36C3 Vorspannmusik
Herald: Herzlich willkommen zum nächsten
Talk "Hacker hin oder her - die
elektronische Patientenakte kommt". Unsere
drei Speaker haben sich beschäftigt mit
der Sicherheit und Funktionsweise der
Telematik-Infrastruktur, das ist so ein
bischen das Backend der zukünftigen
elektronischen Patientenakte und damit
auch so der Weg, wie man an die
entsprechenden Daten herankommt. Unsere
Speaker: Von mir aus ganz links. Martin
Tschirsich, er ist Pentester und war zu
dem Thema auch schon mal als
Sachverständiger im Gesundheitsausschuss,
hat da berichtet über das Thema
IT-Sicherheit in Gesundheits-Apps. Dann
haben wir in der Mitte André Zilch. War
als Sachverständiger im Bundestag zu genau
diesem Thema geladen, beziehungsweise zum
Thema Identifizierung. Und direkt hier,
cbro, Christian Brodowski, ihr kennt ihn
als Arzt hier aus dem CERT.
Tut mir einen Gefallen, empfangt die
drei mit einem wunderbaren Applaus.
Applaus
Martin: Es freut mich, dass so viele zu
dieser frühen Stunde gekommen sind, um
sich einen Talk zu Patientenakte
anzuhören. Viele, nehm ich mal an, wissen
vielleicht noch gar nicht, was die
elektronische Patientenakte eigentlich
sein soll. Die elektronische Patientenakte
kommt, das steht aber fest. Und einfach um
alle auf denselben Stand zu bringen, gibt
es jetzt eine kurze Erklärung, was die
elektronische Patientenakte überhaupt
bringen soll.
Propagandavideo: Die elektronische
Patientenakte, kurz ePA genannt, ist ein
digitales Patientenbuch, in dem lebenslang
alle Gesundheitsdaten gespeichert sind.
Röntgenbilder, Arztberichte, Allergien,
ebenso: Blutwerte, Medikamente, Impfungen
und Vorbehandlungen. Alles an einem Platz.
Und für den Patienten transparent. Denn
nicht nur, dass er vollen Einblick in die
ePA hat. Er allein besitzt die Kontrolle
über seine Daten und bestimmt, wer Zugang
dazu haben darf. Mit der ePA können
mündige Patienten freiwillig ihre
Gesundheitsdaten sicher, online und
effektiv verwalten. Alle
behandlungsrelevanten Informationen stehen
in jeder Lebenslage zur Verfügung, was den
Austausch mit ihren Partnern zur
Gesundheit ungemein erleichtert. Die ganze
Gesundheit auf einen Blick mit der ePA ab
1. Januar 2021.
verhaltener Applaus
Martin: Diese elektronische Patientenakte
ist nicht eine weitere App. Eine weitere
Gesundheitsakte, wie wir sie auch schon
letztes Jahr hier gesehen hatten, sondern
es ist DIE Patientenakte, die
elektronische Patientenakte, die nach
Sozialgesetzbuch 5 allen gesetzlich
Versicherten zur Verfügung gestellt werden
soll. Sie dürfen diese nutzen, um
lebenslänglich ihre Gesundheitsdaten zu
speichern. Das ergibt einige
Fragestellungen. Zum einen, wir wollen
hier drin die Möglichkeit schaffen,
lebenslang unsere Gesundheitsdaten zu
speichern. Das sind Dinge wie
Röntgenbilder, Arztbriefe, Berichte,
Laborwerte. All diese Dinge sollen in
dieser Akte verwaltet werden können. Und
der Patient soll die alleinige Kontrolle
darüber besitzen und auch bestimmen, wer
Zugriff darauf hat. Das heißt, es muss
sicher sein. Kann das funktionieren?
Zwischenruf aus Publikum: NEIN
Martin: Ganz wichtig. Ob das funktionieren kann
oder nicht. Wir müssen diese Anforderung
erfüllen. Die Inkaufnahme von Verstößen in
Einzelfällen, die ist unzulässig. Das
heißt, selbst in Einzelfällen, wir können
nicht sagen "Ein Prozent Verlust ist
okay". Wie das eben der Fall bei
beispielsweise Kontozugängen oder so mal
in Kauf genommen werden könnte, wo man mit
monetären Werten handelt. Hier ist es
absolut unzuverlässig, dass man überhaupt
den Einzelfall zulässt, dass es hier zu
einem Verstoß kommt. Das sagt ein
Landesdatenschützer,
Datenschutzbeauftragter. Und das ist nicht
neu, dass hier hohe Anforderungen stehen.
Das ist auch Herrn, unserem
Gesundheitsminister, Herrn Spahn bekannt.
Der sagt, dass der Datenschutz, besonders
die Datensicherheit, die Achillesferse für
diese Anwendung ist. Denn wird es hier zu
einem Vorfall kommen, wird natürlich die
Akzeptanz dieser Anwendung und auch alle
weiteren Anwendungen der digitalen
Gesundheitsversorgung wirklich ruiniert.
Und das gefährdet auch dieses
Vertrauensverhältnis: Arzt, Patient, in
der Sprechstunde natürlich. Diese
ärztliche Schweigepflicht würde, wenn es
hier zu einem Vorfall kommt, aufgehoben.
Herr Spahn sagt aber auch, dass er zu dem
Thema mehr Geschwindigkeit reinbringen
will, Hacker hin oder her. Und weil es so
ein bisschen ambivalent ist, haben wir
gedacht wir schauen uns das mal an. Um das
zu verstehen und auch die Sicherheit
bewerten zu können, müssen wir 10000
Seiten Spezifikation lesen. Die sind alle
unter dem Fachportal der Gematik, die
Gesellschaft, die dafür zuständig ist,
öffentlich verfügbar. Das sind einmal die
Spezifikation der Gematik und dann noch
die Spezifikation der Sektororganisation
unseres Gesundheitswesens. Denn unser
Gesundheitswesen ist ja ziemlich
zersplittert in verschiedenste
Einzelereiche. Das haben wir getan,
beziehungsweise nicht ganz. Aber mal
überflogen und haben dann diese tolle
Grafik hier für euch vorbereitet, um euch
zu zeigen, wie diese Gesundheitsakte
aussieht, diese Patientenakte. Zunächst
einmal der Versicherte mit seiner
Gesundheitskarte. Die kennen die meisten
von euch. Mit dieser Gesundheitskarte und
einem Zugangsgerät, das kann zukünftig
auch ein Smartphone sein, wenn es NFC
fähige Gesundheitskarte gibt, kann der
Versicherte über das Internet auf ein
zentrales Zugangsgateway dahinter
liegendes Aktensystem zugreifen. Und auf
diesem Aktensystem sollen dann die
Gesundheitsdaten liegen, diese lebenslang
verfügbar gehaltenen Gesundheitsdaten. Die
sind aber verschlüsselt. Man spricht hier
von Ende zu Ende Verschlüsselung. Der
Schlüssel zu diesen Daten der liegt auch
auf diesem Aktensystem.
lachen
Aber noch nicht, noch nicht lachen. Dieser
Schlüssel, der ist verschlüsselt. Der ist
verschlüsselt. Das hat auch alles seine
Berechtigung. Nur ist jetzt die Frage, wir
haben das Problem nicht gelöst. Wo ist der
Schlüssel für den Schlüssel? Da müssen wir
ein bisschen weitergehen. Da müssen wir
schauen, dass wir hierüber an die
Telematik-Infrastruktur angebunden werden.
Die Telematik-Infrastruktur ist das
zentrale Netzwerk, an das inzwischen schon
115.000 Arztpraxen, zukünftig auch
Apotheken, Krankenhäuser und andere
Einrichtungen des Gesundheitswesens
angeschlossen werden. Es ist ein
sogenanntes spezielles VPN-Netzwerk mit
eigenem Vertrauensraum. Dieses Netzwerk
hält folgende zwei Dienste bereit: Den
Schlüsselgenerierungsdienst 1 und den
Schlüsselgenerierungsdienst 2. Das sind
Dienste, die uns einen Schlüssel
generieren. Und zwar einen berechtigten
Schlüssel. Wir müssen also mit unserer
Gesundheitskarte zu den
Schlüsselgenerierungsdiensten gehen und
uns diese blauen Berechtigten-Schlüssel
abholen, indem wir uns ausweisen als
Versicherter. Dann nehmen wir diese blauen
Berechtigtenschlüssel und entschlüsseln
damit diesen pinken Aktenschlüssel. Und
dann kommen wir an die Gesundheitsdaten.
