35C3 Vorspannmusik
Herald: So, und jetzt können wir auch
direkt anfangen mit unserem nächsten Talk,
"Mind the Trap: Die Netzpolitik der AfD im
Bundestag". Unsere Sprecherin dafür ist
Miriam und ich denke Miriam ist ungefähr
die beste Person, die diesen Talk geben
könnte. Denn Miriam arbeitet seit 2016 im
Bundestag für Tabea Rößner von den Grünen
zu netzpolitischen Themen und bekommt
deswegen sozusagen am eigenen Leibe mit,
wie sich diese ganzen Parteien dort so
aufführen und insbesondere die AfD.
So, bitte begrüßt Miriam.
Applaus
Noujoum (Miriam): Ja, herzlich willkommen
zu diesem Talk über die Netzpolitik der
AfD im Bundestag. Ich möchte als erstes
vorab sagen dass ich hier heute als
Privatperson spreche und weder meine
Arbeitgeberin noch irgendeine andere
Partei vertrete, und ich selber bin auch
gar nicht Mitglied in irgendeiner Partei.
Die AfD hat sich getreu ihrem
rechtsextremen Markenkern seitdem sie
2017, also letztes Jahr im Herbst, in den
Bundestag eingezogen ist, im Bundestag
seitdem tatsächlich auch hauptsächlich an
den Themen Migration, Asyl, Islam und
innere Sicherheit abgearbeitet. Und
dementsprechend sind in der Öffentlichkeit
und in den Medien auch vor allem die
ausländerfeindlichen Reden der AfD-
Abgeordneten oder die rassistischen
Anträge oder Anfragen wahrgenommen worden
und es wurde auch immer vor allem darüber
berichtet in den Medien. Einfach nur mal
kurz zwei Beispiele dafür: Der AfD
Abgeordnete Gottfried Kurio hat gerade
erst im September in einer Rede ganz
besonders tief in die Kiste mit den
faschistischen Redewendungen gegriffen und
hat gesagt, den Deutschen wird in Chemnitz
wie anderswo ihr täglicher friedlicher
Lebensraum genommen. Und ein zweites
Beispiel: Die AfD-Abgeordnete Birgit
Malsack-Winkelmann hat auch im September
in einer Rede zum Haushalt des
Gesundheitsministeriums gesprochen, und da
hat sie davon fantasiert, dass jeder
vierte Geflüchtete bedrohliche Krankheiten
und antibiotikaresistente Keime nach
Deutschland einschleppt und dass deswegen
alle Migrantinnen und Migranten per se
erst einmal in Quarantäne gesteckt werden
müssten. Es ist echt so eine Rede zum
abgewöhnen, da wird einem total schlecht.
Und mir ist irgendwann aufgefallen, dass
vor diesem ausländerfeindlichen und
islamfeindlichen Rauschen überhaupt
niemand außerhalb des Bundestages
mitkriegt, was eigentlich im Bereich
Netzpolitik so los ist bei der AfD. Und
wenn ich mich mit Leuten darüber
unterhalten habe, dann war auch meistens
die erste Reaktion, ach die AfD mache
irgendwas mit Netzpolitik? Weil ungefähr
niemand auf dem Schirm hat dass da
überhaupt irgendwas passiert, dass die da
aktiv sind und wer die Abgeordneten sind
die sich in dem Bereich überhaupt
engagieren. Deswegen jetzt mal ganz kurz
eine kleine Umfrage: Wer von euch, ich
bitte jetzt um Handzeichen, wer von euch
könnte auch nur einen einzigen AfD-
Abgeordneten mit Namen nennen, der sich
netzpolitisch im Bundestag engagiert?
Oder, ihr habt zwei Optionen, oder hat bei
irgendeiner netzpolitischen Diskussion im
letzten Jahr mitbekommen was die AfD dazu
sagt? Also, wenn eins von beidem auf euch
zutrifft, bitte jetzt Handzeichen.
Publikum Gemurmel
Ich sehe 3 Hände. Also ich sehe literally
3 Hände in diesem Raum. OK, und ich finde
das ist schon ziemlich aussagekräftig,
weil wer wenn nicht ihr hier in diesem
Raum würde das mitkriegen, ja? Weil ihr
seid ja diejenigen die sensibilisiert sind
und die sich immer informieren und
mitkriegen was im Bereich Netzpolitik los
ist. Und das ist auch ein ganz gutes
Beispiel, auch wenn das jetzt nur
anekdotische Evidenz aus diesem Saal ist,
dass die AfD also eher nicht mit dem Thema
Netzpolitik verknüpft wird. Und es ist ja
auch kein Wunder , weil eben bei der
Berichterstattung über die netzpolitischen
Debatten im Bundestag meistens nur darüber
berichtet wird, wie sich die Große
Koalition mit den demokratischen
Oppositionsparteien auseinandersetzt. Also
das steht immer im Fokus der
Berichterstattung. Das läuft dann ungefähr
so: Union und SPD machen irgendeinen
dummen Vorschlag, z.B. Staatstrojaner
einsetzen, und Grüne, Linke und FDP sind
dann dagegen. Und von denen werden dann
die Zitate berichtet und so weiter. Aber
was die AfD-Fraktion dazu sagt, das kriegt
überhaupt niemand mit, und das nimmt auch
keiner wahr. Und auch in den Ausschüssen –
Ausschüsse Digitale Agenda oder in der
Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz
– ist es ziemlich irrelevant was die AfD
so beizutragen hat. Aber sie sind nunmal
halt trotzdem da und sie beteiligen sich
im Bundestag an den Debatten, und sie
sprechen in den Ausschüssen und sie
tauchen auch bei verschiedenen
netzpolitischen Veranstaltungen auf von
netzpolitischen Organisationen wo ihr
vielleicht auch aktiv seid. Und deswegen
müssen wir uns doch mal damit
beschäftigen. Und in diesem Talk will ich
jetzt mit euch zusammen diesen toten
Winkel von uns allen etwas genauer
untersuchen und mal schauen was es
eigentlich bei der Bundestagsfraktion der
Alternative für Deutschland, wie's da so
um die Netzpolitik bestellt ist. Und ich
dachte zum Einstieg fragen wir einfach mal
Alexander Gauland, den Partei- und
Fraktionsvorsitzenden der AfD.
Video
Alexander Gauland: "Es ist allgemein
bekannt, dass ich persönlich keine enge
Beziehung, sagen wir vorsichtig, zum
Internet habe, ich bin auch kein Fachmann
für diese Fragen. Ich sehe nur das
Problem, und das sehen wir alle, dass
Arbeitsplätze wegfallen werden durch die
Digitalisierung ohne dass wir schon über
Alternativen genügend nachgedacht haben.
Aber von einer Strategie zur
Digitalisierung kann nicht die Rede sein
und ich wüsste auch im Moment keine."
