34c3 intro
Markus Beckedahl: Ja guten Morgen.
Eigentlich wollte ich hier die Jamaika-
Koalition kommentieren. Ja hat sich alles
ein bisschen geändert. Der Wetterbericht
bleibt. Wenn mir zwischendurch noch Wasser
hochgebracht werden könnte, wäre das
super, sonst habe ich irgendwann einen
trockenen Mund. Und ja fängt jetzt schon
ein bisschen an. Ansonsten bedanke ich
mich bei Sebastian und Co., die das Ganze
hier übersetzen und entschuldige mich von
Vornherein, dass ich vielleicht wieder ein
bisschen schneller sprechen werde, weil
ich auch nur eine halbe Stund habe und
tausende Themen, wobei ich die Hälfte
schon rausgeschmissen habe. Kommen wir mal
zu was positivem, bevor wir erst mal zum
Sturm kommen. Ich fange mal mit dem
schlechten Wetter an, weil nachher, sonst
wird mir immer vorgehalten, dass ich nur
schlechte Laune verbreite, ich versuche
zum Schluss zum Sommer zu kommen, mal
gucken, ob ich durchhalte. Wir leben in
Zeiten, wo immer mehr Menschen, die
genauso arbeiten, denken, agieren wie wir,
weltweit ins Gefängnis kommen. Gestern kam
raus, Wu Gan(???), chinesischer Blogger,
wegen Terrorismusvorwürfen, also
eigentlich wegen Verbreitung von
demokratischen Gedanken zu 8 Jahren Haft
verurteilt. In Ägypten sitzt Alaa Abd
El-Fatah mit vielen anderen Bloggern,
die sich für Demokratie und Menschenrechte
einsetzen seit Jahren ohne Verfahren im
Gefängnis. In der Türkei sitzt Deniz Yücel
stellvertretend für viele andere wegen
Terrorverdacht oder
Terrorismusunterstüztung ohne Verfahren im
Gefängnis. Und dieses Jahr kam raus, dass
Bassel Khartabil, ein Hacker, ein Open-
Source-Aktivist aus Syrien, der bei Creative
Commons bei Wikipedia war, im Knast in
Syrien verstorben ist, wahrscheinlich
aufgrund von Folter. Wir leben in Zeiten,
wo ein fernsehsüchtiger Narzisst und
Soziopath der mächtigste Mann der Welt
ist. Er guckt leider die falschen
Fernsehsender.
Wir leben in Zeiten, wo wir beinahe eine
Jamaika-Koalition gehabt hätten. Ich muss
zugeben, wir haben da einige Hoffnung drin
gesetzt. Wir sind ein bisschen enttäuscht
worden, als wir das Ergebnis der
Sondierungsverhandlungen sahen. Auf der
einen Seite hatten wir die Hoffnung, dass
endlich mal zwei Parteien in einer
Koalition sind, die sich zumindest auf dem
Papier für Grundrechte einsetzen.
Möglicherweise wären die
Vorratsdatenspeicherung, das
Netzwerkdurchsetzunggesetz weg gewesen,
möglicherweise hätte man in den nächsten
Jahren weiteren Grundrechtsabbau
weitgehend verhindern können. Aber wenn
man sich die netzpolitischen Positionen
sonst anschaut, waren das eigentlich nur
BitKom-Positionen, das kann die CDU auch
alleine, dafür brauchte sie jetzt
eigentlich auch nicht FDP und Grüne. Und
es gibt noch die SPD, die macht da auch
gerne mit. Und jetzt haben wir
wahrscheinlich, wie es aussieht, bei der
SPD weiß man eigentlich in der Regel, dass
sie gerne umfällt, die Situation, dass wir
demnächst eine große Koalition haben
werden. Und wir haben eine neue Situation.
Wir haben im Gegensatz zu vorher drei
Oppositionsparteien, die sich zumindest
auf dem Papier für Grundrechte einsetzen.
Wenn auch nicht die ganzen Parteien, aber
zumindest haben sowohl FDP, Linke und
Grüne viele Engagierte in Parteien, -
danke schön - und in den Fraktionen, die
da das tun. Und wir haben eine neue
Situation. Wir haben eine
Oppositionspartei, die für mehr
Überwachung ist. Und sollte es hier
Menschen geben auf diesem Kongress, die
AfD gewählt haben und das für vollkommen
vereinbar mit den Werten dieses Kongresses
sehen, das ist nicht so.
