32C3-Vorspannmusik
Herald: Freut mich sehr, ich freue
mich auch sehr auf unseren Speaker!
Ich will euch nicht lange aufhalten. So
Blackouts sind schon eine unangenehme Sache,
hat jeder vielleicht schon Mal erlebt. Naja.
Möchte man nicht haben. Wie man sowas
erzeugen kann, und vor allem auch wie man
so etwas verhindern kann, das verrät euch
jetzt unser nächster Speaker. Ich begrüße
ganz herzlich: Mathias Dalheimer.
Applaus
Dalheimer: Ja, Tag 4, ihr plant bestimmt
schon eure Heimreise. Insofern
vielen Dank, dass so viele von euch
gekommen sind. Zeigt vielleicht auch,
dass das ein Thema ist, was eine gewisse
Signifikanz hat. Normalerweise, wenn man
einen Talk über ‚Blackout‘ beginnt, fängt
man an mit einem Buch von Mark Elsberg
namens „Blackout“. Ich mag dieses Buch
viel lieber: das ist quasi die Grundlage
von dem Roman. Das ist eine Studie vom
Büro für Technikfolgenabschätzung
beim Deutschen Bundestag. Und diese
Leute haben sich einfach mal auf einer
wissenschaftlichen Ebene damit beschäftigt
und überlegt, was sind eigentlich
Mechanismen wenn so ein Blackout passiert,
also ein langanhaltender, großräumiger
Stromausfall. Kurzresumee: nach etwa
5 Tagen hätten wir in Deutschland
vermutlich bürgerkriegsähnliche
Zustände. Insofern ist
woohoo aus dem Publikum
das Risiko… Gelächter
Weiß ich jetzt nicht so genau ob das
‚woohoo‘ ist, aber das Risiko ist
vielleicht relativ klein, aber der Impact
ist sehr groß. So. Wie zuverlässig
ist denn überhaupt unser Stromnetz? Naja,
es gibt natürlich Monitoring, das macht
die Bundesnetzagentur. Und auch
in Europa andere Organisationen.
Und die berechnen den sogenannten System-
Average-Interruption-Duration-Index.
Das muss ich immer ablesen,
weil das ist ein hässliches Ding.
Das ist im Endeffekt eine
einfache Kennzahl die sagt,
innerhalb eines Jahres, wie viele Minuten
war denn kein Strom im Durchschnitt
für einen Netzverbraucher,
also für einen Stromkunden, verfügbar.
Und wenn man sich das ankuckt, sind das so
ich sag mal grob, roundabout, 13 Minuten.
Das ist jetzt der Zeitraum für Deutschland
von 2008 bis 2014 geplottet.
In dem Zeitraum haben die erneuerbaren
Energien einen sehr großen Zuwachs
erfahren. Wir sind mittlerweile bei etwa
30% der Energie, die aus regenerativen
Kräften kommt. Man kann anhand von dieser…
Applaus
Man kann anhand von diesen
Zahlen jetzt nicht nachweisen
„okay, Erneuerbare gefährden
das Stromnetz.“
Sie haben andere Effekte,
und da kommen wir später dazu.
Bleiben wir noch ein bisschen
bei diesem SAIDI.
Wie wird der berechnet? Naja, es gibt
im §52 Energiewirtschaftsgesetz
eine Meldepflicht für die Versorger,
wenn irgendwo länger als 3 Minuten
Stromausfall ist, dann muss
das gemeldet werden.
Die Bundesnetzagentur betreibt dafür
einen XML-basierten Webservice,
speichert das Ganze in einer SQL-Datenbank
und berechnet dann diesen Kennwert und
legt da auch einen Rechenschaftsbericht
vor. Bzw. keinen Rechenschaftsbericht aber
einen Bericht vor, und
wertet diese Daten aus.
Das ist geil, Informationsfreiheitsgesetz:
„Ich hätte gerne diese Datenbank!“
War ein Prozess von 9 Monaten…
War etwas…
Raunen und Applaus
lacht
Applaus
Das war etwas, nennen wir es
„schmerzvolle Erfahrung“ auf meiner Seite.
Die Bundesnetzagentur und ich haben
unterschiedliche Rechtsauffassungen
was den Inhalt betrifft.
Ich gehe davon aus, dass die frei
verfügbar sein müsste, bis jetzt habe ich
nicht alle Daten bekommen. Ich habe
ein Subset dieser Meldedaten bekommen.
Und wenn man jetzt da einfach mal kuckt,
der erste Ausfall ist vom 1.1.2008,
der letzte Ausfall vom 31.12.2013.
Das ist quasi meine Datengrundlage, mal
einfach die Ausfallursachen grob aufsummiert.
