Genau, ich möchte heute über den tiefen Staat mit euch sprechen.
Vielleicht ganz kurz vorneweg, wer ich bin, was mich motiviert:
ich bin in den 1980er Jahren in Westdeutschland aufgewachsen
in einer sehr paranoiden Zeit, was ganz praktisch ist.
Als das dann in den 90ern endete, fiel eine große Last von mir,
heute habe ich den Eindruck, dass vieles von dem wiederkommt und das ist auch der Grund, warum ich mir diesen Talk heute ausgesucht habe und mit euch drüber sprechen möchte.
Das Jahr 2013 oder "the year of Snowden zero" war ein sehr verrücktes Jahr aus meiner Warte
und vieles davon, was passiert ist, konnte ich nicht so richtig einordnen; versuche das natürlich immer wieder.
Es hilft sicherlich zu sehen, was wir aus der Presse lesen über die Enthüllungen, über die Überwachungen,
über die Art und Weise, wie Regierungen mit uns umgehen.
Aber das wirft natürlich auch Fragen auf:
Fragen nach demokratischer Beteiligung,
Fragen nach dem Rechtsstaat,
Fragen nach einer Entwicklung dieses Rechtsstaates.
Wir haben jetzt gerade eine große Koalition mit einer 80-Prozent-Mehrheit,
die kann beliebig Verfassungsänderungen vornehmen wie sie denn gerne möchte. Ob sie das gerne möchte sei mal dahingestellt.
Ich denke, es liegt an uns allen, auch politischen Einfluss zu nehmen und politischen Einfluss geltend zu machen
und das, was wir als wichtig sehen, auch für unsere Infrastrukturen vorzunehmen.
Was ich in diesen 1980er Jahren gelernt hab, dass es eine sehr bleierne, eine sehr metallisierte Zeit war.
Und das, was ich die ganze Zeit dieses Jahr gesehen hab, wo ich mir die Frage stelle: bin ich einfach schon wieder paranoid?
Werde ich verrückt? Oder passieren diese Dinge da draußen?
Sind Muster, die ich erkenne, Muster, aus der Art und Weise, wie der Staat funktioniert, wie gewisse Rückfallebenen des Staates funktionieren, die ich gern heute dann auch in einer Q&A mit euch diskutieren möchte.
Auch in der Q&A: wenn ihr nur auf Englisch sprechen möchtet, sehr gerne.
Ich denk, dann halten wir den Teil einfach kurz in englischer Sprache.
Das Warum habe ich glaube ich gerade kurz dargelegt.
Zum Wie, das werden wir rausfinden während dieses Vortrags.
"Die Grenzen meiner Sprache, sind die Grenzen meiner Welt", sagt Wittgenstein.
Das ist'n sehr schwieriges Thema für mich, zu sagen: was sehe ich, was glaub ich?
Wie schätzt ihr denn das ein, was haben wir für Aspekte, was haben wir für Handlungsweisen?
Denn das Thema, worum wir hier sprechen, ist der tiefe Staat.
Und vielleicht ganz kurz als Begriffsklärung: ursprünglich stammt das aus der Türkei.
Dort gab es 1970 einen Militärputsch.
Und nach diesem Militärputsch gab es die Etablierung [von] etwas, was man als Staat im Staate bezeichnen kann.
Eine Verschwörung zwischen Politik, Militär, Justiz, Rechtsextremen und der organisierten Kriminalität, die sich den Staat zur Beute gemacht haben und Kontrolle ausgeübt haben jenseits oder unterhalb der eigentlich etablierten, demokratischen Struktueren.
Das ist im Rahmen des NSU-Skandals wieder sehr deutlich hochgekommen.
Also der Mord an ausländischen Mitbürgen und der Ermittlungspannen insbesondere der Verfassungsschutzämter.
Weil sich türkische Kommentatoren die Frage gestellt haben: gibt es sowas denn auch bei uns?
Und um das vorneweg zu schicken, daran glaube ich nicht.
Dessen unbenommen gibt es Elemente, über die ich gern mit euch sprechen möchte, die ich da gesehen hab.
Der Begriff hat sich insofern in den USA auch schon gewandelt.
Er bezeichnet auch staatliche Strukturen unter Geheimhaltung, Rückfallebenen für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit im Krisenfall.
