RC3 Vorspannmusik
Herald: Ja, ich habe die große Freude, ein
Panel von vom "Netzwerk Freie Software -
Schulen helfen Schulen" anzukündigen und
das besteht aus Jessica Wawrzyniak aus
Bielefeld, Medienpädagogin; Leena Simon
aus Berlin, Netzphilosophin; Jörn
Seipenbusch aus Minden, Lehrer; Lennard
Indlekofer, ist in der Ausbildung zum Sys-
Admin und beim Landesschülerbeirat Baden-
Württemberg. Die Moderation macht Claudia
Fischer aus Bielefeld, Medienpädagogin.
Claudia: Ja, Medienpädagogin, freie
Journalistin. Vielen Dank für die
Ankündigung. Ich bin häufig im Auftrag von
Digitalcourage unterwegs und das Netzwerk
Freie Software ist auch ein Projekt von
Digitalcourage e.V. in Bielefeld. Ich
würde gerne anfangen mit Jessi, die das
Ganze erfunden hat, initiiert hat und
betreut. Netzwerk Freie Schulsoftware -
Was ist das eigentlich? Und wie hat das
Ganze angefangen?
Jessi: Ja, sehr gerne. Also ich hol mal
ein kleines bisschen aus. Wir befassen uns
bei Digitalcourage ja schon ganz, ganz
lange auch mit dem Thema freie Software
und auch mit dem Thema freie Software an
Schulen. Und als es dann so losging mit
der Pandemie, dachten wir: Uff, jetzt
müssen wir aber mal was liefern hier. Wir
hatten zum Glück damals auch schon eine
Blogartikel-Reihe zu dem Thema in Arbeit.
Das heißt, da mussten wir dann richtig Gas
geben, weil wir wussten jetzt sind wir
gefragt. Also jetzt geht es wirklich
darum, die richtige Software zu wählen und
da gehen jetzt auch Schulen auf den
falschen Weg, teilweise. Deshalb haben wir
alle Informationen, die wir so hatten,
zusammengeklaubt und noch ganz viel
Infomaterial dazu gemacht, für Eltern, für
Lehrkräfte, für Politikerinnen und
Politiker und haben das Ganze in ein
Bildungspaket - so haben wir das genannt -
gepackt. Also ein Paket, das man haptisch
bestellen kann mit Infosbroschüren und
Büchern drin.
Claudia: Leena hält es, glaube ich, gerade
in die Kamera.
Jessi: Richtig. Genau, genau, das ist ein
Teil davon. Und dieses Bildungspaket gibt
es aber natürlich auch als PDF, sodass man
es weiterleiten kann. Dann eben nicht mit
den ganzen Büchern drin, aber mit ganz
vielen Informationen. Ja, und dann waren
wir an der Stelle, wir haben auch sehr,
sehr viele Pakete verteilt, über 800 Stück,
und dachten uns: Ja, jetzt, jetzt haben
wir so viele Informationen in der Welt,
wie man digitale Bildung irgendwie gut
gestalten kann und was freie Software ist
und erklärt, wieso das Ganze. Aber es hat
so ein bisschen an der praktischen Hilfe
gefehlt, an dem kleinen Zünglein an der
Waage, was man jetzt wirklich tun kann in
Schulen. Und so kam es zu dieser Idee, das
"Netzwerk Freie Schulsoftware" zu gründen,
sozusagen. In diesem Netzwerk ist es eben
so, dass Lehrkräfte und Schulen, die
wissen ja am besten Bescheid, was an der
Schule funktioniert und was nicht. Die
sind ja ganz nah dran. Die wissen
genau, was ihre Bedürfnisse sind, mehr
oder weniger wissen sie es und auch was
gut funktioniert, was nicht gut
funktioniert. Dann gibt es natürlich
unterschiedliche Vorgaben in Bund und
Ländern und dann noch mal regional vom
Schulträger irgendwelche Vorgaben. Super
komplex. Also wirklich sehr verwirrend für
alle Lehrkräfte. Und in dem Netzwerk Freie
Schulsoftware können dann eben Schulen,
die bereits freie Software einsetzen,
diese eintragen und Hilfe anbieten auf
ganz verschiedene Art und Weise. Das kann
ein einfacher Austausch sein zu einem
bestimmten Programm oder einfach Austausch
zu freier Software an sich oder auch
darüber hinaus, zum Beispiel bei der
Installation oder bei der Administration
eines Programms zu helfen. Und ja genau.
Es gibt ein Webformular auf unserer Seite,
das können Lehrkräfte ausfüllen, natürlich
auch Einzelpersonen, Vereine, aber wir
gucken schon so drauf, dass hauptsächlich
Lehrkräfte sich eintragen, weil die eben
auch den Background haben. Genau die
tragen dann einfach ein, was sie an ihrer
Schule bereits nutzen. Und die Idee
dahinter ist ja auch ein bisschen: Es gibt
schon Schulen, die freie Software
einsetzen und es gibt wiederum sehr viele,
die noch keine einsetzen. Und wie findet
man jetzt diese Personen? Wie findet man
diese Expertise, die ja irgendwo im Land
da ist? Ich habe dann auch in der
regionalen Presse immer mal wieder
gelesen: Hier ein Ort, eine Schule im
kleinen Ort nebenan und da mal eine Schule
im Ort nebenan, die irgendwie schon ganz
toll mit Big Blue Button und Moodle und
Nextcloud und allem unterwegs sind. Aber
wie kriegt man diese Menschen jetzt mit
denen zusammen, die wirklich noch keine
Ahnung haben? Es gehen Angebote bei uns
ein, es werden Hilfsangebote eingetragen
und die schaue ich mir dann einmal an.
Damit ich eben auch gucken kann, dass ich
da nichts darunter mischt, dass da nicht
irgendein Wolf im Schafspelz bei ist. Das
hat es nämlich auch schon gegeben, dass
sich proprietäre Lösungen drunter gemischt
haben mit tollen Hilfsangeboten - die
gehen natürlich nicht durch. Und diese
Angebote trage ich dann bei uns auf eine
Website ein mit Kontaktdaten. Das heißt,
wer Hilfe sucht zu einem ganz bestimmten
Programm oder dem Thema allgemein, kann
einfach den Hörer in die Hand nehmen, kann
eine Nummer anrufen, kann sich per E-Mail
bei jemandem melden und ganz konkret dort
Hilfe erfahren, Hilfe bekommen. Und das
Ganze funktioniert aber auch andersherum:
Schulen, die wirklich Hilfe brauchen,
können das auch in dem Formular eintragen.
Da gibt es ein Feld für, da kann man
eintragen: Ich suche Hilfe zu, und diese
wiederum nehme ich dann auch auf. Und dann
verbreiten wir über alle Kanäle, die uns
zur Verfügung stehen, eben dieses
Hilfsgesuch. Und wir bitten dann darum,
wenn jemand helfen kann, nehmen wir mal
wieder Big Blue Button als Beispiel, wenn
jemand helfen kann mit Big Blue Button,
vielleicht auch noch ganz explizit in
Hessen, dann tragt doch bitte ein
entsprechendes Hilfsangebot ein. Das
übernehme ich dann wieder auf die Seite
und so schließt sich dann der Kreis.
