Jonathan Haidt: Religion, Evolution und die Ekstase der Selbsttranszendenz
-
0:00 - 0:03Ich habe eine Frage an Sie:
-
0:03 - 0:05Sind Sie religiös?
-
0:05 - 0:07Bitte heben Sie jetzt ihre Hand,
-
0:07 - 0:10wenn Sie sich für einen religiösen Menschen halten.
-
0:10 - 0:13Ich würde sagen, das sind etwa drei oder vier Prozent.
-
0:13 - 0:16Ich hatte keine Ahnung, dass bei einer TED-Konferenz soviele Gläubige sein würden.
-
0:16 - 0:18(Gelächter)
-
0:18 - 0:20Okay, hier eine weitere Frage:
-
0:20 - 0:22Halten Sie sich für einen spirituellen Menschen,
-
0:22 - 0:24auf irgendeine Art und Weise? Heben Sie die Hand
-
0:24 - 0:27Okay, das ist der Großteil.
-
0:27 - 0:29Mein Talk heute
-
0:29 - 0:31dreht sich um den Hauptgrund, oder einen der Hauptgründe,
-
0:31 - 0:33warum sich die meisten Menschen
-
0:33 - 0:35auf irgendeine Art und Weise für spirituell halten.
-
0:35 - 0:38Mein Vortrag heute dreht sich um Selbsttranszendenz.
-
0:38 - 0:41Es ist einfach eine grundlegende Tatsache des Menschseins,
-
0:41 - 0:44das das Selbst scheinbar manchmal einfach dahinschmilzt.
-
0:44 - 0:46Und wenn das passiert,
-
0:46 - 0:49ist das Gefühl ekstatisch
-
0:49 - 0:51und wir suchen nach Metaphern von Höhe und Tiefe,
-
0:51 - 0:53um diese Gefühle zu erklären.
-
0:53 - 0:55Wir sprechen davon, erhoben zu werden,
-
0:55 - 0:57oder erhöht.
-
0:57 - 1:00Es ist sehr schwierig, über etwas derart Abstraktes nachzudenken
-
1:00 - 1:02ohne eine gute, konkrete Metapher.
-
1:02 - 1:05Ich möchte also heute diese Metapher vorschlagen.
-
1:05 - 1:08Sehen Sie das Gehirn als ein Haus mit vielen Zimmern,
-
1:08 - 1:11von denen uns die meisten gut bekannt sind.
-
1:11 - 1:14Aber manchmal ist es, als erscheine eine Türöffnung
-
1:14 - 1:16aus dem Nichts
-
1:16 - 1:19und sie öffnet sich zu einer Treppe.
-
1:19 - 1:21Wir steigen die Treppe hinauf
-
1:21 - 1:25und erfahren einen Zustand veränderten Bewusstseins.
-
1:25 - 1:27Im Jahre 1902
-
1:27 - 1:29schrieb der große amerikanische Psychologe William James
-
1:29 - 1:32über die vielen Varianten von religiöser Erfahrung.
-
1:32 - 1:34Er sammelte alle möglichen Fallstudien.
-
1:34 - 1:36Er zitierte die Worte verschiedener Menschen,
-
1:36 - 1:38die eine Vielfalt an diesen Erfahrungen gehabt hatten.
-
1:38 - 1:40Einer der aufregensten für mich
-
1:40 - 1:42ist dieser junge Mann, Stephen Bradley,
-
1:42 - 1:45der, wie er dachte, im Jahr 1820 eine Begegnung mit Jesus hatte.
-
1:45 - 1:48Und das hier sagte er darüber.
-
1:51 - 1:53(Musik)
-
1:54 - 1:57(Video) Stephen Bradley: Ich dachte, ich sähe den Heiland in Menschengestalt
-
1:57 - 1:59für ungefähr eine Sekunde im Raum,
-
1:59 - 2:01mit ausgestreckten Armen,
-
2:01 - 2:04scheinbar zu mir sagend: „Komm'.“
-
2:04 - 2:07Am nächsten Tag erbebte ich vor Glückseligkeit.
-
2:07 - 2:10Mein Glück war von solchem Ausmaß, dass ich sterben wollte.
-
2:10 - 2:13Diese Welt hatte keinen Platz in meinem Herzen.
-
2:13 - 2:15Vor dieser Zeit
-
2:15 - 2:17war ich sehr egozentrisch und selbstgerecht.