Applaus
Wenn ihr das nicht versteht, lest euch die
Hackerthik durch. Wenn ihr es immer noch
nicht verstanden habt, lest sie euch
nochmal durch. Wenn ihr es dann noch nicht
verstanden habt, lest euch das AfD-
Wahlprogramm durch oder das was AfD in die
Landtage eingebracht hat, wo sie bisher da
ist. Die AfD steht wie keine andere Partei
und da schlägt sie sogar CDU/CSU um
Längen, für Grundrechtsabbau, für
Geschlossenheit, gegen Offenheit, gegen
Grundrechte generell und für mehr
Überwachung. Und das ist einfach nicht
vereinbar mit den Werten unserer
Gesellschaft, mit unserer Gemeinschaft
hier. Aber was machen wir jetzt, wenn die
große Koalition kommt? Wir können auf der
einen Seite natürlich die
Oppositionsparteien stärken und hoffen,
dass sie vielleicht auch mal mehr
zusammenarbeiten, was ich nicht so ganz
sehe. Weil Konkurrenzdenken da schon sehr
groß ist. Wir können hoffen, dass die
Oppositionsparteien sich zumindest so ein
bisschen überbieten im Wettbewerb um die
besseren Ideen, um die Regierung
voranzutreiben. Wir können auch zusehen,
ob wir auf die Regierungsparteien
einwirken können. Bei der CDU/CSU habe ich
wenig Hoffnung. Es gibt da Menschen, die
unsere Werte teilen. Es gibt da Menschen,
denen Grundrechte genauso wie uns am
Herzen liegen. Aber es gibt auch sehr
viele von diesen Menschen, die halt
wissen, wenn sie das in der CDU/CSU offen
sagen, können sie keine Karriere mehr
machen und Karriere ist ihnen dann
meistens wichtiger. In der SPD haben wir halt
eine andere Situation. In der SPD haben
wir wahrscheinlich immer noch so 40 zu 60,
40% Überwachungsgegner,
Grundrechtsbefürworter, 60% innerer
sicherheitsdenkende Opportunisten.
Möglicherweise schaffen wir es mit einem
Generationenwechsel in der SPD, dass mehr
Menschen dort nach oben kommen, die sich
auch für eine bessere digitale
Gesellschaft einsetzen. Was erwarten wir
die nächsten Jahre? Angela Merkel hat
jetzt angekündigt, Digitalisierung zur
Chefsache zu machen.
Nach 12 Jahren Chaos, nach 12 Jahren
verpatzte Netzpolitik, unter ihrer Regide
ist das schon eine stolze Ankündigung.
Immerhin 4 Jahre nach Neuland. Mit Angela
Merkel verbunden ist auch das Versprechen
der Bundesregierung, es gibt Internet
irgendwann für alle. Das ist übrigens kein
AddBusting, das ist Original. Das kleben
die seit Jahren in Berlin.
Durchhalteparolen. Also in Berlin haben
wir ja auch fast überall mittlerweile
Breitbandinternet. Also wenn man in jede
Richtung 5 Kilometer rausfährt, halt nicht
mehr, aber die haben halt Pech gehabt. Und
wir haben die Diskussion darüber, ob wir
vielleicht einen Internetminister
bekommen. In der letzten Legislaturperiode
wurde das ausprobiert, gleich 3
Internetminister zu haben, eigentlich
hatten wir 5, aber egal, 3 Parteien waren
halt da, das musste aufgeteilt werden. Ja
das Ergebnis kennt ihr alle. Das war jetzt
nicht wirklich überragend. Insofern ist
jetzt die Diskussion da, gibt es einen
Internetminister, nur noch einen, gibt es
einen Staatsminister im Kanzleramt, weil
Merkel das zur Chefsache machen will? Ich
bin da so ein bisschen hin und her
gerissen, auf der einen Seite wäre es gut,
wenn es mal eine gute Koordinierung geben
würde, gerne auch aus dem Kanzleramt. Auf
der anderen Seite, nach 12 Jahren Merkel
bin ich nicht wirklich überzeugt davon,
dass wenn sie das jetzt zur Chefsache
macht, alles besser wird. Auf der anderen
Seite glaube ich nicht, dass wir ein
starkes Internetministerium bekommen
würden, was dann auch tatsächlich aus dem
Wirtschaftsministerium, aus dem
Innenministerium, aus dem
Verkehrsministerium, aus dem BMJV, dem
Verbraucher- und Justizministerium, die
relevanten, die digitalrelevanten Ressorts
bekommen würde, ansonsten wäre es
vielleicht ein zahnloser Tiger, und auch
das beste Internetministerium bringt
nichts, wenn man die fittesten Leute da
hinsetzt, die von der Digitalisierung aus
der Zeitung gelesen haben. Auch das ist
Angela Merkel.