Noujoum (Miriam): Ja, jetzt könnte man
denken, dass damit schon alles gesagt ist.
Aber wir haben ja noch ein bisschen Zeit,
das heißt wir können versuchen noch ein
bisschen tiefer einzutauchen in das Thema.
Erst mal ganz grundsätzlich, die AfD hat
im Bundestag aktuell 91 Mitglieder. Das
liegt daran, dass ja auch schon welche
ausgetreten sind, z.B. Frauke Petry, das
habt ihr vielleicht mitbekommen. Und ihr
seht hier auf diesem Tortendiagramm, da
gibt es ganz rechts am Rand diese vier
Fraktionslosen, aber die AfD-Fraktion hat
im Moment 91 Mitglieder und ist damit auch
die größte Oppositionsfraktion. Ihr seht,
dass sie mehr Mitglieder haben als die
FDP, die Grünen oder die Linken. Und im
Bundestagsplenum sitzen sie vom Redepult
aus gesehen auf der ganz rechten Seite
neben der FDP; das ist also auf diesem
Bild das ganz rechte Pizzastück sozusagen.
Ihr seht da vorne in der ersten Reihe da
Alice Weidel und Alexander Gauland. Und
als größte Oppositionsfraktion im
Bundestag dürfen sie immer bei allgemeinen
Aussprachen oder wenn es um
Gesetzesentwürfe geht, sie dürfen immer
als Allererstes reden weil sie eben die
größte Oppositionsfraktion sind. Und sie
haben auch im Verhältnis zu den anderen
Oppositionsfraktionen mehr Redezeit und
das gilt im Plenum sowohl wie in den
Ausschüssen. Und wie alle anderen
Fraktionen auch hat die AfD im Bundestag
die Möglichkeit im Plenum zu allen
Tagesordnungspunkten zu sprechen. Sie
können Anträge stellen, Gesetzesentwürfe
vorschlagen, sie können kleine oder große
Anfragen stellen oder schriftliche oder
mündliche Fragen an die Bundesregierung
stellen. Bei Fachgesprächen oder
Sachverständigen-Anhörungen in den
Ausschüssen haben sie das Recht
Sachverständige vorzuschlagen obwohl sie
nicht in allen Fällen von diesem Recht
Gebrauch machen. Und sie können auch
Vorschläge machen zu welchen Themen
überhaupt Anhörungen durchgeführt werden
sollen. Die meisten netzpolitischen
Diskussionen im Bundestag finden neben dem
Plenum, was ihr gerade auf dem Bild
gesehen habt, auch im Ausschuss Digitale
Agenda statt. Aber es gibt noch andere
Ausschüsse in denen es auch immer mal
wieder um Netzpolitik geht. Also z.B. den
Innenausschuss weil der sich mit
Datenschutz beschäftigt, oder auch der
Verkehrsausschuss, da geht es dann um
digitale Infrastruktur also z.B.
Breitbandausbau oder 5G. Und in dieser
Legislaturperiode sind auch noch zwei
Enquete-Kommissionen dazugekommen.
Nämlich einmal die Enquete-Kommission
Künstliche Intelligenz und die Enquete-
Kommission Berufliche Bildung in der
digitalen Arbeitswelt. Und Enquete-
Kommissionen, das sind Gremien die sind
den Ausschüssen relativ ähnlich, aber die
sind nur für die Dauer einer einzigen
Wahlperiode eingesetzt und die
beschäftigen sich meistens mit einer ganz
konkreten Fragestellung oder einem ganz
bestimmten Thema. Und daneben haben die
Fraktionen, und so eben auch die AfD, das
Recht, noch Vertreter in verschiedene
Gremien zu schicken, die jetzt nicht
direkt mit dem Bundestag zu tun haben.
Zwei Beispiele: Dazu gehört unter anderem
der Beirat der Bundesnetzagentur oder zum
Beispiel auch der Beirat digitale
Marktwächter der Verbraucherzentrale
Bundesverband. Das heißt in solche Gremien
kann die AfD auch Vertreter schicken. Und
uns interessieren heute vor allem drei
Abgeordnete der AfD Bundestagsfraktion,
und zwar sind das die drei, die auch im
Ausschuss Digitale Agenda sitzen und in
der Enquete-Kommission Künstliche
Intelligenz und das sind die drei, die
sich hauptsächlich mit Netzpolitik
beschäftigen. Und das sind Uwe Kamann, Uwe
Schulz und Joana Cotar. Jetzt lagen mir
schon jede Menge geschmacklose Scherze auf
der Zunge über ein rechtsextremes Trio das
aus zwei Uwes besteht und einer Frau. Aber
während ich diesen Vortrag vorbereitet
habe und mich mit den dreien beschäftigt
habe, hat mich vor exakt 10 Tagen diese
Nachricht ereilt: Uwe Kamann ist
überraschend aus der AfD-Fraktion
ausgetreten und hat auch die Partei
verlassen. Wir wissen jetzt noch nicht so
besonders viel darüber, warum Kamann genau
ausgetreten ist. Ich habe dazu so ein paar
Vermutungen und darauf werde ich aber ganz
am Ende von diesem Talk nochmal eingehen.
Und da habe ich gedacht, ist ja
interessant, ich versuche mich mal auf der
Webseite von Uwe Kammann zu informieren,
vielleicht schreibt er da ja irgendwas
über seine Beweggründe. Aber da habe ich
festgestellt, dass nicht lange gefackelt
wurde, und ihm offenbar auch direkt seine
Webseite abgestellt wurde. Und das deutet
meiner Meinung nach darauf hin, dass
Kamann und die AfD nicht unbedingt im
Guten auseinandergegangen sind. Und weil
er aber bis vor 10 Tagen noch Mitglied der
AfD-Bundestagsfraktion und dieses
netzpolitischen Trios gewesen ist und ich
an diesem Talk vor allem darüber reden
will, was im letzten Jahr so los war, will
ich diese Bei... Austrittsgeschichte erst
mal beiseite lassen und, wie gesagt, erst
ganz am Ende wieder darüber reden. Wenn
man sich mit diesen dreien beschäftigt und
die so ein bisschen beobachtet, ich habe
ja nun jeden Tag und jede Woche bei meiner
Arbeit die Gelegenheit dazu, weil ich sie
im Ausschuss sehe, und in der Enquete-
Kommission und im Plenum, dann fällt vor
allem auf, dass die einen relativ normalen
Kommunikationsstil pflegen. Also im
Gegensatz zu dieser Krawallerie, die man
sonst von der AfD gewohnt ist. Wenn
normalerweise so Videoschnipsel im
Internet rumgereicht werden, bei Twitter
oder bei YouTube, wenn irgendeiner sagt:
"Oh, hier, guck mal, krasse Rede von nem
AfD-Abgeordneten", dann ist das ja
meistens irgendwas ganz krasses und...
