In der Mitte der 70er wurde ein Videospiel veröffentlicht, dass man unumstößlich
als eines der einflussreichsten Spiele aller Zeiten bezeichnen kann.
Aber es ist kein Videospiel.
Die Rede ist vom unaufhaltsamen Tabletop-Rollenspiel: Dungeons & Dragons.
[Reporter: "Die Idee des Spiels, das von besonders kreativen und intelligenten Kindern gespielt wird, ist es,
in die Rolle eines der erdachten Charakteren zu schlüpfen."]
D&D wurde von Gary Gygax und Dave Arneson geschaffen, als eine Miniatur von Kriegsspielen und
epischen Fantasie-Romanen.
Im Spiel ist eine Person der Spielleiter, der sich eine anschauliche Geschichte mit Aufgaben und
Kreaturen ausdenkt, die eine Gruppe anderer Spiele erkunden kann.
Die erste Ausgabe von Dungeons & Dragons wurde 1974 veröffentlicht.
Zur selben Zeit wurden die ersten Spiele für Großrechner (Computer) wie den "PLATO",
Fernschreiber und sehr neue Betriebssysteme wie "UNIX".
Wenn auch du ein solcher Nerd warst, der mit solchen Dingen rumexperimentiert hat,
dann warst du vermutlich auch jemand, der D&D spielte.
Daher ist es auch nicht überraschend, dass diese frühen Computerspiele ein Versuch waren,
diese populären "Pen and Paper"-Spiele in Code umzuwandeln.
Und den Computer in einen digitalen Spielleiter zu verwandeln.
Diese Spiele imitierten auf dreiste Weise D&D-Grundmechaniken
wie zum Beispiel die Auswahl des eigenes Charakters und dessen Grundattribute.
Zufallsbasierte Handlungen, die anstelle eines Würfels einen zufälligen Zahlengenerator nutzten.
Für Erfahrungspunkte und Schaden wurden diskrete Werte verwendet.
Diese frühen Spiele waren jedoch nicht so primitiv, wie ihr noch vermuten würdet.
Einige hatten sogar handlungsbasierte Aufgaben oder die Möglichkeit, Monster zu rekrutieren.
Es war sogar möglich, mit Leuten aus dem selben Netzwerk zusammenzuspielen.
Und auch hier waren innovative und experimentelle Ideen.
"Colossal Cave Adventure" entledigte sich der Kämpfe und legte mehr Fokus auf D&D's Geschichte
und beeinflusste damit das gesamte Abenteuer-Genre und Kickstarter-Unternehmen wie "Sierra" und "Infocom".
"Rogue" nutzte eine zufällige Generierung um unendlich viele neue Dungeons zu generieren,
das wird später wieder aufgegriffen.
Jedoch fanden Rollenspiele kein großes Publikum, bis endlich die Computer für den Heimgebrauch auf den Markt kamen.
Dies geschah 1977, als der erste erfolgreiche Heimcomputer in America erschien.
Das ist der "Apple II", der "Commodore PET" und der "TRS-80".
[Werbung: "Der TRS-80: Der größte Name in kleinen Computern."]
Es gab einige frühe Versuche, Rollenspiele auf diese Geräte zu bringen, wie "Beneath Apple Manor"
und "Temple of Apshai", aber es bedurfte zweier Spiele, beide aus dem Jahr 1981, bis sie auf ein Publikum trafen.
Eines dieser Spiele war "Wizardry" von Robert Woodhead und Andrew Greenberg.
Woodhead zufolge wurde es gemacht, um zu testen, "ob wir ein Einzelspieler-Spiel genau so cool zu machen,
wie die PLATO-Spiele und es gleichzeitig in ein so kompaktes Gerät zu portieren."
In Wizardry beginnt man damit, in einer Gruppe von Abenteurern Dinge zu sammeln
und sich mit Waffen und Rüstung einzudecken.
Dann wird man in einem unterirdischen, zehnstöckigen Labyrinth ausgesetzt,
das mit einem 3D-Gittermodell dargestellt wird.
Als nächstes trifft man auf Monster und tritt in rundenbasierten Kämpfen gegen sie an.
Nun hast du die Wahl aus einer Liste an Optionen, die es ermöglichen anzugreifen, einen Zauber zu wirken,
einen Gegenstand zu nutzen und so weiter.
Ein Monster erfolgreich zu erledigen gewährt dir Erfahrungspunkte, mit denen man leveln kann.
Das andere Spiel ist "Ultima", das im selben Jahr auf der selben Plattform erschien,
entwickelt von Richard Garriott, der ebenfalls durch Dungeons & Dragons inspiriert wurde.
Er wurde jedoch nicht von frühen Videospielen beeinflusst.
