Hallo. Ich bin hier, um mit Ihnen über meine tierische Muse zu sprechen: das Faultier. (Gelächter) Ich dokumentiere das seltsame Leben des langsamsten Säugetiers der Welt nun seit 10 Jahren. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal eines sah. Ich war fasziniert von seiner seltsamen Biologie. Man muss es ja auch einfach lieb haben, mit seinem permanenten Grinsen. (Gelächter) Und seinem Verlangen, alles zu umarmen. Publikum: Oooooh. Aber Faultiere werden massiv verkannt. Sie sind mit einem Namen gestraft, der schon sündhaft klingt und man schüttelt den Kopf über ihren trägen Lebensstil, von dem alle meinen, er hätte keine Chance in unserem heutigen schnelllebigen Wettrennen ums Überleben. Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass wir das Tier völlig verkennen -- und wie uns die Wahrheit über das Faultier helfen könnte, uns und diesen Planeten zu retten, den wir alle unser Zuhause nennen. Ich konnte den Rufmord am Faultier bis zu einem spanischen Conquistador namens Valdés zurückverfolgen. In der Enzyklopädie der neuen Welt beschrieb er erstmals ein Faultier. Er sagte über das Faultier: "das dümmste Tier, das man in dieser Welt finden kann ... Noch nie sah ich ein so hässliches Tier oder eines, das so unnütz ist." (Gelächter) Sag uns, was du wirklich denkst, Valdés. (Gelächter) Ich würde gerne mal ein Wort zu Valdés' Zeichenkünsten sagen. (Gelächter) Ich meine, was soll das denn bitte sein? (Gelächter) Ich habe noch nie eine nutzlosere Illustration eines Faultiers gesehen. (Gelächter) Aber wenigstens gab er dem Faultier ein bemerkenswert menschliches Gesicht. Denn Faultiere haben wirklich sehr menschliche Gesichter. Dieses Faultier aus Costa Rica sieht aus wie Ringo Starr. (Gelächter) Faultiere haben generell frappierende Ähnlichkeit mit den Beatles. (Gelächter) Paul finde ich hier besonders gut getroffen. Und genau wie die Beatles sind auch Faultiere sehr erfolgreich. Als Teil einer uralten Linie von Säugern gab es sehr viele Arten von ihnen, wie das gigantische Boden-Faultier, das so groß wie ein Elefant war und eines der wenigen Tiere, die einen Avocado-Kern im Ganzen fraßen und auch so wieder ausschieden. Also ... (Gelächter) Bei einigen von Ihnen ist der Groschen schon gefallen. (Gelächter) Ohne Faultiere gäbe es heute also vielleicht keinen Avocado-Toast, wodurch viele Hipster beim Frühstück total aufgeschmissen wären. (Gelächter) (Applaus) Heute existieren noch 6 Arten, die in 2 Gruppen geteilt werden. Es gibt die Bradypus, Dreifinger-Faultiere. Das sind die mit der Beatles-Frisur und dem Mona Lisa-Lächeln. Und es gibt die Zweifinger-Faultiere. Die sehen aus wie eine Kreuzung aus Wookie und Schwein. Sie leben im Dschungel von Zentral- und Südamerika und sind extrem produktive Tiere. 1970 führte man im tropischen Regenwald von Panama eine Studie durch: Von den großen Tieren waren Faultiere am häufigsten vertreten. Sie bildeten ein Viertel der Biomasse aller Säugetiere dort. Das sind furchtbar viele Faultiere und lässt vermuten, dass sie irgendwas sehr richtig machen. Was wäre, wenn wir, statt uns über die Faultiere lustig zu machen, von ihnen zu lernen versuchen? Menschen sind besessen von Geschwindigkeit. Beschäftigtsein gehört zum guten Ton und Komfort geht über Qualität bei unserem Streben nach Schnelligkeit. Unsere Sucht nach Geschwindigkeit schadet uns und dem Planeten. Wir idealisieren Tiere wie den Geparden als den "Ferrari des Tierreichs", von 0 auf 100 in nur drei Sekunden. Na und? (Gelächter) (Applaus) Was solls? Das Faultier dagegen schafft entspannte 5 Meter die Minute -- mit Rückenwind. (Gelächter) Schnellsein hat seinen Preis. Der Gepard ist schnell, aber auf Kosten seiner Kraft. Er kann keinen Kampf riskieren