Für Ärzte, die ja auch auf diese Akte
zugreifen müssen, um Dokumente des
Versicherten dort einzustellen,
beispielsweise ein Arztbrief oder ein
Untersuchungsergebnis, sieht das von der
anderen Seite fast genauso aus. Nur dass
dort noch ein spezielles Zugangsgerät
verwendet wird. Jede Arztpraxis, die an
diese Telematik-Infrastruktur angebunden
wird, benötigt einen sogenannten
Connector. Das ist ein spezieller VPN
Router mit weiteren Funktionen, der den
Zugang in dieses geschützte Netz
ermöglicht. Und während der Versicherte
sich mit der Gesundheitskarte ausweist, um
auf diese Schlüsselgenerierungsdienste
zugreifen zu können und sich seinen
Schlüssel generieren zu können, greift der
Arzt oder die Ärztin mit ihrem
Praxisausweis und auch mit
Heilberufsausweisen auf dieses Netz zu
bzw. auf Anwendung, die darauf laufen. Das
ist also symmetrisch. Sowohl der Patient
als auch Ärzte haben Chipkarten, mit denen
sie sich hier ausweisen und Anwendungen
gegenüber authentisieren. Um das Risiko
dieses Netzwerkes ein bisschen zu ...
vereinfacht darzustellen, schauen wir uns
mal an, wie viele Teile es denn davon
gibt: Es gibt 73 Millionen Versicherte. Es
gibt in etwa 4 Anbieter von dieser
Patientenakte, die sich jetzt schon
aktuell in der Entwicklung befindet. Denn
in zwölf Monaten soll sie ja uns allen zur
Verfügung stehen. Und es gibt eine einzige
zentrale Telematik-Infrastruktur. Und dann
gibt es halt diese 115.000 Arztpraxen, die
jetzt schon angeschlossen sind bzw. ganz
grob geschätzt 170.000 Einrichtungen, die
irgendwann mal dort angeschlossen sein
sollen. Die Prozesse, wie diese Chipkarten
verteilt werden, das sind auch Prozesse
der zentralen Telematik-Infrastruktur.
Problem bei diesem
Schlüsselgenerierungsdienst ist: Der
Versicherte oder die Ärztin weisen sich
jeweils nur noch aus mit einer Karte und
bekommen dann einen Schlüssel. Das hat das
Problem, dass wir hier zwar weiterhin von
Ende zu Ende Verschlüsselung hören, aber
der Schlüssel ist nicht mehr unter
Kontrolle des Versicherten. Das heißt: Wer
sich ausweisen kann, auch mit einem
Nachfolgeausweis, der bekommt Zugriff, der
bekommt den Schlüssel und kommt damit an
die Daten. Auch das BSI hat dazu schon
eine Anmerkung gemacht und hat gesagt:
"Wenn dieses Authentisierungsverfahren
dieses Schlüsselgenerierungsdienstes
überwunden wird, kann auf den gesamten
Akteninhalt zugegriffen werden." Die
Gematik leitet daraus ab, dass die
Korrektheit dieser rot markierten
Kartenherausgabeprozesse, die ich eben mit
diesen roten Pfeilen dargestellt hatte,
Grundvoraussetzung für den sicheren
Betrieb dieser Anwendung ist.
Kartenherausgabeprozesse, das bedeutet:
die Überführung von einer real
existierenden Person, auch einer
juristischen Person wie eine Arztpraxis,
in die digitale Welt. Um das sicher
gewährleisten zu können, muss Folgendes
erfüllt sein: Ich muss die Person
identifizieren. Versicherte, Ärzte,
Arztpraxen müssen zuverlässig
identifiziert werden und die Attribute, ob
sie nun zugelassener Arzt,
niedergelassener Arzt oder Versicherte mit
einer bestimmten Versichertennummer sind,
die müssen sicher, rechtssicher bestätigt
werden. Und der Empfang des Zertifikats
und des privaten Schlüssels, also dieser
digitalen Identität, die mir da zugeordnet
wird, also des Ausweises, der Karte, die
muss sicher nachvollzogen werden können.
Also die bestätigte Schlüsselübergabe.
Wenn das alles so läuft, dann funktioniert
das System sicher, weil dann dieser
Ausweis wirklich nur in der Hand des
Berechtigten ist. Die Gematik weiß das
ebenso und spricht deswegen sehr häufig
von dieser Anforderung der zuverlässigen
Identifizierung. Also: Man liest das
wirklich häufig. Die Identifizierung muss
zuverlässig sein, muss notwendig, zwingend
notwendig, Grundvoraussetzungen und, und,
und, und. Was für Identitäten gibt es
denn. Wir haben schon drei Karten gesehen.
Es gibt die Gesundheitskarte, es gibt ein
Heilberufsausweis. Es gibt den
Praxisausweis. Und dann gibt es noch den
Connector. Das ist dieser Hardware-VPN-
Router, von dem ich sprach. Und die alle
tragen kryptographische Identitäten in
Form von Zertifikaten und privaten
Schlüsseln, die auf Chipkarten gespeichert
sind. Und was wir gemacht haben, ist: Wir
haben uns angeschaut, ob diese Herausgabe
denn sicher ist? Denn das ist der zentrale
Angriffspunkt. Wenn wir die Ende-zu-Ende-
Verschlüsselung nur noch durch eine
Authentisierung sicher garantieren können,
dann greifen wir die Authentisierung an.
Ist das möglich?
Christian: Danke Martin! Ich wollte ganz
kurz einschieben, wie wir uns eigentlich
kennengelernt haben. Als Vertragsarzt
hatte man letztes Jahr oder auch dieses
Jahr das Problem, dass einem diese
Telematik-Infrastruktur so ein bisschen
übergeholfen wurde. Mittlerweile bekommt
man Honorareabzüge, wenn man sie nicht
installiert hat. Und da war ich so ein
bisschen unglücklich drüber. Habe dann
erst den md, den Markus Dränger
angeschrieben und angesprochen. Wir
erinnern uns: beA ... ich sehe da viele
Parallelen. Der hatte aber gerade eine
wichtigere Aufgabe und deswegen hat er
mich an den Martin Tschirsich weiter
verwiesen und uns zusammengebracht. Und
wir haben uns dann zusammen diese
einzelnen Komponenten mal angeschaut. Ich
fange mal an mit diesem
Institutionsausweis, auch Praxisausweis
oder SMC-B Karte genannt. Wenn man sich
den ... wenn man so einen haben will, muss
man online einen Antrag stellen. Da gibt's
mehrere Anbieter für. Wir haben uns mal
für den entschieden. Der hat so ein
Formular, das kann man im Web ausfüllen -
übrigens auch über TOR; funktioniert auch
- und muss da verschiedene Daten eingeben.
Abgeglichen werden insbesondere diese 5,
die ihr hier seht: die Betriebsstätten-
Nummer, Geburtsdatum des Arztes, die
lebenslange Arzt-Nummer, der Name und die
Profession. Also, was für ein Arzt das
ist. Das geht jetzt gerade nicht so gut
... ups ... doch ... zack. Das
Geburtsdatum ist die einzige dieser
Angaben, die nicht auf jedem Rezept und
jeder Überweisung steht, die ihr von eurem
Arzt bekommt.
GelächterKlatschen
Und Geburtsdatum: Seriously, also: Jede
Gemeinschaftspraxis hat irgendeine
Rechtsform. Meistens sind die
Partnerschafts-Register eingetragen und da
stehen das Geburtsdatum und manchmal auch
der Geburtsort. Damit hat man alles
beisammen, was man da eingeben muss. Dann
gleicht medisign dieses Formular mit der
entsprechenden kassenärztlichen
Vereinigung ab und die KV sagt: Jo, so ein
Arzt mit dem Namen und den Nummern ist bei
uns registriert. Daraufhin stellt medisign
dann einen dieser SMCB-Karten, dieser
Praxisausweise aus und verschickt ihn an
den ... ne, nicht an den Arzt. Das wäre ja
doof, wenn der in Praxis landen würde. Man
kann da auch alternativ eine Lieferadresse
angeben.
Gelächter
Da kommt er dann an. Oder man kann auch
bei der Lieferadresse, wenn da gerade
niemand zu Hause ist -- so war das in
unserem Fall -- das Ganze auch dann mit
der Postvollmacht bei der Post abholen.
Sieht dann so aus: Die muss man dann
online freischalten, das geht in so einem
Webformular und dann, dazu braucht man
diesen PIN-Brief. Der ist auch bei der
Lieferadresse letzlich angekommen. Und
damit konnten wir in Praxis-Ausweis dann
aktivieren und letztlich auch registrieren
und damit einen Vorgang in der Telematik
Infrastruktur auslösen, nämlich dass
Versicherten-Stammdatenmanagement. Also
sprich: Ich habe meine Karte mit dieser
SMCB-Karte, meine Versichertenkarte,
nochmal abgeglichen, ja mit den
Krankenkassendaten. Was kann man mit
dieser SMCB-Karte alles anstellen, wenn
man jetzt damit nichts Gutes tun möchte?