Claudia: Es ist aber nicht eine zentrale
Nummer, von der ich dann eine Antwort
bekomme, sondern das Ziel ist, dass die
Schulen direkt miteinander reden.
Jessi: Genau, die Schulen reden ganz
direkt miteinander. Da haben Leute
dankenswerterweise ihre Privat-Kontakte
zur Verfügung gestellt oder sich extra
einen Kontaktweg dafür eingerichtet und
das ist eben das Gute daran, dass wir als
Zentrale eben nicht mehr dazwischen stehen
müssen. Wir könnten ja auch nicht mehr
sagen, als: Ruft mal diese und jene
Nummer an oder: Wendet euch mal an diese
und jene Person. Die können einfach
anrufen und dadurch ist das Ganze auch
sehr niedrigschwellig. Es gibt nicht diese
Verwaltungsaufgabe noch dazwischen.
Claudia: Hat aber den Nachteil, dass du
gar nicht weißt, wie intensiv das genutzt
wird, richtig?
Jessi: Richtig. Also es sind tatsächlich
mittlerweile über 900 Beiträge,
Hilfsangebote im Netzwerk eingetragen
worden. Das ist der absolute Wahnsinn.
Damit haben wir gar nicht gerechnet.
Deshalb haben wir im ersten
Moment, in der ersten Woche, als das
Projekt anlief, alle Eintragung, die
Kontaktdaten noch zurückgehalten. Dachten
nicht, dass nachher zwei, drei Leute
eingetragen sind und diese werden mit
Anrufen überrannt. Genau, haben wir
zurückgehalten und eine Woche später
konnten wir aber gleich 400 Eintragungen
auf einmal veröffentlichen, also die Sorge
war völlig unbegründet. Genau. Ja, aber
wir kriegen eben nicht mit, welche Schulen
tatsächlich jetzt bei jemandem anrufen.
Das ist der Nachteil des Ganzen. Wir
werden auf jeden Fall in Zukunft auch noch
mal probieren, das Ganze etwas besser zu
evaluieren. Und ich habe die Vermutung,
dass wir auf jeden Fall das Ganze noch
stärker an den Stellen bewerben müssen, wo
die Hilfe gebraucht wird. Dass sich so
viele Leute eingetragen haben, ist
natürlich auch ein Zeichen dafür, dass
viele Menschen helfen möchten. Und
vielleicht muss man noch ein bisschen
transparenter machen, dass auch diese
Hilfe gerne gegeben wird. Also das ist so
wichtig: Da sitzen Menschen, die wollen
helfen, da wird nicht die Nase gerümpft,
wenn man anruft, sondern die Menschen
wollen helfen. Ja.
Claudia: Ja. Einer, der sich da sehr
engagiert hat, ist Jörn Seipenbusch, unser
zweiter Panel Teilnehmer Jörn ist, Lehrer
für Informatik, Latein und Religion und
vor allen Dingen Admin am Herder-Gymnasium
in Minden und setzt sich schon seit 20
Jahren für freie Software ein. Jörn, du
bist mit ganz vielen Angeboten
eingetragen. Du bietest Hilfe an zu Linux,
zu LibreOffice, zu Infrastruktur, zu
Moodle, Nextcloud, Nextcloud Talk und zur
Pinta-Bildbearbeitung. Ich habe einfach
mal geguckt, wie oft du da drin stehst.
Bei so viel Angeboten, wie viele Anrufe
hast du denn schon bekommen?
Jörn: Ja, leider noch keinen. Ich habe
noch keinen Anruf bekommen.
Claudia: Worauf schiebst du das?
Jörn: Na ja, das ist so, dass ich
natürlich auch in den letzten Jahren durch
Netzwerktreffen hier im Kreis kenne ich
einige Leute hier im Kreis und auch wie
die Schulen in den letzten Jahren
ausgestattet worden sind. Hier ist in den
letzten Jahren sehr viel IServ in die
Schulen eingebracht worden und das ist für
Schulträger ja immer so eine recht
attraktive Lösung, weil dann auch die
Geräte verwaltet werden und die Drucker
und alles, was ja so eine eierlegende
Wollmilchsau und das ist dann auch bei
Schulen, sage ich mal angenommen worden,
dankbar, die so kurz vor der Verzweiflung
standen. Ich kenne selber Schulen, die
haben bei Netzwerktreffen gesagt: Du bei
uns geht gar nichts, wir können uns nicht
mal einloggen, wir können nix machen im
Moment. Wenn man denen jetzt so'n IServ
hinstellt, sind die natürlich erstmal auch
gut versorgt, sag ich mal, in vielen
Hinsichten und zufrieden. Du könntest
jetzt denken, ich wäre enttäuscht, aber
das ist nicht der Fall, ehrlich gesagt,
denn für mich ist das dieses freie
Software für Schulen auch ein Projekt, was
zeigt: Wir sind da. Wir haben auf Open
Source als Alternative im Angebot. Wenn du
dich fragst, ob man praktisch Microsoft
und andere Monopol-Anbieter nehmen muss,
weil es nichts anderes gibt, dann ist die
Antwort eben: Nein, es gibt Alternativen.
Und das dokumentiert diese Seite auf
beeindruckende Weise für mich.
Claudia: Ja, vielleicht sollten wir den
Link einmal sagen, Jessica.
Jessi:
https://digitalcourage.de/netzwerk-freie-schulsoftware
Claudia: Genau, muss man nicht so genau
sich merken, aber Digitalcourage Netzwerk
Freie Schuloftware als Suchbegriffe reicht
auch aus. Dann kommt man auf jeden Fall
auch auf die Seite. Gibt es denn bei
dir an der Schule, Jörn, überhaupt keine
proprietäre Software mehr? Hast du alles
inzwischen durch freie Software ersetzen
können?
Jörn: Ja, fast. Wir haben noch ein paar
Rechner gebraucht für Lego-Mindstorms-
Roboter. Die Software ist leider nicht für
Linux zu haben gewesen, die wir lange Zeit
benutzt haben. Wir stellen aber jetzt um.
Wir werden auch eine neue Generation
anschaffen, sofern wir das Geld
zusammenbekommen und werden dann auch mit
Python oder Java dann programmieren oder
mit einer anderen Block-Sprache.
Und dann können wir
die paar Windows-Rechner, die wir dafür
eingesetzt haben, noch auch durch Linux-
Rechner ersetzen. Und ein anderes
Problem ist noch, wenn man heute sagt:
Tablets an Schulen! Welche Firma fällt
euch dann ein? Man sagt, die Leute sagen
auch gar nicht mehr: Mein Kind kriegt
jetzt ein Tablet. Die sagen alle: Mein
Kind kriegt jetzt ein iPad. Wir
haben natürlich auch als Lehrer
dankenswerterweise in der Pandemie dann
Dienstgeräte bekommen. Was war das?
Natürlich ein iPad mit Tastatur. Und wir
haben auch in der Schule sind auch jetzt
viele iPads angespült worden, sag ich mal.