Er probierte sich früh an Rollenspielen für Fernschreiber und dem Spiel
"Akalabeth: World of Doom" für das Apple II. Jedoch war Ultima sein größtes Werk.
Du übernimmst die Rolle eines einzelnen Charakters, der Aufgaben für "Lord British" erfüllt.
Die unterirdischen Dungeons ähneln denen aus Wizardry, mit Drahtmodellen und Angriffen von Monstern.
Die Außenwelt aber sah völlig anders aus:
Während Wizardry auf eine klaustrophobische Kluft beschränkt war,
war das weitläufige Land von "Sosaria" offen in jede Richtung.
Überall gab es Berge, Flüsse und Schlösser.
Zudem verfügte das Spiel über ein Hunger-System, das den Spieler zwingt, sich Essen zu kaufen, um zu überleben.
Diese Spiele sowie ihre direkten Nachfolger, die jährlich erschienen,
erweckten sehr viel Aufsehen.
Nicht nur von Fans, sondern auch von konkurrierenden Entwicklern mit ähnlichen Spielen.
Michael Cranford veröffentlichte 1983 "Maze Master", das sehr von Wizardry inspiriert war
und legte mit "The Bard's Tale" 1985 nach.
Das Studio des Spiels, Interplay, würde zukünftig "Wasteland" und "Fallout" kreieren
und Biowares erste Rollenspiele veröffentlichen.
"Might and Magic" von 1986 und "Dungeon Master" von 1987 hatten als Vorbild sowohl Ultima als auch Wizardry.
Spin-Offs wie "Ultima Underwold" würden Spiele wie "Deus Ex"und "The Elder Scrolls" inspirieren.
Nahezu jedes Computer-Rollenspiel-Franchise kann auf dieses Spielepaar zurückgeführt werden.
Aber der Einfluss liegt eigentlich noch viel weiter in der Vergangenheit.
Anfang der 80er erschienen auch in Japan die ersten Computer für zuhause,
der NEC PC-8001 und der FM-7 von Fujitsu.
Aber die coolsten Kids spielten importierte Spiele auf westlichen Geräten, so wie der zukünftige Präsident von Nintendo,
Satoru Iwata, der bekanntermaßen ein Commodore PET besaß.
In der ersten Ausgabe der "Computer Gaming World" vom September 1985 heißt es in einem Ausschnitt:
"So sehr die Japaner auch hochauflösende Grafik-Abenteuer genießen, die Hochburg
ihrer Bewunderung ist für Fantasie-Rollenspiele reserviert.
Wizardry und auch Ultima haben riesige Fangemeinden in Japan."
Und so wurden die ersten japanisch-sprachigen Spiele dieser Machart
für japanische Computer entwickelt wurden, zum Beispiel "Dungeon" und "Mugen no Shinzou".
Sowie das Spiel "The Black Onyx", das vom aus dem Westen stammenden Henk Rogers programmiert wurde,
der eines Tages Nintendo ein kleines Spiel namens "Tetris" präsentierte.
Es ergaben sich auch Hybride aus dem Rollenspiel-Genre, so wie das Strategie-Rollenspiel "Bokosuka Wars".
Und 1984 gab es einen immensen Boom von Action-Rollenspielen mit Echtzeit-Kämpfen,
wie z.B. "Dragon Slayer" und "Tower of Druaga", die ebenfalls Ultima und Wizardry als Vorbild hatten.
1986 brachte "The Legend of Zelda" hervor, das laut dem Schöpfer "Shigeru Miyamoto"
durch Black Onyx und Ultima beeinflusst wurde. Das teilte er 2003 in einem Interview mit Enterbrain mit.
Um jedoch wieder zu gewöhnlicheren Rollenspielen zurückzukommen - so wie es dem Apple II gelang,
Rollenspiele im Westen beliebter zu machen, kamen Rollenspiele in Japan erst groß heraus,
als das Genre auf ein einfacher zugängliches System gebracht wurden.
Lernt Yuji Horii kennen.
Auch er spielte importierte Spiele und war seines Zeichens Fan westlicher Spiele und Genres.
Seine erste große Veröffentlichung für den Publisher "Enix" war das Spiel "Portopia Serial Murder Case",
das er nach dem Lesen eines westlichen Textabenteuers kreierte. Auch das Spiel "Deadline" von Infocom war Teil der Inspiration.
Portopia wird als "das" Vorbild für das Visual Novel-Genre betrachtet
und es inspirierte Hideo Kojima Spiele wie "Snatcher" und "Policenauts" im selben Stil zu fertigen.
Portopia erhielt noch mehr Aufsehen, als Horii sich mit Koichi Nakamura zusammenschloß,
um ein Spiel für Nintendos neue, populäre Konsole, das Famicom, zu erstellen.
Das bedeutete, ein Computerspiel auf ein wesentlich beschränkteres System zu komprimieren.
