Hallo. Ich bin Hasan. Ein Künstler.
Wenn ich Leuten sage, dass ich Künstler bin,
fragen sie meistens: "Malen Sie?"
oder "Was ist ihr Medium?"
Der Großteil meiner Arbeit
beschäftigt sich eigentlich mehr mit Arbeitsmethoden
und nicht mit einer speziellen Disziplin
oder einer besonderen Technik.
Insbesondere interessiert mich wie Probleme kreativ gelöst werden können.
Vor ein paar Jahren hatte ich ein Problem.
Lassen sie es mich ihnen zeigen.
Es begann hier.
Dies ist der Flughafen von Detroit am 19. Juni 2002.
Ich kam von einer Ausstellung im Ausland zurück in die USA.
Als ich ankam
wurde ich vom FBI empfangen,
in einen kleinen Raum geführt
und alles mögliche gefragt.
"Wo waren Sie? Was haben Sie gemacht? Mit wem haben sie geredet?
Warum waren Sie dort? Wer hat Ihre Reise bezahlt?"...
All solche Details.
Und aus dem Nichts
fragte mich der Agent "Wo waren Sie am 12. September?"
Die Meisten, die gefragt werden, "Wo waren Sie am 12. September?"
oder an welchen Tag auch immer,
wissen es nicht genau, können es aber nachschlagen.
Also habe ich meinen Organizer rausgeholt
und gesagt "Ok, schauen wir, welche Termine am 12. September anstanden".
Von 10h bis 10.30h habe ich mein Lager bezahlt,
von 10.30 bis 12h habe ich mich mit Judith getroffen, einer damaligen Studentin von mir.
Von 12h bis 15h habe ich unterrichtet,
ebenso von 15h bis 18h.
"Wo waren Sie am 11.? Wo waren Sie am 10.?
"Wo waren Sie am 29., am 30.?"
"Wo waren Sie am 5. Oktober?"
Wir sind etwa sechs Monate meines Kalenders durchgegangen.
Ich glaube, er dachte nicht, dass die Aufzeichnungen meiner Termine
so genau waren.
Mein Glück.
Orange steht mir nämlich gar nicht.
(Lachen)
Er fragte mich -
(Applaus)
"Das Lager, für das Sie die Miete gezahlt haben ...
was lagern Sie dort?"
Es war in Tampa in Florida
und meine Antwort war "Winterklamotten, die ich in Florida nicht brauche.
Möbel, die nicht in mein Appartment passen.
gesammelter Flohmarkt-Kram,
weil ich nichts wegwerfen kann.
Er schaut mich verwundert an und fragt: "Kein Sprengstoff?"
(Lachen)
Ich antwortete, "Nein, ich bin ziemlich sicher: kein Sprengstoff.
Und falls doch, hätte ich mich bestimmt erinnert."
Er ist noch immer irritiert,
aber ich glaube, jeder, der mehr als ein paar Minuten mit mir redet, erkennt,
dass ich kein Terrorist bin.
Wir sitzen also dort
und nach etwa anderthalb Stunden Fragerei sagt er,
"Okay, ich habe genug Informationen.
Ich leite sie an das Büro in Tampa weiter. Die haben das hier eingeleitet.
Die wenden sich wieder an Sie und wir kümmern uns darum.
"Super" sagte ich.
Als ich heimkam klingelte das Telefon
und ein Mann stellte sich vor.
Er ist vom FBI-Büro in Tampa
wo ich sechs Monate meines Lebens verbrachte.
Insgesamt, nicht an einem Stück.
Sie wissen, dass man in den USA
Bundesgebäude nicht fotografieren darf...
aber Google übernimmt das...
Danke dafür, Google...
(Applaus)
Ich habe also viel Zeit in diesen Gebäude verbracht.
Fragen wie:
"Waren Sie je Zeuge eines Aktes, der die USA oder
ein anderes Land schaden könnte oder haben daran teilgenommen?"
Es kommt sehr auf die eigene Geistesverfassung
in so einer Situation an.
Man befindet sich praktisch jemandem gegenüber,
der über Leben und Tod entscheidet.
Während der Lügendetektor-Phase,
nach neun Tests hörte es endlich auf,
war die erste Frage:
"Ist Ihr Name Hasan?" - "Ja."
