Hallo. (Publikum) Hallo. Ich bin Mike und süchtig. (P) Hallo, Mike. Vor 16 Jahren stand ich unter Alkohol und Drogen -- vom Aufwachen morgens bis nachts zum Einschlafen. Ich wollte nur eins: high sein. Ich flog von der Schule, aus allen Jobs, ich flog von zu Hause raus. Ich hatte nicht einmal Geld; das, was ich kriegen konnte, klaute ich meinen Freunden. Ich hatte auch keinen Gürtel. Die Hose hielt ich mit einem Strick fest. Meine Geschichte ist typisch. 64 % der Erwachsenen haben einen Freund oder Verwandten, der trinkt oder Drogen nimmt. Das war ich. Ich war überzeugt, dass ich mit 30 tot wäre. Nach diesen Informationen klingt mein Vorschlag sicher verwirrend: Führungskräfte sollten ihre Organisationen wie Süchtige führen. Süchtige sind anders. Wir nehmen das Zeug immer oder gar nicht. Genauso funktioniert Entzug -- an jedem einzelnen Tag. Als ich clean wurde, gab man mir 3 wichtige Prinzipien mit auf den Weg. Um zu überleben, müsse ich sie täglich anwenden. Ich sollte kompromisslos ich selbst sein, Ergebnisse akzeptieren und unangenehme Arbeit tun. Das half mir nicht nur, zu überleben. Mein Thema ist nicht, wie ich clean wurde und trotz der Sucht Erfolg hatte, sondern warum gerade die Sucht zu meinem Erfolg führte. Die Geschichte begann mit Entzug in 12 Phasen und ich ging zu Meetings. Auf Meetings teilt man sich mit. Ich wollte der beste Süchtige sein, also imponierte ich allen, gab vor, die Prinzipien zu beherrschen, obwohl ich sie nicht verstand. Monate später kam ich mit solchen Schmerzen zum Meeting, dass ich einen Rückfall befürchtete. Also redete ich zum ersten Mal offen -- verletzlich, emotional, chaotisch. Ich war völlig durcheinander -- einfach erbärmlich. Nach dem Meeting kam ein anderer Süchtiger auf mich zu. Er hieß Tim, war seit 15 Jahren clean, ein Biker mit Spitzbart, etwas einschüchternd. Er sagte: "Mike, das war das Beste, was du uns je gesagt hast." Ich: "Nein, Mann, das Schlechteste. Wovon redest du da?" Er: "Das war zum ersten Mal echt. So machen wir das hier. Weiter so und du bleibst clean." Zum ersten Mal hatte mir jemand gesagt, dass es gut war, ich selbst zu sein. Ich stand auch zum ersten Mal neben einem Typ in Harley-Lederkluft. Neu für mich, dass sie Klamotten machen. (Gelächter) Ich fand das erst als Süchtiger heraus. Da gab es also zum einen diese Prinzipien in den Meetings und zum anderen draußen in der echten Welt. Als ich clean wurde, kam ich in ein Rehazentrum. Dort sagte der Leiter zu mir: "In fünf Werktagen hast du Arbeit, sonst fliegst du." Ich fragte mich: "Was ist ein Werktag?" Als Süchtiger wusste ich das nicht. Ich dachte: "3 Jahre bin ich ohne Job. Wie finde ich einen in 5 Tagen?" Ich fing an zu suchen und sah eine Stelle bei "Sam Goody". "Sam Goody" war ein CD-Laden. Wer nicht weiß, was eine CD ist: im Prinzip eine Art analoges Spotify. (Gelächter) Dort hatte ich schon gearbeitet, also bewarb ich mich. Dabei überging ich die letzten 3 Jahre, denn ich wusste, "starker Drogenkonsum" würde mich den Job kosten. Im Zentrum rief ich meinen Betreuer wegen des Vorstellungsgesprächs an: "Wie soll ich auf Fragen zu den unerwähnten Jahren reagieren?" Er sagte: "Mike, ganz einfach -- sag die Wahrheit." "Okay." Ich: "Mann, dein Engagement für die 3 Prinzipien ist super. Toll bei den Meetings, aber das hier ist die echte Welt. Als Süchtiger kriege ich den Job nicht und lande auf der Straße. Also was?" Er: "Mike, es geht nicht um den Job, auch nicht um das Rehazentrum. Sondern: 'Willst du du selbst sein, Ergebnisse akzeptieren, unangenehme Arbeit tun, egal wie?' Also: 'Willst du clean bleiben?'" Er war nicht mein Führungstrainer, also musste ich