Also nicht auf dem Bild, aber sie war
schuld daran, dass er unser europäischer
Internetminister wurde. Und wenn man sich
anschaut, was die letzte Bundesregierung
gemacht hat, dann müssen wir vor allen
Dingen im Bereich Überwachung - sie haben
die Snowden-Enthüllungen als
Machbarkeitsanalyse gesehen. Sie haben die
Überwachung unserer Geheimdienste massiv
ausgebaut, sie haben die
Massenüberwachung, wo es ging, massiv
ausgebaut, die Vorratsdatenspeicherung
wieder eingeführt, obwohl es mittlerweile
auf europäischer Ebene beim Europäischen
Gerichtshof Urteile gibt, die klar sagen,
Massenüberwachung, anlasslose Überwachung,
Massenüberwachung ist illegal und
grundrechtswidrig. Das hindert unsere
Bundesregierung, das hindert eine große
Koalition nicht daran, Massenüberwachung,
anlasslose Massenüberwachung überall dort
einzuführen, wo sie es können und sie
können es leider ziemlich viel. Und eine
Aufzählung habe ich dann noch vergessen,
der Staatstrojaner. Auch das ist kein
AddBusting, die CDU wollte einen Witz
machen, als sie den Staatstrojaner
beschlossen haben. Sie haben es
wahrscheinlich überhaupt nicht verstanden,
dass es ein blöder Witz war. So in Zeiten
von wannacry und so weiter, wo andere
Staatstrojaner in freie Laufbahn gekommen
sind und einfach das halbe Internet mal
kurz kaputt gemacht haben. Weil man zu
blöd war, darauf aufzupassen. Und wir
haben das Problem der heutigen Zeit, dass
eine Politik gemacht wird im Namen der
Sicherheit, die massive Unsicherheit
schafft. Durch diese Staatstrojaner, durch
eine neue Behörde namens ZITiS, wo sie zum
Glück nicht genug Personal finden, weil
wer möchte schon zu Beamtensaleren in
München für eine Agentur oder eine Behörde
arbeiten, die Unsicherheit in unserer
Gesellschaft voranbringen soll, indem sie
halt Sicherheitslücken findet, indem sie
Sicherheitslücken wahrscheinlich auch auf
Schwarzmärkten aufkauft, und damit ein
System stabilisiert, was halt massive
Unsicherheit bringt.
Und diese massive Unsicherheit macht auch
Sorgen, wenn man sich auf viele andere
Debatten, die größer werden, mal
draufschaut. Internet der Dinge. Wir
stecken überall Geräte ins Netz. Das macht
ja auch größtenteils Sinn. Also hier
sitzen auch viele, die halt wissen, was
sie da tun so. Aber wir haben ein großes
Problem, dass unsere Eltern auch
mittlerweile anfangen Geräte ins Netz zu
stecken und die wissen dann nicht
teilweise was sie da tun. Wir haben
heutzutage die Situation, dass bei Saturn,
Mediamarkt alte Android Telefone verkauft
werden mit uralten Android-Versionen, die
nicht mehr geupdatet werden, die schon
beim Verkauf an unsere Eltern und an
andere so viele Sicherheitslücken
enthalten, dass es einfach ein riesiges
Verbraucherrisiko, aber auch ein riesiges
Risiko für eine sichere digitale
Gesellschaft enthält. Und wir brauchen
Wege, um quasi Verbraucherrechte
durchzusetzen. Innovation gleichzeitig zu
stärken und Sicherheit in die Netze
reinzubringen. Das ist eine große Debatte
rund um Produkthaftung. Also das ist eine
Debatte, wo man genau nachschauen muss,
wird hier OpenSource benachteiligt, werden
hier kleine Makerprojekte benachteiligt,
aber wo man genau nachschauen muss, wie
kriegt man trotzdem mehr Sicherheit, mehr
Verbraucherrechte hin? Und hier brauchen
wir viel mehr Menschen mit Expertise, die
in diese Debatten reingehen. Man fragt
sich die ganze Zeit, ja warum eigentlich
haben wir so eine schlechte Netzpolitik?