Die beiden schafften es aber mit einigen raffinierten Tricks,
wie z.B. einer Liste von Kommandos anstelle einer Texteingabe.
An ihr nächstes Projekt ging das Team ähnlich ran, dieses Mal jedoch an ein anderes westliches Genre: Das Rollenspiel.
Zusammen entwickelten sie "Dragon Quest", das im Frühling 1986 auf dem Famicom erschien.
Horii war ein riesiger Fand von Wizardry, er sagte: "Die Idee, Erfahrung zu sammeln, stärker zu werden
und neue Waffen zu kaufen.
Das alles mag ich."
Nakamura war sehr in Ultima vertieft.
Daher verbindet das Spiel die besten Elemente beider Vorbilder.
Die Kampfszenen waren wie in Wizardry, mit einem Menü, in dem man Kampfoptionen wählen kann,
sowie große und farbenfrohe Grafiken.
Die Oberwelt jedoch glich eher Ultima, mit kleinen Charakteren, die herumliefen,
mit Burgen, Schlössern und einzelnen Grafiken auf einer Oberwelt.
Dragon Quest ist vereinfacht im Vergleich zu den einflussreichen amerikanischen Spielen.
Die einzige Wahl, die man hat, ist der Charaktername.
Es gibt einfache, vorgegebenen Werte und ein klar verständliches Level-System.
Dies geschah teils aufgrund der technischen Begrenzungen des Famicoms, aber auch aufgrund der Einsteigerfreundlichkeit.
Horii erkannte, dass Rollenspiele noch neu, aber komplex waren. Daher wollte er,
dass sowohl junge als auch ältere Spieler angesprochen werden.
Die Entwickler wollte ebenfalls, dass das Spiel für den japanischen Markt interessant wirkt.
Daher sind die Dialoge eher witzig und durch Mangas inspiriert.
Die berühmten Designs stammen vom Manga-Künstler "Akira Toriyama", der zu dieser Zeit
gerade mit der Arbeit an "Dragon Ball" angefangen hatte.
Seht nur, wie Toriyama eine Skizze eines Schleims von Horii nahm
und daraus ein lustiges Maskottchen mit eigenem Charme machte.
All diese Faktoren machten das Spiel zu einem großen Erfolg.
Zwar nicht so erfolgreich wie die Entwickler es sich wünschten, aber erfolgreich genug,
um einen oder auch zwei Nachfolger zu entwickeln.
Und genau damit brach die Ära von Dragon Quest richtig an.
Jedes Spiel verkaufte sich millionenfach.
Das Erscheinen von "Dragon Quest III" war ein kulturelles Ereignis.
Man sagt sogar, dass die Regierung wegen Enix verbot, Videospiele an einem Wochentag zu veröffentlichen,
weil zu viele Schüler den Unterricht schwänzten,
um das neueste Dragon Quest zu kaufen.
Das ist lediglich ein Mythos, ein Gesetz existiert nicht.
Jedoch stimmte Enix dem zu, Spiele nicht an Wochentagen zu veröffentlichen. Das trifft auch heute noch zu.
"Dragon Quest XI" wurde an einem Samstag in Japan veröffentlicht.
Dieser Erfolg programmierte eine riesige Welle an japanischen Rollenspielen vor, für Konsolen wie das Famicom und das Master System.
Damit auch große Spiele wie "Phantasy Star" von Sega, "Digital Devil Story" von Atlus
und natürlich auch Final Fantasy von Square.
All diese Entwickler wurden durch Ultima und Wizardry inspiriert.
Der Schöpfer von Phantasy Star, Yuji Naka, war auch vom westlichen Spiel "Amiga" ein großer Fan.
Der Erfolg dieses Genres konnte jedoch nicht nur wegen Dragon Quest verzeichnet werden.
Hironobu Sakaguchi, Gestalter von Final Fantasy, wurde sogar schon im Vorfeld von Ultima und Wizardry inspiriert,
doch er bekam kein grünes Licht für ein Rollenspiel, bis Enix dann zeigte,
wie erfolgreich Dragon Quest werden konnte.
Final Fantasy war der Beweis, dass japanische Rollenspiele auch außerhalb Japans
erfolgreich sein können, sogar noch mehr als Dragon Quest.
Es gab selbstverständlich auch Spiele, die direkt von Dragon Quest inspiriert wurden.
Nachdem Shigesato Itoi die ersten beiden Teile von Dragon Quest gespielt hatte, sagte er: "Ich fragte mich selbst,
was ich tun würde, wenn ich eine solche Art Spiel entwickeln würde.
Ich fragte mich, wieso es in allen erfolgreichen Spiele dieser Zeit um Schwerter und Magie geht."