Man hat uneingeschränkten Zugang zur
Telematik-Infrastruktur, das heißt, dieser
geschützte Vertrauensraum, von dem
gesprochen wird, der ist damit gebrochen.
Ich kann darin Dinge tun. Ich habe Zugriff
auf verschiedene Anwendungen. Die EPA
kommt erst noch. In einigen Regionen gibt
es aber schon den elektronischen
Medikationsplan und den Notfalldatensatz,
die von der Karte des Versicherten
abgelesen ... ausgelesen werden können.
Darauf kann ich mit der Karte zugreifen.
Und ich kann Nachrichten bald -- das ist
auch noch nicht freigeschaltet -- in der
sicheren Kommunikation der
Leistungserbringer empfangen und absenden
im Namen der Arztpraxis, mit der ich das
gemacht habe. Ja, also anfangs werden da
glaube ich PDFs hin- und hergeschickt.
PDF-Fraud, glaube ich, ist noch ein
anderer Talk. Wo ist das grundlegende
Problem? Es gibt drei Anbieter und die
verschicken im Prinzip auf die gleiche Art
und Weise diese Karten. Also, bei dem
Anbieter, bei dem wir das geprüft haben,
war das problemlos möglich sowohl die
Anfrage entsprechend zu stellen, als auch
die Auslieferung entsprechend umzuleiten,
um an diese Karte zu kommen. medisign hat
allein schon 80 000 Institutions-Ausweise
-- Stand vor drei Monaten ungefähr --
ausgegeben. In den Spezifikationen der
Gematik steht drin, dass möglicherweise
kompromittierte Zertifikate zurückgezogen
werden müssen. Letztlich ist es dazu
gekommen, weil die Kassenärztliche
Bundesvereinigung, die ja dafür zuständig
ist, diese Prozesse zu spezifizieren,
diesen Prozess eben nicht richtig
spezifiziert hat. Der Trust Service
Provider, in dem Fall mediSign, hat Fehler
bei der Umsetzung gemacht. Und die Gematik
als übergeordnete Behörde hat diesen
Prozess und diesen Service Provider so
zugelassen und eben nicht geguckt, was der
wirklich macht. Aber ist ja nur EIN
Ausweis. Nehmen wir den nächsten
Heilberufsausweis oder Arztausweis. Wenn
man den beantragen möchte, braucht man
eine persönliche Identifikation, bevor
dieser Ausweis geliefert wird. Braucht
man? Braucht man nicht.
vereinzeltes Lachen im Publikum
Es gibt da das sogenannte Bankident-
Verfahren. Erkläre ich auch gern kurz. Ein
Arzt, eine Ärztin geht irgendwann zu ihrer
Bank. Die Deutsche Apo-Bank bietet das an.
Die ist auch gesellschaftlich mit der
Gematik verbandelt und öffnet dort ein
Konto oder schaut noch mal so vorbei,
zeigt ihren Personalausweis oder Reisepass
und hat dann den ersten Teil dieses Ident-
Verfahrens durchlaufen. Ein Angreifer geht
wieder zu einer dieser Trust-Service-
Provider, gibt die Daten der Ärztin ein.
Die Bank sagt: Jo, die kennen wir. Die hat
bei uns ein Konto. Und die Ärztekammer
sagt: Jo, die kennen wir, die ist bei uns
Ärztin für Anästhesiologie, was auch
immer. Was macht medisign dann? Stellt
einen Arztausweis aus und schickt ihn zu.
Auch hier wieder Lieferung an
Lieferadresse. Alles bequem. Kein Problem.
Der PIN wird netterweise auch gleich dahin
geschickt. Und so konnten wir den
Heilberufe Ausweis dann auch online
freischalten. Da gibt's dann so'n ein
kleines Tool, was man sich runterladen
muss von der Homepage und dann hat man so
ein gültiges, Benutzer-Zertifikat. Dafür
ist eine Unterschrift notwendig. Ich habe
eben schon davon gesprochen, wo wir die
Arztnummern her hatten. Die
Arztunterschrift ist da auch meistens
drunter, wenn man sie überhaupt lesen
kann. In vielen Fällen ist es auch so, zum
Beispiel bei der Postabholung, dass die
Original-Arztunterschrift auch nirgendwo
hinterlegt ist. Das heißt, da ist halt ein
so ein Krakeel drunter und ... also meine
Unterschrift kann man wirklich nicht
lesen. Das ist nicht mein Name. Das wäre
relativ sehr leicht zu imitieren. Auch
hier wieder, wo ist das Problem? Es gibt
zwei Anbieter, gibt insgesamt vier
Verifikationsverfahren. Postident und
Kammerident sind nach den Spezifikationen
so in Ordnung. Die beiden Verfahren, in
denen eine zweiseitige Identifikation
stattfindet, klappen nicht so gut. Das ist
einmal das Bankident-Verfahren und zum
anderen das Vorab-Kammerident-Verfahren,
bei dem auch eine zweiseitige
Identifikation stattfindet. Das heißt, der
Arzt geht irgendwo hin, zeigt seinen
Ausweis, und irgendwann später kommt
jemand online und sagt: Hallo, ich bin
dieser Arzt oder diese Ärztin, und es gibt
keine Möglichkeit, diese beiden
Identitäten zusammenzuführen und
abzugleichen, ob derjenige, der sich
online einklickt, wirklich derjenige ist,
der seinen Ausweis hochgehalten hat. Das
sind bei medisign 31 Prozent der
Heilberufsausweise, weil es eben so ein
bequemes Verfahren ist. Bei den anderen
Providern wissen wir nicht, wie viele
Ausweise über dieses Verfahren ausgestellt
wurden. Und damit zu unserem Spezialisten
für die elektronische Gesundheitskarte.
Martin: Damit hat man also gezeigt, wie
man auf diese zwei Karten sehr einfach
zugreifen kann. Also wie man sie sich
erschleichen kann, diese Karten, auf einen
anderen Namen. Aber es fehlte die
Gesundheitskarte in diesem, sagen wir
Quartett an Identitäten. Ich glaube, ich
hatte damals bei Google eingegeben:
Gesundheitskarte erschleichen oder so.
Macht man ja mal. Dann sind wir auf den
Experten für Erschleichen von
Gesundheitskarten gestoßen. lacht Der
André Zilch, und der wird euch jetzt mal
erzählen, wie das geht.
André: Danke. Die Gesundheitskarte ist
genau das Aquivalent zu dem
Institutionsausweis und zu dem
Heilberufeausweis für die Versicherten.
Viele von Ihnen werden es kennen und es
ist der zentrale Zugangsschlüssel für die
Versicherten in diese Telematik-
Infrastruktur. Eine Frage, die in den
vergangenen Jahren immer wieder diskutiert
wurde, ist: Ist denn die Gesundheitskarte
Identitätsnachweis? Ist es kein
Identitätsnachweis? Bestätigt sie die
rechtliche Identität oder ist das einfach
nur so etwas wie eine Kundenkarte? Welche
Auswirkungen hat es denn, wenn es kein
Identitätsnachweis wäre? Spielt das eine
Rolle? Jeder Arzt kennt seinen
Versicherten. Ist das tatsächlich so oder
hat es eine andere Funktion? Vor der
elektronischen Gesundheitskarte gab es die
sogenannte Krankenversicherten-Karte. Die
hatte allein die Aufgabe, zur
Abrechnungszwecken zu dienen. Damit
konnten Ärzte gegenüber den Kassen
letztendlich ihre Rechnungen stellen und
so wurden sie bezahlt. Bei der
Gesundheitskarte ist es als äquivalent zu
Heilberufeausweisen oder auch zur
Institutionskarte und ist der zentrale
Zugangsschlüssel für die Versicherten ins
Gesundheitswesen. Im Rahmen der
Digitalisierung werden immer mehr
Leistungen im Gesundheitswesen
arbeitsteilig erbracht und immer mehr
digitalisiert. Im Rahmen der Einführung
der elektronischen Gesundheitskarte gab es
auch die sogenannten Paragraph 291a SGB 5
Anwendung, das heißt medizinische
Anwendung: Was soll mit der
Gesundheitskarte noch alles gemacht
werden? Es soll so weit gehen, dass sogar
der Ort gespeichert wird, wo der Patient
die Zustimmung zu seiner Organspende
abgelegt hat. Also nicht die Zustimmung
selbst, sondern allein: Wo ist der Ort?
Und natürlich, wir haben es vorhin schon
gehört, der zentrale Zugangsschlüssel für
die elektronische Patientenakte. Darüber
hinaus bleiben und kommen Anwendungen
hinzu, wie zum Beispiel bei Direkt-
Krankenkassen, die gar keine
Geschäftsstellen mehr haben. Die müssen ja
irgendwie elektronisch mit ihren
Versicherten kommunizieren. Die
Anforderung, wir hatten es vorhin gehört,
ist: Selbst in Einzelfällen darf es nicht
möglich sein, auf die Gesundheitsdaten
zuzugreifen. Aber es gibt solche
Instrumente wie eine Patienten-Quittung.