also, oder ihr erinnert euch vielleicht
daran, Gauland, der gesagt hat: "Wir wer-
den die Mitglieder der anderen Fraktionen
jagen." Und im Verhältnis dazu sind diese
drei relativ ruhig. Die haben so ein
normales Parlamentsauftreten und die
zeichnen sich jetzt auch nicht durch so
eine gewaltvolle Sprache aus wie viele an-
dere Abgeordnete. Und im Vergleich zu
den anderen Mitgliedern ihrer Fraktion gehören sie
auch tatsächlich jetzt nicht zu den
hardcore Nazis. Die taz hat eine sehr gute
interaktive Seite gebaut, wo man sich über
die Vernetzungen und Verstrickungen der
AfD Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter
informieren kann. In die rechte Szene,
aber auch in verschiedene andere
Netzwerke. Und ich hab das mal für unsere
drei Netzpolitiker rausgesucht, aber damit
ihr den Kontrast besonders gut
wertschätzen könnt, zeige ich euch erst
mal wie diese Analyse von der taz aussieht
bei einem anderen Mitglied der AfD-
Fraktion und zwar bei Peter Felser. Peter
Felser ist ehemaliger Bundeswehroffizier
und hängt in verschiedenen neurechten
Verlags-Strukturen drin. So hat er z.B.
schon mal ein Buch mit Götz Kubitschek
veröffentlicht. Anfang der 1990er Jahre
war er Mitglied in der rechtsextremen
Partei Die Republikaner und er hat für die
auch Wahl-Werbespots produziert. Ja, und
Felsers Hobbys sind Holocaustleugnung und
Antisemitismus. Und Mitarbeiter von ihm
waren bei der NPD, wie wir hier sehen und
im Verhältnis dazu sind die Verbindungen,
die die taz recherchiert hat für die drei
Netzpolitiker, doch relativ harmlos. Also,
Kamann z.B., Mitarbeiter von ihm haben
Kontakte in die Medien und die
Wirtschaftswelt, Uwe Schulz war früher mal
Mitglied bei der CDU/CSU und hat
Verbindungen in die Wirtschaft. Und Joana
Cotar war ebenfalls früher bei der CDU/CSU
und Mitarbeitende von ihr haben
Verbindungen in neurechte
Verlagsstrukturen und in die Medien- und
Arbeitswelt. Im Verhältnis zu den anderen
AfDlern kann man also sagen, dass Kamann,
Cotar und Schulz einfach aus so einer
konservativen Ecke kommen, aber jetzt
oberflächlich betrachtet noch nicht die
ganz krassen rechtsextremen Tendenzen an
den Tag legen. Und das schlägt sich
natürlich auch darin nieder, wie sie
Politik machen oder wie sie sich im
parlamentarischen Alltag verhalten. Das
Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung hat 2017 eine sehr
interessante Studie veröffentlicht, die
untersucht hat, wie sich AfD Abgeordnete
in den verschiedenen deutschen
Landesparlamenten verhalten. Und auf Seite
25 und 26 macht diese Studie eine
Unterscheidung zwischen auf der einen
Seite den Bewegungsorientierten und auf
der anderen Seite den
Parlamentsorientierten Landtagsfraktionen
der AfD. Und hier sind diese Definitionen.
Ich lese euch ganz kurz mal das Zitat für
die Bewegungsorientierten vor: die
Bewegungsorientierten "(...) leben von
situativen Momenten, in denen sie sich vom
Parlament als solchem abgrenzen, sich als
Sprachrohr der rechten Vororganisationen
sehen bzw. versuchen, selbst die eigenen
Anhänger auf der Straße zu mobilisieren.
Diesem Idealtyp am nächsten kommt die
thüringische Fraktion rund um ihren
Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke."
'Bewegungsorientiert' kann man also meiner
Meinung nach auch mit krawallorientiert
übersetzen. Das sind also die
Abgeordneten, die mit voller Absicht und
vollem Kalkül in ihren Reden provozieren,
die mal ganz.. ganz nah an die Grenze des
Sagbaren gehen, damit die Rechten im Land,
wenn sie das sehen, sagen können: "Ah, der
traut sich was" oder "Endlich sagts mal
einer". Und das sind auch die Abgeordneten
oder die Fraktionen, die im Prinzip das
Parlament als solches ablehnen, obwohl sie
ja eigentlich ein Teil davon sind. Und
demgegenüber stehen auf der anderen Seite
die Parlamentsorientierten. Ich lese euch
auch dieses Zitat kurz vor: "Die
Parlamentsorientierten legen Wert darauf,
durch Sacharbeit aufzufallen, schnell
einen arbeitsfähigen und professionellen
Fraktionsapparat zu installieren und im
Plenum argumentativ zu überzeugen, selbst
wenn dafür Reden oder kurze Wortbeiträge
detailliert vorbereitet und eingeplant
werden müssen. Dies alles wird mit der
strategischen Grundorientierung verbunden,
dass die AfD einen dauerhaften Platz
rechts von der Union im Parteiensystem
erkämpfen und einnehmen will." Die
Parlamentsorientierten könnte man also
auch in gewisser Hinsicht die
Kooperationsorientierten nennen. Während
die Krawallorientierten, wie der Name
schon sagt, vor allem Konflikt erzeugen
wollen und sich von den anderen Fraktionen
möglichst deutlich abgrenzen und diese
angreifen und verächtlich machen wollen,
sind die Parlamentsorientierten oder
Kooperationsorientierten eher an
sachlicher Zusammenarbeit interessiert und
sie lehnen das Parlament auch nicht als
solches ab. Statt also zu provozieren und
immer Eklats zu produzieren, versuchen die
Parlamentsorientierten in einem ruhigen
und sachlichen Tonfall Politik zu machen
und auch realistische oder sinnvolle
Vorschläge zu machen. Und in dieser Studie
von der WZB sind jetzt eigentlich
verschiedene Fraktionen nach diesen beiden
Kriterien unterschieden worden. Aber ich
denke, dass man diese Systematik und diese
Unterscheidung nach diesen beiden
Kriterien auch auf einzelne Abgeordnete
der Bundestagsfraktion der AfD übertragen
kann. Und man kann die quasi alle so
sortieren, die einen in das Töpfchen und
die anderen in das Töpfchen. Und dann
kommt so was raus, dass man sagen könnte,
es gibt quasi zwei Flügel in der AfD-
Bundestagsfraktion, die einen und die
anderen. Und nach meiner Einschätzung
gehören die drei Netzpolitiker der AfD-
Bundestagsfraktion auf jeden Fall zu den
Kooperationsorientierten. Während nämlich
in anderen Ausschüssen im Bundestag jede
einzelne Sitzung ein einziger Eklat ist,
dank der AfD Abgeordneten, fallen die AfD
Netzpolitiker im Ausschuss Digitale Agenda
eigentlich so gut wie gar nicht auf. Sie
halten sich an die parlamentarischen
Abläufe. Sie treten betont höflich und
freundlich auf. Sie scherzen in der Pause
mit der FDP. Sie gratulieren dem
Ausschussvorsitzenden nochmal ganz
besonders schleimig zum Geburtstag und in
ihren Redebeiträgen stimmen sie auch
relativ häufig Vorrednern von FDP, Grünen
oder sogar Linken zu oder unterstützen
sogar deren Anträge bei Abstimmungen. Und
jetzt werfen wir mal einen Blick darauf,
was die Netzpolitiker von der AfD
inhaltlich eigentlich so treiben. Als ich
angefangen hab, darauf zu achten, wie sich
die AfD-Abgeordneten zu verschiedenen
netzpolitischen Fragen verhalten, ist mir
aufgefallen, dass ihre Positionierung
eigentlich fast immer in einer von drei
Kategorien fällt. Die erste Kategorie ist:
entweder, es ist.. sie, sie positionieren
sich anti-europäisch bzw. nationalistisch,
oder zweitens: sie finden irgendeinen
Weg ihren eigenen Opfermythos zu betonen
oder sich als Opfer zu inszenieren, oder
drittens: sie sagen einfach das, was alle
anderen auch sagen und surfen so ein
bisschen auf der Welle mit und... ja,
tragen nichts eigenes bei, sozusagen,
wiederholen nur das, was alle anderen auch
schon vertreten haben. Und als Beispiel
jetzt für diese erste Kategorie der
Positionierung, anti-europäisch bzw.