Früher haben wir gesagt - das war ganz
einfach -, Politiker haben keine Ahnung,
die hatten auch früher keine Ahnung, heute
haben sie sehr wohl Ahnung. Und wenn sie
nicht persönlich Ahnung haben, dann haben
sie einen Mitarbeiterstab oder einen
Beraterstab oder Lobbyisten, die ihnen
dann mit der richtigen Ahnung was
vorgeben. Und sie hören halt nur meistens
den falschen Interessen zu. Anderes
Beispiel für große Koalition, was wir
jetzt weiter haben werden, gemeinsam gegen
Hassbotschaften, das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz tritt - wann
haben wir den 1.? Freitag oder Samstag? -
in Kraft. Mal schauen, was dann kommen
wird.
Die Intention war gar nicht schlecht. Die
Intention war ja, etwas gegen Facebook und
Co. zu tun. Facebook und Co. stellen
mittlerweile privatisierte
Öffentlichkeiten dar, wo sich große Teile
unserer digitalen Kommunikation drüber
konstituieren, eine Öffentlichkeit drüber
konstituiert, ob man da jetzt mitmacht
oder nicht. Die meisten anderen machen da
einfach mit. Und Facebook ist nicht nur
Facebook, Facebook ist halt auch WhatsApp.
Und da haben wir ein großes Problem. Die
Bundesregierung dachte, naja lösen wir
jetzt mal ganz einfach, indem man die
derzeitige Situation nochmal ein bisschen
verkompliziert. Die derzeitige Situation
ist, Facebook hat
sehr komplexe Communityregeln, die sind so
das Gesetz. Die Communityregeln sind so
komplex, dass wir ihre Logik auch nicht
verstanden haben, aufgrund der geleakten
Dokumente. Wir stellen uns immer so vor,
dass irgendwo ein Community-Mensch so bei
Facebook mit einem Würfel sitzt und halt
würfelt, ob der Kommentar jetzt
stehenbleibt oder nicht. Wahrscheinlich
würfeln da irgendwelche Algorithmen. Aber
es geht hier letztendlich um Fragen der
Meinungsfreiheit, ob man es privaten
Plattformen, die einfach zu groß sind, um
sie einfach nur eine beliebige Plattform
sein zu lassen, ob man denen
rechtsstaatliche Aufgaben überträgt und
einfach sagt, naja also zusätzlich zu
euren Communityregeln müsst ihr jetzt noch
21 Straftatbestände wie Beleidigung bis
hin zu landesverräterischer Fälschung -
das kannte ich auch noch nicht -
durchsetzen. Ihr habt da einen Tag Zeit
für. Bei komplizierten Sachen habt ihr 7
Tage Zeit für. Aber hier wird eine
rechtsstaatliche Aufgabe, die in unserer
Gesellschaft Gerichte,
Staatsanwaltschaften, Richter machen
sollten, an private Akteure ausgesourct,
die damit noch mächtiger werden. Und das
ist eines der Probleme. Die Hoffnung war,
da ist das Justizministerium ein bisschen
naiv rangegangen, dass man mehr Facebook-
Moderatoren bekommt, die das Problem schon
lösen sollen. Ich glaube man wird sich da
… diese Moder
atoren sind nur eine Brückentechnologie
auf dem Weg dahin, dass halt Algorithmen
zukünftig dann halt massiv unsere
digitalen Öffentlichkeiten regulieren. Das
kann halt schiefgehen. Und das absurde an
dieser ganzen Debatte war und ist immer
noch, unsere Bundesregierung hat quasi die
Durchsetzung von Recht an diese privaten
Anbieter ausgelagert, outgesourct. Sie
haben aber nicht mehr Rechte für uns
Nutzer gegenüber diesen Plattformen
durchgesetzt. Und ich glaube, es ist an
der Zeit, dass man mehr Rechte erkämpft,
mehr Rechte durchsetzt, weil die sind to
big to fail. Die sind da, wir kriegen sie
nicht mehr weg, wir können unsere
Alternativen aufbauen, aber wenn wir Pech
haben, sind unsere ganzen Familien immer
noch bei WhatsApp, immer noch bei
Facebook. Mit anderen Worten, wir müssen
schauen, dass wir da endlich mal mehr
Rechte bekommen. Warum gibt es nicht ein
abgestuftes Note, das ist ein Takedown-
Verfahren, in dem Sinne, dass halt wenn
man bei Facebook gelöscht wird, ein
Widerspruchsverfahren hat. Warum gibt es
keine Garantie oder keinen Anspruch
darauf, ähnlich wie im Universaldienst,
dass man auch bei WhatsApp und bei
Facebook sein darf und kann. Im Moment ist
es ja so, dass man einfach so
rausgeschmissen werden kann und das ist
ein ziemliches Problem. Andere Probleme,
gerade auf europäischer Ebene, europäische
Urheberrechtsreform, interssiert sich
keiner für außer Urheberrechtslobbyisten,
das ist ein kleines Problem. Auf der einen
Seite wird es ein Leistungsschutzrecht
geben, das ist das kleinere Problem. Auf
der anderen Seite drohen Upload-Filter.