"Sind wir in Florida?" "Ja." "Ist heute Dienstag?" "Ja."
Nur geschlossene Fragen funktionieren.
Die dann folgende Frage ist natürlich:
"Gehören Sie zu einer Gruppe, die den USA schaden will?"
...ich arbeite an einer Uni...
(Lachen)
Also antwortete ich, "Vielleicht wollen Sie das einige meiner Kollegen direkt fragen."
Sie sagten, "Abgesehen von dem, über das wir gesprochen haben,
gehören Sie Gruppen an, die den USA schaden wollen?"
"Nein."
Nach sechs Monaten
und neun Lügendetektor-Tests
sagten sie, "Alles ist ok."
Ich antwortete "Ich weiß, das sage ich euch doch dauernd.
Ich weiß, dass alles ok ist."
Sie schauen mich komisch an.
Ich sagte, "Leute, ich reise viel."
Wie gesagt. Wir sind beim FBI...
Und sagte dann, "Wenn Alaska das aktuelle Memo nicht bekommt,
dann fängt alles wieder von vorne an."
Das war ein berechtigter Einwand.
Er sagte: "Falls Du in Schwierigkeiten kommst,
dann ruf uns an und wir kümmern uns darum."
Im Anschluss meldete ich mich dann immer beim FBI, wenn ich verreist bin.
Ich rief an und sagte, "Leute, ich reise nach x,y,z. Das ist mein Flug.
Northwest Flug 7 nach Seattle
am 12. März - was auch immer...
Einige Wochen später rief ich wieder an.
Ich musste nicht, aber tat es trotzdem.
Ich wollte nur sagen. "Leute,
es soll nicht so aussehen, als überstütze ich irgendwelche Aktionen."
(Lachen)
"Ich will nicht, dass ihr denkt, ich flüchte.
Nur dass ihr bescheid wisst..."
Das habe ich also immer wieder gemacht.
Dann wurden aus den Anrufen Emails,
die Emails wurden immer länger...
mit Bildern,
mit Reisetipps.
Dann habe ich Websites gemacht.
Und zum Schluss habe ich diese Seite gebaut. Eine Sekunde...
Ich habe sie in 2003 entworfen.
Sie folgt mir zu jedem Zeitpunkt.
Ich habe mein Handy programmiert.
Im Grunde habe ich entschieden, Jungs, ihr wollt mich beobachten, ist ok.
Aber ich beobachte mich selbst.
Ihr müsst dafür eure Energie nicht verschwenden.
Ich helfe euch.
Ich habe überlegt, was sie noch über mich wissen wollen würden.
Sie hatten bestimmt alle Flugdaten,
also habe ich alle Flugdaten seit meiner Geburt online gestellt.
Hier, Delta 1252
von Kansas City nach Atlanta.
Und hier sind einige der Mahlzeiten, die's in den Flugzeugen gab.
Das war auf dem Delta Flug 719
von New York nach San Francisco.
Hier... sie lassen mich nicht mit einem Messer an Board,
aber innendrin geben sie mir eins...
(Lachen)
In diesen Flughäfen halte ich mich auf,
ich mag Flughäfen.
Das hier ist Kennedy Airport, am Dienstag, den 19ten Mai.
Das hier ist Warschau.
Singapur. Ziemlich leer...
Die Bilder sind sehr anonym
und könnten von jedem sein.
Aber wenn man Querverweise zu den anderen Daten herstellt,
dann übernimmt man praktisch die Rolle des FBI-Agenten,
der alle Daten sammelt.
Und wenn man in eine Situation kommt,
in der man jede Sekunde seines Lebens belegen muss,
kann man ganz anders darauf reagieren.
Während dieser Zeit war das Letzte
was ich dachte, daraus ein Kunstprojekt zu machen.
Ich habe nicht gedacht, super, neue Arbeit...
Aber nachdem ich alles angeschaut habe, was passiert ist
und alle Einzelteile verbunden hatte -
dadurch wollte ich für mich herausfinden, was passiert war -
wurde daraus
letztendlich dieses Projekt.
Dies sind einige Läden in denen ich einkaufe -
sie müssen sie kennen.
Hier kaufe ich Streichkreme mit Entengeschmack
im Laden Ranch 99 in Daly City
am Sonntag, den 15. November.