-
2:17 - 2:20Aber jetzt ersehnte ich das Wohlergehen der ganzen Menschheit
-
2:20 - 2:22und konnte, mit fühlendem Herzen,
-
2:22 - 2:25meinen schlimmsten Feinden vergeben.
-
2:26 - 2:28JH: Bemerken Sie
-
2:28 - 2:30wie Bradleys engstirniges, moralistisches Selbst
-
2:30 - 2:32auf dem Weg die Treppe hinauf einfach vergeht.
-
2:32 - 2:34Und auf dieser höheren Ebene
-
2:34 - 2:37wird er großherzig und nachsichtig.
-
2:38 - 2:40Die vielen Religionen der Welt haben so viele Wege gefunden,
-
2:40 - 2:42Menschen diese Treppe hinaufzuhelfen.
-
2:42 - 2:44Manche schalten das Selbst durch Meditation aus.
-
2:44 - 2:46Andere nutzen psychedelische Drogen.
-
2:46 - 2:50Das hier stammt von einer aztekischen Bildrolle aus dem 16. Jahrhundert,
-
2:50 - 2:53der einen Mann zeigt, der gerade einen psilocybinhaltigen Pilz essen will
-
2:53 - 2:57und im selben Moment wird er von einem Gott die Treppe hochgeschubst.
-
2:57 - 2:59Andere tanzen, drehen sich und kreisen,
-
2:59 - 3:01um Selbsttranszendenz zu erreichen.
-
3:01 - 3:04Aber man braucht keine Religion, um die Treppe hinaufzugehen.
-
3:04 - 3:07Viele Menschen finden Selbsttranszendenz in der Natur.
-
3:07 - 3:10Andere überwinden ihr Selbst auf Raves.
-
3:10 - 3:13Aber das hier ist der seltsamste Ort von allen:
-
3:13 - 3:15Krieg.
-
3:15 - 3:17So viele Bücher über Krieg sagen dasselbe,
-
3:17 - 3:19nämlich dass nichts Menschen so sehr zusammenbringt
-
3:19 - 3:21wie Krieg.
-
3:21 - 3:24Und dieses Zusammenbringen eröffnet die Möglichkeit
-
3:24 - 3:27außerordentlicher, selbsttranszendenter Erfahrungen.
-
3:27 - 3:29Ich werde Ihnen einen Auschnitt
-
3:29 - 3:31aus einem Buch von Glenn Gray vorspielen.
-
3:31 - 3:34Gray war ein Soldat in der amerikanischen Armee im Zweiten Weltkrieg.
-
3:34 - 3:37Und nach dem Krieg befragte er viele andere Soldaten
-
3:37 - 3:39und schrieb über die Erfahrungen der Männer im Kampf.
-
3:39 - 3:41Das ist ein entscheidender Abschnitt,
-
3:41 - 3:44in dem er im Grunde die Treppe beschreibt.
-
3:46 - 3:48(Video) Glenn Gray: Viele Veteranen werden zugeben,
-
3:48 - 3:51dass die Erfahrung der Gemeinschaftsleistung im Kampf
-
3:51 - 3:54der Höhepunkt in ihrem Leben war.
-
3:54 - 3:57Das „Ich“ geht unmerklicherweise in ein „Wir“ über,
-
3:57 - 3:59„Mein“ wird zu „Unser“
-
3:59 - 4:01und der Glaube des Einzelnen
-
4:01 - 4:04verliert seine zentrale Bedeutung.
-
4:04 - 4:06Ich glaube, dass es nichts weniger ist
-
4:06 - 4:09als das Versprechen der Unsterblichkeit,
-
4:09 - 4:12das die Selbstopferung in diesen Momenten
-
4:12 - 4:15so relativ einfach macht.
-
4:15 - 4:18Ich mag fallen, aber ich sterbe nicht,
-
4:18 - 4:21denn das Echte in mir schreitet voran
-
4:21 - 4:23und lebt weiter in den Kameraden,
-
4:23 - 4:25für die ich mein Leben gegeben habe.
-
4:27 - 4:30JH: Was all diese Fälle gemeinsam haben
-
4:30 - 4:33ist, dass das Selbst auszudünnen, wegzuschmelzen scheint
-
4:33 - 4:35und das fühlt sich gut, wirklich sehr gut an,
-
4:35 - 4:38auf eine Art und Weise, die völlig anders ist als unser normales Lebensgefühl.
-
4:38 - 4:41Es fühlt sich irgendwie erhebend an.