Upload-Filter kommen dem einen oder
anderen vielleicht bekannt vor, wir
berichten auf netzpolitik.org häufig
darüber, letztes Jahr habe ich einen Talk
auf dem CCC-Congress gehalten zum Thema
Privatisierung der Rechtsdurchsetzung
anhand des Beispiels „Forum Internet“, wo
Plattformen mit Sicherheitsbehörden der
Europäischen Union, aber auch global, sich
zusammensetzen und überlegen, wie kriegt
man denn terroristische Inhalte raus. Also
das was Deniz Yücel in der Welt schreibt
gilt halt in der Türkei als
terroristischer Inhalt.
Möglicherweise einer der Gründe, warum
kurdische Aktivisten immer mehr Fans bei
Facebook verlieren, die möglicherweise
alle Opfer von einer Terrorismusbekämpfung
werden. Aber diese Upload-Filter werden
halt mit der Urheberrechtsreform
spätestens kommen. Die Hoffnung ist, dass
halt dann die großen Anbieter Facebook und
Co. bei jedem Upload überprüfen, ob eine
Urheberrechtsverletzung vorliegt. Das
große Problem an diesen Upload-Filtern
ist, dass man diese Gesetze nicht nur für
Facebook und Google und YouTube macht,
sondern dass die Wikipedia dann zukünftig
auch solche Technologien einsetzen muss.
Und wenn man über Netzsperren früher sich
aufgeregt hat, Upload-Filter sind fast
noch gefährlich als die Netzsperren, die
uns Zensursula damals bringen wollte. Aber
kommen wir mal zu den bisschen positiveren
Sachen. Heiter bis wolkig. Es gibt auch
gute Nachrichten. Die Störerhaftung ist
endlich weg.
Applaus
Markus: Also drei Anläufe hat die letzte
Bundesregierung gebraucht, bis ein Gesetz
endlich mal so rund war. Dass es jetzt nur
noch möglicherweise Netzsperren mit sich
bringt, aber hey die Störerhaftung ist
weg, endlich gibt es WiFi. Das war
wahrscheinlich auch allen Politikern zu
peinlich, sich vorhalten zu lassen, dass
es in Deutschland kein WiFI gibt. In
Berlin haben wir jetzt auch mehr WiFi, das
ist Publicwifi.de eine Karte mit allen
Hotspots. Und hier sieht man sehr schön,
das sind alle Hotspots in Berlin, die frei
sind oder die offen sind. Und das sind
davon nur die Freifunk Hotspots. Insofern
vielen dank Freifunk, ihr macht eine
großartige Arbeit, eine bessere Arbeit als
das Land Berlin, als das Land Brandenburg
es selbst hinbekommen könnte mit all den
Steuergeldern, die wir ihnen schenken.
Anderes Thema, dachten wir auch schon,
wäre vorbei, Netzneutralität. Früher
gingen halt diese Bilder rum, wie sähe
eine Welt ohne Netzneutralität aus, alle
waren sich so am Fürchten. Vor 2 Jahren
haben wir uns dafür eingesetzt, dass wir
gute Regeln auf EU-Ebene bekommen haben,
die zumindest ein Drosseln und ein
Blockieren für Provider verbieten. Das ist
besser gewesen als wir gehofft haben, weil
immerhin war Günther Öttinger dafür
verantwortlich. Es ist auch gegen seinen
Willen dann durchsetzt worden. Aber es gab
leider ein Schlupfloch, vor dem wir damals
schon gewarnt haben. Und während in den
USA jetzt diese Gesetze, die sie auch
hatten, alle mal kurz durch Republikaner
abgeschafft wurden, werden in Deutschland
diese Schlupflöcher des sogenannten Zero-
Ratings genutzt. Zero-Rating bedeutet
Drosseln und Blockieren ist verboten. Dann
bevorzugen wir Partnerdienste, die halt
dann vom Datenvolumen ausgenommen werden,
was aber gleichzeitig bedeutet, alle
anderen werden diskriminiert, weil sie
werden halt nicht vom Datenvolumen
ausgenommen.
