 16:49
    genauso wie man sagen kann, dass der genaue Punkt
  • 16:50 - 16:52
    auf dem ich stehe ein einzigartiger Punkt im Universum ist
  • 16:53 - 16:55
    weil ich genau in diesem Moment hier stehe.
  • 16:56 - 17:00
    Es könnte also vom Weltbürgertum gefördert werden: durch Geschichten
  • 17:00 - 17:04
    und Journalismus und Erinnerungen und realistische Fiktion und Reisen
  • 17:04 - 17:08
    und Literatur, welche es uns erlaubt uns in die Leben anderer zu projizieren
  • 17:08 - 17:12
    die man zuvor als sub-human behandelt hat,
  • 17:12 - 17:16
    und auch um die eigene zufällige Position des eigenen Lebens
  • 17:16 - 17:19
    zu realisieren; im Sinne von "Ich lebe für mein Glück"
  • 17:21 - 17:24
    Was auch immer die Gründe seien, die Abnahme der Gewalt
  • 17:24 - 17:28
    hat weit reichende Auswirkungen. Es sollte uns zwingen nicht nur zu fragen "Warum
  • 17:28 - 17:32
    gibt es Krieg?" sondern auch "Warum gibt es Frieden?" Nicht nur
  • 17:33 - 17:36
    Was machen wir falsch? sondern auch "Was haben wir richtig gemacht?"
  • 17:37 - 17:38
    Denn wir haben etwas richtig gemacht,
  • 17:39 - 17:41
    und es wäre bestimmt gut herauszufinden was es ist.
  • 17:41 - 17:42
    Vielen Dank
  • 17:42 - 17:53
    [Applaus]
  • 17:53 - 17:57
    Chris Anderson: Ich liebe diese Präsentation. Ich denke viele Menschen hier in diesem Raum würden sagen
  • 17:57 - 18:00
    dass die Ausweitung von -- wovon Sie gesprochen haben
  • 18:00 - 18:03
    und wovon Peter Singer ebenso spricht, wird ebenso angetrieben durch Technologie,
  • 18:03 - 18:07
    durch größere Sichtbarkeit des Anderen und die Wahrnehmung, dass die Welt
  • 18:07 - 18:10
    dadurch kleiner wird. Ich meine, ist daran ein Funken Wahrheit?
  • 18:11 - 18:14
    Steven Pinker: Sehr viel. Es wurde in beide Theorien passen, Wright's Theorie
  • 18:15 - 18:18
    die es erlaubt die Vorzüge der Kooperation über
  • 18:19 - 18:22
    große und größere Kreise zu nutzen. Aber ebenso, denke ich, hilft es uns
  • 18:24 - 18:27
    bei der Vorstellung wie es wäre jemand anderer zu sein. Ich denke wenn man über diese
  • 18:27 - 18:30
    grausame Folter liest, die im Mittelalter verbreitet war, denkt man,
  • 18:30 - 18:32
    wie konnten sie das nur tun, wie konnten sie
  • 18:32 - 18:34
    keinerlei Empathie mit der betroffenen person empfinden
  • 18:35 - 18:37
    welche sie ausweideten? Aber natürlich,
  • 18:38 - 18:41
    sofern es sie betraf, war das bloß ein Alien
  • 18:41 - 18:44
    der keinerlei Gefühle hat ähnlich wie sie es hatten. Alles, denke ich,
  • 18:44 - 18:46
    dass es einfacher macht sich Handelsplätze mit
  • 18:47 - 18:50
    jemand anderem vorzustellen bedeutet, dass moralische Umstände
  • 18:50 - 18:51
    dieser anderen Person eher berücksichtigt werden.
  • 18:51 - 18:55
    CA: Nun, Steve, ich würde es begrüßen wenn jeder Medieneigentümer diese Präsentation
  • 18:55 - 18:57
    irgendwann nächstes Jahr hören könnte. Ich denke das ist wirklich wichtig. Vielen Dank.
  • 18:57 - 18:58
    Es war mir ein Vergnügen.
Title:
Steven Pinker über den Mythos Gewalt
Speaker:
Steven Pinker
Description:

Steven Pinker zeigt die Abnahme von Gewalt seit Biblischer Zeit bis Heute und argumentiert, dass, auch wenn es in Zeiten von Darfur und Irak auch unlogisch klingt, wir in einer der friedlichsten Zeiten seit Beginn der Existenz der Menschen leben.

more » « less
Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:58
Retired user added a translation

German subtitles

Revisions