-
4:41 - 4:44Diese Idee, dass wir uns aufwärts bewegen ist wichtig in den Schriften
-
4:44 - 4:47des großen französischen Soziologen Emile Durkheim.
-
4:47 - 4:49Durkheim nannte uns sogar Homo Duplex,
-
4:49 - 4:51oder zweiheitlicher Mensch.
-
4:51 - 4:54Die niedere Ebene nannte er die des Profanen.
-
4:54 - 4:57Profan ist das Gegenteil von sakral.
-
4:57 - 4:59Es bedeutet einfach normal oder gewöhnlich.
-
4:59 - 5:02Und in unserem normalen Leben existieren wir als Individuen.
-
5:02 - 5:05Wir wollen unsere individuellen Bedürfnisse erfüllen.
-
5:05 - 5:07Wir verfolgen unsere individuellen Ziele.
-
5:07 - 5:09Aber manchmal passiert etwas,
-
5:09 - 5:11das einen Phasenwechsel auslöst.
-
5:11 - 5:13Individuen vereinigen sich
-
5:13 - 5:16zu einer Gruppe, einer Bewegung oder einer Nation,
-
5:16 - 5:19die viel mehr ist, als die Summe seiner Teile.
-
5:19 - 5:22Diese Ebene nannte Durkheim die Ebene des Sakralen,
-
5:22 - 5:24weil er glaubte, dass die Funktion von Religion
-
5:24 - 5:26die Vereinigung von Leuten in einer Gruppe sei,
-
5:26 - 5:29in einer moralische Gemeinschaft.
-
5:29 - 5:32Durkheim glaubte, dass alles, was uns vereint,
-
5:32 - 5:34einen Anschein von Heiligkeit annimmt.
-
5:34 - 5:36Und sobald Menschen irgendein sakrales
-
5:36 - 5:38Objekt oder eine Wertvorstellung umkreisen,
-
5:38 - 5:41werden sie als eine Gruppe kämpfen und es verteidigen.
-
5:41 - 5:43Durkheim schrieb
-
5:43 - 5:45über einen Satz intensiver kollektiver Emotionen,
-
5:45 - 5:48die das E pluribus unum-Wunder bewerkstelligen,
-
5:48 - 5:50aus Individuen eine Gruppe zu formen.
-
5:50 - 5:53Denken Sie an die kollektive Freunde in Großbritannien,
-
5:53 - 5:56am Tag, als der Zweite Weltkrieg endete.
-
5:56 - 5:59Denken Sie an den kollektiven Zorn auf dem Tahrirplatz,
-
5:59 - 6:02welcher einen Diktator entthront hat.
-
6:02 - 6:04Und denken Sie an die kollektive Trauer
-
6:04 - 6:06in den Vereinigten Staaten,
-
6:06 - 6:09die wir alle fühlten, die uns alle zusammenbrachte,
-
6:09 - 6:12nach 9/11.
-
6:12 - 6:15Lassen Sie mich also zusammenfassen, wo wir sind.
-
6:15 - 6:17Ich sage, dass die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz
-
6:17 - 6:20nur ein Grundbaustein menschlichen Seins ist.
-
6:20 - 6:22Ich schlage die Metapher
-
6:22 - 6:24einer Treppe im Geiste vor.
-
6:24 - 6:26Ich sage, wir sind dieser Homo Duplex
-
6:26 - 6:29und diese Treppe bringt uns von der Ebene des Profanen
-
6:29 - 6:31nach oben auf die Ebene des Sakralen.
-
6:31 - 6:33Wenn wir die Treppe erklimmen,
-
6:33 - 6:35verblasst die Selbstbezogenheit,
-
6:35 - 6:37wir denken viel weniger an unser eigenes Interesse
-
6:37 - 6:39und wir fühlen uns, als seien wir besser, edler
-
6:39 - 6:42und irgendwie erhaben.
-
6:42 - 6:45Hier also die Eine-Million-Dollar-Frage
-
6:45 - 6:47für Sozialwissenschaftler wir mich:
-
6:47 - 6:49Ist die Treppe
-
6:49 - 6:52ein Merkmal evolutionärer Entwicklung?
-
6:52 - 6:55Ist sie ein Ergebnis natürlicher Selektion,
-
6:55 - 6:57wie unsere Hände?
-
6:57 - 7:00Oder ist sie ein Bug, ein Fehler im System –
-
7:00 - 7:02dieser religiöse Kram ist etwas,
-
7:02 - 7:05das einfach passiert, wenn im Gehirn ein Missverständnis entsteht –
-
7:05 - 7:07Jill hat einen Schaganfall und sie hat eine religiöse Erfahrung,
-
7:07 - 7:09ist das bloß ein Fehler?