Telekom ist mit StreamOn vorgegangen.
Vodafone ist eigentlich noch viel
schlimmer, das ist halt genau eigentlich
die Grafik, die wir vorher hatten, nur
weniger bunt. Anderes großes Thema oder
wahrscheinlich das große Thema, was die
nächsten 3-4 Jahre kommen wird, ist die
Frage, wie gehen wir mit künstlicher
Intelligenz um? Wie gehen wir mit
Algorithmen um? Die meisten Leute hier
wissen, Algorithmen sind nichts neues.
Algorithmische Systeme seit Jahrzehnten
entwickelt. Schon Joseph Weizenbaum
wusste, sind kaum hinter- durchschaubar.
Aber es gibt eine neue Dimension, es gibt
Durchbrüche im maschinellen Lernen, Daten-
und Analysekapazitäten. Es gibt
Plattformen, es gibt dynamischere
komplexere Blackboxen. Und sie werden
eingesetzt in sensiblen Bereichen,
predictive Policing, Creditscoring,
Regulierung der Öffentlichkeit, YouTube-
und Facebook-Algorithmen. Und das ist ein
ziemliches Problem. Wir brauchen
Regularien. Wir brauchen
Herangehensweisen, um zu schauen, wie
kriegen wir eine Nachvollziehbarkeit hin?
Wie kriegen wir eine demokratische
Kontrolle von dem hin, wie Algorithmen
eingesetzt werden? Schon nur noch 10
Minuten, eben hatten wir noch 15. Ja.
Jetzt stellen wir uns mal vor, Gesundheit,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wenn es
möglich ist, datenbasierte
Empfehlungssysteme zu entwickeln, welcher
Patient sinnvollerweise eine bestimmte
Therapie bekommt, stellen sich die Fragen,
auf welchen Daten werden die Algorithmen
trainiert. Gendaten,
Gesundheitsindikatoren, SocialMeda-Daten,
Bewegungsdaten, Fitness Apps? Welche
Zusammenhänge zeigen sich, welche
Zusammenhänge sollen in die Empfehlung mit
einfließen? Erbkrankheiten? Wer kriegt
denn dann eigentlich eine Operation zum
Schluss und wer nicht? Wie ist das
nachvollziehbar? Wird das dann berechnet
mit Krankenhausauslastung? Wird dann der
Arzt bestimmen oder das Renommee des
Arztes bestimmen, ob man jetzt operierter
werden darf oder nicht? Das ist nur einer
von sehr vielen Aspekten. Was kann man
halt machen? Ich glaube wir sollten nicht
über Metaphern wie Algorithmen-TÜV lachen,
die in die Debatte geworfen werden.
Die aber eigentlich nur meinen, dass man
irgendeine Kontrollinstanz dafür braucht.
Und es ist ein weites Feld.
Gesundheitsalgorithmen muss man anders
regulieren als Facebook-Algorithmen. Es
geht um Geschäftsgeheimnisse, die muss man
auflockern können, damit man halt
Unternehmen besser kontrollieren kann. Wir
müssen Sicherheitsgesetzt und
Urheberrechtsgesetze abändert, damit
besser was überprüft werden kann. Und wir
brauchen vollkommen möglicherweise neue
Kontrollinstitutionen irgendwo zwischen
Datenschutzbehörden und Kartellämtern, ob
das eine Digitalagentur wird oder nicht,
um halt mit ausreichend Personal
Technologiefolgeabschätzung machen zu
können. Und gegebenenfalls einzelne
Unternehmen, Geschäftsmodelle auch
kontrollieren zu können. Ich könnte da
stundenlang noch drüber reden, aber geht
leider nicht. Anderes Feld, wo wir großen
Nachholbedarf haben, Digital- und
Medienkompetenz. Wir sind wahrscheinlich
alle, indem wir uns das selbst beigebracht
haben, gegenseitig beigebracht haben,
relativ digital kompetent. Aber
Digitalkompetenz umfasst unfassbar viel.