Ich finde das einerseits ja gut, weil
wir hatten schon seit 2017
Überlegungen, mehr auch mobile Geräte in
unsere Arbeit mit einzubeziehen. Aber es
ist natürlich, man muss auch sagen, im
Grunde genommen hat die Firma Apple den
Bildungssektor, was mobile Endgeräte im
Tablet-Format anbelangt, übernommen. Also
ich kenne keine Alternative und Google,
was in Amerika eine Alternative ist,
da kann ich wählen zwischen Pest
und Cholera, das kann ich
ja nicht machen.
Claudia: Wie ist denn die Resonanz
innerhalb deiner Schule? Also zieht das
Lehrerkollegium mit und ziehen die Eltern
mit bei diesem Thema? Oder sind da auch
Forderungen: Nein, wir wollen aber, dass
unsere Kinder Microsoft-Produkte lernen,
weil sie die ja später auch bei der Arbeit
brauchen.
Jörn: Bei diesen Diskussionen, das fängt
ja schon bei der Diskussion: Wie viel
Digitalisierung brauchen wir überhaupt
und: Ab welcher Jahrgangsstufe? Und auch:
Mit welchen Mitteln? Und können uns
Nebenwirkungen und Risiken egal sein, ja?
Und können wir zum Beispiel sagen: Ja, die
Kinder brauchen doch Microsoft später, als
ob wir alle nur Sekretärinnen ausbilden
würden. Da ist eine ganze Bandbreite. Also
es gibt den Radikalismus, ähnlich wie beim
Thema Impfen. Ich habe die ganze
Bandbreite von Meinungen, von:
Digitalisierung ist eh Käse und dann
brauche ich ja gar keine Geräte bis: Wir
müssen immer das Aktuellste haben und wir
müssen vor allen Dingen sehen, dass wir
Technologie, sozusagen die Technik, die
führenden Technologien immer sofort
einsetzen. Und das werden dann eben iPads.
Da muss man ehrlich sein. Eine andere
Lösung mit mit anderen Geräten, mit
anderen Tablets ist schwieriger zu
administrieren, wird die Leute
wahrscheinlich nicht so sehr in ihrer
Bequemlichkeit auch zufriedenstellen und
also die Bandbreite - wer zieht mit was
mit - die ist enorm. Also seit vier
Jahren, seitdem wir an dem Konzept
arbeiten, wir sind eigentlich in einem
ständigen Diskussionsprozess und mit ganz
vielen Meinungen.
Claudia: Und kannst du noch gut
administrieren oder bist du mehr mit
diesen Diskussionen beschäftigt?
Jörn: Ich muss sagen, dankenswerterweise,
2017, war so ein Umbruch bei uns. Da habe
ich dann auch Kollegen gewinnen können,
die sich auch freiwillig dann bereit
erklärt haben, Teile zu übernehmen. Wir
haben so das ein bisschen gestückelt.
Unser Konzept haben wir dann auch,
sozusagen, jedes Teil unseres
Konzepts hat einen Abteilungsleiter
bekommen. Also mobile Gerät hat einen
eigenen Abteilungsleiter, Präsentation in
Räumen, ist ja auch ein Thema, was ich
brauche ja eine Präsentation, eine
digitale, ist auch eine Abteilung, ich
habe die Abteilung Netzwerk und Nextcloud
und so haben wir das ein bisschen
aufgeteilt. Alleine hätte ich das sonst
nach 2017 nicht mehr geschafft. Also nicht
mit den paar Vergütungs-Stunden,
Anrechnungs-Stunden, die man da kriegt.
Claudia: Man hört schon, dass es auf jeden
Fall ein langfristiger Prozess ist und
dass man nicht von einem Tag auf den
anderen der Schule plötzlich auf freie
Software umstellen kann, sondern da echt
Monate wahrscheinlich Schuljahre Arbeit
drin stecken, diesen Umbau zu machen
Jörn: Medien-Konzeptarbeit ist sowieso ein
Prozess. Also viele
haben ja gesagt in der Pandemie ja,
Digitalisierung: jetzt müssen die Schulen
mal ein Konzept machen und dann ist das da
und dann bestellt man was und dann ist
gut. Das ist eine ganz komische
Vorstellung von Medien-Konzeptarbeit. Wir
arbeiten schon jahrelang daran und wir
sind nie fertig. Wenn wir eine Version
fertig haben, dann haben wir die letzten
zwei Seiten, steht schon: Ausblick auf die
nächsten drei bis fünf Jahre, was wir da
noch weiter dran weiterentwickeln müssen.
Also das, das ist wahrscheinlich nie
fertig. Aber so ist es auch. Informatik
oder IT ist ja sowieso nie fertig. Wenn
wir uns mal vorstellen, wie man vor zehn
Jahren mal gearbeitet hat, ist auch im
Vergleich zu heute ganz anders.
Claudia: Hm, Lennard, du hast eben sehr
breit gegrinst, als du gehört hast, wie
das mit diesen Konzepten ist. Du bist
Schüler in einer Berufsschule und Mitglied
im Landesschüler*innenbeirat in Baden-
Württemberg und auch Mitglied im "Netzwerk
gegen Microsoft 365". Ihr habt euch sehr
für freie Schulsoftware engagiert in
diesem Landesschüler*innenbeirat. Ihr
seid die Hauptbetroffenen als Schüler
davon, mit welcher Software gearbeitet
wird, habt ihr das Gefühl, dass auf euch
gehört wird, dabei?
Lennard: Es wird gehört, es wird zugehört,
aber umgesetzt von dem, was wir sagen...
Das war sehr träge. Wir haben ja als
offiziell - weiß ich nicht - gesetzlich
festgeschrieben, als Beratungsgremium des
Kultusministeriums bei uns in Baden-
Württemberg. Das heißt, das
Kultusministerium muss uns mindestens
fragen. Haben Sie auch getan. Und wir
wurden dann eingeladen, anfangs auch,
anfangs noch sehr, sehr freiwillig
eingeladen und das hat sich dann
irgendwann dahin entwickelt, als die
gemerkt haben, dass wir nicht so ganz
einverstanden sind mit dem aktuellen Plan
in Baden-Württemberg Microsoft
einzuführen, das es dann weniger wurde und
wir uns selbst eingeladen haben und
dann auch nicht so gehört worden, wie wir
es sollten. Es hat sich jetzt aber
tatsächlich dann, nachdem der Landes-
datenschutzbeauftragte uns eigentlich auch
zugesprochen hat mit unserer Meinung, da
hat es sich dann wieder ein bisschen
geändert. Da wurden wir dann auch wieder
tatsächlich vom Kultusministerium direkt
eingeladen. Deswegen wir hoffen, dass es
jetzt tatsächlich in der nächsten Zeit
sich wieder bessert und man auch direkt
auf uns hört und nicht erst merken muss,
dass, hm, ja doof, die Schüler
hatten ja doch recht vor einem Jahr, jetzt
hören wir doch auf sie, dass sie sich dann
doch jetzt wieder besser verhält.