Abgesehen davon, dass sie anscheinend
ein Problem mit UTF-8-Encoding haben…
Lachen und Applaus
…gibt es auch die kuriose
Ausfallursache „Bitte wählen“.
Gelächter
Ich sag’s mal so: Die input validation
wäre verbesserungswürdig
an dieser Stelle. Aber Spaß beiseite,
die Daten an sich sind relativ
aussagekräftig. Das ist jetzt
einfach mal geplottet. Pro Punkt
müsst ihr euch einen Stromausfall
vorstellen, auf der y-Achse
die ausgefallene Leistung mal die Dauer,
also wie groß war diese Störung.
Auf der x-Achse die Zeit. Und da sieht
man relativ einfach: das meiste passiert
auf der Niederspannungsebene und
Mittelspannungsebene. Auf den
höheren Netzebenen, also Hoch- und
Höchstspannung, da passiert eigentlich
relativ wenig. Ja, das ist auch so zu
erwarten, weil auf diesen Netzebenen
einfach viel mehr Redundanz vorgehalten
wird und man da einfach mehr Failsafes hat.
Soweit so gut, sieht halbwegs
plausibel aus. Trotzdem vertraue ich
diesem Datensatz nicht.
Und der Grund ist folgendes:
Das ist jetzt ein bisschen komplexer.
Ihr seht wieder auf der x-Achse die Zeit,
auf der y-Achse einfach nur die
kumulierte Anzahl der Stromausfälle.
Was ich eigentlich erwarten würde,
wäre so eine Linie wie die rote da, also
über die Zeit habe ich ein kontinuierliches
Wachstum dieser kumulierten Anzahl.
Diese rote Linie ist auch der
Durchschnitt von allen Versorgern.
Das ist also genau das, was man
eigentlich erwarten würde.
Ich hab jetzt hier in diesen schwarzen
Linien nochmal 10 zufällig ausgewählte,
aber halbwegs repräsentative
Versorger dazugeplottet.
Und wenn man jetzt diesen ganz
da oben, den 641, uns ankucken,
das ist eine Kurve, die eigentlich
sehr seltsam aussieht.
2008 hat dieser Versorger 4 Ausfälle
gemeldet, 2009 waren es 29,
2010 waren wir dann bei 1900,
2011 bei 57, und so weiter.
Und was mich sehr stutzig macht ist,
dass dieser Sprung in 2010
eigentlich eine Gerade ist die exakt
zum Jahreswechsel ihre Steigung verändert.
Also das ist nichts, was ich durch einen
physikalischen Fehlerprozess oder so
erklären kann, das sind eher, sagen
wir mal organisatorische Gründe.
Wie die Bundesnetzagentur diese
Daten bewertet weiß ich nicht,
aber ich hätte da ein paar Fragen
dazu. Also wenn jemand
von der Bundesnetzagentur mir das erklären
kann, wäre ich sehr dankbar dafür.
Insofern, diese offiziellen Statistiken
und das offizielle Monitoring
finde ich im Moment komisch. Wenn ich
auch nicht sagen möchte, dass das alles
Bullshit ist, aber ich habe da Fragen.
Wie funktioniert denn, von der Planung
her, im Moment die Konstruktion
oder die Zuverlässigkeit in unserem
Stromnetz? Es gibt da natürlich
Planungsregeln und Auslegungskriterien.
Das Wichtigste, bzw. das Hauptsächliche
ist die (n-1)-Sicherheit. Die sagt
einfach, wenn ich n Betriebsmittel habe
und eines fällt aus, muss der
Rest immer noch funktionieren.
Brauche ich schon alleine deswegen, weil
ich natürlich auch Wartungen machen muss.
Ich muss ja in der Lage sein, zum Beispiel
mal eine Hochspannungsleitung zu reparieren,
wenn da irgendwas kaputt ist.
Bei diesem Leitermast ist es z.B. so, dass
man 3 Phasen hat die übertragen werden.
Und zwar 2 Leiterseile übertragen jeweils
eine Phase. D. h. ein Seil kann ausfallen
und das andere Seil kann dann im Prinzip
trotzdem den Strom transportieren,
wenn noch entsprechend
Reservekapazität da ist.
So. Lasst uns mal einen
Schritt zurückgehen.
Wie funktioniert überhaupt so
ein Stromversorgungssystem?
Das ist eine Abbildung aus der
Wikipedia die ich an der Stelle
eigentlich immer ganz gerne
verwende. Die ist sehr komplex,
auch wenn sie nur auf einer ganz ganz
hohen Ebene mal einen schnellen Überblick
gibt, was gibt es überhaupt in so einem
Stromnetz. Naja, da gibt es zunächst mal
das Stromnetz selber, gegliedert in
verschiedene Spannungsstufen:
Höchstspannung 220 / 380 Kilovolt,
Hochspannung, Mittelspannung
und Niederspannung.