nationalistisch: von der AfD wird
grundsätzlich alles abgelehnt, was aus
Europa kommt, was aus Brüssel kommt und
diese anti-europäische Haltung ist ja auch
schon ein programmatischer Kern bei der
Parteigründung der AfD gewesen. Die AfD
macht in jedem Ausschuss und bei jedem
Thema um jede EU-Verordnung, um jede EU-
Richtlinie ein riesiges Gewese. Und wenns
nach denen gehen würde, würde der
Bundestag jeden zweiten Tag eine
Subsidiaritätsrüge anstoßen. Und ein EU-
Beispiel jetzt aus dem letzten Jahr ist
natürlich die Datenschutzgrundverordnung.
Da hat die AfD im Bundestag beantragt,
dass die DSGVO mit sofortiger Wirkung
ausgesetzt werden soll. Jetzt ist die
DSGVO vielleicht nicht das allerbeste
Beispiel, denn es gibt ja auch Europa-
Freunde, die viele gute Gründe haben warum
sie die DSGVO ablehnen, aber ich finde,
das steht exemplarisch für diesen Anti-
Europa-Fimmel, den die AfD hat. Und ein
anderes schönes Beispiel, oder eine andere
schöne Situation, aus dieser Kategorie
war, vor kurzem gab es eine
Referentenrunde im Bundestag, da
besprechen die Referenten der
verschiedenen Fraktionen schon mal die
Ausschussarbeit vor. Und da ging es um
eine Vorbesprechung des Internet
Governance Forum, das ist ein
internationaler Politik Gipfel, und da
sagte der AfD-Referent wörtlich, hier das
Zitat: "Internationales ist nicht so unser
Ding."
Lachen
Das ist natürlich bemerkenswert vor dem
Hintergrund, dass das ganze Internet ja
eigentlich auf internationalem Austausch
basiert. Also müssten Sie eigentlich gegen
alles sein, was mit dem Internet zu tun
hat. Jetzt zu der zweiten Kategorie:
Opfermythos der AfD betonend. Sehr viele
Debatten im Bundestag werden von der AfD
genutzt, um sich mal wieder als Opfer oder
in ihrer Opferrolle zu inszenieren. Und
gerade die Debatten um das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder eine
mögliche Regulierung von Social Bots
wurden von der AfD genutzt, um gegen
Zensur zu wettern und die angebliche
Abschaffung der Meinungsfreiheit
anzuprangern, weil aus ihrer Sicht die
anderen Fraktionen diese Themen nur
nutzen, um ihnen nicht genehme und
politisch unkorrekte Positionen aus dem
Onlinediskurs zu drängen. Und damit meint
die AfD natürlich politisch unkorrekte
Positionen wie solche, die sie selber
vertreten. Aber diese Haltung kann man nur
haben, also diese Haltung, die die AfD da
vertritt, wenn man findet, dass Rassismus,
Antisemitismus, Islamhass, Homo- Trans-
und Frauenfeindlichkeit, Holocaustleugnung
sowie Hassrede allgemein auf jeden Fall
von der Meinungsfreiheit gedeckt sein
sollte. Und meine Haltung ist, dass Hass
keine Meinung ist. Die AfD hat außerdem
eine ganze Reihe von kleinen Anfragen an
die Bundesregierung gestellt, die sie auch
genutzt hat, um sich wieder in ihrer
Opferrolle zu inszenieren. Das hat
meistens irgendwas mit Meinungsfreiheit zu
tun oder mit Öffentlich-rechtlichem
Rundfunk. Ich geb euch ein paar kleine
Beispiele dafür. Sie haben gleich zwei
Anfragen gestellt zu der Aktion
"Reconquista Internet" von Jan
Böhmermann, die Punchline war da im
Wesentlichen "Warum hat der CDF, äh ZDF-
Fernsehrat das nicht verhindert?" Sie
haben eine Anfrage gestellt zu einer
Aktion des Zentrums für Politische
Schönheit, die ja in der Vergangenheit
auch schon ein paar Mal hier auf dem
Kongress waren. Sie haben eine Anfrage
gestellt zur "Ankommen" App, die es
Geflüchteten leichter machen soll, sich in
Deutschland zurechtzufinden. Eine Anfrage
mit dem Titel "Linksextreme
Internetseiten". Da ging es im
Wesentlichen um linksunten.indymedia. Und
sie haben eine Anfrage gestellt zur
Mediathek "Vielfalt" aus dem Programm
"Demokratie leben", das von der
Bundesregierung unterstützt wird. Und in
dieser Mediathek Vielfalt wird die AfD als
rechtsextrem dargestellt. Und da hatten
sie doch sehr viele Nachfragen in ihrer
Kleinen Anfrage dazu. Und zudem kann man
feststellen, dass bei verschiedenen
netzpolitischen Debatten die AfD es im
Zweifel auch immer schafft, statt über das
eigentliche Thema zu reden, einen Bogen zu
ihrem Lieblingsthema zu schlagen. Also der
Abgeordnete Uwe Schulz hat zum Beispiel
vor kurzem eine Rede zu einem FDP-Antrag
gehalten im Plenum und da ging es
eigentlich um die Beschleunigung der
Digitalisierung, aber er hat es trotzdem
geschafft irgendwie immer wieder über die
Flüchtlingskrise 2015 zu sprechen. Und die
dritte Kategorie, wir haben "das, was alle
sagen" sehr oft, in meiner Wahrnehmung
sogar in der Mehrzahl der Fälle, hat die
AfD gar keine eigene originäre Position zu
irgendeiner netzpolitischen Frage. Sondern
sie hängen sich einfach an alle anderen
dran. Gibt es verschiedene thematische
Beispiele, z.B. als es um den Cambridge
Analytica Skandal von Facebook ging. Als
es um den Bundesregierungshack ging, da
haben sich alle Fraktionen aufgeregt, dass
die Bundesregierung ihre Aufarbeitung
nicht transparent gemacht hat für die
Abgeordneten, haben sie auch immer einfach
das gesagt, was alle anderen gesagt haben.