Und in dieser Patienten-Quittung steht
drin, was die Krankenkassen für die
einzelnen Versicherten in den vergangenen
18 Monaten gezahlt haben. Hier kommen wir
auf das zurück, was Martin anfangs sagte.
Die Identität des Verfahrens-Betroffenen
muss vor Übermittlung von Sozialdaten
festgestellt werden. Das ist ein ganz
zentraler Punkt und der sich ganz
wesentlich davon unterscheidet, was wir
aus anderen Bereichen kennen. In anderen
Bereichen kann es ausreichend sein, dass
man im Nachhinein feststellt: Ach du liebe
Zeit, da ist ja etwas schief gelaufen, und
wir korrigieren das. Wir gleichen das
Konto aus, wir ziehen das alles wieder
gerade. Hier, bei der Übermittlung von
Sozialdaten, von Gesundheitsdaten, wird
Wissen übermittelt. Es geht Wissen aus den
Krankenkassen raus. Was haben die
Patienten, welche Leistungen wurden
erbracht? Dieses Wissen ist nicht
zurückzunehmen. Wenn es einmal draußen ist
und in den Händen der falschen Person
gelangt ist, ist es weg. Deswegen sind so
klassische Verfahren und Drohpotenziale:
Ich kann hinterher feststellen, wem
irgendwelche Informationen zugegangen
sind, hier nicht hilfreich. Als
verschärfende Maßnahme kommen ... oder
verschärfendes Element kommt hinzu, dass
eben in Einzelfällen schon verhindert
werden muss, dass man auf diese Daten
zugreift. Und deswegen sagen die
Datenschützer: Es müssen Verfahrenswege
vorgegeben werden, die gar nicht erst die
Gefahr bergen, gegen das soziale Geheimnis
zu verstoßen. Das heißt, diese Verfahren
müssen wirklich wasserdicht sein, sodass
man von vornherein ausschließen kann, dass
diese Informationen an die Unberechtigten
ausgegeben werden. Weil das so ein
zentrales Element ist, wurde schon sehr
früh bei der Einführung der
Gesundheitskarte, bzw. das war noch vorher,
nämlich bei der Definition der
Sicherheitsarchitektur bereits im Jahr
2003 und 2004, festgelegt, dass einerseits
der Schutzbedarf sehr hoch ist. Deutlich
höher als zum Beispiel bei Finanzdaten.
Und es wurde auch bestimmt, dass
Identitäten, die als Basis für
elektronische Zertifikate dienen, genau
auf demselben Schutzbedarfsniveau erfasst
und bestätigt werden müssen wie diese
Zertifikate. Das macht ja Sinn, weil das
schwächste Glied bestimmt die Kette.
Daraufhin wurde festgelegt, dass die
Verfahren wie Krankenkassen die alten
Krankenversicherten-Karten ausgegeben
haben, dass das nicht mehr ausreichend
ist. Nämlich damals wurden einfach diese
Versicherten-Karten auf Zuruf "Meine Karte
ist defekt, ich habe verloren, ich habe
meine Krankenkasse gewechselt", wurden
diese Karten neu ausgegeben, und hier
wurde bestimmt, dass die Fachverfahren
zwischen dem Versicherten und der
Krankenkasse auf das neue Niveau
anzupassen sind und es wurden explizit die
Worte Identifizierung und Registrierung
genutzt. Bei den ganzen Aufwendungen, die
man im Rahmen der letzten Jahre
durchgeführt hat, hat man einen sehr
starken Fokus auf die technische
Realisierbarkeit gelegt. Die
organisatorischen Prozesse und Abläufe
sind dort leider an manchen Stellen nicht
so umgesetzt worden, wie es vorgegeben
war. Im Jahr 2016 hat die CDU-
Bundestagsfraktion einen Kongress
durchgeführt zum Thema eHealth. Und in
seinem Beitrag zu diesem Thema hat Herr
Kauder damals gesagt: "Es reicht ein
einziger Vorgang, um das Vertrauen der
Menschen in dieses digitale
Gesundheitswesen erheblich zu
erschüttern." Und weiter hat er
ausgeführt: "Davon wird der Erfolg
abhängen, diese Digitalisierung im
Gesundheitswesen, dass die Sicherheit
gelingt." Die ganzen Vorteile sind nett
und schön und erstrebenswert. Aber wenn
die Sicherheit nicht gelingt, dann wird es
keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden.
Wir haben uns das Ganze mal etwas genauer
angeguckt. Martin sagte, das Thema
elektronische Gesundheitskarte begleitet
mich selbst schon einige Jahre. Hier sieht
man, wann in welchem Jahr es mir gelungen
ist, mit einfachsten organisatorischen
Anläufen jeweils in Besitz einer
Gesundheitskarte zu gelangen. 2014, 2015,
2016, 2017 -- letztes Jahr habe ich darauf
verzichtet -- und dieses Jahr wieder. Die
Angriffsszenarien, die wir durchgeführt
haben, unterscheiden sich nur unwesentlich
gegenüber dem, wie es anfangs war. Reichte
es anfangs aus, dass ich einfach irgendwo
bei einer Krankenkasse angerufen habe und
sagte: "Ich bin umgezogen" wurde mir eine
neue Karte zugeschickt. Das hat sich über
einige Jahre durchgezogen. Nun ist es
etwas komplizierter geworden. Wir müssen
eine E-Mail schreiben.
Lachen im Publikum
Und wesentlich um in diesen Besitz der
Karte zu gelangen, ist es, dass wir die
Adresse ändern. Es gibt zwei wesentliche
Angriffsszenarien, die aus unserer Sicht
möglich sind. Nämlich einerseits die
Adressänderung durch einen Versicherten
und die Adressänderung durch Arbeitgeber.
Es gibt ein Meldeverfahren, bei dem
Arbeitgeber Informationen über ihre
Arbeitnehmer an die
Sozialversicherungsträger senden. In einer
Richtlinie, die veröffentlicht wurde
Anfang des Jahres, wurde beschrieben, dass
Daten, die über den Arbeitgeber an die
Versicherung, Sozialversicherungsträger
gesendet werden, als wahr angenommen
werden. Hinzu, man muss ja einfach an der
Stelle berücksichtigen, wenn man sich die
entsprechenden Richtlinien vom BSI
ansieht, wird dort formuliert, dass
identitätsbestätigende Stellen besondere
Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen haben.
Sie müssen geschult sein müssen, müssen
ein Sicherheitskonzept haben und das --
unterstellt man -- wird vom Arbeitgeber
automatisch durchgeführt. Wir haben darauf
verzichtet, diesen Angriff durchzuführen.
Wir haben uns erst mal wieder auf die
Adressänderung durch den Versicherten
fokussiert. Wir haben uns mal angeguckt:
Wie macht es denn die AOK Hessen? Und wie
Sie sehen: Wir müssen eine E-Mail
schreiben. Und es heißt: "aus
Datenschutzgründen", "und kein Missbrauch
durch Dritte Erfolgen kann", "nur
schriftlich oder persönlich zu
übermitteln", "entweder in einem Brief
oder Fax oder per eingescannten Brief in
einer E-Mail". Der Sicherheitsgewinn eines
eingescannten Brief per E-Mail zu
verschicken ist gering bis null. Und es
ist nicht alleine damit getan, dass ich
dann einfach eine Adresse ändere. Nein,
ich kann auch noch direkt online der
Einfachheit halber trotz bestehenden
Versicherten-Stammdaten-Abgleich über den
auch eine Adressänderung möglich wäre,
kann ich mir gleich eine neue
Gesundheitskarte bestellen. Das heißt hier
haben wir eine ganz einfache Möglichkeit,
eine E-Mail zu schicken mit einem völlig
unverbindlichen Schreiben. Und dann,
wenige Tage später, kommt an eine neue
Adresse eine Gesundheitskarte und diese
Gesundheitskarte, wie ich vorhin sagte,
ist der zentrale Zugangspunkt für die
gesamte Telematik-Infrastruktur. Das
heißt, einer der Schwachpunkte ist die
nicht sicherheitsrelevante oder nicht
entsprechend der Sicherheitsanforderungen
durchgeführte Adressänderung durch den
Versicherten selbst.
Martin: Was dazu noch zu sagen ist, gehen
wir nochmal eine Folie zurück. Wir haben
ja die Aussage des Bundesamts für
Gesundheit, dass diese Telematik-
Infrastruktur insbesondere deswegen jetzt
unbedingt eingeführt werden muss, weil das
Fax ja so unsicher ist. Wir wollen was,
was zumindest sicherer ist als das Fax.