Wobei das natürlich die Frage aufwirft: was ist ein Krisenfall?
Wer definiert nationale Sicherheit? Wer definiert den Krisenfall?
Mit dem Ziel der "continuity of government", also das Fortführen des Regierungshandelns, der Regierungsfähigkeit, auch unter Angriffsszenarien.
Was wir aber dabei sehen, zum Beispiel auch in der Türkei, ist, dass sich diese Apparate verselbständigen können.
Und hier fängt die Parallele an, die ich ziehen möchte.
Dass, was wir über Edward Snowden gelernt haben, was in den USA passiert ist, ist für mich auf eine Art dasselbe Muster.
Es ist die Verselbständigung eines Apparates mit erheblichen geheimen Budgets und mangelnder demokratischer oder parlamentarischer Kontrolle.
Alle diese Aufsichtsgremien, haben wir gelernt, haben versagt.
Edward Snowden ging nur deshalb so weit, nach eigenem Bekennen, da alle die eigentlich demokratisch vorgesehenen Kontrollgremien nicht funktioniert haben.
Warum das so ist, darüber denk ich, werden wir noch heute zu sprechen kommen.
Vielleicht'n ganz kurzen historischen Abriss über das, was ich in der Bundesrepublik beobachtet hab
und das, was ich hier als tiefen Staat bezeichnen möchte.
Wir haben mit dem Ende des zweiten Weltkriegs ein besetztes Deutschland und wir hatten ein besetztes Deutschland, das von vier Siegermächten in Besatzungszonen aufgeteilt wird.
Und entlang der Grenzen dieser Besatzungszonen, das kennt ihr alles, das ist nichts neues, haben wir zwischen West- und Ostdeutschland eine Trennlinie.
Und die Integration dieser jeweiligen Besatzungszone in das System der Besatzungsmacht.
Und damit ein immer weitergehendes Auseinanderdriften bis hin zur deutschen Teilung und zur Zementierung dieser Teilung.
Als Zeitpunkt kann man da denke ich ganz gut 1955 und die Westintegration der jungen Bundesrepublik vorwegnehmen.
Was wir dort sehen, ist neben den eigentlichen Truppen, den stationierten Truppen, die wir haben, auch ein Hervorbringen einer genuinen deutschen Infrastruktur, unter anderem durch Sicherheitsbehörden, unter anderem auch durch technische Infrastrukturen und durch rechtliche Aspekte, über die wir hier sprechen wollen und über die natürlich noch andere auf dem Kongress noch sprechen werden.
Das erste, was wir gesehen haben, sind formale Geheimdienste, die gegründet werden.
Also Behörden, die zur Gewinnung von Erkenntnissen mit verdeckten Mitteln, mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen gewinnen.
Das können Menschen sein, das kann Technologie sein.
Aber zunächst geht es darum, dass diese Geheimdienste Informationen sammeln, um eine Lage einschätzen zu können, um ein Lagebild zu generieren,
und auch im Vorfeld um dann nicht direkt gleich zur militärischen Eskalation gehen zu müssen, sondern im Vorfeld Handlungen vornehmen zu können.
Und da fängt für mich schon das Problem an.
Über die Kontrolle dieser Geheimdienste, und da sind wir gleich wieder in dieser Linie in die Gegenwart: wie gut funktioniert die Kontrolle unserer Nachrichtendienste?
und wäre es nicht jetzt, nach Snowden, an der Zeit, über diese parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste verstärkt nachzudenken, die auszuweiten,
ihnen die entsprechenden organisatorischen und technischen Mittel in die Hand zu drücken.
Auch zum Beispiel durch die Datenschutzbeauftragen.
Wir werden heute ja noch Peter Schaar zu hören bekommen und dort lernen, wie oder wie sie eben nicht funktioniert.
Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland vier formale Geheimdienste, auf die wir dann noch kommen werden.
Zunächst aus den USA heraus, die Organisation Gehlen, die ehemalige Abteilung Fremde Heere Ost der Wehrmacht,
die sich im Wesentlichen damit beschäftigt hat, die Sowjetunion aufzuklären und deren Materialien ein Grundstock waren, um eine Organisation zu gründen,
die in der Folge sozusagen als Aprilscherz am ersten April 1956 zeitgleich mit der jungen Bundeswehr in die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist
und seither eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes ist.