den Vorschlag annehmen. Er war ein Süchtiger, der mich betreute und am Leben erhielt. Also ging ich zum Vorstellungsgespräch und sagte die Wahrheit. Am Ende sagte der Manager: "Wann können Sie anfangen?" Ich bekam an diesem Tag nicht nur den Job. Ich begriff, in der echten Welt würde ich immer eine Maske tragen. An diesem Tag trat ich mit meinem wahren Gesicht auf. Ich nahm diese und die anderen 16 Masken meines Lebens, warf sie weg und erfuhr die Freiheit, nur mein Gesicht zu tragen. Die Feuerprobe kam ein Jahr später im Amerika des Big Business, wo man Ergebnisse nicht einfach akzeptieren und man selbst sein kann. Dort ist die Versuchung groß, sich zu verleugnen, sich über nicht steuerbare Ergebnisse aufzuregen, über Leichen zu gehen, um voranzukommen. Doch als Süchtiger ging ich nach wie vor zu den Treffen, praktizierte die 3 Prinzipien und dachte zunächst, sie würden mich bremsen. Doch in 8 Jahren wurde ich 8 Mal befördert -- und zwar wegen der 3 Prinzipien. Man vertraute mir, weil ich ich selbst war. Ich war effizient, da ich mich nicht über nicht steuerbare Ergebnisse aufregte, und immer bereit, die unangenehme Arbeit zu tun. Meine Ergebnisse waren also vorhersehbar und seriös. Angeblich beherrscht man eine Fertigkeit nach 10.000 Stunden. Für die 3 Prinzipien war das meine Zeit in Big-Business-Amerika. Aber ich bekam das Training nicht von meiner milliardenschweren Firma. Dort arbeitete ich am Tag -- die 10.000 Stunden absolvierte ich abends mit Süchtigen bei Meetings. Nach 15 Jahren gehe ich immer noch jede Woche hin. Seit 9 Jahren bin ich nicht mehr auf der Suche nach dem Rausch; ich bin Manager. Als ich jung war, träumte ich davon, eine eigene Firma zu leiten. Doch die Sucht tötete diesen Traum. Beim Entzug sagte man mir, alte Träume könnten noch wahr werden. Dank der 3 Prinzipien kehrte der Traum zurück. Mit einem Partner gründete ich eine Firma, verließ Big-Business-Amerika. Wir waren die erste patientengesteuerte Online-Plattform für Gesundheit. Doch das war 2010, die Wirtschaft war instabil -- wir waren Neulinge, hatten keine Investoren und eigentlich keine Chancen. Trotzdem plünderten wir dummerweise unsere Sparkonten, zahlten keine Altersvorsorge mehr, reizten die Kreditkarten aus -- was man nicht tun sollte, wie ich später feststellte. Wir zahlten der Citibank solche Zinsen, dass sie als Investor durchgehen würde. (Gelächter) Wir steckten alles in die Firma. Im ersten Jahr rekrutierten wir fünf Krankenhäuser. Super, aber zu wenig zum Überleben. Doch es ergab sich die Chance, weitere 50 dazuzugewinnen, und wir bemühten uns ein halbes Jahr darum. Am 18. November 2010 bekam ich einen Anruf: "Ihr kommt in alle 50 Krankenhäuser." In wenigen Monaten würde unser Umsatz von Tausenden in die Millionen steigen. Ich war erleichtert, aber nicht aufgeregt. Wir hatten alles gegeben. Wir würden ein echtes Büro und ein Gehalt bekommen. Und ich war nicht aufgeregt, weil ich am nächsten Tag merkte, dass es nicht so kommen würde. In diesen 24 Stunden versagte unsere Software in einem Krankenhaus, das zu den 50 unter Vertrag gehörte. Wie sah es für uns aus? Wir mussten laut Vertrag den Kunden informieren. Doch wir wussten, dann würde der Vertrag mit den 50 platzen und wir wären als junge Firma wohl aus dem Geschäft. Zum Glück ging es nur um einen Patienten Die Software betraf nicht die Gesundheit. Patient und Krankenhaus wussten nichts -- nur wir. Darauf ein Kollege: "Wir sagen einfach nichts. Dort ist alles okay, doch uns tut es weh. Wir lösen das Problem und machen weiter." Ich war neu als CEO, hatte nie so etwas entscheiden müssen. In dem Moment klingelte mein Handy. Es war ein