Damit hat man auch schon eine
Pressemitteilung ausgegeben und die
Ärzteblätter haben geschrieben: Telematik-
Infrastruktur, diese neue Gesundheitsnetz,
ist sicherer als das Fax. Wenn man das
unbedingt will, gut, kann man sagen. Das
Lustige ist: Wir haben auch bei Christians
Beantragung, die Sachen immer schön per
Fax abgeschickt. Genauso hier. (flüsternd)
Wir müssen uns beeilen.
André: Jetzt haben wir eine Aussage, eine
AOK, es ist nicht die AOK Hessen, es ist
die AOK Rheinland-Pfalz, die gesagt hat:
"Im Sinne kundenorientierte Prozesse
müssten Krankenkassen im Rahmen einer
vertrauensvolle Kundenbeziehung
Postadressen grundsätzlich als wahr
annehmen." Okay, kann man machen. Die
Gesundheitsministerin aus Rheinland-Pfalz
sagte, dass, bevor nun auf medizinische
Daten zugegriffen wird, unbedingt vorher
eine Identitätsprüfung stattfinden muss.
Wir wissen, dass nächstes Jahr Zugriff auf
elektronische Patientenakten stattfinden
soll. Nicht einer von Ihnen hat irgendeine
Identitätsprüfung für seine Krankenkasse
durchgeführt. Das hat diese Anfrage, diese
Anfrage hat das ZDF an die
Gesundheitsministerin gestellt und es kam,
die Antwort war: "Das wussten die
allerdings auch schon vorher." Und diese
Aussage, diese Aussage war nicht von
diesem Jahr, sondern die ist von 2015.
Geändert hat sich bis jetzt wenig. Gas
geben. Soll ich das überspingen? Wir haben
so viele. Also, zum Thema Gesundheitskarte
und Identitätsnachweis noch eins: Es wurde
gesagt, dass die Identitätsnachweis ein
eingeschränkt, die Gesundheitskarte ein
eingeschränkter Identitätsnachweis ist.
Was ist das? Vorname zu 60 Prozent?
Vereinzeltes Lachen
Einen eingeschränkten Identitätsnachweis
gibt es nicht. Es gibt entweder nur
bestätigt oder nicht finden. Und auch ein
PIN ändert an dieser Aussage der
Identitätsbestätigung nichts. Und damit
die Gesundheitskarte eingesetzt werden
kann, muss das Ganze mit einem
ordnungsgemäßen Identitätsnachweis
verknüpft sein. Wenn diese...
Martin: Sorry, ich muss kurz vorgehen. Wir
haben nämlich so viele Dinge zu zeigen,
wir heben uns die Folie für die Fragen
auf, wenn da halt konkret Fragen dazu
sind. Und ich würde sagen, wir gehen jetzt
zum zweiten Teil, zum letzten Teil, zum
vierten Teil, zum Korrektor und kommen
dann nochmal auf das, was wir heute
eigentlich gelernt haben.
Christian: Jetzt könnte man uns vorwerfen,
wir hätten ja nur ein Teil der TI uns
besorgt und uns angeschaut. Das Herzstück,
also hat es unser Gesundheitsminister mal
bezeichnet, der Connector. Dieses schöne
Gerät verbindet praktisch die Praxis mit
der TI. Und um uns das genauer
anzuschauen, muss man es natürlich auch
bestellen, erstmal. Die Dinger sind
allerdings meistens nur im Paket zu haben,
ist sauteuer, so knapp zweieinhalb Tausend
Euro. So viel wollte ich als Hobby-IT-Sec-
Mensch jetzt doch nicht investieren. Aber
wir haben einen Anbieter gefunden, der das
Ganze, auch den Konnector, einzeln
verkauft. Das war ein relativ einfaches
Prozedere, ein einseitiges Fax an die
Firma. Dann hat es ein wenig gedauert.
Also seriously, lieben beide Firmen, drei
Monate Lieferzeit, das gibt nur einen
Stern, und deswegen haben wir euch auch
die Disclosure-Frist ein wenig gekürzt.
Dann wurde dieser Konnector mit der
sicheren TNT-Express-Lieferkette geliefert
an eine vertrauenswürdige Person,
natürlich wie immer.
Lachen
Applaus
M: Ja, damit hatten wir sie alle, das
Quartett, auf dem die Sicherheit dieser
Telematikinfrastruktur beruht. Die
zentrale Sicherheitsfunktion oder
Sicherheit dieser Telematikinfrastruktur
beruht auf der Sicherheit dieser
Kartenherausgabeprozesse. Wir haben
gesehen, die sind alle etwas
verbesserungsbedürftig. Wir konnten uns
ohne Probleme all diese Dinge verschaffen,
auf Identität anderer Menschen, anderer
Ärzte. Was bedeutet das? Naja, zum ersten
Mal bedeutet das, dass diese großen
Hoffnungen bzw. Versprechungen, die
gemacht worden sind, dass die wohl nicht
viel wert sind bzw. dass die nicht ehrlich
waren. Versprechungen wie der Gematik,
dass wir europaweit ein einzigartiges
Sicherheitsniveau hätten oder auch des
Bundesverbands der Vertragspsychologen,
die sagen, ja, der Chaos Computer Club,
dem ist es ja auch nicht gelungen, da
einzudringen, ja deswegen ist es sicher.
Ich frag mich auch, woher die so ein
Statement nehmen, ja. Also so etwas sollte
niemand in die Welt setzen. Das ist ganz
gefährlich.
Applaus
M: Das Bundesministerium für Gesundheit
ist natürlich absolut von der Sicherheit
überzeugt. Wir wissen ja alle: Absolute
Sicherheit gibt es nicht. Und deswegen,
das sagen auch andere, muss man doch, wenn
man hier etwas kommuniziert, was Nutzen
hat, aber auch die Risiken bitte betonen
und nicht nur von Absolutem reden, sondern
sagen: Gut, es kann etwas passieren. Wir
haben das Risiko eingeschätzt, wir haben
es quantifiziert, und wenn etwas passiert,
dann sind wir vorbereitet. Wir können
diese Risiken mitigieren. Wir können dann
den Schaden ausgleichen, etwas derart,
also wie der Versicherte oder der Nutzer,
der Patient hier geschützt werden kann.
Das fehlt völlig bei dieser Absolutheit-
beherrschten Diskussion von: Wir sind ja
absolut sicher, wir sind Weltspitze. Das
System weltweit, sagen die Hersteller
dann, einzigartige Sicherheit. Wir haben
ja gesehen, soweit, ich glaube, vielleicht
in Leipzig, vielleicht Spitze, oder, ja.
Das Spannende ist auch, dass diese Fehler,
die wir hier gesehen haben, die sind nicht
neu. Die Bundesdruckerei weiß schon sehr
lange, das veröffentlichen die in ihrem
eigenen, in einem eigenen Expertise, wo
sie ihre eigenen Produkte wieder anbieten
wollen, dass es in der
Telematikinfrastruktur ja gar nicht so
sicher ist. Die Bundesdruckerei sagt, dass
diese postalischen Ausgabewege, dieses
Verschicken von irgendwelchen hoch-
sicheren Karten, dass das ja gar nicht so
gut ist mit der Deutschen Post, die Sachen
einfach durch die Luft zu schicken.
Einfach ein Nachsendeauftrag reicht, und
schon hab ich die Dinge bei mir, an meine
Adresse. Und das weiß die Bundesdruckerei.
Und die gibt trotzdem diese Karten heraus.
Also, da muss man sich fragen: Wenn das
Wissen da ist, wo ist die Verantwortung?
Und dann wissen wir, dass es nicht nur die
Patientenakte ist oder die jetzt
spezifizierten Dienste, die nach
Sozialgesetzbuch kommen sollen, die wir
alle eben gehört haben. Ganz viele
zusätzliche private Anbieter wollen diese
Telematikinfrastruktur nutzen, um darüber
mit ihren Heilberuflern zu sprechen, um
darüber die Versicherten, mit denen sie
sprechen wollen, diese zu identifizieren.
Das funktioniert doch alles nicht, wenn
wir diese Basisinfrastruktur schon so
kaputt vorfinden. Die Idee ist ja gut.
Aber da müssen wir sie auch richtig
machen. Aber da kommen wir zu den
positiven Aspekten. Denn bevor wir zu dem
Gesamtfazit kommen, soll man ja sagen, es
gibt ja auch positive Aspekte. Und da
möchte ich dem André Zirlich nochmal das
Wort geben.
A:Also wir sehen, dass die wesentlichen
gesetzlichen Rahmenbedingungen so
geschaffen wurden, dass auch eine
Digitalisierung stattfinden kann. Und die
Gematik hat ganz viel richtig
spezifiziert. Und wir finden es auch
richtig, dass die Infrastruktur durch
staatliche Stellen kontrolliert wird und
dass Anbieter, private Anbieter, die diese
Infrastruktur nutzen sollen, um weitere
Dienste anzubieten. Denn ohne diese
Infrastruktur stehen die privaten Anbieter
alle vor derselben Frage, die durch kleine
Unternehmen einfach nicht zu leisten sind.
