Das ist ein merkwürdiges und wunderbares Gehirn, das die Idee vor alternativer Intelligenz auf unserem Planet belebt. Dieses Gehirn ist Teil eines seltsamen Körpers und es hat viele kleine Nebenhirne verteilt im gesamten Körper. Wie stark unterscheidet es sich von dem des Menschen? Es unterscheidet sich so stark, dass meine Kollegen und ich kaum seine Funktionsweise verstehen. Aber auf alle Fälle schafft dieses Gehirn faszinierende Dinge. Zu wem gehört es also? Tauchen Sie mit mir in den Ozean, dem Ursprung des Lebens, und lassen Sie es uns herausfinden! Diese Aufnahme ist ganz unscheinbar. Wir sind hinter einem Korallenriff mit Felsen, viel Sand, ein paar Fischen ... und plötzlich blitzt der Oktopus weiß auf, spritzt Tinte in mein Gesicht und flieht. Beim langsamen Zurückspulen erscheint der Augenring, gefolgt von der Hautfärbung und schlussendlich formt sich die Haut der Umgebung als 3D-Tarnung an. In der Haut sind 25 Millionen „Chromatophor“ genannt Farborgane und die Ausstülpungen sind „Papillen“ -- alle werden neuronal gesteuert und ändern sich sekundenschnell. Meiner Meinung nach ist dynamische Tarnung eine Form von „Intelligenz“. Die Komplexität der Haut und ihre präzise Wandelbarkeit sind umwerfend. Was kann diese Haut alles? Von der Tarnung abgesehen gibt es viele Möglichkeiten: Der Mimik-Oktopus ändert sein Muster in Sekundenschnelle zu Signalzwecken, nicht zur Tarnung. Und die Änderung wird umgekehrt. Dann gibt es auch noch den Breitarm-Sepia, der Wolkenbänder imitiert und damit vermutlich seine Beute hypnotisiert. Und schließlich kann der Prachtsepia jeden Moment seine Warnfarben zeigen. In diesen Beispielen sehen wir einen kontinuierlichen Übergang zwischen Signal- und Tarnmechanismen. Das erfordert große Körperbeherrschung. Nun, genau das können Gehirne gut. Das Oktopusgehirn hat 35 Lappen und 80 Millionen graue Zellen. Obgleich dieser interessanten Fakten ist die Haut das eigentlich Besondere, denn sie ist von Neuronen durchzogen -- hier in Gelb dargestellt. In der Haut sitzen 300 Millionen Neuronen dagegen nur 80 Millionen im Gehirn -- das Vierfache. Zu jedem der 8 Arme gehört ein Nebenhirn, welches als Rückenmark der Arme fungiert. Dieses Nervensystem ist sehr ungewöhnlich. Wozu ist dieses Gehirn gut? Es muss die großen Gehirne seiner Fressfeinde überlisten, dazu gehören Schweinswale, Robben, Barrakudas und Hechte und sogar Menschen. Das Oktopusgehirn muss entscheiden und ist darin sehr gut. Hier sehen wir einen umherschwimmenden Oktopus, der plötzlich anhält und sich perfekt anpasst. Das ist wunderschön, denn diese Tiere müssen in freier Wildbahn auf einem Beutezug von zwei Stunden über hundertmal ihre Tarnung wechseln. Und das ganze zweimal am Tag. Entscheidungsfähigkeit. Ebenso gehört die Navigation zur Aufgabe. Wir können die Tarnung testen, indem wird einem Tintenfisch anstelle eines neutralen Untergrunds auf ein Schachbrett setzen. Selbst bei solch komischen Mustern versucht er, den Untergrund zu imitieren. Auch andere kognitive Fähigkeiten sind wichtig. Tintenfische sind auf andere Weise klug. Sie haben ein extrem komplexes, aber auch interessantes Sexleben. Sie kämpfen, flirten, machen den Hof, bekämpfen Konkurrenten und täuschen. Kommt Ihnen das bekannt vor? (Lachen) Es ist wirklich erstaunlich, dass diese Tiere solches Verhalten