Hier haben wir schon ein Problem, dass es keine deutsche Gründung ist.
Wir haben also ein von Ausländern gegründeten Geheimdienst, der die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik vertreten soll.
Da habe ich ein Problem damit, ich weiß nicht, wie gut das funktioniert.
Das, was wir gerade gesehen haben, dieses Abwiegeln, Abstreiten der NSA; ich denke, dass die Mittel und Vorgänge bei Nachrichtendiensten, und Methoden, immer relativ gleich sind, dass sie sich nur in ihrer Schwerpunktsetzung unterscheiden,
möglicherweise auch in der Anwendung von Zwang, das haben wir hier glücklicherweisen weitgehend nicht.
Sicherlich ein starkes Abgrenzungskriterium zur ehemaligen DDR.
Aber die Frage, die ich mir hier stelle, ist: unterscheidet sich der Bundesnachrichtendienst von der NSA?
Ist all das, was wir immer hören, über die Unfähigkeit und die Unvermögensverwaltung nicht auch nur das, dass Nachrichtendienste natürlich nicht über ihre Erfolge sprechen können,
weil sie damit ihre eigentliche Arbeit gefährden.
Aber vor dem Hintergrund dieser Nichtbewertbarkeit ist es für mich sehr schwierig einzuschätzen,
ob man diesen Apparat fortführen soll und was dieser Apparat eigentlich tut
und wie er zu kontrollieren ist.
Um so schlimmer betrachte ich die Verfassungsschutzämter, die ursprünglich eher aus dem britischen Bereich heraus gegründet wurden,
die auch Rechte im Inland haben.
Der Bundesnachrichtendienst ist zumindest formal weitgehend auf das Ausland beschränkt, das ist unser Auslandsgeheimdienst.
Die Verfassungsschutzämter sind unser Inlandsgeheimdienst.
Immer wenn ich fefes Blog lese, der hier sitzt, über das, was die Verfassungsschutzämter in diesem Land tun,
und wie weit sie eher einen Blick nach links haben und auf dem rechten Auge blind sind, frage ich mich: wie wollen wir hier damit umgehen?
Aber zumindest sind das Nachrichtendienste, die sich im Wesentlichen auf Informationsgewinnung beschränken.
Das heißt also, darauf beschränkt sind, Informationen zu sammeln, zu verarbeiten und damit welche und wie auch immer gearteten Erkenntnisse welcher Güte weiter zu geben.
Was wir in der Bundesrepublik gesehen haben nach dem zweiten Weltkrieg und dann auch im gesamten NATO-Gebiet und der Schweiz, sind auch paramilitärische Organisationen,
die ein wesentliches Merkmal des tiefen Staates sind.
Die Idee war zu sagen, für den Fall einer Invasion eines der jeweiligen Länder, wird eine reguläre Armee sich zurück ziehen und die Frontlinie entsprechend wird sich verschieben.
Hinter dieser Frontlinie soll es aber ein Agentennetz geben, das nicht nur nachrichtendienstliche Erkenntnisse bringt, sondern auch Sabotagehandlungen vollführt,
sogenannte Überrollgruppen, weil sie sich eben von der feinlichen Armee überrollen lassen und im Anschluss dort operativ tätig werden.
Dazu gibt es relativ wenig in der historischen Forschung.
Ich denke, wir werden auch auf jeden Fall noch auf Informationsfreiheit zu sprechen kommen.
Das Problem über all das was wir hier sprechen ist die ständige Geheimhaltung.
Die ist ein Merkmal von Nachrichtendiensten und die ist auch notwendigerweise ein Merkmal militärischer Strukturen.
Und diese Geheimhaltung führt dazu, dass wir sehr schwer wissen, was das ? ist und sehr schwer handhaben können, was die Faktenlage ist.
Der Vorteil ist, dass der Zeitraum über den wir hier sprechen, die 1950er, 60er, 70er, 80er Jahre sind,
insbesondere die paramilitärische Organisation Gladio wurde Anfang der 1990er Jahre in den europäischen Staaten, soweit wir wissen, aufgelöst.
Das einzige Werk, das es dazu gibt, ist von einem schweizer Historiker, Daniele Ganser, über Gladio,