-
7:09 - 7:13Viele Wissenschaftler, die Religion erforschen, vertreten diese Sichtweise.
-
7:13 - 7:15Die Neuen Atheisten, zum Beispiel,
-
7:15 - 7:17behaupten, dass Religion eine Gruppe von Memen ist,
-
7:17 - 7:19eine Art parasitischer Meme,
-
7:19 - 7:21die in unseren Geist kommen
-
7:21 - 7:24und uns dazu bringen, alles möglichen verrückten, religiösen Dinge zu tun,
-
7:24 - 7:26selbstzerstörerische Dinge, wie Selbstmordattentate.
-
7:26 - 7:28Und überhaupt,
-
7:28 - 7:30wie könnte es jemals gut für uns sein,
-
7:30 - 7:32uns selbst zu verlieren?
-
7:32 - 7:34Wie könnte es adaptiven Nutzen haben
-
7:34 - 7:36für jedweden Organismus,
-
7:36 - 7:39Eigennutz zu überwinden?
-
7:39 - 7:41Lassen Sie es mich Ihnen zeigen.
-
7:41 - 7:43In „Die Abstammung des Menschen“,
-
7:43 - 7:45schrieb Charles Darwin viel über
-
7:45 - 7:47die Evolution der Moral –
-
7:47 - 7:50woher kam sie, wieso haben wir sie.
-
7:50 - 7:52Darwin stellte fest, dass viele unserer Tugenden
-
7:52 - 7:54uns nur sehr wenig selbst nutzen,
-
7:54 - 7:56aber sie sind von großem Nutzen für unsere Gruppen.
-
7:56 - 7:58Er schrieb über ein Szenario,
-
7:58 - 8:00in dem zwei Stämme früher Menschen
-
8:00 - 8:02in Kontakt und Konkurrenz geraten wären.
-
8:02 - 8:05Er sagte: „Wenn ein Stamm
-
8:05 - 8:07eine große Anzahl mutiger, sympathischer
-
8:07 - 8:09und treuer Mitglieder hätte,
-
8:09 - 8:11die immer bereit sind, einander zu helfen und zu verteidigen,
-
8:11 - 8:13wäre dieser Stamm erfolgreicher
-
8:13 - 8:15und würde den anderen besiegen.“
-
8:15 - 8:17Er sagte weiterhin, dass „selbstlose und streitsüchtige Menschen
-
8:17 - 8:19nicht zusammenhalten werden
-
8:19 - 8:21und ohne Zusammenhalt
-
8:21 - 8:23kann nichts bewegt werden.“
-
8:23 - 8:25In anderen Worten,
-
8:25 - 8:27Charles Darwin glaubte
-
8:27 - 8:29an die Gruppenselektion.
-
8:29 - 8:32Diese Idee wird jetzt sei 40 Jahren sehr kontrovers diskutiert,
-
8:32 - 8:35aber sie hat gerade dieses Jahr ein großes Comback vor sich,
-
8:35 - 8:38besonders sobald E.O Wilsons Buch im April herauskommt,
-
8:38 - 8:40das eine sehr starke These aufstellt,
-
8:40 - 8:42dass wir und einige andere Spezies,
-
8:42 - 8:44das Ergebnis von Gruppenselektion sind.
-
8:44 - 8:46Wie man sich das konkret vorstellen muss,
-
8:46 - 8:48ist als Selektion auf mehreren Ebenen.
-
8:48 - 8:50Stellen Sie es sich folgendermaßen vor:
-
8:50 - 8:53Sie haben Konkurrenzbeziehungen innerhalbvon und zwischen Gruppen.
-
8:53 - 8:56Hier haben wir eine Gruppe Männer in einem College-Team.
-
8:56 - 8:58Innerhalb dieses Teams
-
8:58 - 9:00gibt es Konkurrenz.
-
9:00 - 9:02Da sind Männer, die miteinander konkurrieren.
-
9:02 - 9:05Die langsamsten, die schwächsten Ruderer werden aus dem Team ausgeschlossen.
-
9:05 - 9:07Und nur ein paar dieser Männer werden den Sport weiter betreiben.
-
9:07 - 9:10Vielleicht schafft es einer von Ihnen zu den Olympischen Spielen.
-
9:10 - 9:12Also innerhalb des Teams
-
9:12 - 9:15stehen die Einzelinteressen klar gegen einander.