und verliert eine von neun Erbeutungen an stärkere Raubtiere wie Hyänen. Kein Wunder, dass Letztere lachen. (Gelächter) Das Faultier dagegen wählt einen heimlicheren Weg, um an sein Abendbrot zu kommen. Es überlebt durch das Erlegen und Verzehren -- von bewegungslosen Blättern. (Gelächter) Doch genau wie Antilopen wollen auch Blätter nicht gegessen werden und so sind sie vollgepackt mit Toxinen und schwer verdaulich. Um diese Blätter zu verdauen, musste das Faultier auch zu einem Athleten werden. Zu einem Verdauungs-Athleten. (Gelächter) Die Geheimwaffe von Faultieren ist ihr 4-Kammer-Magen und viel Zeit. Von allen Säugetieren haben sie die langsamste Verdauung. Die Verdauung eines einzigen Blattes kann bis zu einem Monat dauern. Das gibt ihrer Leber ausreichend Zeit, die vielen Toxine abzubauen. Faultiere sind also gar nicht faul. Nein, sie sind beschäftigt -- mit Verdauen. (Gelächter) Oh ja, sehr beschäftigt. (Gelächter) Dieses Faultier ist wirklich schwer am Arbeiten. Und Blätter sind nicht sehr nahrhaft. Also sind Faultiere darauf ausgelegt, sehr wenig Energie zu verbrauchen. Sie verrichten etwa 10 % der Arbeit ähnlich großer Säugetiere und benötigen nur 100 Kalorien pro Tag, dank einiger genialer Anpassungen. Das Bradypus, also Dreifinger-Faultier, hat mehr Halswirbel als jedes andere Säugetier. Sogar mehr als eine Giraffe. Dadurch kann es seinen Kopf um 270 Grad drehen und alle Blätter um sich herum abfressen, ohne sich die Mühe zu machen, den eigenen Körper zu bewegen. (Gelächter) Dadurch sind sie auch überraschend gute Schwimmer. Im Wasser gleiten sie dreimal schneller, als sie sich an Land bewegen können. Für Auftrieb sorgen dabei -- "eingeschlossene Winde". (Gelächter) Also -- (Gelächter) Das Faultier ist das einzige bekannte Säugetier, das nicht pupst. Wenn sie mal Luft ablassen müssen, wird sie in ihren Blutkreislauf resorbiert und durch das Maul entlassen, als eine Art "Mund-Pups". (Gelächter) Falsch herum zu leben spart außerdem Energie. Sie haben nur halb so viele Muskeln wie ein am Boden lebendes Säugetier. Sie haben nur wenige Streckmuskeln, also Gewicht tragenden Muskeln. Sie verlassen sich auf Rückziehmuskeln, mit denen sie sich herumhangeln. Sie haben lange, hakenförmige Krallen und sind sehr ausdauernd; so können sie wie eine glückliche und haarige Hängematte herumhängen -- stundenlang. In dieser umgekehrten Position können Faultiere wirklich alles machen. Sie schlafen, essen und gebären sogar so. Auch Hals und Blutgefäße sind auf einzigartige Weise angepasst, um gegen die Schwerkraft zu schlucken und Blut zu pumpen. Kleine klebrige Stellen an den Rippen verhindern, dass der riesige Magen ihre Lungen zerdrückt. Das Fell wächst in die andere Richtung und nach tropischen Regenschauern tropft das Wasser so einfach ab. Das Problem ist nur, wenn man das Faultier umdreht, nimmt ihm die Schwerkraft seine Würde. Publikum: Oooh. Sie können sich nicht aufrecht halten. So ziehen sie ihren Körper über den Boden, als würden sie einen Berg besteigen. Das ist sicher auch der Grund, weshalb Forscher wie Valdés so schlecht von ihm sprachen. Sie beobachteten Faultiere falsch herum und außerhalb ihres Lebensraumes. Wie hypnotisiert beobachtete ich Faultiere viele Stunden lang, wie sie sich bewegen. Der Mangel an Muskeln schränkt ihre Agilität nicht ein. Sie sind die Zen-Meister der Entspannung, wie "Schwanensee" in Zeitlupe. (Gelächter) Und mit der Körperspannung eines Tai Chi-Meisters. Hier ist jemand beim Bewegen eingenickt, was überhaupt nicht ungewöhnlich ist. (Gelächter) Aber Sie fragen sich sicher: Wie verhindert es ein herumhängender Sack, der Blätter verdaut, gefressen zu werden? Gute Frage. Zu den großen Feinden des Faultiers gehört die