Das verästelt sich dann quasi auch
in die einzelnen Haushalte rein.
Das was ihr daheim bekommt
ist Niederspannung.
Auf der Höchstspannungsebene versucht
man die Leitungsverluste – durch die
hohe Spannung relativ gering zu halten,
und halt größere Strecken zu überwinden.
Dieser ganze Netzbetrieb ist,
ich sag mal, sehr strikt reguliert
und auch durch die Bundesnetzagentur
mehr oder weniger überwacht.
Dann hat man die Erzeuger,
verschiedene Typen von Kraftwerken,
die auf verschiedenen Netzebenen
angeschlossen sind. Einmal
die großen Dinger: Atomkraftwerke,
Kohlekraftwerke, Großkraftwerke,
die sind auf der obersten Ebene.
Es gibt noch so mittlere Kraftwerke,
städtische Kraftwerke, die dann auf der
Hoch- oder Mittelspannungsebene
angeschlossen sind. Es gibt
Windparks, Solarkraftwerke,
große Anlagen, die auf der
Mittelspannungsebene angeschlossen sind.
Und was jetzt, sag ich mal, neu hinzukommt
und das ist was, wo die Erneuerbaren
wirklich Probleme auch im Stromnetz
machen, ist, dass man Erzeugungseinheiten
auf der niedrigsten Netzebene hat, also
auf der Niederspannungsebene. Das ist aber
nur am Rande, da sag
ich heute nicht viel zu.
Genau, und dann hat man natürlich
noch die Verbraucher. Das sind einmal
industrielle Abnehmer die auch auf höheren
Netzebenen angeschlossen sein können.
Vor allem aber Stadtnetze,
Ortsnetze auf der niedrigen Ebene.
Und wie gesagt, dort findet
auch Einspeisung statt,
mittlerweile.
Wenn ihr euch ‚eine‘ Folie zum
Funktionieren des Stromnetzes merkt,
sollte das ‚diese‘ sein.
Zu jedem Zeitpunkt muss
die erzeugte Leistung gleich der
verbrauchten Leistung sein. Es gibt
so gut wie keine Möglichkeit, Strom in
dieser Größenordnung zu speichern.
Das heißt, in dem Moment, wo ich hier
einen Fernseher anmache muss
an einer anderen Stelle
mehr Strom erzeugt werden.
Ansonsten würde das Ganze nicht
funktionieren. Und die Netzfrequenz,
also diese 50 Hz, die sind quasi der
Indikator für Leistungsungleichgewichte.
Kann man sich vorstellen wie diese
Waage. Wenn Last und Erzeugung
im Gleichgewicht sind, dann zeigt
diese Waage auf 50Hz oben.
Wenn ich jetzt irgendwie zuviel Last in
Relation von meiner Erzeugung hab,
dann sinkt meine Netzfrequenz.
Umgekehrt, wenn ich zu viel Erzeugung habe
für meine Last, dann steigt die
Netzfrequenz. D. h. das ist quasi
der Indikator, mit dem man auch reguliert,
wieviel Strom man jetzt braucht.
Man misst einfach die Netzfrequenz
und kuckt halt, muss ich jetzt mehr
oder weniger Gas, Kohle, Atom,
was auch immer, geben.
Als ich angefangen hab, mich mit dem Thema
zu beschäftigen, gab es noch keine freien
Messdaten dazu. Es gibt natürlich viele
Unternehmen, die sowas messen, es gibt
auch Dienstleister, die sowas messen,
vor allen Dingen für den Stromhandel.
Aber in ‚frei‘ und ‚hochaufgelöst‘
gab es diese Daten schlichtweg nicht.
Ich hab’ dann einfach gesagt:
„Okay, bastel ich mir selber“. Ist ein
Mikrocontroller, ist im Moment ein
Raspberry Pi, hat Optimierungspotential.
Aber es gibt jetzt mehr als 1 1/2 Jahre
an aufgezeichneten Daten
von verschiedenen Messgeräten.
Ich hatte bei der MRMCD dazu mal
einen Talk gehalten, wie das Projekt
im Hintergrund funktioniert, in diesem
Talk nutze ich jetzt nur die Daten.
So, das soll’s auch schon gewesen sein
als Crashkurs in Sachen Stromnetz.
Zurück zum Blackout. Das Szenario,
was man immer wieder in der Presse hört:
Der Hacker greift ein Atomkraftwerk an.
Ist das besonders? Ist das jetzt ein Problem?
Oder wie verhält sich denn unser Stromnetz?
Naja, kann man beobachten. Das ist
das Kernkraftwerk Gundremmingen.
Da gab es am 25.3. – muss ich
mal kucken – diesen Jahres
gab es eine Schnellabschaltung im Block C.