-
9:15 - 9:17Und manchmal wäre es von Vorteil
-
9:17 - 9:19für einen dieser Männer
-
9:19 - 9:21zu versuchen, die anderen zu sabotieren.
-
9:21 - 9:23Vielleicht wird er seinen Hauptrivalen vor dem Coach
-
9:23 - 9:25schlechtmachen.
-
9:25 - 9:27Aber während diese Konkurrenz innerhalb
-
9:27 - 9:29des Bootes vor sich geht,
-
9:29 - 9:32geht die Konkurrenz zwischen Booten weiter.
-
9:32 - 9:35Und sobald man die Männer in ein Boot steckt, das gegen ein anderes Boot antritt,
-
9:35 - 9:37haben sie keine andere Wahl als zu kooperieren,
-
9:37 - 9:40weil sie alle im selben Boot sitzen.
-
9:40 - 9:42Sie können nur gewinnen,
-
9:42 - 9:44wenn sie alle als Team an einem Strang ziehen.
-
9:44 - 9:46Ich meine diese Dinge klingen banal,
-
9:46 - 9:48aber sie sind tiefe evolutionäre Wahrheiten.
-
9:48 - 9:50Das Hauptargument gegen Gruppenselektion
-
9:50 - 9:52war schon immer,
-
9:52 - 9:55dass eine Gruppe von kooperierenden Teilnehmern zu haben natürlich nett wäre,
-
9:55 - 9:57aber sobald man diese Gruppe von Teilnehmern hat,
-
9:57 - 10:00werden sie von Trittbrettfahrern übernommen werden,
-
10:00 - 10:03Individuen, die die harte Arbeit anderer ausnutzen werden.
-
10:03 - 10:05Lassen Sie mich das für Sie veranschaulichen.
-
10:05 - 10:08Nehmen wir an, wir haben eine Gruppe kleiner Organismen –
-
10:08 - 10:11das können Bakterien sein, das können Hamster sein; völlig egal, was es ist –
-
10:11 - 10:14und lassen Sie uns annehmen, diese Gruppe hier hat sich zu kooperativem Verhalten entwickelt.
-
10:14 - 10:16Das ist super. Sie fressen zusammen und verteidigen einander,
-
10:16 - 10:19sie arbeiten zusammen, sie generieren Überfluss.
-
10:19 - 10:21Und wie Sie in der Simulation sehen werden,
-
10:21 - 10:24wenn sie interagieren, gewinnen sie Punkte, sie wachsen,
-
10:24 - 10:26und wenn sie ihre Größe verdoppelt haben, werden Sie sehen, dass sie sich teilen
-
10:26 - 10:28und so reproduzieren sie sich und die Population wächst.
-
10:28 - 10:31Stellen Sie sich nun vor, dass einer von ihnen mutiert.
-
10:31 - 10:33Es gibt eine Genmutation
-
10:33 - 10:35und einer von ihnen verfolgt nun eine egoistische Strategie.
-
10:35 - 10:37Er nutzt die anderen aus.
-
10:37 - 10:40Wenn also Grün mit Blau interagiert,
-
10:40 - 10:42werden Sie sehen, dass die Grünen größer und die Blauen kleiner werden.
-
10:42 - 10:44Es passiert also Folgendes.
-
10:44 - 10:46Wir beginnen mit nur einem Grünen
-
10:46 - 10:48und durch seine Interaktion
-
10:48 - 10:51gewinnt es an Wohlstand, oder Punkte, oder Nahrung.
-
10:51 - 10:54Und nach kurzer Zeit sind die Teilnehmer erledigt.
-
10:54 - 10:57Die Trittbrettfahrer haben übernommen.
-
10:57 - 11:00Wenn eine Gruppe das Trittbrettfahrerproblem nicht lösen kann,
-
11:00 - 11:03dann kann sie nicht die Früchte ihrer Kooperation ernten
-
11:03 - 11:06und die Gruppenselektion setzt nicht ein.
-
11:06 - 11:08Aber es gibt Lösungen für das Trittbrettfahrerproblem.
-
11:08 - 11:10Es ist kein so schlimmes Problem.
-
11:10 - 11:13Tatsächlich hat die Natur es schon so oft gelöst.
-
11:13 - 11:15Und die Lieblingslösung der Natur
-
11:15 - 11:18ist es, sie alle in ein Boot zu stecken.