Wie schaffe ich es, real existierende
Personen sicher, zuverlässig,
rechtsverbindlich in die digitale Welt
rein zu bekommen? Das ist einmal aufwendig
und zum anderen für die Betroffene oder
diejenigen, die mitmachen wollen, immer
lästig, weil wir immer irgendwo hinlaufen.
Deswegen ist es richtig. Jeder von Ihnen
hat auch nur einen Personalausweis.
Hoffentlich. Genau dieses, dieses zentrale
Element, eines, einer digitalen Identität
für das Gesundheitswesen zu haben und
diese für alle Anwendungen zu nutzen. Das
ist genau richtig. Und als notwendige
Maßnahmen zur Schadensbegrenzung dessen,
was wir jetzt aufgezeigt haben. Auch dort
hat die Gematik schon einiges richtig
gemacht. Sie hat spezifiziert, dass, wenn
Angriffe auf den Vertrauensraum
stattfinden, dass die Gematik dann
schlicht und ergreifend prüfen muss, ob
die Zulassung für diese Anbieter bestehen
bleiben oder ob sie, weil sie als
kompromittiert anzusehen sind, zurück
entzogen werden müssen. Das A und O, und
ich denke, das haben wir in den
vergangenen Minuten gezeigt, ist, dass die
Beantragung, Identifikation und die
Ausgabe entsprechend dem Schutzbedarf von
Gesundheits. und Sozialdaten durchgeführt
werden. Diese Prozesse müssen so sein,
dass sie sicher sind und eben nicht wie
für eine Kundenkarte. Was sich in den
vergangenen Jahren gezeigt habe und immer
wieder Thema ist: Die Gesundheitskarte ist
ein Identitätsnachweis und muss auch so
bezeichnet werden und so ausgegeben
werden. Und um das Ganze zu machen,
durchzuführen, ist es nicht nur notwendig,
dass man jetzt an irgendeiner
Stellschraube macht, sondern es sind
organisatorische Prozesse neu zu
definieren. Diese organisatorischen
Prozesse müssen genehmigt, implementiert
werden. Und dann kommt leider der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt, dass
ganz viele Personen real von diesen
Prozessen betroffen sind und persönlich
irgendwo hingehen müssen. Sie können es
nicht online machen. Wir haben es gezeigt,
sie können nicht online, sondern... Das
ist einfach ein
geschwindigkeitsbestimmender Schritt. Und
das wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Und
was wir im Laufe unserer Diskussionen auch
immer wieder festgestellt haben, ist, dass
es eine organisierte
Verantwortungslosigkeit gibt. Es gibt sehr
viele Teilbereiche, die für Teilabläufe
und technische Lösungen zuständig sind.
Aber die Gesamtverantwortung von: Nicht
nur eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung im
technischen Sinne, sondern auch, dass man
eine Ende-zu-Ende-Betrachtung der
organisatorischen Prozesse durchführt. Das
ist total wichtig, und das ist
entscheidend, damit auch die Menschen, die
real existieren und nicht nur irgendein
elektronisches Abbild sind, die
Telematikinfrastruktur vernünftig nutzen
können.
M: Damit sind wir schon fast am Ende, das
sind die zentralen Statements. Eigentlich
hätten wir diesen Talk mit dieser Folie
hier heute zeigen können und wären dann
auch fertig gewesen. Stattdessen haben wir
jetzt 55 oder 50 Minuten geredet. Aber
trotzdem: Ich hoffe, es hat gefallen, denn
das sind die zentralen Statements. Man
braucht, um diese Telematik-Infrastruktur
sicher gestalten zu können höchste
Sicherheit und Datenschutzanforderungen.
Die Anforderungen sind auch da. Die sind
allen bekannt. Grundvoraussetzungen, das
steht in diesen Anforderungen, ist die
zweifelsfreie Identifikation aller
Teilnehmer. Das haben wir ja gesehen, weil
man sich ja nur noch ausweisen muss, um
auf diese Daten zugreifen zu können. Was
haben wir herausgefunden? Identifikation
findet nicht statt. Diese Schlussfolgerung
ist so banal, dass man sich doch fragen
muss: Wie konnte das passieren? Wie könnte
man vergessen, diesen wichtigste Schritt
hier implementieren? Und wie konnte das
nicht auffallen, selbst nach
Sicherheitsaudits? Ursprünglich war mein
Ziel ja, sich die Technik anzuschauen und
sich diese Komponenten zu bestellen,
vielleicht mit dem Christian zusammen, der
autorisiert ist, der Arzt ist. Wir haben
schon beim Bestellprozess aufhören müssen,
weil da waren wir schon durch. Vielleicht
kommen wir ja nächstes Jahr dann dazu,
wenn diese notwendigen Maßnahmen umgesetzt
sind, uns dann noch einmal tief in die
Eingeweide zu begeben. Aber für heute
haben wir unser Ziel schon erreicht
gehabt. Und jetzt ist erst einmal, ganz
wichtig, Arbeit angesagt bei den
Betroffenen, bei den Beteiligten, bei den
Verantwortlichen, diese hier geforderten
Maßnahmen erstmal umzusetzen. Bevor wir
dann nochmal neu an diese Patientenakte
gehen, und uns dann daran wagen,
vielleicht mit einer etwas moderateren
Aussage diese Akte einzuführen. Und auch
eine ein bisschen ehrlichere
Selbsteinschätzung zu dem Thema, das würde
ich mir wünschen für das Jahr 2020. Das
wird 2021 dann trotzdem in den Nutzen
können für medizinische Anwendungen, aber
nicht so eben. Das haben wir jetzt
gesehen. Also so darf das nicht laufen.
Ich würde sagen, wir haben noch ein
bisschen Zeit für Fragen. Dann würden wir
jetzt die Fragen angehen.
Applaus
Herald: Vielen Dank Martin, Christian und
André. Wunderbarer Talk. Wenn ihr Fragen
habt, stellt euch bitte an den Mikrofonen
auf oder nutzt die Möglichkeit, die Fragen
online zu stellen. Signal-Angel, gibt es
Fragen aus dem Netz?
Signal-Angel: Ja, die gibt es. Hier fragt
der User "Space" an den Martin Tschirsich:
Kann ich irgendwo Ärzte finden, die sich
nicht an die Telematik angeschlossen
haben? Also es geht im IRC darum, dass es
dann in Anführungszeichen nur einen
Honorarabschlag geben sollte.
M: Ich glaube, das ist eine Frage, die
tatsächlich lieber ein Arzt selber
beantwortet. Vielleicht gebe ich die Frage
direkt an den Christian weiter.
C: Also ja, es gibt Ärzte, die sich nicht
an die TI angeschlossen haben. Wenn ihr
das googelt: Es gibt mehrere Initiativen
von Ärzten, die sich weigern, sich
anschließen zu lassen, und diese
Honorarabschläge in Kauf nehmen. Also die
bezahlen dafür, dass eure Daten sicher
sind. Ich habe die Homepage leider gerade
nicht auswendig im Kopf. Googlet es
einfach mal, ihr werdet es finden.
Irgendwie "TI frei" oder ähnliches. Das
findet ihr.
Herald: Dankeschön. Mikrofon Nr. 4, deine
Frage, bitte!
Frage: Danke für den Talk! Meine Frage
ist: In dem schönen Video am Anfang hat es
ja geheißen, dass das alles in Kontrolle
des Patienten ist. Wie funktioniert das?
Kann der Arzt einfach einen beliebigen
Schlüssel anfragen von dieser
Infrastruktur oder wie gibt der Patient
sein Einverständnis dafür?
M: Der Patient soll sein Einverständnis
über die App geben können oder auch mit
seiner Gesundheitskarte beim Arzt direkt.
Das ist die einfachste Variante. Also der
Patient geht zum Arzt steckt seine
Gesundheitskarte, gibt eine PIN ein, die
einige jetzt schon bekommen haben, alle
anderen dann nächstes Jahr oder zumindest
bevor diese Patientenakte da ist, und gibt
dem Arzt damit Zugriff auf seine
Patientenakte. Für einen gewissen
Zeitraum, den darf er sich selber
aussuchen und damit hat der Arzt Zugriff.
Für den Arzt wird dann dieser
Aktenschlüssel spezifisch für seine
berechtigten Schlüssel verschlüsselt
hinterlegt beim Aktenanbieter. So
funktioniert das technisch. Auf das
Technische können wir dann nach dem Talk
auch gerne nochmal eingehen. Das ist alles
sehr kompliziert. Es ist symmetrische
Verschlüsselung und nicht so
handelsüblich.
Herald: Danke! Mikrofon Nr. 8, deine
Frage!