Claudia: Welchen Wert hat denn freie
Software für dich als Schüler?
Lennard: Freie Software in dem Sinn hat es
den Wert für mich, dass ich halt einfach
nachvollziehen kann, dass oder ich weiß,
wenn Microsoft jetzt unsere Schülerdaten
übernimmt, dann weiß ich: Okay, ich sitze
als Schüler in der Schule und Microsoft
kriegt meine Daten, weil ich in der Schule
sein muss. Aber warum? Das ist ja
eigentlich gar nicht Sinn und Zweck der
Sache, sondern die Schule hat ja schon
meine Daten, warum müssen die die denn
noch mal weitergeben um die weiter zu
verarbeiten? Also ich brauche ja keine
extra Institution, vor Allem,
wenn ich auch weiß das Land in der Lage
wäre, eine Infrastruktur herzustellen,
dass sie das gar nicht machen müssten. Und
jetzt hat meine Kamera ausgemacht.
Claudia: Ja, ich frage trotzdem
weiter, wir hören dich ja.
Lennard: Ja.
Claudia: Deine Daten,
die dann eventuell auf einer Microsoft
Cloud landen, sind das eine. Was ist das
oder was hat es auf sich mit der
Verwendung von freier Software, mit den
Möglichkeiten dann auch später mit diesen
Programmen weiter zu arbeiten? In der
Betrieb, in dem du lernst, kannst du da
was mit dem Wissen über freie Software
anfangen?
Lennard: Bei mir im Betrieb auf jeden
Fall, denn ich habe ja wie gesagt jetzt
die Ausbildung zum Fachinformatiker
Systemintegration gemacht und ich glaube,
wir wissen mittlerweile alle, dass 90% der
Server da draußen, die wahrscheinlich
produktiv arbeiten, eigentlich Linux-
Server sind und mit freier Software
arbeiten. Also egal welchen Server
ich mir bei der Arbeit anschaue, ich
glaube irgendein Teil an freier Software
wird darauf laufen oder ist eigentlich in
90% der Fälle in Linux-Server,
so lang es nicht irgendeine komische
Technik ist, die nur auf Windows läuft.
Claudia: Hm, das bringt uns jetzt aber
auch schon ein bisschen auf diesen Blick
in die Zukunft. Wir hatten im Vorgespräch
mal besprochen: Wie lange machst du das
eigentlich noch? Du bist jetzt jemand, der
das sehr vertritt, aber deine Ausbildung
ist ja auch bald beendet und dieser
Landesschüler*innenbeirat wird auch wieder
gewählt. Und das ist auch so ein bisschen
das Problem, dass Schüler immer nur so
eine bestimmte Zeit sich auch engagieren
können für so ein Projekt oder für so ein
Thema und dann aber auch wieder wechseln,
weil sie die Schule verlassen, weil sie
ihre Ausbildung beenden und dann kommen
neue. Wie stellt ihr sicher, dass die
Schüler und Schülerinnen in Baden-
Württemberg zum Beispiel diese Linie jetzt
auch weiterverfolgen und nicht alle zwei
Jahre jemand Neues kommt und dann
plötzlich wieder umgeschwenkt werden muss?
Das ist ja bei so einem Langfrist-Thema
wie einer IT-Struktur absolut nicht
hilfreich.
Lennard: In Theorie können wir direkt
nicht verhindern und sagen: Hey, ihr müsst
jetzt unsere Position weiter vertreten.
Aber das schöne am Landesschülerbeirat
ist: Wir sind dazu verpflichtet, das
Kultusministerium im Rahmen der aktuell
geltenden Gesetze zu beraten. Und in dem
Fall ist es eigentlich sehr
offensichtlich. Denn erstens im
Koalitionsvertrag haben sich in Baden-
Württemberg oder jetzt auch in Bundesebene
eigentlich darauf beschlossen, Open Source
oder freie Software zu verwenden. Und auch
das geben wir natürlich weiter mit: Hey,
hier gibt es eigentlich das und das haben
wir bisher gemacht. Wenn ihr das so
weiterführen wollt, wäre das super, aber
zwingen können wir sie natürlich nicht.
Aber wir schauen quasi einfach oder das
war auch eigentlich die letzten Jahre
schon so: der Landesschülerbeirat war
eigentlich ein sehr neutrales Gremium,
also keine politische Richtung verfolgt.
Und halt quasi tatsächlich neutral beraten
und sich die Sachen von außen angesehen
und geschaut, was am meisten Sinn ergibt.
Und das haben auch wir getan, denn auch im
Landesschülerbeirat, wir haben 60
Mitglieder, wir haben das.. das hat ja
nicht natürlich.. das habe ich nicht
alleine als Digitalausschuss-Vorsitzender
entschieden, dass wir das verfolgen,
sondern wir haben das in unser Gremium
reingebracht und hatten eine Abstimmung
und auch da gab es eine große Diskussion:
Hey, ist es eigentlich richtig? Und dann
haben wir dazu 60 - oder nicht ganz 60,
weil es sind nie alle da, wenn man.. also
wahrscheinlich so um die 40 Personen oder
50 die da waren, bei der Abstimmung und
haben dann uns dazu entschlossen: Ja, wir
wollen das so verfolgen und das ist jetzt
unsere Position zu diesem Thema. Und ich
denke, dass das tatsächlich auch in dem
nächsten Landesschülerbeirat so gehandhabt
oder dass die müssen es auf jeden Fall so
handhaben und das auch dann die Position
nicht groß abweichen wird von dem, was sie
jetzt ist.
Claudia: Gut, dann steckt da also die
Chance drin, dass das eine langfristige
Entwicklung ist. Das bringt mich zu Leena.
Leena ist Netz-Philosophin, aktiv für
Digitalcourage bei ganz vielen Themen,
insbesondere aber auch bei den
Bildungsthemen und von der individuellen
Sicht des Lehrers und des Schülers
wechseln wir jetzt mal so aufs große
Ganze. Warum ist das wichtig, dass wir
freie Software in Schulen verwenden und
vor allen Dingen auch darauf unterrichten?
Leena.
Leena: hat keinen Ton ... geben den jungen
Menschen sozusagen verschweißte Wecker und
sagen ihnen hier musste drehen, um die
Uhrzeit einzustellen und da kannst du
drehen, um zu einzustellen, um
einzustellen wann er klingeln soll. Aber
aufschrauben können wir nicht und wir
können nicht reingucken, wir können nicht
gucken, wie es funktioniert und was da
eigentlich dahinter steht. Das heißt, wir
vermitteln den jungen Menschen einen
völlig unmündigen Umgang mit Technologie.
Wir bringen ihnen nicht, wie sie
das hinterfragen, wie sie damit umgehen
können oder rausfinden können, was sie
vielleicht gut finden, was sie vielleicht
moralisch nicht so gut finden. Weil: Es
gibt ja nur die Möglichkeit zu klicken
oder nicht zu klicken und die weiter unter
die Motorhaube zu schauen und zu gucken,
was passiert da eigentlich im Hintergrund,
das ist gar nicht möglich.