Beim Breitbandausbau, beim Thema
künstliche Intelligenz ist das auch so.
Die AfD stimmt dann einfach den anderen zu
und betont, dass sich ja in dieser Sache
alle einig sind, also auch sie. Und hier
haben wir jetzt noch mal ein Beispiel, das
ist eine Rede von Uwe Kamann. Da geht es
um die Einsetzung der Enquete-Kommission
künstliche Intelligenz und da könnt ihr
mal hören wie das klingt, wenn immer
zugestimmt wird.
Applaus im Video
Kamann: "Bei der künstlichen Intelligenz,
meine Damen und Herren, darf es nicht um
parteipolitische Profilierung gehen, denn
es handelt sich um technologische
Quantensprünge, die wir als Nation
mitgehen müssen, wenn wir unsere
wirtschaftliche Stellung in der Welt und
den Wohlstand unseres Landes nicht aufs
Spiel setzen wollen. Meine Fraktion, die
AfD, wird sich hier mit Sachverstand und
großem Engagement einbringen.
Applaus im Video
Ich will aus Zeitgründen nicht auf die
Versäumnisse der Vergangenheit eingehen,
denn die sind offensichtlich jedem
bekannt. Außerdem müssten wir dann bis
morgen früh hier sitzen. Gefragt ist nun
konstruktives und vorausschauendes Handeln
für die Zukunft unseres Landes. Nur darum
gehts."
Miriam: Ja. Klingt wahnsinnig vernünftig,
ist aber auch nichts Neues. Nochmal
zusammenfassend: die AfD hat bei der
Netzpolitik inhaltlich nichts
Interessantes zu sagen, sie haben keine
Lösungen oder eigene Vorschläge, auf die
bisher noch niemand anders gekommen ist,
sie lehnen europäische oder internationale
Lösungen ab. Und Sie schwenken auch gerne
mal vom eigentlichen netzpolitischen Thema
ab, wenn sie da inhaltlich schwach sind
und verbinden das dann lieber mit
irgendwas, was mit ihrem Markenkern zu tun
hat. Und sie stimmen eben sehr häufig und
in großen Teilen den anderen Fraktionen zu
und betonen immer die Gemeinsamkeiten. Und
gerade in diesem letzten Punkt sehe ich
eine große Gefahr, weil ich nämlich
glaube, dass die Netzpolitik der AfD-
Fraktion zur Normalisierung dient. Weil
grade, wenn sie den anderen immer so viel
zustimmen, dann läuft man Gefahr zu
vergessen, dass man es mit Leuten zu tun
hat die Mitglied in einer Fraktion sind,
die menschenverachtende Positionen
vertritt. Wo eben so Sachen gesagt werden
wie "Wir werden sie jagen" oder wo von
Messermännern und Kopftuchmädchen die Rede
ist. Und durch dieses
parlamentsorientierte oder
kooperationsorientierte Auftreten kommen
sie einem einfach wie normale Politiker
vor, man sieht die halt jeden Tag im
Ausschuss und die benehmen sich relativ
normal. Aber sie sind eben keine normalen
Politiker, weil sie kein Problem mit
dieser Fraktion und Partei haben, in der
sie Mitglied sind und wo diese
menschenverachtenden Positionen vertreten
werden. Jetzt agiert die AfD ja nicht im
luftleeren Raum, sondern es gibt noch
viele andere Player in der netzpolitischen
Szene. Die AfD hat zum Beispiel hier eine
kleine Anfrage gestellt zum Digitalrat.
Das ist dieses Gremium, das die
Bundesregierung mit innovativen Fragen und
Ideen inspirieren soll. Das ist diese
Gelegenheit, wo jetzt auch hippe Start-Up
Leute mal ins Bundeskanzleramt dürfen. Und
Frage 2 in dieser kleinen Anfrage lautet:
"Aus welchen Gründen wurden lediglich
Experten aus den Bereichen Wissenschaft
und Privatwirtschaft, nicht aber aus der
Zivilgesellschaft, wie z. B. dem Chaos
Computer Club oder dem Verein Digitale
Gesellschaft, berufen?" Das ist also ein
Beispiel dafür, wie sie gezielt versuchen,
Brücken und Verbindungen zu schlagen zu
verschiedenen netzpolitischen Akteuren und
Organisationen. Ich hoffe jetzt
allerdings, ihr habt euch nicht zu sehr
über die Nachricht gefreut, dass die AfD
im Bundestag den CCC und die DigiGes
pusht, es ist nämlich nicht alles Gold,
was glänzt. Die AfD hat nämlich auch einen
Antrag gestellt zur finanziellen
Unterstützung der Konferenz re:publica.
Und da es aber nicht, wie man meinen
könnte, darum, dass es Geld auf die
re:publica regnen soll, sondern die
Bundesregierung soll mit sofortiger
Wirkung jegliche finanzielle Zuwendungen
für die re:publica streichen. Vielleicht
erinnert ihr euch noch darum, das war
dieses Jahr, da ging es darum, dass die
Organisatorinnen und Organisatoren der
re:publica nicht wollten, dass Bundeswehr-
Mitglieder in Uniform auf dem Gelände der
re:publica Werbung machen für die
Bundeswehr. Naja, und da hat dann die AfD
gesagt: "Das, das muss ein Ende haben. So
gehts nicht weiter!" und haben das
gefordert. Fun Fact: Es gibt personelle
Überschneidungen zwischen der DigiGes und
dem Orga-Team der re:publica, das heißt,
in der Kleinen Anfrage wird die DigiGes
gepusht und versucht, eine Brücke zu denen
zu schlagen, aber hier bei dem Antrag zur
re:publica, wo personell doch zu großen
Teilen die gleichen Leute sich engagieren,
positionieren sie sich dagegen. Ich habe
mich jetzt in Vorbereitung für diesen Talk
mit ziemlich vielen Leuten aus
unterschiedlichen Organisationen und
Netzwerken unterhalten und mal gefragt,
was eigentlich ihr Umgang mit der AfD-
Fraktion ist. Und ich habe den Eindruck,
dass man hier auch wieder das Verhalten
der Organisationen im Verhältnis zur AfD
in drei Kategorien einteilen kann. Die
erste Kategorie ist: Es gibt viele
Organisationen, die die AfD wie alle
anderen Parteien verhalten... behandeln.