-
11:18 - 11:20Zum Beispiel:
-
11:20 - 11:23Wie kommt es, dass die Mitochondrien in jeder Zelle
-
11:23 - 11:25ihre eigene DNA haben,
-
11:25 - 11:28vollkommen getrennt von der DNA im Kern?
-
11:28 - 11:30Das ist, weil sie früher einmal
-
11:30 - 11:32separate, frei lebende Bakterien waren
-
11:32 - 11:34und sie kamen zusammen
-
11:34 - 11:36und wurden zu einem Superorganismus.
-
11:36 - 11:39Irgendwie – vielleicht hat einer den anderen verschluckt; warum genau, werden wir nie wissen –
-
11:39 - 11:41aber als sie eine gemeinsame Membran um sie herum bekamen,
-
11:41 - 11:43waren sie alle innerhalb derselben Membran,
-
11:43 - 11:46der Wohlstand führte nun zu Arbeitsteilung,
-
11:46 - 11:48alles Großartige, das durch Kooperation entsteht,
-
11:48 - 11:50bleibt in die Membran eingeschlossen
-
11:50 - 11:53und wir haben einen Superorganismus.
-
11:53 - 11:55Und jetzt lassen Sie uns die Simulation neu starten
-
11:55 - 11:57mit einem dieser Superorganismen
-
11:57 - 12:00in einer Population von Trittbrettfahrern, Abtrünnigen, Betrügern
-
12:00 - 12:03und sehen wir einmal, was passiert.
-
12:03 - 12:05Ein Superorganismus kann sich im Grunde nehmen, was er will.
-
12:05 - 12:08Er ist so groß und stark und effizient,
-
12:08 - 12:10dass er Ressourcen
-
12:10 - 12:14von den Grünen, den Abtrünnigen, den Betrügern nehmen kann.
-
12:14 - 12:16Und ziemlich bald setzt sich die ganze Population
-
12:16 - 12:19aus diesen neuen Superorganismen zusammen.
-
12:19 - 12:21Was ich Ihnen hier gezeigt habe
-
12:21 - 12:23wird manchmal in der Evolutionsgeschichte
-
12:23 - 12:26eine wesentliche Transition genannt.
-
12:26 - 12:28Darwins Gesetze verändern sich nicht,
-
12:28 - 12:31aber nun gibt es eine neue Art von Spieler auf dem Feld
-
12:31 - 12:34und die Dinge beginnen, ganz anders auszusehen.
-
12:34 - 12:36Dieser Übergang war keine einmalige Laune der Natur,
-
12:36 - 12:38die nur mit ein paar Bakterien passiert ist.
-
12:38 - 12:40Es ist erneut passiert
-
12:40 - 12:42vor etwa 120 oder 140 Millionen Jahren
-
12:42 - 12:45als vereinzelte Wespen
-
12:45 - 12:47anfingen, kleine, einfache, primitive
-
12:47 - 12:50Nester, oder Bienenstöcke zu bauen.
-
12:50 - 12:53Sobald mehrere Wespen alls zusammen im selben Stock waren,
-
12:53 - 12:55hatten sie keine Wahl, als zu kooperieren,
-
12:55 - 12:57denn sehr bald standen sie in Konkurrenz
-
12:57 - 12:59zu anderen Stöcken.
-
12:59 - 13:01Und die Stöcke mit dem stärksten Zusammenhalt gewannen,
-
13:01 - 13:03genau wie Darwin sagte.
-
13:03 - 13:05Diese frühen Wespen
-
13:05 - 13:07hatten die Entwicklung von Bienen und Ameisen zur Folge,
-
13:07 - 13:09die die Welt bevölkerten
-
13:09 - 13:11und die Biosphäre veränderten.
-
13:11 - 13:13Und es passierte wieder,
-
13:13 - 13:15sogar noch spektakulärer,
-
13:15 - 13:17in den letzten 500.000 Jahren,
-
13:17 - 13:19als unsere Vorfahren
-
13:19 - 13:21kulturelle Wesen wurden,
-
13:21 - 13:24sie kamen um eine Feuerstelle oder ein Lagerfeuer zusammen,
-
13:24 - 13:26sie teilten die Arbeit auf,
-
13:26 - 13:29sie begannen damit, ihre Körper zu bemalen, sprachen ihre eigenen Dialekte
-
13:29 - 13:32und huldigten schließlich ihren eigenen Göttern.
-
13:32 - 13:34Sobald sie alle in einem selben Stamm waren,
-
13:34 - 13:37konnten sie die Vorteile der Kooperation für sich behalten.