Im Coreana Supermarkt
kaufe ich Kimchi weil ich Kimchi mag.
Und einige Krebse habe ich ebenfalls gekauft
und Kutteln im Safeway in Emoryville.
Und Waschmittel in West Oakland -
'tschuldigung: Ost Oakland.
Und eingelegte Qualle
im Hong Kong Supermarkt an der Route 18 in East Brunswick.
Wer sich jetzt meine Bankauszüge anschaut,
sieht, dass ich dort war,
und weiß, dass ich am 9. Mai
für $ 14.79 im Safeway Vallejo getankt habe.
Ich gebe die Information also nicht nur hier oder dort heraus,
es gibt ebenfalls eine unabhängige
dritte Partei, meine Bank,
die bezeugt, dass ich zu der Zeit dort war.
Es gibt also Ereignisse, die verbunden und verglichen werden können.
Und sie werden verifiziert.
Manchmal sind es nur kleine Einkäufe.
34 Cent Gebühr für eine internationale Überweisung.
Diese Angaben sind direkt aus meinen Kontoauszügen,
und alle Infos sind gleich da.
Manchmal gibt es viel Information.
Genau hier befindet sich meine alte Wohnung in San Francisco.
Manchmal kommt solch eine Ansammlung an Infos.
Oder man sieht nur einen leeren Raum in Salt Lake City,
am 22. Januar.
Ich kann genau sagen, mit wem ich dort war und wo ich war,
denn genau das musste ich beim FBI machen.
Ich musste ihnen jedes Detail aus meinem Leben erzählen.
Ich verbringe viel Zeit unterwegs.
Hier ist ein Parkplatz in Elko, Nevada,
an der Route 80
um 8.01h am 19. August.
Ich verbringe auch viel Zeit an Tankstellen oder in leeren Bahnhöfen.
Es gibt verschiedene Datenbanken.
Und abertausende von Bildern.
Aktuell befinden sich 46.000 Bilder auf meiner Seite
und das FBI hat sich alle angeschaut ...
zumindest vermute ich das.
Manchmal gibt es aber nur wenige Informationen,
zum Beispiel dieses leere Bett.
Manchmal gibt es nur Text und kein Bild.
Wie hier.
Das ist übrigens der Ort meines Lieblings-Sandwich-Laden in Kalifonien -
Vietnamese sandwich.
Es gibt unterschiedliche Kategorien
wie Mahlzeiten in Restaurants,
leere Bahnhöfe, leere Tankstellen.
Diese Mahlzeiten habe ich zuhause gekocht.
Und woher man weiß, dass das zuhause war?
Die gleichen Teller kommen immer wieder vor.
Man muss also schon ein bisschen Detektiv spielen.
Manchmal ist die Datenbank sehr genau.
Diese Tacos habe ich alle in Mexico City
nahe des Bahnhofs gegessen,
am 5. und 6. Juli.
Denj hier um 11.39h.
Diesen um 13.56h und diesen um 16.59h.
Alle paar Augenblicke drücke ich einen Zeitstempel auf mein Leben.
Alle paar Momente mache ich ein Bild.
Mittlerweile mit meinem iPhone,
die Daten gehen direkt auf meinen Server,
der die Hintergrundarbeit erledigt
und die Kategorisierungen durchführt und alles zusammenfügt.
Sie wollen wissen, wo ich Geschäfte erledige,
weil sie über meine Geschäfte bescheid wissen wollen.
Am 4. Dezember war ich hier.
Und am Sonntag, den 14. Juni 2009...
um 14h nachmittags
in meiner Wohnung in Skowhegan in Maine.
Sie sehen hier
lauter Einzelinformationen.
Auf meiner Internetseite sind tonnenweise Informationen.
Es ist nicht wirklich die nutzerfreundlichste Seite.
Sie ist sogar recht nutzerunfreundlich.
Einer der Gründe dafür ist,
dass sich dort alles befindet,
aber man muss sich durch die Daten durcharbeiten.
Indem ich alle Informationen veröffentliche,
gebe ich allen Zugang zu meinem gesamten Leben.
Aber durch dieses Informations-Bombardement,
das ich veranstalte,
lebe ich tatsächlich ein sehr anonymes, privates Leben.
Man weiß tatsächlich wenig über mich.