Zwei Beispiele: Die Open Source Business
Alliance zum Beispiel macht manchmal so
parlamentarische Veranstaltungen,
parlamentarisches Frühstück. Und da werden
dann die Netzpolitiker von allen
Fraktionen eingeladen und eben auch die
von der AfD. Und diesen Sommer, ich weiß
nicht, ob ihr das mitgekriegt habt, da hat
Wikimedia Deutschland auch so einen
parlamentarischen Sommerabend gemacht, und
da waren auch die Vertreter der AfD-
Fraktion eingeladen. Die zweite Kategorie:
Es gibt Organisationen, die sich abgrenzen
von der AfD, das aber nicht klar nach
außen kommunizieren. Das sind sehr viele,
ich habe mich mit sehr vielen unterhalten
aus dem Bereich Menschenrechte,
netzpolitische Think Tanks,
Lobbyorganisation für Breitbandausbau. Und
das ist dann ganz häufig so, dass die
sagen: "Wir reden nicht mit der AfD." Oder
das wird dann so formuliert: "Wir reden
nur mit den demokratischen Parteien." Aber
das kriegt man eben nur raus, wenn man
sich direkt mit denen unterhält. So von
außen würde man diese Policy nicht
erkennen. Und die dritte Gruppe, das sind
die, die sich auch ganz klar für alle
anderen transparent von der AfD abgrenzen.
Ein kleines Beispiel möchte ich euch
erzählen, das fand ich besonders schön.
Vor etwa einem Jahr gab es eine
Sachverständigenanhörung zu Quanten-
Computing im Ausschuss Digitale Agenda,
und die verschiedenen Fraktionen dürfen
dann immer Sachverständige vorschlagen.
Das sind dann meistens Leute die
weltanschaulich den verschiedenen
Fraktionen nahestehen. Die werden dann vom
Ausschuss-Sekretariat eingeladen und
können dann den Abgeordneten mal etwas
über Quantencomputing erzählen. Die AfD
hatte einen Sachverständigen
vorgeschlagen, hatte dem aber nicht
Bescheid gesagt. Der hat dann die
Einladung bekommen vom Ausschuss-
Sekretariat, hat sich gefreut, dass
endlich mal der Bundestag was von ihm über
Quanten-Computing wissen will und hat dann
mitgekriegt, dass er auf Vorschlag der AfD
da ist, dann wollte er eigentlich erst gar
nicht kommen. Dann haben die anderen
Fraktionen ihn angerufen und haben gesagt:
"Nee, nee. Wir würden uns auch freuen,
wenn Sie kommen!", dann ist er gekommen.
Und dann haben die Sachverständigen am
Anfang immer ein paar Minuten, um ein
Eingangsstatement zu halten, und er hat
die ersten Minuten seines
Eingangsstatement erst einmal dafür
genutzt, um sich ganz klar von
menschenverachtenden Positionen, von
Rassismus, von Antisemitismus, Islamhass
und so weiter abzugrenzen, und zu sagen,
dass es ihm sehr leid tut, unter welchen
Umständen er hier heute da ist, dass er
aber mit diesen Positionen nichts zu tun
hat, und dass er sich sehr freut, jetzt
über Quanten-Computing zu sprechen. Das
fand ich sehr schön.
Applaus
Ein anderes Beispiel sind die
Wahlprüfsteine von Netzpolitik.org von der
Bundestagswahl aus dem letzten Jahr, das
ist mir auch sehr positiv aufgefallen. Die
haben Wahlprüfsteine an alle Parteien
geschickt, wie man hier sehen kann, die
schon einmal über fünf Prozent waren, aber
Parteien, deren Wertesystem auf
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
basiert, sind leider nicht gefragt worden.
Und das kann eben auch jeder sehen, wenn
man sich auf der Webseite von
Netzpolitik.org dann diese Wahlprüfsteine
anschaut. Der CCC selber hat, das fanden
einige im Vorfeld überraschend, es gab ja
auf Twitter Diskussionen jetzt vor dem
Congress darüber, wie antifaschistisch
oder nicht der Congress ist, und manche
waren überrascht zu erfahren, dass der CCC
schon 2005 eine Unvereinbarkeitserklärung
mit rechtsextremen Positionen
veröffentlicht hat, die man hier nachlesen
kann. Und es gibt auch noch andere
Organisationen, soweit ich weiß hat der
CCC Darmstadt auch eine eigene Policy, die
habe ich jetzt auf die Schnelle nicht
gefunden, habe ich aber gehört. Ein
letztes Beispiel aus dieser Kategorie...
Das passt jetzt nicht zur AfD, aber ich
finde es ist ein extrem gutes Beispiel,
wie man sich verhalten kann. Das ist bei
der Open Knowledge Foundation in Berlin
passiert. Die sitzen in einem Haus, wo
auch noch viele andere Organisationen und
Firmen arbeiten, und irgendwann ist Ihnen
aufgefallen, dass in einer dieser anderen
Firmen, die in dem Haus sitzen, so ein
richtiger Hardcore Nazi arbeitet. Also ich
sage jetzt nicht AfD, sondern so ein
richtiger Hardcore Nazi. Sie haben dann...