Süchtiger, den ich inzwischen betreute. Er laborierte an einem Riesenproblem herum. Fast automatisch wiederholte ich ihm die Worte meines Betreuers: "Mann, es ist einfach: Sei du selbst, akzeptiere das Ergebnis und tu unangenehme Arbeit. So einfach ist das." Bei Auflegen begriff ich plötzlich: "Mann, meine Entscheidung ist so einfach. Ich muss es ihnen sagen." Also rief ich an und berichtete von der Panne. Voller Spannung wartete ich auf die Reaktion. Und die Kundin brach einfach in schallendes Gelächter aus. Sie lachte mich aus, kicherte wie bei einem lustigen Film -- dabei stand meine finanzielle Zukunft auf dem Spiel. Ich wusste nicht, wie ich das interpretieren sollte. Endlich fasste sie sich und sagte: "Solche Anrufe kommen wegen 20.000 Patienten, nicht einem. Bei manchen Partnern betrifft es 1 oder 2 Patienten. Aber sie sagen mir nichts davon." Ich darauf: "Was bedeutet das für unsere Expansionsmöglichkeit auf 50?" Sie: "Wir machen weiter. Jetzt weiß ich erst recht, dass ich euch trauen kann." Mit den 3 Prinzipien haben wir keine Firma zerstört, sondern eine aufgebaut. Innerhalb von 18 Monaten expandierten wir gemeinsam landesweit -- von 5 Krankenhäusern auf über 100. Wir integrierten die 3 Prinzipien sogar bei Bewerbungen. Bei Vorstellungsgesprächen stellte ich immer dieselbe Frage: "Was ist Ihre größte Schwäche?" Die Antwort war meistens etwa: "Ich arbeite zu viel." (Gelächter) Ich darauf: "Super Antwort. Sie haben eine Stärke zu einer Schwäche gemacht. (Gelächter) Als Mensch wüsste ich sehr gern: Was ist eine Ihrer Schwächen?" Dann kommt etwas wie: "Vielleicht kaufe ich zu viele Schuhe?" Ich: "Dann sage ich Ihnen, was ich eigentlich will. Eine meiner größten Schwächen ist, dass ich hart für etwas arbeite, aber mich nicht über den Erfolg freue. Das dämpft die Freude der anderen, legt sich auf die Stimmung. Wir feiern Siege nicht. Das kann ich nicht zu einer Stärke machen. Für Sie als Mensch auf dieser Erde -- was gehört zu Ihren größten Schwächen?" Ich weiß, das ist krass, doch wer im Gespräch nicht er selbst ist und nicht akzeptieren kann, dass er den Job wegen einer Schwäche vielleicht nicht kriegt, der tut sicher nicht die unangenehme Arbeit für Team, Partner und Patienten -- also stelle ich ihn nicht ein. Wir bauten eine Firma mit 50 Leuten auf, die diese Prinzipien als Wettbewerbsvorteil anwenden. Wir konkurrierten mit Betrieben mit 600 Mitarbeitern oder 150 Millionen Risikokapital gegen meine Kreditkarte und wir waren besser. Denn unsere Partner wussten: Wir waren wir selbst und ehrlich bezüglich Stärken und Schwächen. Wir sagten, was wir wussten und was nicht. Wir akzeptierten Firmenbeschlüsse. Bitten, die Software zum Nachteil von Patienten zu ändern, lehnten wir ab und erklärten, warum. Wenn mit Vertragsauflösung gedroht wurde, akzeptierten wir selbst das. Der Aufbau einer solchen Firma bedeutet eine Menge unangenehme Arbeit. Doch wir wuchsen in 5 Jahren um 20.000 %, expandierten in 30 Länder, landeten auf dem Inc. 500 als eine der am schnellsten wachsenden US-Firma ohne Fremdkaptial und bekamen immer wieder den Preis "Bester Arbeitsplatz der Nation". Betrachten wir das aus anderer Perspektive. Superhelden -- es gibt sie überall. Man stößt auf sie in fast jedem Film und im Fernsehen. Wir sind besessen von ihnen. Sie sind stark, haben Kräfte, die uns fehlen. Wir lieben es, wenn sie die Welt für uns retten. Doch Superhelden müssen ihre Identität verbergen. Auch sie müssen eine Maske tragen. Superman darf nicht verraten, dass er Clark Kent ist und Lois Lane liebt. Aber wir wünschen uns, dass er die Welt rettet. Was sagt das über uns? Der Held meiner Kindheit war