Daher arbeitete er zusammen mit Nintendo und entwickelte "Mother", den Vorgänger zu "Earthbound",
einer Parodie von Rollenspielen, was in Japan ein ganzes Unter-Genre von Spielen wurde.
An "Sweet Home" erkennt man ebenfalls die Machart von Dragon Quest,
mit der Auswahl an Kommandos und rundenbasierten Kämpfen.
Viele Jahre später sollte dieses Spiel in 3D neu aufgelegt werden. Letztendlich entschied sich Capcom dazu,
aus diesem Spiel ein neues Franchise zu machen: "Resident Evil".
Ungleich all ihrer Parallelen ziehen wir noch immer eine Grenze zwischen westlichen und japanischen Rollenspielen.
Dies machen wir in keinem anderen Genre.
Es gibt keinen japanischen Plattformer oder ein westliches Rennspiel.
Wir müssen einen genaueren Blick auf Dragon Quest werfen, um nachvollziehen zu können, weshalb Rollenspiele in Japan so einen anderen Weg einschlugen.
Konsolenlimitierungen und das Ziel, zugänglich zu sein, führten dazu, dass Dragon Quest sehr vereinfacht ausfiel.
Im Westen erschienen Rollenspiele überwiegend für den Computer und waren größtenteils für erfahrene Spieler.
Dragon Quest setzte den Standard im Osten, mit einer Geschichte mir Fokus auf vorherbestimmten Charakteren,
während westliche Rollenspiele weniger Geschichte erzählten, und stattdessen den Fokus darauf legten,
einen selbsterstellten Charakter zu spielen und sich in diesen hineinzuversetzen.
Vermutlich liegt dies daran, dass Dragon Quest einen anderen Ansatz als Wizardry verfolgte,
welches von Großrechnerspielen, welche wiederum von Dungeons & Dragons inspiriert wurde.
Dragon Quest ist also die Quintessenz der Quintessenz einer Quintessenz von Dungeons & Dragons.
Wenig verwunderlich, dass es die einfachste und komprimierteste Version der Grundidee ist.
Entwickler westlicher Rollenspiele spielten weiterhin zahlreich D&D,
weshalb sie das ursprüngliche Spiel in jede Richtung erweitern konnten.
Ohne D&D hätten japanische Rollenspiele nie entstehen können, auch wenn durch die ganzen Abweichungen darauf kommen könnte.
Dungeons & Dragons wurde offiziell übersetzt und 1985 in Japan veröffentlicht
und es war sehr einflussreich auf Spiele wie das erste Final Fantasy,
wodurch erst die elementaren Angriffe und Klassen entstanden.
Manche japanische Entwickler kamen sogar vorher schon in Kontakt mit D&D, so auch der Macher von"Tower of Druaga",
der auf einer Geschäftsreise damit anfing.
Das Eine, geht also nicht ohne das Andere.
Die Entstehungsgeschichte des Rollenspiel-Genres ist ein verworrenes Netz
voller Einflüsse und Inspirationen, die alle verschiedene Wege geebnet haben.
Nehmt Yuji Horiis Partner, Koichi Nakamura als Beispiel.
Zu der Zeit, zu der das Super Nintendo erschien, verließ Nakamura das Team von Dragon Quest, um an etwas Eigenem zu arbeiten.
Wissentlich, dass er und Horii ehemals einen Hit landeten, als sie eine japanische Version
eines westlichen Titels erstellen, nahm er sich selbiges erneut vor.
Dieses Mal suchte er sich dafür ein seltsames, undefinierbares Spiel aus, nach dem seine Kollegen süchtig waren.
Dieses Spiel heißt "Rogue".
Und so kamen wir an die "Mystery Dungeon"-Reihe.
Mehr als 30 Spiele, mit Zufallsgenerierung und permanentem Tod.
Auch wenn ihr die originale Reihe nicht kennt, habt ihr vermutlich von ähnlichen Titeln gehört,
wie Ableger von Final Fantasy, Pokémon, Etrian Odyssey und natürlich auch Dragon Quest.
Im Westen inspirierte Rogue ein neues Unter-Genre an Spielen,
noch bevor Indie-Entwickler diese Ideen neu auflegten.
Wie schon gesagt: Es ist ein verworrenes Netz.
Diese YouTube-Serie, "Design Icons", beschäftigt sich mit denjenigen Spielen,
die in den letzten 40 Jahren andere Spiele beeinflusst haben.
Jedoch muss ich bei Rollenspielen eine ganze Menge an Spielen als Ikonen vorstellen,
so auch Dungeons and Dragons.
Ultima. Wizardry. Dragon Quest. Und Rogue.
Ich schätze, so muss es wohl sein.
Wie Wizardrys Robert Woodhead sagt: "Diese Spiele sind "nichts als die Ringe,
die die Spiele aneinanderbindet."
Danke für's Zuschauen. Bis bald.