Es war nicht schwer, über den zu
recherchieren, sie haben dann
rausgefunden, der hat Verbindungen zu
Combat 18, der war aber auch bei dem
Frauenmarsch der AfD dabei. Also so ein
richtig krasser Nazi. Und dann haben sie
sich überlegt, was sie machen können, und
haben eine ziemlich coole Aktion
angestoßen, haben erst einmal innerhalb
ihrer Organisation mit allen geredet, ob
sich alle einig sind, dass das irgendwie
ein Problem ist, dass das unangenehm ist,
was man tun könnte. Und obwohl es da so
ein bisschen unterschiedliche Positionen
gab, was jetzt der beste Umgang damit ist,
hat man dann sich darauf geeinigt, dass
man aktiv werden möchte. Dann haben sie
sich zusammengesetzt auch mit allen
anderen Parteien, also Hausparteien aus
diesem Haus, mit den anderen
Organisationen, mit den anderen Firmen,
haben sich an die Mobile Beratung gegen
Rechts in Berlin gewendet, und sind zu dem
Schluss gekommen, dass sie... Also, sie
können ihn ja nicht rausklagen aus dem
Haus, aber dass sie zumindest überall, wo
es möglich ist, zum Beispiel an den Türen
der Organisation, Sticker auffällig
anbringen, die so ein bisschen deutlich
machen, dass rassistische Positionen in
diesem Haus nicht so gern gesehen werden,
damit dieser konkrete Nazi sich eben nicht
so wohl fühlt, und sieht, alle anderen
stimmen vielleicht nicht heimlich implizit
seinen Positionen zu, sondern es gibt da
eine klare Abgrenzung. Und das finde ich,
ist ein ganz gutes Beispiel für was man
tun kann, weil ihr alle seid auch in
Organisationen, in Netzwerken, in
Hackerspaces, in irgendwelchen
Zusammenhängen. Und ihr habt auch die
Möglichkeit, das Thema anzusprechen, die
Leute dafür zu sensibilisieren. Ihr müsst
das Rad auch nicht neu erfinden, es gibt
wirklich viele Organisationen, die schon
Policies gemacht haben, zum Beispiel sowas
wie: "Wenn wir irgendwo eingeladen werden,
und die AfD ist auch eingeladen, dann
gehen wir nicht hin", zum Beispiel. Ihr
könnt wahlweise hier diese Erklärung vom
CCC zum Beispiel verwenden, oder ihr könnt
euch auch auf den Berliner Konsens
beziehen. Das ist eine Vereinbarung der
demokratischen Parteien in Berlin zu den
Landtagswahlen 2011 und 2016, wo sich die
ganzen Parteien darauf geeinigt haben,
dass sie im Wahlkampf darauf achten
wollen, dass rassistische Positionen nicht
instrumentalisiert werden, dass der
Wahlkampf nicht auf dem Rücken von
Geflüchteten ausgetragen wird. Und den
haben sie zusammen auch mit der Mobilen
Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin
gemacht. Das ist sowieso eine sehr gute
Anlaufstelle, wenn ihr Infos braucht, wenn
ihr euch fragt, wie könnte man damit
umgehen, wenn ihr irgendwelche negativen
Erfahrungen macht und sagt: "Irgendwie
kommt mir das alles sehr rechts vor, aber
ich weiß jetzt gar nicht, was meine
Handlungsoptionen sind." Ganz zum Schluss
kommen wir noch einmal zurück zu Uwe
Kamann. Wir können wirklich nur rätseln,
was ihn zu seinem Austritt bewogen hat,
bei dieser Presseerklärung zitiert er
fachpolitische Differenzen. Es hat aber
neben ihm und Cotar in dieser ganzen
Bundestagsfraktion eigentlich niemand mehr
netzpolitischen Sachverstand, und das ist
auch extern bestätigt, nämlich Prof. Dr.
Katharina Zweig hat das... diesen Tweet
geschickt als Antwort auf seinen
Austrittstweet und bestätigt quasi, dass
er jemand ist, der Ahnung hatte vom Thema,
der sich zumindest Mühe gegeben hat, und
der insgesamt nicht so unangenehm
aufgefallen ist in der Zusammenarbeit. Und
meine Theorie oder meine Spekulation ist,
dass vielleicht die Fraktionsführung der
AfD-Bundestagsfraktion gerade mit diesem
kooperationsorientierten Stil der
Netzpolitiker und vor allem von Kamann so
ein bisschen ihre Probleme hatte. Weil
Kamann ja eben immer nach seinem gesunden
Menschenverstand geurteilt hat, und wenn
er bei irgendeinem Thema dann doch mal zu
einer Haltung gefunden hat, eben häufig
auch Grünen, Linken oder FDP zugestimmt
hat. Und durch den Weggang Kamanns wird
die AfD jetzt also weniger sachkundig und
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch
krawalliger und rechtsextremer. Es bleibt
auf jeden Fall spannend, wo sich die AfD
im kommenden Jahr netzpolitisch
hinentwickelt. Aber wenn ihr euch dafür
interessiert, dann reicht es meiner
Meinung nach aus, wenn ihr euch die Reden
in der Mediathek des Bundestages anschaut,
ihr müsst die nicht zu euren
Veranstaltungen oder euren
Podiumsdiskussionen einladen. Und ich
möchte euch auch abschließend dazu
ermutigen, dass ihr in euren
Organisationen oder euren netzpolitischen
Kontexten darauf hinarbeitet, dass ihr
eine klare und transparente Abgrenzung zur
AfD-Fraktion oder auch zur Partei macht,
und euch vor allem von diesen neutral
erscheinenden Positionen nicht reinlegen
lasst, das sind dann eben häufig keine
interessanten Positionen, die haben nichts
zu sagen. Die sagen dann das, was alle
anderen sagen, und ich hoffe, dass ihr
euch davon nicht blenden lasst. Denn ich
habe den Eindruck, dieser
kooperationsorientierte Politikstil der
Netzpolitiker ist innerhalb der
Bundestagsfraktion auf dem absteigenden
Ast. Kamann hat jetzt festgestellt, dass
sein Stil nicht mehrheitsfähig ist, das
ist meine Vermutung, und sein Austritt ist
vermutlich ein Beispiel für die allgemeine
Radikalisierung der AfD. Das sehen wir ja
allenthalben, dass die allerletzten
Gemäßigten jetzt wirklich austreten und
dann nur noch die Krawallorientierten
übrig bleiben. Am Ende war es schon immer,
und wird jetzt noch mehr sein, eine
Fraktion, die vor allem durch
Nationalismus und Rassismus und
gruppenbezogene Menschlichkeit auffällt
und Geschichtsrevisionismus. Und das
sollte man im Hinterkopf behalten. Ganz
vielen herzlichen Dank.
Applaus
Herald: Ja, Danke Miriam. So, ihr kennt das
Spiel. Es gibt fünf Mikrofone. Wenn ihr
jetzt geht, dann tut es am Besten einfach
nicht und bleibt. Aber wenn ihr unbedingt
müsst, dann nimmt diesen Eingang und seid
ganz leise. Okay, also fünf Mikrofone.
Bitte an den Mikrofonen aufreihen oder im
IRC oder auf dem Twitter und bitte kurze
Fragen, denn die Zeit ist ein wenig knapp.
Mikrofon Nummer 2 bitte.
Frage: Ja, Hallo. Vielen Dank für
den sehr schönen Talk. Was mich
interessieren würde ist: die AfD wird ja
gerne als Law-and-Order-Partei
wahrgenommen. Und das steht nun in einem
gewissen Widerspruch zu der Tatsache, dass
sie ja selber auf diversen Watchlists
stehen. Also, wie positioniert sich die
AfD denn in diesem Umfeld?
Miriam: Ja, also da gibt es tatsächlich
sehr viele Diskrepanzen. Also, das ist ein
guter Punkt den du ansprichst. Das ist ja
wie mit diesen Meinungsfreiheit-Sachen,
ne. Also sie finden irgendwie in diesen
ganzen kleinen Anfragen, die ich vorhin
als Beispiel angeführt hatte. Da geht es
ja immer darum, dass irgendjemand, z.B.
die AfD als rechtsextrem bezeichnet und
dann sagen sie immer "Oh, Verleumdung,
gemein, kann ja gar nicht sein." Aber das
würde ja auch unter Meinungsfreiheit
fallen, aber wenn es um ihre Positionen
geht, dann ist sozusagen den Grenzen der
Meinungsfreiheit, sind keine Grenzen
gesetzt, so. Also, da gibt es eine
kognitive Dissonanz und das schlägt sich
auch in vielen anderen Bereichen nieder.