intuitiv ausprägen. Hier sind Männchen und Weibchen. Das Männchen hat andere Bewerber besiegt und das Weibchen gewonnen. Es hat nun ein geteiltes Muster: Werben und Lieben einerseits und Kämpfen andererseits. Wenn sie die Seiten wechselt (Lachen) wechselt er schnell das Werbungsmuster auf die Seite des Weibchens. Dieses geteilte Muster in Abhängigkeit vom Verhaltenskontext ist außergewöhnlich. Es erfordert viel Denkleistung. Man könnte das auch als einen 50 Millionen Jahre alten Beweis des männlichen Doppelgesichts ansehen. (Lachen) Lassen wir das mal so stehen. (Lachen) Ein Oktopus im Korallenriff hat es schwer, da er sich viel bewegt und dann seine Höhle finden muss. Dennoch ist das kein Problem. Mit Kurz- und Langzeitgedächtnis lernen sie ab drei bis fünf Versuchen. Es ist ein gutes Gehirn. Das räumliche Gedächtnis ist auch außergewöhnlich gut. Sie finden nach dem Beutezug immer schnurstracks zur Höhle. Die beobachtenden Taucher sind orientierungslos, doch die Oktopusse finden mit exzellentem Gedächtnis immer zurück. Die kognitiven Fähigkeiten bemerkt man bei diesem schlafenden Tintenfisch. Besonders auf dem rechten Bild ist heftiges Augenzucken wie beim Träumen zu sehen, was wir nur von Säugetieren und Vögeln kannten. Man erkennt den Farbwechsel der Haut, der häufig beim REM-Schlafen auftritt. Das Wachverhalten sieht ganz anders aus. Beim Träumen wird das Gedächtnis konsolidiert. Das ist vermutlich auch beim Tintenfisch der Fall. Eine andere unerwartete Gedächtnisform ist das episodische Gedächtnis. Es ist beim Menschen erst nach vier Jahren ausgebildet und beinhaltet bestimmte Ereignisse, deren Orte und Zeitpunkte. Die Zeit ist besonders anspruchsvoll. Kinder können das mit vier Jahren leisten. Aber aufgepasst: Der schlaue Tintenfisch kann das auch. Wir bewiesen das letzten Sommer in einem Experiment, indem wir Tintenfischen zeitabhängig verschiedene Nahrung gaben und sie diese Nahrung mit Ort und Zeit verknüpfen mussten. Sie mussten ihre Beutesuche dann nach der Verfügbarkeit jeder Nahrungssorte koordinieren. Klingt kompliziert? Ich habe es selbst kaum verstanden. Das ist schwierige kognitive Aufgabe. Wenn wir gerade von Gehirnen und der Evolution sprechen, sieht man rechts den Entwicklungspfad der Wirbeltiergehirne. Wir alle haben gute Gehirne, dem wird jeder zustimmen. Doch auf der linken Seite hat sich der Pfad zum Oktopus auch zu einer komplexen sozialen Spezies und einer Form von Intelligenz entwickelt. Unser jüngster gemeinsamer Vorfahre lebte vor 600 Millionen Jahren und war ein kleiner Wurm mit wenigen Neuronen. Wir entwickelten uns unterschiedlich, haben aber beide nun komplexes Verhalten. Da stellt sich eine fundamentale Frage: Unterscheidet sich das Oktopusgehirn bis in die kleinste Struktur von der Wirbeltierlinie? Wir kennen die Antwort nicht -- sollte sie allerdings „ja“ lauten, gibt es auf diesem Planeten noch einen weiteren Pfad zur Intelligenz, der auch für künstliche Intelligenz interessant sein könnte. Sehen wir uns die Genetik an. Wir haben ein Genom, die DNA, aus der DNA wird RNA transkribiert, RNA wird in Proteine übersetzt und so entstehen wir. Bei den Kopffüßern ist das anders. Sie haben große Genome mit viel DNA, diese wird in RNA transkribiert, doch nun geschieht etwas ganz anderes. Sie verarbeiten ihre RNA enorm