-
13:37 - 13:39Und sie entfesselten die stärkste Kraft,
-
13:39 - 13:41die jemals auf diesem Planeten gesehen wurde,
-
13:41 - 13:43nämlich die der menschlichen Kooperation –
-
13:43 - 13:45eine Kraft des Erschaffens
-
13:45 - 13:48und der Zerstörung.
-
13:48 - 13:50Natürlich sind menschlichen Gruppen nicht einmal ansatzweise so geschlossen
-
13:50 - 13:52wie Bienenstöcke.
-
13:52 - 13:55Menschengruppen sehen vielleicht für kurze Augenblicke aus wie Bienenstöcke,
-
13:55 - 13:57aber sie tendieren dazu, auseinanderzubrechen.
-
13:57 - 14:00Wir sind nicht in unsere Kooperation eingeschlossen, wie es Bienen und Ameisen sind.
-
14:00 - 14:02Tatsächlich ist es oft so,
-
14:02 - 14:04wie wir bei vielen der Aufständen des Arabischen Frühlings beobachten konnten,
-
14:04 - 14:08dass diese Teilungen oftmals religiösen Linien entsprechen.
-
14:08 - 14:11Nichtsdestotrotz, wenn Menschen zusammenkommen
-
14:11 - 14:13und allesamt Teil derselben Bewegung werden,
-
14:13 - 14:16können sie Berge bewegen.
-
14:16 - 14:19Sehen Sie sich die Leute auf den Bildern an, die ich Ihnen gezeigt habe.
-
14:19 - 14:21Glauben Sie, dass sie
-
14:21 - 14:23ihr eigenes Interesse verfolgen?
-
14:23 - 14:26Oder verfolgen sie ein Gemeinschaftsziel,
-
14:26 - 14:29das es erfordert, sich selbst zu verlieren
-
14:29 - 14:33und einfach Teil eines Ganzen zu werden?
-
14:34 - 14:36Okay, das war also mein Vortrag,
-
14:36 - 14:38gehalten auf die TED-übliche Art und Weise.
-
14:38 - 14:40Und jetzt werde ich Ihnen all das noch einmal von vorne zeigen
-
14:40 - 14:42in drei Minuten
-
14:42 - 14:45auf eine umfassendere Art.
-
14:45 - 14:47(Musik)
-
14:47 - 14:49(Video) Jonathan Heidt: Wir Menschen erleben eine Vielfalt
-
14:49 - 14:51religiöser Erfahrungen,
-
14:51 - 14:53wie William James erklärte.
-
14:53 - 14:56Eine der häufigsten ist jene des Erklimmens der geheimen Treppe
-
14:56 - 14:58und des Selbstverlierens.
-
14:58 - 15:00Die Treppe bringt uns
-
15:00 - 15:03von der Erfahrung des Lebens als profan und gewöhnlich
-
15:03 - 15:05aufwärts zu einer Erfahrung des Lebens als sakral,
-
15:05 - 15:07oder tief verwoben.
-
15:07 - 15:09Wir sind von der Art des Homo Duplex,
-
15:09 - 15:11wie Durkheim erklärte.
-
15:11 - 15:13Und wir sind von der Art des Homo Duplex,
-
15:13 - 15:15weil wir uns durch Selektion auf mehreren Ebenen entwickelt haben,
-
15:15 - 15:18wie Darwin erklärte.
-
15:18 - 15:20Ich kann nicht sicher sein, ob die Treppe wirklich eine Adaptation
-
15:20 - 15:22anstatt eines Fehlers ist,
-
15:22 - 15:24wenn sie aber eine Adaptation ist,
-
15:24 - 15:26dann sind die Auswirkungen tiefgreifend.
-
15:26 - 15:28Wenn sie eine Adaptation ist,
-
15:28 - 15:31dann entwickelten wir uns, um religiös zu sein.
-
15:31 - 15:33Ich meine nicht, dass wir entstanden sind,
-
15:33 - 15:35um riesigen organisierten Religionen beizutreten.
-
15:35 - 15:37Diese Dinge haben sich vor zu kurzer Zeit entwickelt.
-
15:37 - 15:39Ich meine, dass wir uns entwickelt haben,
-
15:39 - 15:41um die Heiligkeit überall um uns herum zu sehen
-
15:41 - 15:43und mit anderen Leuten Gruppen beizutreten
-
15:43 - 15:45und sakrale Objekte, Menschen
-
15:45 - 15:47und Ideen zu umkreisen.