Also, es ist nicht logisch. Es ist mit
logischem Verstand nicht nachzuvollziehen.
Herald: Nr. 4 bitte
Mikro 4: Ich hätte eine Frage und zwar
gerade auch zum Thema Meinungsfreiheit.
Für die eigene Meinungsfreiheit kämpft
eigentlich jeder. Für die fremde
Meinungsfreiheit kämpfen deutlich weniger.
Wenn die AfD jetzt sagt, sie würde für die
Meinungsfreiheit kämpfen und bestimmte,
vielleicht auch nicht ganz unkritische
Tendenzen thematisieren, setzt sie sich
dann immer nur für ihre eigene
Meinungsfreiheit ein, oder setzt sie sich
dann auch mal für fremde Meinungsfreiheit
ein, z.B. für die Meinungsfreiheit der
Antifa.
Miriam: Also, es ist mir jetzt im letzten
Jahr an genau gar keiner Stelle
aufgefallen dass sich die AfD für die
Meinungsfreiheit der Antifa eingesetzt
hätte. Wenn das passiert, lasse ich es
euch wissen.
Lachen
Herald: So, weitere Fragen, bitte. Wir
haben noch ein paar Minuten Zeit. Hat das
Internet eine Frage? Ich glaube nicht,
nein. Mikrofon zwei bitte.
F: Mich würde interessieren welche
Positionen die AfD sicherheitspolitisch
hat, ganz speziell. Also, ich glaube es
war auch ein bisschen Anschluss an die
Frage vorhin, wenn es darum geht, dass sie
beobachtet werden sind sie vermutlich
dagegen, aber wie sind sie ansonsten bei
sicherheitspolitischen Verfahren.
Miriam: Da bin ich jetzt tatsächlich
leider die falsche Fachfrau, weil ich
meine Zeit im Ausschuss Digitale Agenda
verschwende und parallel der
Innenausschuss tagt, wo diese
sicherheitspolitischen Fragen verhandelt
werden. Ich bin sicher darüber könnte man
auch einen wahnsinnig interessanten Talk
halten wie es mit dieser kognitiven
Dissonanz aussieht und wie sie sich zu
diesen Law and Order-Fragen verhalten.
Kann ich jetzt leider keine Beispiele aus
der Tasche zaubern und nichts erzählen,
weil ich da bei den Diskussionen immer
nicht dabei bin, sorry.
Herald: Einmal die 5, bitte
F: Ja, Hallo, ich habe eine Frage
und zwar wie die AfD zum neuen EU-
Urheberrecht steht und zwar, ja.
Miriam: Das ist eine gute Frage. Ich
überlege gerade, ob ich das mitgekriegt
habe. In meinem Kopf gehen so die ganzen
Positionierungen der AfD zu verschiedenen
EU-Themen so ein bisschen durcheinander.
Ich will jetzt nicht lügen, ich will
keinen Quatsch erzählen, deswegen sage ich
dazu jetzt nichts. Ich bin mir relativ
sicher, dass zum Beispiel Julia Reda eine
gute Ansprechperson wäre um sie danach zu
fragen. Ich kriege so ein bisschen von
Kolleginnen und Kollegen, die im EU-
Parlament aktiv sind, kriege ich mit, dass
die AfD da häufig entweder. Also, sie ist
häufig dagegen oder sie ist auch sehr
häufig abwesend und das ist dann immer
interessant, weil auch da eine kognitive
Dissonanz entsteht, weil sie dann im
Bundestag im Plenum große Reden schwingen
und sagen "Wir waren schon immer gegen das
Thema." Und wenn ich dann meine Kollegen
in Brüssel anrufe sagen die "Du, die haben
in jeder Ausschusssitzung gefehlt und bei
jeder Gelegenheit, wo sie einen
Gegenvorschlag hätten machen können oder
so waren sie gar nicht da." Also, da gibt
es auch so eine Dissonanz, aber
Urheberrecht ist leider auch nicht mein
Fachgebiet.
Herald: So, für eine hätten wir noch Zeit,
will noch wer? Eins, bitte
F: Ja, vielen Dank für den Talk. Ich
würde dir zustimmen. Im Sinne dessen, dass
du alle dazu aufrufst, sich
klar zur AfD oder gegen die AfD zu
positionieren. Auch ich finde das super
wichtig, nicht nur als einzelner Mensch,
sondern auch als Organisation. Meine Frage
geht dahin: Wie können wir solche Fakten,
von denen du gerade redest, also
spezifische Reaktionen der AfD sammeln, um
diese argumentativ gegen das
allgegenwärtige Argument heranzuführen,
dass die AfD ja auch eine demokratisch
legitimierte Partei sei. Was sie meiner
Meinung nach übrigens ist. Aber wie
können wir diese Fakten sammeln und
sharen, um eine gemeinsame Positionierung,
inhaltliche Positionierung gegen die AfD
als Partei zu schärfen.
Miriam: Also, da ist ja jeder und jede
frei, wie er oder sie das machen möchte
und wo und auf welcher Plattform oder
welchem Kontext ihr das sammeln wollt. Es
gibt auf jeden Fall jede Menge Material,
das zur Verfügung steht um eben sich
darüber zu informieren. Also, die Reden,
die ich euch gezeigt habe, die sind in der
Mediathek des Bundestages. Ihr könnt da
alle Reden von allen AfD-Abgeordneten zu
allen Themen jederzeit euch nochmal
anschauen. Könnt ihr auch runterladen. Ihr
könnt alle Anträge und kleinen Anfragen
euch anschauen und runterladen und das ist
quasi ein riesiger Haufen an
Informationsmaterial, durch den man sich
durchwühlen kann, wenn man das denn
möchte. Ich war jetzt froh, dass ich mich
für diesen Talk einfach auf einzelne,
spezifische, netzpolitische Themen
fokussiert habe. Aber es ist manchmal
schon interessant einfach so eine lange
Liste runter zu scrollen von den ganzen
kleinen Anfragen, die sie gestellt haben:
Waffen aus dem 3D-Drucker, ganz viel zu
Gesundheit, ganz viel auch zu innerer
Sicherheit übrigens. Wir hatten ja hier
Fragen zu innerer Sicherheit. In dem
Bereich stellen sie tatsächlich auch viele
kleine Anfragen und das kann man einfach
selber durchführen und durcharbeiten. Das
Material ist da. Es ist alles, alles
öffentlich im Prinzip.
Herald: So das war's auch dann. Dankt
bitte noch einmal Miriam.
Applaus
35C3 Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2018. Mach mit und hilf uns!