Frage: Jo, danke für eure Arbeit für die
Gesellschaft. Gibt es einen Opt-Out für
Patienten?
M: Die Patientenakte soll freiwillig sein.
Das heißt, es ist ein Opt-In. Noch bzw.
aktuell. Es gibt aber verschiedene
Sachverständige, Gruppierungen,
Expertisen, die fordern, es muss ein Opt-
Out werden, weil mit Opt-In wirklich nicht
ausreichend Menschen diese Akte nutzen
werden und dann die positiven Effekte für
die Versorgung ausbleiben. Und wenn man
diese Akte ja schon mal hat und man die
träge Masse gerne mitnehmen will, dann
möchte man gerne zum Opt-Out-Verfahren,
wie das auch schon in anderen Ländern
passiert ist. Ich meine, in Österreich ist
ein Opt-Out, in Australien ist auch ein
Opt-Out, wobei auch dort, meine ich,
früher mal von einem Opt-In die Rede war.
Das heißt, auch hier besteht diese
Möglichkeit, dass das zukünftig einmal
eine Gesetzesänderung geben könnte, kann
man sich alles vorstellen, und dass das
dann zum Opt-Out geht. Ich möchte darauf
aufmerksam machen, dass ich weiterhin
dafür plädiere, dass die Einsetzung für
alle Opt-In bleibt. Denn wer diese träge
Masse, all die, die nicht die Zeit oder
die Expertise haben, sich das anzuschauen,
wer diese mitnehmen möchte, indem er auf
ein Opt-Out geht, der muss auch die
Verantwortung dafür übernehmen für diese
Daten. Und das will aber keiner. Wenn man
das so formuliert, ich glaube, da bleiben
wir länger beim Opt-In.
Herald: Dankeschön. Mikrofon Nummer 7! Was
möchtest du wissen?
Mikrofon 7: Ich hoffe, dass ich jetzt
nicht Äpfel und Birnen vergleiche. Aber
ich kenne jetzt aus dem Gesundheits- und
Pflegebereich ein ganz massives
Überlastungsproblem, was eben
Dokumentationspflichten,
Abrechnungspflichten, etc. mit den
Krankenkassen, mit dem Nachweis der
Professionalität der Arbeit in
Krankenhäusern, in externen Pflegediensten
usw. dann eben angeht. Und ich habe den
Verdacht, wenn man da keine
Digitalisierung reinbringt, ist das ein
unglaublicher Overhead, der momentan
massiv zulasten der Patienten und der
Pflegenden geht. Seht ihr irgendeine
Chance, dass man da tatsächlich effiziente
digitale Abläufe reinbringt, die wirklich
eine Dokumentation beim Patienten, eine
Abrechnung bei der KV, etc. irgendwie
schnell und zügig machen – und nicht
irgendwie einen halben Arbeitstag einer
Pflegerin, die meinetwegen etwas anderes
machen will, mit Papierkram daneben
blockiert?
C: Also, ich gebe dir Recht, ich arbeite
auch in Krankenhäusern, freiberuflich oder
kurzzeitig angestellt. Ich habe da in den
letzten 15 Jahren durch Digitalisierung
nicht erlebt, dass dadurch mehr Zeit für
Patienten entstanden wäre. Es gibt ein
paar minimale Verbesserungen, z. B. bei
Röntgenaufnahmen, die ja früher nur
singulär auf einer einzigen Folie waren,
dass die jetzt verschickt und kopiert
werden können. Die Fortschritte sind sehr
gering. Also die Versprechen sind
natürlich da: Wenn sie digitalisieren,
haben sie mehr Zeit für Patienten. Dass es
in der Praxis aber wirklich so große
Effekte bringt wie versprochen, würde ich
eher nicht erwarten und auch noch nicht
sehen für die nähere Zukunft.
M: Unabhängig davon ist die aktuelle
Patientenakte eine Versorgungsakte. Das
heißt, für die Versorgung geplant und
hauptsächlich für die Information des
Patienten selber. Ob die tatsächlich
diesen revolutionären Effekt jetzt in
unsere Versorgung bringt und diesen
Nutzen, das weiß man nicht. Das will ich
aber auch nicht bewerten. Ich bin nur
dafür, dass man neben dem Nutzen, der auch
sehr positiv von einigen Seiten
herausgestellt wird, der auch evaluiert
und wissenschaftlich begleitet evaluiert
wird, auch die Risiken transparent macht,
ja? Beides muss passieren. Und dann muss
man abwägen können: Wenn man Nutzen und
Risiken kennt – will man das machen? Und
es gibt einige Anwendungen, beispielsweise
verschlüsselte Kommunikation unter Ärzten,
damit die sich gegenseitig Arztbriefe
schicken können, die wirklich einfach
umzusetzen sind, die auch sehr sicher
kommen werden und die auch einen sehr
hohen Nutzen bringen. Also ich denke
schon, es gibt Anwendungen, die Nutzen
bringen. Nur: Wir haben hier mehrfach
gehört, der Einzelfall genügt, um das
Vertrauen in dieses System zu reduzieren.
Und dann muss man halt sich überlegen, ob
das, was man hier gemacht hat, nicht doch
irgendwie besser geht. Und auf jeden Fall
geht das besser! Dass man so ganz
grundlegende Schritte beachten muss. Und
deswegen haben wir unsere Maßnahmen
dargelegt, unter denen wir uns dann
vorstellen können, dass man dann ruhig mal
anfängt mit vielleicht Diensten, die nicht
so ganz so kritisch sind wie die
Patientenakte, sondern das KOM-LE-
Verfahren. Also so was wie S/MIME unter
Ärzten. Und dann schaut, ob das
funktioniert und dann halt Schritt für
Schritt weitergeht. Kann ich mir schon
vorstellen so etwas.
Herald: Dankeschön! Mikrofon 5, bitte.
Mikrofon 5: Ja. Unterstützt ihr die
aktuell laufende Online-Petition gegen den
TI-Zwang?
M: Die Online-Petition gegen den TI-Zwang
ist, soweit … ich hab sie mir
durchgelesen, nicht begründet mit den
Gründen, die wir hier aufführen, warum wir
aktuell dafür sind, dass man erstmal
gewisse notwendige Maßnahmen umsetzt. Wir
sind hier relativ agnostisch rangegangen,
was den Nutzen angeht, sondern haben die
Risikiodimension beurteilt und bewertet.
Und diese Petition gegen den TI-Zwang, wo
es ja auch verschiedene Gründe gibt, die
gehen hauptsächlich in die Richtung
„Haftungsfragen sind ungeklärt“ und die
Nutzungsfrage wird oft von Gruppen
abgelehnt. Und das, würde ich sagen, muss
man den Fachgruppen überlassen, ja? Also
zumindest ich. Das muss man dann den
Ärzten überlassen, vielleicht kann
Christian dazu eine Aussage …?
C: Ich glaube, wir gehen zur nächsten
Frage.
Herald: OK. Mikrofon 4 hätte ’ne Frage?!
Mikrofon 4: Ja, ich wüsste gerne, ob ihr
wisst, ob es in der Spezifikation
irgendwas zum Umgang mit der PIN gibt.
Also ich hab das in einer Arztpraxis
erlebt, dass dann ein
Dienstleistungsunternehmen kommt, den
Konnektor installiert und zwecks einfacher
Fernwartung den PIN auf eine triviale
Kombination ändert, bei allen gleich, und
das in ein Textdokument auf USB-Stick
rausträgt. Ist das erlaubt nach der
Spezifikation?
C: Ähm … lacht Ich sag jetzt mal so:
Martin ist derjenige von uns, der die
Spezifikation auswendig kann, aber ich sag
mal so grob: Nein. Also es ist leider so,
dass auch im Gesundheitswesen das, was du
ansprichst, häufig relativ schlechte
Passwörter verwendet werden und die auch
an Stellen liegen, wo sie nicht liegen
sollten. Das ist … da müssen wir noch sehr
viel dran arbeiten, auch diesen
Datensicherheitsgedanken unter Ärzte zu
tragen, woran ich unter anderem auch
arbeite – oder wir unter anderem auch
arbeiten.
M: Wobei ich sagen muss: Die Anforderungen
sind sicher da. Also die Anforderungen
sind wirklich hoch. Aber auch die
Anforderungen, die an die Ärzte und diese
ärztliche Umgebung gestellt werden, sind
sehr hoch. Und je höher die Anforderungen
geschraubt werden, desto weiter schiebt
man natürlich die Verantwortung, falls
dann jemand gegen diese Anforderung
verstößt, von sich. Nur diese
Anforderungen erfüllen glaube ich nicht
sehr viele Ärzte, ja? Und da muss man
fragen: Sind das realistische
Anforderungen? Und wie sieht das in der
Praxis aus? So ein bisschen das, was wir
gemacht haben. Also Technik ist da,
Spezifikation ist da, bei der Umsetzung da
hakt es halt noch.