Ich bin zu der Erkenntnis gekommen,
dass man, um seine Privatsphäre zu schützen -
insbesondere in einer Zeit, in der alles kalalogisiert
und archiviert und aufgehoben wird -
Informationen nicht vernichten muss.
Was also sollte man machen, wenn alles öffentlich ist?
Man muss die Kontrolle übernehmen.
Wenn ich die Informationen selbst veröffentliche,
dann entsteht eine andere Art Identität
als wenn jemand versucht, einzelne Infos zu bekommen.
Eine weitere interessante Tatsache ist,
dass Geheimdienste -
egal welche -
in einer Branche arbeiten,
deren Ware Information ist ...
oder der beschränkte Zugang dazu.
Und der Grund warum ihre Information als wertvoll gilt ist,
weil sie sonst niemand hat.
Wenn ich also den Mittelsmann umgehe
und sie Ihnen direkt gebe,
haben die Informationen, die das FBI hat, keinen Wert,
ich entwerte also ihre Währung.
Ich verstehe, dass dies auf individueller Ebene
rein symbolisch ist.
Aber falls 300 Millionen Leute in den USA
genau das machen würden,
dann müsste das gesamte System der Geheimdienste
von Grund auf überholt werden.
Es würde einfach nicht funktionieren, wenn jeder alles teilen würde.
Und wir kommen dem näher.
Als ich mit dem Projekt angefangen habe
haben die Leute gesagt,
"Warum würdest Du allen sagen wollen, was du machst und wo du bist?
Warum stellst du die Bilder online?"
Das war, ehe Leute überall getwittert haben
oder 750 Millionen Menschen
Statusupdates veröffentlicht
oder Leute angestupst haben.
Also eigentlich bin ich froh, völlig überflüssig zu sein.
Ich führe das Projekt zwar noch fort, aber es ist überflüssig,
weil alle es machen.
Wir alle veröffentlichen unsere Informationen jeden Tag,
ob bewusst oder unbewusst.
Wir schaffen unsere eigenen Archive.
Einige meiner Freunde haben gesagt,
"Du bis doch paranoid. Warum machst Du das?
Weil es niemanden wirklich interessiert.
Und niemand wird dich belästigen."
Eine meiner Tätigkeiten ist daher,
meine Server-Protokolle genau zu analysieren.
Schließlich geht es um Überwachung.
Ich beobachte diejenigen, die mich beobachten.
Diese Listen sind dabei herausgekommen.
Das sind also einige meiner Analyseprotokolle.
Alles eine Menge Kleinkram, wie Sie hier sehen.
Ich habe die Liste bereinigt, damit es deutlich wird.
Homeland Security schaut also vorbei –
das Ministerium für Innere Sicherheit,
oder die National Security Agency.
Ich wohne mittlerweile übrigens nicht weit von ihr entfernt.
Die Central Intelligence Agency,
die Geschäftsstelle des Präsidenten.
Ich weiß nicht, warum sie auf die Seite kommen, aber sie kommen.
Vielleicht schauen sie sich ja gerne Kunst an...
Und ich bin froh, dass wir Kunstmäzene in diesen Branchen haben...
Herzlichen Dank.
(Applaus)
Bruno Giussani: Hasan, aus Neugier:
Sie sagten, "Jetzt geht alles automatisch über mein iPhone."
aber sie fotografieren die Bilden und veröffentlichen die Informationen.
Wie lange dauert das täglich?
HE: Gar nicht lange.
Es ist, als würde ich
eine SMS verschicken.
Oder eine Email checken.
Es ist eine dieser Sachen, ohne die wir gut klargekommen sind, ehe es sie gab.
Jetzt ist es ganz normal.
Wenn wir unseren Status irgendwo aktualisieren,
fragen wir uns nicht, wie lange das dauert.
Es handelt sich also wirklich nur um ein paar Klicks auf dem Telefon,
dann absenden und fertig.
Alles andere passiert automatisch auf dem Server.
BG: Und wenn Sie an einem Ort nichts veröffentlichen spielt das FBI verrückt?
HE: Sie sehen immer den letzten Ort, an dem ich war
Und der bleibt der aktuell letzte Eintrag.
Wenn ich also auf einem 12-Stunden-Flug bin,
dann sieht man den Abflug-Flughafen.
BG: Hasan, vielen Dank. HE: Danke.
(Applaus)