Claudia: Also mit proprietärer Software
tun wir das, mit freier Software ist da
mehr möglich.
Leena: Genau. Mit Freier Software könnten
wir eben da ganz viel machen. Da konnten
wir zum Beispiel genau die Software, die
man auch benutzt, tatsächlich mal
angucken: Wie, was steht denn da im
Quellcode? Okay, ist ziemlich kompliziert,
aber man könnte tatsächlich auch anfangen
zu sagen: Hey, wir ändern jetzt mal ein
kleines Detail, wir gucken mal, was
passiert. Und das ist der Teil der
Computer interessant macht, der Computer
spannend macht, der auch den Menschen die
Möglichkeit gibt, in Sachen IT-Sicherheit
zum Beispiel feste zu werden und mehr mehr
zu verstehen: Was muss ich denn tun, damit
ich nicht völlig unsicher im Netz
unterwegs bin? Die es ermöglichen,
mitzuwirken und dann zum Beispiel gibt es
auch die Möglichkeit, dass Schülerinnen
und Schüler die PCs ihrer Schule zum
Beispiel auch ein Stück weit selbst
instand halten, zum Beispiel in Form von
einer AG. Was natürlich nicht geht, wenn
wir irgendwie zentral eine Microsoft-
Lizenz und die muss dann auf alle Rechner
übertragen werden. Das ist eine Arbeit,
ja, die ist so öde und schnöde, da
wird keine Schülerin oder kein Schüler
sich freiwillig melden, das irgendwie auf
Stand zu halten. Aber wenn in dem Moment,
wo es wirklich darum geht, gemeinsam zu
überlegen: Welche Software ist gut, was
können wir einsetzen? Die freie Software
kost' kein Geld, wir müssen keine teuren
Lizenzgebühren dafür erwerben. Dann
bestehen ja viel mehr
Möglichkeiten und das macht die Sache
natürlich auch interessanter.
Claudia: Das mit dem Geld war jetzt auch
so ein Stichwort, nochmal. Das ist ja eins
der Argumente auch, dass die Schülerinnen
und Schüler das dann auch zu Hause
unabhängig vom finanziellen Status der
Eltern und so weiter weiter verwenden
können.
Leena: Genau
Claudia: Das ist ja auch ein ganz
wichtiger gesellschaftlicher Effekt.
Leena: Genau, es ist ein ganz wichtiger
Punkt, das ist die Chancengleichheit. Wir
geben sozusagen allen Menschen eine Basis
an Informationen, welche Software ich
benutzen kann. Die können die auch zu
Hause herunterladen oder benutzen, weil es
eben freie Software ist. Die Schulen sind
nicht an teure Lizenzgebühren gebunden,
die sie dann immer wieder aufbringen
müssen. Dadurch, dass mit offenen
Dateiformaten gearbeitet wird, kann man
auch wieder von vielleicht freier Software
von zu Hause aus preiswert mitarbeiten. Oder
die Schule kann irgendwann mal auf eine
andere Software wechseln. Viel freier, als
wenn man sich da an ein proprietäres
Format gebunden hat. Und Lennard hat ja
auch vorhin schon gesagt: Es gilt die
Schulpflicht. Da haben wir
eine gewisse Problematik, wenn wir dann
den Leuten sagen: Du musst dir aber einen
Google-Account zulegen, damit du über den
Play-Store die und die App installieren
kannst. Du musst dir ein Microsoft-Konto
zulegen, damit du Zugriff auf die Schul-
Cloud hast. Und da können
wir nicht einfach hergehen und sagen ohne
Konto bei einer US-Firma kannst du nicht
an der Schulpflicht teilnehmen. Also da
muss man auch echt aufpassen. Und genau
das ist ja auch das, was jetzt gerade in
Sachen Datenschutz hier und da für
Reibereien gesorgt hat, weil das eben so
nicht einfach hinnehmbar ist und das auch
Eltern nicht hinnehmen. Wir haben noch
andere Gründe, warum freie Software gerade
an der Schule wichtig ist. Zum Beispiel
gilt an den Schulen die
Besonderheit, dass dann nicht so unbedingt
Werbung gerne gesehen ist. Ich weiß noch,
dass bei uns im Getränkeautomat durften
zum Beispiel Coca-Cola-Produkte noch nicht
mal verkauft werden, weil das wäre schon
Werbung gewesen. Andererseits sagen wir
allen, es gibt nur noch iPads, es gibt gar
nichts anderes. Wir sagen, wenn ihr was
Office-Document machen wollt, dann müsst
ihr Microsoft Word benutzen.
Und das ist ja nichts anderes als
Werbung für diese Produkte. Wenn ich aber
hier geh und sag: Hey, wir lernen alles
auf freier Software, die Transferleistung
dann auch Microsoft Word zu benutzen oder
andere Programme, die kriegen dann alle
auch irgendwie hin, weil die freie
Software Programme, die haben schon so
ihre Basis, wenn ich die kann, dann
schaffe ich es auch auf Microsoft
umzusatteln. Und damit habe ich auch
wirklich eine Chancengleichheit gegeben.
Und dann haben wir natürlich noch den
Punkt, dass die meisten freie Software-
Produkte dezentral sind oder dezentral
anlegbar sind und das ist natürlich auch
wieder in Sachen IT-Sicherheit wichtig und
schützt vor Monopolbildung, gerade
weil Schulen unterschiedliche Lösungen
anwenden können und da auch ein Stück weit
wieder die Gewalt, die Verfügungsgewalt
bei den Schulen eher liegt und nicht
irgendwo auf irgendeinem Rechner in
irgendeiner Rechnerfarm jenseits des
großen Teichs.
Claudia: Hm, wir könnten jetzt
wahrscheinlich noch eine halbe Stunde
dranhängen, wenn ich dich frage wie kommen
wir denn da hin? Also du als Netz-
Philosophin und als jemand, die versucht
Gesellschaft auch nicht nur zu erklären,
sondern auch zu verändern. Versuchs mal
kurz zu machen: wie überzeugt man denn
Menschen, dass sie auf diesem Weg
mitgehen? Eltern, Lehrer, Lehrkräfte,
Behörden, die darüber liegen,
Landesregierungen. Bildung ist Ländersache
und so weiter. Also wie muss jetzt der Weg
sein, um das durchzuziehen?