Harpyie. Sie fliegt mit bis zu 80 km/h und hat Krallen wie ein Grizzlybär. Sie sieht gestochen scharf und durch einen Federkranz am Ohr hört sie das leiseste Blattrascheln. Dagegen hat das Faultier schlechte Augen, es hört nicht besonders gut und bei Gefahr wegzulaufen ist selbstverständlich keine Option. Nein, sie überleben dank eines Tarnumhangs, der Harry Potter-würdig wäre. In ihrem Fell sind kleine Rillen, die Feuchtigkeit anziehen und als hydroponische Gärten dienen, in denen Algen wachsen können und kleine wirbellose Tiere anziehen. Sie sind also ihr eigenes, sich langsam bewegendes Miniatur-Ökosystem. Sie werden eins mit den Bäumen. Wir vermuten, ihre Bewegungen sind so extrem langsam, dass die Harpyie, die nach Bewegungen im Blätterdach sucht, sie nicht bemerkt. Faultiere sind kleine Tarn-Ninjas, die die sicheren Baumkronen selten verlassen. Außer, um ihren Darm zu entleeren, was etwa einmal pro Woche am Fuß eines Baumes geschieht. Das ist riskant und anstrengend und war lange ein Rätsel. Es gibt viele Theorien, warum sie das tun. Ich denke, sie hinterlassen Duftmarken für potenzielle Partner. Eigentlich sind es ruhige Einzelgänger -- außer, wenn die Weibchen rollig sind. Sie klettert ganz oben auf einen Baum und schreit laut nach Sex. In Dis. (Gelächter) Sie glauben mir nicht? (Faultier-Ruf) Dis. Nur diese eine Note erregt männliche Aufmerksamkeit. Sie imitiert den Ruf des Schwefeltyranns, sodass sie lauthals nach Sex rufen kann und dennoch in Deckung bleibt. Die heimlichen, aber eindeutigen Angebote sind viele Kilometer weit hörbar und die Männchen, nun ja, "rennen" ihnen die Bude ein. (Gelächter) Die Duftstoffe in ihrem Dung helfen Romeo, den richtigen Baum zu finden, sodass er nicht den falschen erklimmt und dabei wertvolle Energie verschwendet. Sex ist übrigens das Einzige, das bei Faultieren schnell geht. Ich habe sie dabei in der Wildnis beobachtet und es ist eine Sache von Sekunden. Aber warum Energie verschwenden, gerade nach der anstrengenden Reise? (Gelächter) Anders als andere Säugetiere verschwenden sie auch keine Energie damit, eine konstante Körpertemperatur zu halten. Sonnenenergie ist gratis! Wie die Eidechsen sonnen sie sich und speichern die Wärme durch ihr Fell, das für die Tropen ungewöhnlich dick ist. Der Stoffwechsel von Faultieren ist wirklich extrem langsam. Unter anderem wohl deshalb können sich Faultiere auch von schweren Verletzungen erholen, die viele andere Tiere nicht überlebt hätten. Dieses Faultier erholte sich von einer doppelten Amputation. Sogar eigentlich tödliche Stromschläge von Strommasten überlebten einige. Wir glauben, dieser langsame Stoffwechsel könnte der Schlüssel zum Überleben sein. An der Kansas Universität forschte man mit Weichtieren und fand heraus, dass das Aussterben bestimmter Arten an ihrem schnellen Stoffwechsel lag. Über 40 Millionen Jahre existieren Faultiere nun auf diesem Planeten. Ihr Erfolgsgeheimnis ist ihre Faulheit. Sie sind Energiespar-Vorbilder. Um ihren langsamen und nachhaltigen Lebensstil zu schützen und wertzuschätzen, gründete ich den "Verein zur Würdigung von Faultieren". Ich bin ein sehr hibbeliger Mensch, das haben Sie sicher schon bemerkt. Von den Faultieren habe ich viel über Entschleunigung gelernt. Auch die Welt würde davon profitieren, wenn wir alle diese Lektion genauso gründlich verdauen wie ein Faultier seine Blätter. Lassen wir unser inneres Faultier frei, indem wir uns Zeit nehmen, achtsamer sind, Qualität über Komfort stellen, sparsam mit Energie umgehen, kreativ recyceln, und uns wieder mit der Natur verbinden! Sonst, fürchte ich, sind wir Menschen bald "das dümmste Tier, das man in dieser Welt finden kann". Vielen Dank. Möge das Faultier mit Ihnen sein! (Applaus)