-
15:47 - 15:50Deswegen ist die Politik so stammartig organisiert.
-
15:50 - 15:53Politik ist teils profan, teils geht es als um Eigennutz,
-
15:53 - 15:56aber bei Politik geht es auch um Heiligkeit.
-
15:56 - 15:58Es geht darum, sich mit anderen zu verbinden,
-
15:58 - 16:00um ethische Vorstellungen nachzuverfolgen.
-
16:00 - 16:03Es geht um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse
-
16:03 - 16:06und wir alle glauben, wir sind im guten Team.
-
16:06 - 16:08Und am wichtigsten ist,
-
16:08 - 16:10wenn die Treppe echt ist,
-
16:10 - 16:12erklärt sie die dauerhafte Unterströmung
-
16:12 - 16:14der Unzufriedenheit im modernen Leben.
-
16:14 - 16:17Denn Menschen sind, in gewissem Maße,
-
16:17 - 16:19Schwarmtiere, so wie Bienen.
-
16:19 - 16:22Wir sind Bienen. Wir sind während der Aufklärung aus dem Stock herausgebrochen.
-
16:22 - 16:25Wir haben die alten Institutionen niedergerissen
-
16:25 - 16:27und den Unterdrückten Freiheit gebracht.
-
16:27 - 16:29Wir entfesselten weltverändernde Kreativität
-
16:29 - 16:32und erzeugten enormen Wohlstand und Komfort.
-
16:32 - 16:34Heute fliegen wir durch die Gegend
-
16:34 - 16:36wie einzelne Bienen, die in Freiheit frohlocken.
-
16:36 - 16:38Aber manchmal fragen wir uns:
-
16:38 - 16:40Ist das alles?
-
16:40 - 16:42Was soll ich mit meinem Leben anfangen?
-
16:42 - 16:44Was fehlt?
-
16:44 - 16:46Es fehlt das Bewusstsein, dass wir von der Art des Homo Duplex sind,
-
16:46 - 16:49die moderne, säkulare Gesellschaft aber errichtet wurde,
-
16:49 - 16:52um unser niederes, profanes Selbst zu befriedigen.
-
16:52 - 16:55Es ist wirklich gemütlich hier unten auf der profanen Ebene.
-
16:55 - 16:58Komm', nimm' Platz in meinem Heimkino.
-
16:58 - 17:00Eine große Herausforderung des modernen Lebens
-
17:00 - 17:03ist es, die Treppe in all dem Durcheinander zu finden
-
17:03 - 17:06und dann etwas Gutes und Edles zu tun,
-
17:06 - 17:09sobald man zur Spitze emporklettert.
-
17:09 - 17:12Ich sehe dieses Verlangen in meinen Studenten an der University of Virginia.
-
17:12 - 17:14Sie alle wollen einen Grund oder eine Berufung finden,
-
17:14 - 17:16in die sie sich selbst investieren können.
-
17:16 - 17:19Sie alle suchen nach ihrer Treppe.
-
17:19 - 17:21Und das gibt mir Hoffnung,
-
17:21 - 17:23weil es bedeutet, dass die Menschen nicht ausschließlich egoistisch sind.
-
17:23 - 17:25Die meisten Menschen möchten die Engstirnigkeit überwinden
-
17:25 - 17:27und Teil eines größeren Ganzen werden.
-
17:27 - 17:30Und das erklärt die außerordentliche Resonanz
-
17:30 - 17:32auf diese simple Metapher,
-
17:32 - 17:35die vor fast 400 Jahren geschaffen wurde.
-
17:35 - 17:37„Kein Mensch ist eine Insel,
-
17:37 - 17:39ganz für sich selbst.
-
17:39 - 17:42Jeder Mensch ist ein Teil des Kontinents,
-
17:42 - 17:45ein Teil des Ganzen.“
-
17:45 - 17:47JH: Vielen Dank.
-
17:47 - 17:55(Applaus)
- Title:
- Jonathan Haidt: Religion, Evolution und die Ekstase der Selbsttranszendenz
- Speaker:
- Jonathan Haidt
- Description:
-
Psychologe Jonathan Heidt stellt eine einfache, aber diffizile Frage: Wieso streben wir nach Selbsttranszendenz? Wieso wollen wir uns selbst verlieren? Mit einer Reise durch die Wissenschaft der Evolution durch Gruppenselektion, schlägt er eine provokante Antwort vor.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 17:56
Retired user added a translation |