Leena: Die erste, der erste Punkt ist
erstmal: Wir haben ein freiheitlich
demokratisches Bildungsideal. Das wird
immer überall hochgehalten und da steckt
eigentlich genau dasselbe drin wie in
freier Software. Und warum das eigentlich
nicht viel stärker schon zusammengebracht
wird, das ist für mich eigentlich ein
großes Rätsel. Und da vielleicht noch mal
dran anzusetzen, zu sagen: Das ist doch ...
da ist doch schon alles drin, was ihr
braucht. Schaut man näher hin, das ist der
richtige Weg, denn da kommen wir genau auf
dieses freiheitlich demokratische
Bildungsideal, in dem junge Menschen auch
wirklich zu mündigen Bürgerinnen und
Bürgern erzogen werden. Und das, also das
finde ich immer einen ganz wichtigen
Punkt. Und mein zweites Gleichnis, was ich
gerne aufmache in der Situation ist, dass
ein System, in dem ich die Regeln nicht
einsehen kann, das ist in meinen Augen ein
totalitäres System. Das heißt, wenn man
jetzt möglicherweise das Strafgesetzbuch
ändern könnte, rückwirkend, nachdem ich
eine Tat begangen habe, um mich dann
härter bestrafen zu können, dann bin ich
nicht mehr in einem demokratischen System,
dann habe ich und auch erst recht nicht in
einem Rechtsstaat. Ich muss die
Möglichkeit haben, die Gesetze, denen mein
Handeln folgen sollte oder denen ich
unterworfen bin, auch einzusehen. Selbst
wenn ich sie nicht verstehen kann. Ich
habe nicht Jura studiert, aber ich kann
mir eine Anwältin nehmen und ich kann sie
bitten, mich vor Gericht zu verteidigen
oder irgendetwas für mich zu
interpretieren. Und genauso ist es eben
mit Software auch: in dem Moment, wo ich
die Gesetze und das ist natürlich an der
Stelle der Code, ist die
Programmierung, die Gesetze dieser
Software nicht einsehen kann, befinde ich
mich in einem totalitären System und ich
bin dem ausgeliefert, was da halt mir
vorgesetzt wird. Ich kann es nicht prüfen.
Und das gilt eben sowohl für die, die die
Software - den Code - lesen können, als
auch für die, die es nicht lesen können,
weil auch die können sich keine Anwältin,
keine Informatikerin oder Programmiererin
nehmen und sagen: Sag mir mal, ist das
wirklich okay, was da ist? Ich werde ganz
häufig in meinen Beratungen auch gefragt:
Hier, ist Apple gut, ist Apple sicher? Und
ich kann immer nur sagen: Das ist ein
Betriebsgeheimnis. Man kann denen entweder
vertrauen oder nicht, aber ich kann es
nicht prüfen, während ich bei freier
Software das eben prüfen lassen kann. Und
das, finde ich, ist ein so entscheidender
Unterschied, dass es eigentlich keine
weiteren Argumente bräuchte. Wir sollten
einfach den Anspruch haben, uns nicht mehr
in einem totalitären System zu bewegen.
Claudia: Alles klar. Vielen Dank Leena,
vielen Dank an euch andere. Jockel hat
jetzt mit Sicherheit Fragen an uns aus dem
Chat. Hat er gerade nicht?
Herald/Jockel: Doch.
lachen
Claudia: OK, ich übergebe an dich und
deine Fragen.
Herald: Ja, also ein großer, ein
großer Tank von von Fragen rankt sich um
diese ganze Problematik mit IServ. Also
verschiedene Fragen wie: Was passiert,
wenn ein Kind die Schule wechselt? Was
passiert mit den Daten, wenn das Kind von
der einen Schule an die andere geht? Kommt
man da überhaupt dran? Und so was. Also so
Bedenklichkeiten, dass das eben auch
wirklich unkontrollierbar ist.
Claudia: Jörn, kannst du da was zu sagen?
Jörn: Also die IServ-Installationen sind
ja in der Regel, also es gibt inzwischen
auch Cloud-Angebote, aber in der Regel ist
das ja ein Server - übrigens ein Linux-
Server, das finde ich an der Sache ganz
erfreulich - der an der Schule aufgestellt
wird. Bei uns haben wir auch so ein Gerät
hier hingestellt bekommen von der Stadt,
weil die Stadt alle Schulen damit
ausrüstet. Das ist ein Linux-Server.
Früher waren das solche Sachen wie
"pädagogische Musterlösung
Baden-Württemberg", kennt vielleicht noch
jemand, oder "Arktur" der Schulserver von
der c't. Das ist dann immer so eine
Linux-Kiste wo alle Dienste drauf
sind, die eine Linux-Kiste kann. Inklusive
File-Server und alles mögliche, Messenger
und natürlich Geräte-Verwaltung. Die
Daten, die da drauf sind, damit man da ein
Konto hat, die kommen ja aus der
Schulverwaltungs-Software. Das heißt, da
sehe ich kein Problem mit, mit externen
Stellen eigentlich. Also man muss sich das
so vorstellen: Da wird ein Export gemacht
aus der Schulverwaltungs-Software, das
wird dann als CSV-Datei dann eingelesen
und so werden diese Konten erstellt. Da
ist also nichts drin, was nicht sowieso in
der Schulverwaltungs-Software in der
Schule auch schon ist. Und wenn jetzt
jemand die Schule wechselt, muss er ja
sowieso auch die Daten wechseln in die
Schulverwaltungs-Software der anderen
Schule. Und dann wird er da natürlich
dann, wenn die Schule auch ein IServ hat,
auch wieder ein Konto angelegt bekommen.
Also dies sehe ich im Sinne von
Datenhoheit nicht als problematisch an,
weil anders als bei ... wenn ich jetzt an
Microsoft meine Bildungsprozesse
auslagere, dann muss ich das ja alles in
die in die Microsoft-Cloud in Azure
auslagern. Das habe ich bei IServ eben
nicht. Insofern ist das noch eine relativ
gute Lösung, wie ich finde. Und, was ich
jetzt auch erst vor zwei Wochen gelesen
habe, man kann die Software, die jetzt
also diese Firma IServ aus Braunschweig,
die hat natürlich noch eigene Skripte
geschrieben, in PHP und in Perl und in
noch irgendwas. Die sind alle einsehbar.
Also man darf da reingucken, wenn man
will. Das, finde ich dann auch wieder, Ist
es ein guter Move von der Firma.
Herald: OK. Meine Kinder
sind so alt, dass die nicht mehr viel
damit zu tun hatten und deswegen, wenn ich
mir das vorstelle, wenn ich also dieses
Mindset gehe, wenn ich 20, 25 Jahre
zurückdenke und mir vorstelle, meine
Kinder müssten sich jetzt mit diesen
Dingen auseinandersetzen und zwar
zwangsweise, da läuft's mir kalt den
Rücken 'rauf und runter. Also das muss ich
mal so als Vater sagen. Aber es hätte doch
möglicherweise so eine Chance gegeben, das
irgendwie einzuspielen, dass es einen
öffentlichen Schul-Server, eine Schul-
Cloud gibt und so weiter ...
Jörn: Ja, das gibt es.
Herald: ..mit den offenen Ansätzen.