Und dann fragt euch mal, wer unterrichtet
eigentlich unsere Eltern da drin? Wo
werden die abgeholt? Ich glaube das ist
eine der größten Herausforderungen, vor
der wir stehen. An viele Teile der
Gesellschaft unterschiedlich
Digitalkompetenzen zu vermitteln auf allen
möglichen Feldern, das kostet Geld. Wenn
man sich bisher die Haushalte anschaut, wo
Geld verwendet wird, um unsere
Gesellschaft zum Laufen zu bringen, finden
man für Medien- und Digitalkompetenz fast
nichts. Obwohl seit 20 Jahren jeder
Politiker verspricht, Medienkompetenz ist
wichtig, sollte gefördert werden, findet
man es kaum in den Haushalten, das ist ein
Unding. Anderes Ding, was gerade läuft,
immer noch heiter bis wolkig, ePrivacy-
Direktive auf EU-Ebene. Ingo hat eben,
Ingo Dachwitz von Netzpolitik.org hat da
eben einen Vortag drüber gehalten. Da gibt
es die einmalige Chance, mehr
Verbraucherrechte noch zusätzlich
gegenüber Tracking, gegenüber der
Werbeindustrie durchzusetzen.
Privacy by default in Browsern zum
Beispiel durchzusetzen, Grenzen für
Offline-Tracking zu machen, Recht auf
Verschlüsselung durchzusetzen, dass halt
alles auch Ende zu Ende verschlüsselt
werden muss. Transparentberichte bei
staatlichen Behörden durchzusetzen, das
könnte alles mit der ePrivacy-Richtlinie
kommen, aber es gibt auch sehr viel
Widerstand. Das ist ein Angriff auf die
Demokratie, ein Angriff auf den freien
Journalismus, erzählen am liebsten
irgendwie Zeitungsverleger. Also als
jemand, der freien Journalismus im Netz
macht, kann ich nur sagen, das ist kein
Angriff auf den freien Journalismus, das
ist ein Angriff auf schlechte
Geschäftsmodelle, die uns überwachen, die
dafür sind, dass wir überwacht werden mit
intransparenter Überwachung und Tracking.
Und man kann auch bessere Geschäftsmodelle
entwickeln, um Journalismus zu
finanzieren. Kommen wir zum Sonnenschein.
Applaus
Markus: Bevor ich euch noch mehr schlechte
Laune bringe, es gibt auch super viele
schöne Beispiele, die auch hier auf dem
Kongress sind, die aus unseren Communities
kommen. Jugend hackt zeigt, dass auch wir
uns bei Teilen der Jugend keine Sorgen
machen müssen, die werden später mal
besser sein als wir. Der Prototype Fund
ist eines der schönen Beispiele, wie man
durch Lobbying einer digitalen
Zivilgesellschaft aus dem
Forschungsministerium Millionen Euro
bekommen hat, um OpenSource-Projekte zu
fördern. Es gab es früher nicht, dass man
für coole OpenSource-Projekte in
Deutschland 30-50.000 Euro bekommen
konnte. Es ist heute immer noch einfacher,
1 Million Euro für ein Startup zu
bekommen, was man gegen die Wand setzen
kann - fragt mal Christian Lindner - als
10.000 Euro zu bekommen, um ein cooles
OpenSource-Projekt, was die Welt verändern
kann, zu programmieren. Und das ist ein
Unding. Aber der Prototype Fund ist hier
ein schönes Bespiel, der zeigt, es geht
auch besser. Aber er ist auch nur ein
Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen
viel mehr. Wenn die Bundesregierung immer
sagt, Wirtschaft fördern, digitale
Wirtschaft fördern und da Milliarden
reinsteckt, dann müssen wir sagen, wir
wollen auch, dass die digitale Demokratie
gefördert wird, dass da die wenigsten
Millionen reingesteckt werden, da wird
nämlich bisher noch nichts reingesteckt
und das ist eigentlich ein Skandal, dass
man als digitale Zivilgesellschaft bei
Google und Co. mehr Geld bekommen kann als
bei unserer Regierung, bei dem Staat, den
wir aus unseren Steuergeldern bezahlen und
dessen Aufgabe es eigentlich sein sollte.
Applaus
Markus: Es gibt viele andere schöne
Beispiele, wo es aber auch ein bisschen
Hoffnung gibt, dass es noch besser wird.