schnell -- hundertmal schneller als Menschen oder andere Tiere -- und produzieren Unmengen an Proteinen. Und wozu dienen sie vor allem? Für das Nervensystem. Das ist vielleicht eine unübliche Methode zur Ausbildung von Verhaltensplastizität. Das ist jedoch alles nur Vermutung. Ich möchte Ihnen meine Erfahrungen und die Einblicke meiner Kollegen beim Erforschen dieser Tiere näherbringen. Beim Tauchen ist unsere Zeit begrenzt und daher müssen wir effizient vorgehen. Das Einfühlen in die Unterwasserwelt hilft unserem Verständnis dieser Tiere. Es ist eine fantastische Erfahrung, Unterwasser eine Kommunikation zwischen Oktopus und Taucher aufzubauen. Dann erst sieht man das Tier als denkendes und neugieriges Lebewesen an. Das inspiriert mich unendlich. Blicken wir zur intelligenten Haut zurück. Hier sehen sie einen Tintenfisch mit Tarnmuster. In Nahaufnahme sehen wir die Pigmente und Reflektoren. Das sind sich schnell öffnende und schließende Chromatophore. Die nächste Hautschicht ist sehr interessant. Die Chromatophore sind geschlossen und das magische Irisieren erscheint. Sie ist auch neuronal gesteuert und so verursachen Pigmente und Irisieren gemeinsam die Hautfärbung des hier gezeigten Tintenfisches -- ebenso sein zauberhaftes, blasses Erröten. Wie können wir diese Erkenntnisse nutzen? Ich erwähnte die Papillen. Hier ist ein riesiger Tintenfisch aus Australien. Er hat eine glatte Haut und ein auffälliges Muster. Ich habe eine Serie von fünf Bildern mit einer Sekunde Abstand aufgenommen. Sehen Sie sich die Gestaltwandlung an: eins, zwei, drei, vier, fünf -- und nun ist er eine Alge. In der Retrospektive sind Glätte und Auffälligkeit wieder da. Das ist herrliche, wandelbare Haut. Hier sehen Sie es im Detail. Jetzt fährt er seine Papillen aus. Noch näher erkennt man die einzelnen Papillen. Auch darauf sind weitere Falten und somit sitzen die Papillen aufeinander. Jede einzelne Spezies hat Papillen in dutzend Formen und Größen zur Erzeugung einer präzisen, neuronal gesteuerten Tarnung. Meine Ingenieurskollegen an der Cornell-Universität verfolgten unsere Arbeit und meinten: „Wir können das herstellen.“ In der Industrie sind leichte, formgesteuerte Materialien extrem selten. Also arbeiteten wir gemeinsam und konstruierten künstliche Papillen -- hier gezeigt. Sie nehmen verschiedene Formen an, sind aber dennoch etwas biegsam. Diese Prototypen sind eine Anwendung. Doch auch das Färben von Stoffen könnte von unseren Einsichten profitieren. Sehen Sie dieses Kaleidoskop an Farben aus dynamisch gesteuerten Pigmenten und Reflektoren in der Haut von Kopffüßern. Unser Wissen um den Mechanismus genügt, um solche Fertigkeiten nicht nur in Tüchern, sondern auch in wandelbaren Kosmetika einzusetzen. Zusätzlich wurden kürzlich lichtempfindliche Moleküle in der Oktopushaut gefunden, was einen Weg zu intelligentem Material, das spüren und reagieren kann, eröffnet. Diese Form der Biotechnologie oder Biomimikry ändert auch unseren Blick auf die Welt. Zu Beispiel könnte künstliche Intelligenz das im Körper verteilte Gehirn nutzten und die Farbfähigkeiten oder die intelligente Haut der Tintenfische um ihren Weg in die innovative Mode zu finden. Wie erreichen wir das? Vielleich können wir alle ein wenig intelligenter über die Intelligenz von Kopffüßern urteilen. Danke. (Applaus)