Jörn: Ja, das gibt es ja auch. Und das ist
eben wieder das Strukturproblem. Schule
und Bildungssektor ist ein System
von ganz vielen Akteuren und die Schul-
Inner-Akteure, also Schüler und Eltern und
Lehrer, die Schulleitung, das ist ein
kleines System, aber die Schule ist ja
auch noch in einem großen System. Da ist
der Schulträger, der hat die Aufgabe, das
Ganze einigermaßen gleichmäßig
auszustatten, dass es da eine
Gerechtigkeit gibt. Dann kommt vom Land
übrigens in NRW, ich bin ja aus NRW gibt's
auch LOGINEO und inzwischen sind die
eigentlich auch ganz vernünftig
aufgestellt. Die haben nämlich das
Lernmanagementsystem Moodle verwendet,
das Lernmanagementsystem. Die haben in dem
Verwaltungsstack, soweit ich das
sehe, eigentlich auch alles Open Source
oder zumindestens Software, die nicht von
irgendeinem Monopol-Anbieter stammt und
der nicht aus Europa ist. Das heißt, das
Land macht eigentlich ein ganz gutes
Angebot, da hakt es noch an einigen
Stellen, weil es ja gut, das ist halt in
der Entwicklung. Aber das Land zwingt ja
keine Kommune das zu verwenden. Es kommt
zu so Merkwürdigkeiten wie man kann jetzt
als Schule erst mal LOGINEO und LOGINEO
LMS und LOGINEO Messenger inklusive Video,
das kann man testen und wenn einem das
nicht gefällt, dann hat man immer noch ja
den IServ 'rumstehen, den die Kommune hier
hingestellt hat. Und wenn einem das immer
noch nicht gefällt und wenn genügend
Eltern Druck machen, kann man dann immer
noch sagen: Ja, jetzt machen wir irgendwas
mit Microsoft. Das ist im Moment so
eine vielschichtige Angelegenheit. Das ist
wie eine Torte mit vielen Schichten und je
nachdem, wo ich gerade rein gucke, habe
ich ganz eigene Interessen. Und was sich
dann hinterher bei der bei der konkreten
Schule dann am Ende durchsetzt, hängt von
unheimlich vielen Leuten ab und von
unabhängigen Gremien. Und das ist eine
spannende Kiste, aber führt auch zu ...
Das Bild ist eher uneinheitlich, sage ich
mal und es gab auch letztens wieder
Netzwerktreffen hier, natürlich wieder
digital, Netzwerktreffen von unserem Kreis,
und da war das dann natürlich auch Thema.
Wie weit ist denn LOGINEO NRW jetzt
verbreitet? Setzt sich das durch in
nächster Zeit? Sollen wir darauf setzen
oder nicht? Was ist mit IServ? Welche
Kommunen machen IServ und machen sie das
weiter oder nicht? Das heißt, das ist
alles sehr im Fluss, sag ich mal, aus
meiner Sicht jedenfalls.
Claudia: Lennard und Jessica haben sich
gemeldet, würden da auch gerne noch
was zu sagen. Lennard?
Lennard: Ich weiß schon gar nicht mehr, zu
was ich mich zuerst gemeldet habe. Ich
kann tatsächlich größtenteils, was gerade
gesagt wurde, nur zustimmen, denn bei uns
in Baden-Württemberg ist die Situation
recht vergleichbar. Wir haben...
Herald: Ich höre ihn nicht.
Claudia: Ich höre ihn gut.
Lennard: Okay, solange man mich irgendwo
hört, ist es immer gut. Genau, bei uns in
Baden-Württemberg wir hatten ja genau das
gleiche Thema, weil bei uns soll es ja
auch eine Plattform vom Land geben und da
haben sie sich jetzt mehrere Jahre dran
angestrengt, und es ist dreimal verkackt,
ordentlich. Also bei uns gibt es das
gleiche: ein Drittel der Schulen, die
Microsoft verwenden, ein Drittel der
Schulen, die die Landeslösung verwenden
und ein Drittel der Schulen, die irgendwas
verwenden, wo wir gar nicht wissen, was
die tun. Denn das Problem ist: Das Land
kann zwar was anbieten, aber am Ende ist
es der Schulträger, der entscheidet: Okay,
wir verwendet diese Software und wenn der
Schulträger sagt: OK, wir verwenden
Microsoft oder: OK, wir verwenden die
Schullösung, dann ist halt einfach der in
dem Moment schuld. Was ich aber auch sagen
wollte: Genau und es gibt dann auch noch
andere Schulen, wie zum Beispiel meine
eigene, die sagen: Okay, wir verwenden die
Landeslösung und wir verwenden was
Eigenes, kann auch das schöne zustande
kommen. Das passiert, dass jeder Lehrer an
der Schule sein eigenes System verwendet
und wir plötzlich Klassen haben, die
komplett überfordert sind. Also wenn ich
an meine Schulzeit jetzt den letzten
Winter denk', da war es so: der eine
Lehrer hat Microsoft Teams verwendet, wo
ich gesagt habe: Hey, ich habe meine
Einwilligung nicht gegeben, da kann ich
nicht teilnehmen. Dann bin ich da sogar
als Schüler rausgefallen aus dem
Unterricht und konnte nicht teilnehmen,
was auch nicht Sinn und Zweck der Sache
ist. Der andere Lehrer hat nur Daten per
E-Mail geschickt, wo meine Schule zum
Glück, jeder Schüler kriegt eine schulische
E-Mail, von daher war das okay. Aber das
gibt's auch an anderen Schulen, wo dann die
privaten E-Mails ausgetauscht werden, auch
die Lehrer private E-Mails verwenden. Und
irgendwie. deswegen hat wir auch damals
als Landesschülerbeirat gesagt so: Hey,
macht jetzt bitte mal eine Landeslösung,
die einheitlich ist und eigentlich hatten
wir sogar was in Baden-Württemberg, was
recht gut funktioniert hat, aber dann hies
es: Okay, wir brauchen da noch zwei extra
Sachen dazu und jetzt sind wir bei einem
Stand, wo wir fast gar nichts mehr davon
haben, aus verschiedenen Gründen. Das
würde den Rahmen sprengen. Deswegen wäre
es tatsächlich mal sinnvoll, wenn einfach
jedes Land sich aufraffen würde eine
Landeslösung, die funktioniert, hinstellt.
Claudia: Ja, wenn, wir haben ja nicht nur
das Digitalisierungs-Thema, sondern wir
haben das ganze ja auch noch beschleunigt
durch die Pandemie, in der wir gar nicht
anders können und das macht es natürlich
doppelt schwierig und doppelt dramatisch,
Damit wir diese vielen Meinungen unter
einen Hut zu bringen. Jessica.
Jessi: Ja, was das ganze auch so schwierig
macht, dieses ganze Biotop Schule, nenne
ich es mal, ist doch super dafür geeignet,
um Verantwortung immer weiter zu schieben.
In die nächste Instanz, in die nächste
Instanz. Und irgendwann kommt das Ganze
dann eben bei Ministerien an und dann sagt
man: Aber wir gucken doch, was die uns
hier anbieten und wir müssen doch und die
haben das doch jetzt empfohlen und das
haben sie doch jetzt verboten und so
weiter. Und da ist jetzt ein bisschen
darauf zu hoffen, dass die Politik auch
umschwenkt, wirklich was tut. Der
Koalitionsvertrag ist jetzt einigermaßen
vielversprechend. Also es geht in die
richtige Richtung. Aber so grundsätzlich
fehlt es doch an Maßnahmen und Strategien.