nicht Superman, sondern ein CEO. Aber ich wurde süchtig, kotzte Blut, log und stahl für die Sucht. Ich wusste nicht, dass die 3 Prinzipien meinen Traum erfüllen könnten. Wie hätte ich das wissen können? Laut einer Studie der University of Massachusetts kommen 60 Prozent der Erwachsenen keine 10 Minuten ohne Lüge aus. Wir wachsen also in einer Welt auf, in der sich die meisten Menschen selbst verleugnen -- alle 10 Minuten. Aber wir verherrlichen Superhelden, verbergen unser wahres Ich und stellen CEOs auf ein Podest. Ja, ich bin einer geworden, aber nicht, weil ich es wollte. Ich war nur süchtig und wollte leben. Ich wollte ich selbst sein, Ergebnisse akzeptieren, unangenehme Arbeit tun. Zuerst tat ich nicht einmal das: Bei den Meetings wollte ich imponieren. Doch dann imponierte es mir, ich selbst zu sein. Draußen in der Welt dachte ich, ich müsse mein wahres Ich verstecken. Doch man sagte mir: "Akzeptiere das Ergebnis" und ich bekam den Job. Im Big-Business-Amerika dachte ich, die Prinzipien würden mich bremsen. Doch ihretwegen wurde ich in 8 Jahren 8 Mal befördert. Als Unternehmer riskiert man alles -- eine Entscheidung kann Erfolg oder Scheitern bedeuten, und Lügen schienen der Weg zum Erfolg zu sein. Doch dank der 3 Prinzipien gelang uns der Aufbau eines wegweisenden Unternehmen. So sind Süchtige: Im Fokus stehen entweder der Kick oder die 3 Prinzipien. So einfach ist das. Wir legen den Fokus auf das, was uns umbringt oder was uns rettet. Nach 15 Jahren auf Entzug bezeichne ich mich immer noch als süchtig und ich werde es immer sein. Dagegen kann ich nichts tun, das bleibt. Aber ich entscheide jeden Tag, ob ich auf Entzug bleibe und nach den 3 Prinzipien lebe. Laut Statistik wird dieser Vortrag von Süchtigen angeschaut, die sich abquälen. Ihnen will ich etwas sagen. Wenn Sie süchtig sind und kämpfen, sind Sie nicht allein -- Sie sind nicht allein. Während dieses Vortrags heute gehen weltweit Millionen Süchtige zu einem Meeting, Sie üben dort, sie selbst zu sein, Ergebnisse zu akzeptieren und unangenehme Arbeit zu tun. Wenn Sie sich ihnen anschließen, brauchen Sie nie wieder Drogen. Das Schlechteste an Ihnen kann das Beste an Ihnen werden. Es kann Ihr Wettbewerbsvorteil werden. Man wird erkennen, dass Sie anders sind, weil Sie nach den 3 Prinzipien leben. Wenn Sie Menschen führen wollen, wird man Ihnen folgen. Denn wo die 3 Prinzipien zur Wahl stehen, wird deutlich: Für Sie sind das keine Geschäfts-, sondern Lebensentscheidungen -- deshalb wollen Ihnen die Menschen folgen. Sie werden nicht nur überleben, Sie werden Erfolg haben. Allen anderen möchte ich sagen: Diese 3 Prinzipien stehen uns allen zur Verfügung. Süchtige haben kein Alleinrecht darauf, aber eine besondere Motivation: Ohne sie sterben wir -- und wir wissen, wo wir sie anwenden können. Doch das können alle Führungskräfte. Also sollten Sie sich als Führungskraft fragen: Wie konsequent wollen Sie diese Prinzipien anwenden? Und wir anderen sollten uns vielmehr fragen: Warum würden wir jemandem folgen, der nicht danach lebt? Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der Führungskräfte weltweit kompromisslos sie selbst wären, Ergebnisse akzeptierten und unangenehme Arbeit täten, als ob davon ihr Leben abhinge. Nicht nur konsequent -- sondern als ob davon ihr Leben abhinge. Wie könnte sich die Welt verändern? Wie würde sich Ihr Job ändern? Wie würde sich unser Leben ändern? Als Kind war Menschen zu führen mein Traum -- er wurde erfüllt. Nicht, weil ich unbedingt Erfolg haben oder CEO werden wollte, sondern weil ich, um clean zu bleiben, in den letzten 15 Jahren tat, was Süchtige tun. Danke. (Applaus) (Jubel)