Ich war total zuletzt verwundert, ich habe
meiner 80-jährigen Tante Signal
installiert und die hat das sofort
verstanden. Ich dachte so, Zukunft ist da,
toll. Jetzt schickt sie mir lustige
Bilder, das ist der Nachteil, aber okay,
besser als nichts. Ich kam drum herum, mir
WhatsApp installieren zu müssen. Auf jeden
Fall, Verschlüsselung wird immer
einfacher, Verschlüsselung wird immer mehr
eingebaut. Immer mehr Menschen verstehen
sich für Verschlüsselung oder für
datenschutzfreundliche E-Mail-Provider zum
Beispiel zu interessieren, die auch zu
nutzen. Das ist eine bewusste
Konsumentscheidung. Diesen Gedanken müssen
wir weitertragen. Sich für
datenschutzfreundliche Lösungen
einzusetzen, sie zu nutzen, ist ähnlich
vergleichbar mit Müll trennen und
Bioprodukte kaufen. Und das ist ein, ja
zumindest gibt es ein bisschen Hoffnung
für die Zukunft. Calliope ist ein schönes
Projekt, was hinten im KinderSpace viel
ausprobiert wird, wo man auf Basis von
OpenHardware mit viel
OpenEducationalRessources einen kleinen
Schulcomputer gebaut hat, der ja quasi
Kindern ab 8 Jahren - die sollten schon am
besten schreiben können - ermöglicht mit
Computern rumzuspielen, die Technik
dahinter zu erlernen. Und schön ist, dass
die ganzen Communities drumherum ja mit
offenen Bildungsmaterialien gefüttert
werden. Es gibt viele Beispiele auf
lokaler Ebene, das Verschwörhaus in Ulm
ist so ein Beispiel, wo sich auf einmal
Communities treffen können. Und das schöne
am Verschwörhaus ist, das wird von der
Stadt Ulm finanziert. Und das ist ein
schönes Leuchtturmprojekt, um zu zeigen,
ja das könnt ihr in eurer Stadt auch
erreichen. Und Freifunk hatten wir eben
schon, nochmal großen tausend dank an
Freifunk, die es einfach in Deutschland
als Community geschafft haben, mehr offene
Hotspots zu schaffen als die meisten
Kommunen und der Staat zusammen in den
letzten Jahren es verteilt haben.
Applaus
Markus: Weiteres schönes Projekt
„Luftdateninfo“. Gibt es hier auch, hinten
ist ein Feinstsaubsensor auch am
KinderSpace installiert. Es gibt
mittlerweile fast 3.000 Orte, wo Feinstaub
gemessen wird, und zwar kann man sich das
selbst bauen, ans Netz anschließen und
fertig ist es. Von diesen 3.000 sind 2.000
alleine in Deutschland installiert. Es ist
ein deutsches OpenData-Projekt und es gab
keine Feinstaubmessung bisher. Spannend
wird sein, wenn Silvester in Echtzeit -
all 2-3 Minuten werden die Daten ermittelt
- irgendwie die Karte auf einmal ganz rot
wird, um zu zeigen, dass wir da eigentlich
alle in einer verpesteten Luft gerade
stehen, während alle um uns herum Böller
ballern. Das letzte was wir noch haben
Wikimedia. All die OpenSource-Projekte.
Also im Endeffekt, es gibt nicht nur Grund
depressiv zu sein. Es gibt viel Hoffnung
darauf, dass eine andere digitale
Gesellschaft möglich ist. Und viele
OpenSource-Projekte, viele Projekte, die
hier präsentiert werden, viele Projekte,
die ihr mitmacht, sind diese positive
Vision, die wir haben, die wir größer
machen müssen, die wir in den Rest der
Gesellschaft reintragen müssen. Gut das
war so ein bisschen der Überblick. Wer
nochmal sich für netzpolitische Debatten,
für teilweise diese Debatten im Detail
interessiert, die Rights and Freedom Stage
von Edri und EFF auf hinten Ebene 3, Saal
1, keine Ahnung bietet da noch ein
Extraprogramm, was sich so nicht findet.
Ansonsten freue ich mich über das Motto
„Tu wat“. Eine lebenswerte digitale
Gesellschaft ist möglich, wenn wir dafür
kämpfen. Wir sagen immer, Fight for your
digital rights, es ist unser Netz, es ist
dein Netz, wir können unser Netz
verteidigen, wir können es ausbauen, wir
können eine positive Vision dagegensetzen.
Wir sagen auch immer, nicht aufgeben, das
ist ein langer Kampf, das ist ein langer
Krieg, das ist ein Kulturkampf, in dem wir
drinstecken, wahrscheinlich mehrere
Kulturkämpfe, analog, digital, offen,
geschlossen, liberal, rassistisch, wir
müssen ihn kämpfen. Wir müssen aufstehen, wir
müssen immer weitermachen. Und wenn ihr es
nicht schafft, unterstützt die, die das
für euch machen. Wir können immer Spenden
gebrauchen, insofern Dankeschön.
Applaus
34c3 outro
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2018. Mach mit und hilf uns!