Und wenn es dazu jetzt welche geben würde,
könnte man sagen: Wir gehen in eine
richtige Richtung. Und das ist jetzt eben
abzuwarten, was da passiert. Aber im
Moment werden einfach Verantwortlichkeiten
hin und her geschoben und am Ende ist es
die Politik die Schuld ist - zu Recht auch
an der Stelle. Und ja, das macht es eben
auch schwieriger.
Claudia: Haben wir noch Fragen im Chat,
Jockel? Fünf Minuten hätten wir noch,
sonst würde Jörn gleich gern noch was
sagen.
Herald: So weit also, ging noch weiter um
IServ: Wie sicher ist das? Kann man,
glaube ich, erst mal so nicht beurteilen.
Und wahrscheinlich kann man es knacken.
Aber weitere Themen sind da nicht
angeschnitten.
Claudia: Gut, dann Jörn. Leena auch noch.
Also: Jörn, Leena und dann ist unsere
Zeit, glaub ich, auch um.
Jörn: Leena war glaube ich länger dran.
Ich wollte nur ganz kurz vielleicht noch
zu, weil es dazu passt, dieses: Wir müssen
an allen, auf allen Ebenen sozusagen
arbeiten, da dran. Ja, es nützt nichts, nur
in der Schule zu arbeiten oder nur bei der
Bezirksregierung vorstellig zu werden oder
nur die Landesregierung unter Druck zu
setzen, weil es an allen Stellen auch eine
gewisse Bandbreite an, sag ich mal, Digital-
Bewusstsein und welche Interessen man
verfolgt, hat. Und auch eine gewisse
Portion Bequemlichkeit oder nicht gibt es
da auch auf jeder Ebene. Und deshalb
müssen wir auf allen Ebenen arbeiten. Wir
als Lehrer und Schüler und Eltern in der
Schule und wir müssen in der Kommune Leute
haben, die auch ein bisschen digitales
Bewusstsein haben. Auf allen Ebenen muss
daran gearbeitet werden, auf den richtigen
Pfad zu kommen.
Jessica: Ich danke für diese Ergänzung.
Claudia: Ja und und wie so oft in solchen
Schwebe- und Unsicherheitssituationen, wenn
sich noch nichts durchgesetzt hat, hängt
es auch einfach oft an einzelnen Menschen,
die ja dann auf den verschiedenen Ebenen
auch sitzen. Leena.
Leena: Ja, genau, in die Richtung wollte
ich auch nochmal gehen. Es gibt ja jetzt
diese ganz vielen Gelder und dann wird
gesagt: Ja, huch, komisch, die Schulen
rufen die gar nicht ab. Warum? Woran
liegt's? Naja, die müssen halt ein
kompliziertes und komplizierte Anträge
schreiben und da müssen die richtig ein
Konzept vorlegen. Ich finde das auch gut,
dass es Geld nur gibt, wenn man sich auch
Gedanken gemacht hat und nicht einfach
Geld irgendwo drauf wirft und konzeptlos
dann voran prescht. Aber dass das einfach
so komplett an die Schulen abzu-baatzen
ist natürlich ... Damit sind die natürlich
heillos überfordert. Und das war ja auch
ein bisschen die Idee, die hinter unserem
Bildungspaket stand, dass wir da so einen
ersten Ansatz von einem Konzept liefern,
an dem man sich zum Beispiel orientieren
könnte, um so ein Konzept zu schreiben,
damit die Schulen es einfacher haben,
diese Anträge hinzukriegen. Und da
wiederum sehen wir einfach: Warum muss es
dafür eigentlich einen Verein geben, der
das macht? Warum gibt es da nicht viel
mehr Unterstützung für die Schulen? Und
natürlich, dann gehen die Bundesländer
wieder her und sagen: Okay, wir
machen jetzt eine einheitliche
Lösung und rennen dann völlig in die
falsche Richtung, dann schlagen wir wieder
die Hände über'm Kopf zusammen. Also
das Thema ist nicht leicht und aus allen
Richtungen habe ich großes Verständnis,
wenn die Menschen da auch überfordert
sind. Und deswegen ich sehe das genauso,
Jörn, dass es vor allen Dingen wichtig
ist, dass man auf allen Ebenen arbeitet
und da auch da ist wieder freie Software
letztlich ein Schlüssel bei. Wenn
man sich die, die die Regel schon mal
geben würde und sagen würde: Wir wollen
mit freier Software arbeiten und dann
probieren wir verschiedene Sachen durch
und dann gehen wir in Austausch. Dann
könnte man glaube ich schon, hätte man ja
schon eine gemeinsame Basis. Und das
wiederum würde dann enorm helfen, dass
Schulen eben auch untereinander in einen
Austausch gehen und dann wäre es auch
schön, wenn eben diese Erfahrungswerte
nicht nur von Digitalcourage vermittelt
werden, sondern wenn das eigentlich ja
auch bei den Schulämtern liegen würde,
dass sie zum Beispiel da auch Menschen in
Kontakt miteinander bringen würden.
Claudia: Sollte uns jetzt irgendjemand
zuhören oder zuschauen, der oder die bei
solch einem Schulamt arbeitet oder bei
einer Landesregierung und gern mal wissen
möchte: in welcher Schule läuft es denn
wie? Und wie läuft es gut? Ist auch da die
Adresse https://digitalcourage.de/netzwerk
-freie-schulsoftware
um einfach eben auch die
Möglichkeit zu haben, dann in den Schulen
direkt anzurufen. Das heißt, das kann ja
aus allen Ebenen genutzt werden. Das
können auch Eltern nutzen. Es geht darum,
dieses Projekt weiter bekannt zu machen.
Deswegen haben wir diesen Talk auch
angemeldet und deswegen würde ich jetzt
gern an Jessica noch mal übergeben für
1-2 Schlusssätze als Initiatorin des
Ganzen. Also ja, was ist aus deiner
Sicht jetzt der nächste Schritt,
den wir gehen müssen?
Jessi: Der nächste Schritt ganz konkret
für uns ist jetzt auf jeden Fall, wie du
gerade schon sagtes, Claudia, dieses
Netzwerk und überhaupt das Infomaterial,
das ganze Wissen an die Stellen
zu bringen, die es benötigen. Da müssen
wir hinkommen. Wir kennen uns alle
supergut aus. Wir sind alle in der Bubble.
Wir gehen alle gerne zum RC3 und wir
lieben Datenschutz. Aber das tun eben
nicht alle. Und diese Menschen müssen wir
eben erreichen. Dadurch, dass wir darüber
sprechen, dass wir auf Themen aufmerksam
machen und eben an verschiedenen
Stellschrauben drehen. Ich glaube, das war
eben noch mal eine ganz wichtige
Botschaft. Es kann nur alles insgesamt
funktionieren, wenn man an verschiedenen
Stellen ansetzt.
Claudia: Ja und wer das unterstützen will:
All Creatures Welcome zu teilen, den Link
zu teilen, den Hinweis zu teilen, dass es
das gibt und die Botschaft einfach zu
verbreiten. Und da kann wirklich jeder und
jede mithelfen.
Herald: Herzlichen Dank euch allen.
Applaus, Applaus!
(Stellen wir uns jetzt einfach vor.)
RC3 Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!