Herald: Signal-Angel. Du hast auch noch
was.
Signal-Angel: Ja, und zwar eine Frage aus
Twitter von @jesafafa: Kann ich mich als
Ärztin davor schützen, dass meine
Identität gestohlen wird? Also
wahrscheinlich zur Erlangung dieser
Heilberufeausweise.
M: Das wäre sehr wünschenswert, dass man
hier weitere – ich sage mal – Brandmauern
einbaut, sodass wenn jemand anderes eine
Karte/Identität in seinem Namen beantragt,
dass dann versucht wird, diese neue
Identität erst freizuschalten, wenn man
sich irgendwie rückversichert hat. Wenn
man einen Nachsendeauftrag bei der Post
stellt beispielsweise, an eine beliebige
Adresse, das kann ich ohne dass ich mich
ausweisen muss. Dann geht zumindest an die
ursprüngliche Adresse ein Brief mit
„Hallo, wir informieren Sie darüber, dass
Ihre Post nun an eine andere Adresse
geht“. So etwas könnte man sich ja auch
hier für diese Praxisausweise noch
wünschen. Bei der Gesundheitskarte gibt’s
sowas in der Art schon, was die
Patientenakte angeht, aber hier müssen wir
glaube ich noch ein bisschen mehr, ich sag
mal, zweite und dritte Verteidigungslinie
einbauen, sodass wenn dieser
Kartenherausgabeprozess kompromittiert
ist, dass man dann nicht sofort mit
gestohlener Identität jemand anderen
ausgestattet hat. Ansonsten: Jetzt ist der
Schutz sehr schwer möglich.
C: Also … Bin ich dran? Was man fordern
muss ist, dass sowohl bei der
Antragsstellung als auch bei der
Auslieferung dieser Identitätsausweise
eine persönliche Anwesenheit des Arztes
notwendig ist. Das heißt, der muss einmal
mindestens hingehen zu der Ärztekammer
oder von mir aus auch die apoBank und sich
dort ausweisen. Und beim Empfang muss der
auch persönlich anwesend sein und sich
ausweisen oder eben wieder da hingehen.
Und da ist die Compliance bei den Ärzten
nicht so hoch.
Herald: Danke für eure Antwort. Mikrofon
Nummer 4, deine Frage!
Mikrofon 4: Da war eigentlich nur ein
Kommentar zu dem, was eben gesagt wurde,
und zwar ist es so, dass ganz viel
Gesundheitsdaten per DVD geschickt werden,
weil das anscheinend sicher ist. Und
eigentlich eine Frage habe ich noch: Was
ist mit dem Stammdatenabgleich?
Funktioniert der jetzt mittlerweile? Weil
letztes Jahr haben sie darüber
nachgedacht, ob sie eine SOAP-
Schnittstelle dafür bauen.
C: Also VSDM funktioniert, wird gemacht.
Machen wir auch, mache ich auch täglich in
meiner Arbeit. Zu den Röntgenbildern: DVD
ist noch nicht so schlimm wie diese ganzen
PACS-Server, die weltweit offen lagen ohne
Passwort, wo man nur die URL eingeben
musste. Also es geht immer noch schlimmer.
Und ja: VSDM funktioniert.
Herald: Dankeschön! Der Signal-Angel
bitte.
Signal-Angel: Eine Frage aus
Twitter: Ob die elektronische
Patientenakte eine eindeutige Patienten-ID
für alle Menschen in Deutschland
beinhaltet?
M: Die Patienten werden in der
elektronischen Patientenakte über ihre
Versichertennummer identifiziert und es
gibt eine zentrale Vergabestelle für diese
Versichertennummer, die auch bei
Kassenwechsel, meine ich, erhalten werden.
Könnte der André jetzt sicher noch was zu
sagen.
A: Also jeder Versicherte hat eine
lebenslange, eindeutige
Versichertennummer, die er dann auch bei
Kassenwechsel mitnimmt. Ja, das heißt, ich
habe dort einen Datensatz, der einer
Person zugeordnet ist. Nur: Das, was wir
heute gezeigt haben, das führt dazu, dass
man eben nicht sicher sein kann, dass da
auch genau dann diese Person tatsächlich
auf diese Information zugreift. Weil hier
einfach bei den Übergabeprozessen und den
Identitätsbestätigungsprozessen nicht
sichergestellt ist, dass tatsächlich die
richtige Person auch in Besitz dieser
Zugangsinformation kommt.
Herald: Dankeschön. Mikrofon Nummer 1.
Deine Frage!
Mikrofon 1: Spricht aus eurer Sicht
irgendwas dagegen, statt der EGK einfach
den neuen Personalausweis zu benutzen?
M: Es gibt tatsächlich einen, bzw. mehrere
Projekte glaube ich, oder
Vorgängerprojekte, die genau das
versuchen: Eine Identität abzuleiten vom
Personalausweis, die man dann auch im
Gesundheitswesen nutzen kann. Ich glaube,
in die Richtung gibt es Gedanken. Es gab
ja auch mal die Idee, eines Bürgerportals
mit BürgerCard. Also da gibt es viele
Überlegungen, den NPa zu nutzen. Nur
momentan haben wir halt eine eigene PKI im
Gesundheitswesen. Also unseren eigenen
Vertrauensraum, der noch ganz abgekoppelt
ist vom NPa. Und das hat auch Gründe, dass
man, wenn man am NPa weitere Attribute
speichern wollte, wie beispielsweise die
Versichertennummer, dass das ein sehr
langwieriger Prozess ist, bis man da die
Spezifikation so geändert hat, dass der
NPa auch so etwas speichert wie eine
Versichertennummer. Ansonsten müsste man
wieder ein Register aufbauen, wo jeder
NPa Bürger irgendwie zugeordnet wird mit
Versichertennummer. Und da ist halt die
Frage: Will man so etwas? Also ich glaube,
aus verschiedenen Gründen hat man sich
dazu entschieden, hier eine eigene
Hierarchie aufzubauen.
A: Es reicht eben nicht aus, dass man in
dem Gesundheitswesen nur sich selbst
identifiziert und sagt: Ich nutze meine
eID-Funktion des NPa um zu sagen: Ich bin
ich. Sondern ich muss auch immer noch die
Information mitbringen, das Attribut
mitbringen, bei wem bin ich versichert.
Und diese Information, bei wem bin ich
versichert, ist aktuell auf dem NPa nicht
abspeicherbar.
Herald: OK. Dankeschön. Mikrofon Nummer 6,
deine Frage!
Mikrofon 6: Ist es irgendwie vorgesehen,
dass mein Arzt, mein Zahnarzt z. B., auf
die gesamte Akte zugreifen kann oder nur
auf den Teil, der überhaupt für ihn
vorgesehen ist?
C: Klares Jein. Also ursprünglich war’s so
vorgesehen, dass man selektiv jede
Information in der Patientenakte dem
speziellen Arzt freischalten kann. Also
dass der Urologe nur die
Geschlechtskrankheiten weiß und der
Zahnarzt nur die Zahnkrankheiten.
Gesundheitsminister Spahn hat aber jetzt
versucht, da Druck zu machen, um das
schneller einzuführen und weil dieses
Rechtemanagement, wissen wir alle, recht
kompliziert ist, wollte er das auf ein
Alles oder Nichts runterdrücken. Was
letztendlich kommt, werden wir in einem
Jahr sehen. Frühestens.
M: Es steht schon fest: Also wir wissen,
dass die elektronische Patientenakte, wie
sie 2021 kommt, erstmal nur eine Alles-
oder-Nichts-Akte ist. Also da muss ich mir
halt überlegen, welchem Arzt ich diese
Akte freigebe. Und bei gewissen ärztlichen
Behandlungen – also beispielsweise
psychotherapeutische Behandlung; würde ich
dann nicht als Patient zum
Psychotherapeuten gehen und bitten,
Gutachten dort einzustellen. Sondern ich
muss das erstmal für Dokumente verwenden,
bei denen ich davon ausgehe, dass sie den
anderen Ärzten, denen ich diese Akte
freigebe, auch gesehen werden können ohne
dass das für mich irgendwelche negativen
Folgen hat. Darüber wird man auch
aufgeklärt. Und dann soll in der zweiten
Version 2022 dieses Rechtemanagement
nachgeliefert werden. Das können wir
allerdings momentan noch nicht beurteilen,
weil die Spezifikation dazu … ist noch
nicht öffentlich. Und ich nehme an, sie
wird ausgearbeitet.
Herald: OK. Vielen Dank euch Dreien fürs
Rede und Antwort Stehen! Verabschiedet die
drei bitte mit einem kräftigen Applaus!
Applaus
C: Ganz herzlichen Dank für die
Moderation!
Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!