Gundremmingen besteht aus 3 Reaktorblöcken.
Der erste ist nicht mehr in Betrieb,
der zweite wurde zum Ausfallzeitpunkt
gerade gewartet, war also
nicht am Netz. Und der dritte war
am Netz. Dann kam es allerdings
durch die Wartungsarbeiten zu einem
Ausfall der Druckluftversorgung,
wie auch immer das passiert ist,
und es kam zu einer Schnellabschaltung.
Das heißt, so schnell wie möglich
wurde dieses Kraftwerk
halt vom Netz genommen.
Wie viel ist da vom Netz gegangen?
Also, wie groß war jetzt der
Leistungsoutput von diesem
Kraftwerk zu dem Zeitpunkt?
Beim Atomkraftwerk ist das so, dass man
im Prinzip auf die verfügbare Kühlleistung
kuckt: „Kann ich entsprechend meine
Überschusswärme loswerden?“
Das ist der begrenzende Faktor beim
Output von einem Kernkraftwerk.
Ich hab dann mit Wetterdaten ein bisschen
rumgesucht, irgendwann habe ich einfach im
Kraftwerk angerufen in der Presseabteilung.
Die waren auch sehr freundlich und haben
mir gesagt: Okay, das Ding war im Prinzip
unter Volllast, zum Ausfallzeitpunkt knapp
1,3 Gigawatt. Ja und das ist
der Frequenzverlauf dazu.
Ihr seht wieder auf der x-Achse die Zeit,
auf der y-Achse seht ihr die Frequenz.
Man sieht so, am Anfang war das alles
relativ gut bei 50 Hz ausgeregelt,
so wie das normal halt aussieht. Dann
in einem relativ kurzen Zeitfenster,
das sind 19 Sekunden, gibt es
einen radikalen Drop nach unten
von der Frequenz, das macht
etwa 50 Millihertz aus.
Und danach regelt das Netz
direkt das wieder zurück.
Das heißt, der Ausfall von einem einzelnen
Kraftwerk ist quasi fast Rauschen.
Es gibt Ereignisse, die weitaus größer
sind, die ich in meinen Messdaten habe.
Das hier ist kein großes Problem.
Jetzt kann man nochmal kucken,
was wirken denn da für Kräfte?
Ich habe jetzt einfach diese
Frequenzmessung genommen,
die nochmal ein bisschen geglättet
und dann auf den geglätteten Daten,
die ihr oben seht – blaue Linie –
nochmal die erste Ableitung gebildet,
also quasi die Leistungsänderung
pro Zeiteinheit berechnet.
Und diese Leistungsgradienten,
die waren schon ziemlich groß.
Das sind etwa 5 Gigawatt pro Minute,
die man dann in der Spitze hatte.
Das sind natürlich sehr große
mechanische Belastungen,
die dann auch auf so ein Kraftwerk wirken.
Also der Betreiber von dem Kraftwerk
hat sich definitiv nicht gefreut, als da
irgendein Praktikant die Druckluftleitung
geöffnet hat. Ist aber passiert,
war auch kein Problem
fürs Stromnetz. Wie funktioniert denn
jetzt diese Stabilisierung, wie hat’s denn
das Stromnetz geschafft, die
Frequenz wieder zurückzuführen?
Naja.
Da gibt’s im Endeffekt 3 Effekte, die
ich jetzt mal so kurz umreißen werde.
Ich gehe immer vom… in den folgenden
Folien gehe ich immer vom UCTE-
Auslegungsfall aus, das ist quasi die
Dimensionierungsrechnung die man
bei solchen Dingen verwendet. Man geht
von einer relativ niedrigen Netzlast aus,
150 Gigawatt, und nimmt einen
Doppelblockausfall an, also
minus drei Gigawatt als Event. Das
heißt 1 Atomkraftwerk, vielleicht noch
ein bisschen mehr, fällt komplett
aus, mit zwei Blöcken.
So, und jetzt gibt es 3 Effekte
die kumulativ wirken.
Ihr müsst euch immer die
Kurven addiert vorstellen.
Der Erste ist hier diese blaue Kurve, das
ist das Ausspeichern von Rotationsenergie.
Die zweite Kurve, diese rote, ist
quasi die Rotationsenergie plus
der Netzselbstregeleffekt, und das
dritte ist dann die Primärregelung.
Das ist eigentlich erst eine aktive
Komponente wo was geregelt wird.
Der Rest ist Physik. Und nun
gehen wir jetzt langsam durch.
Zur Rotationsenergie: Das ist die Turbine,
oder die ehemalige Turbine vom Block 2
in Phillipsburg. Das Ding wiegt 190 Tonnen
und dreht sich mit 25 Umdr./Sekunde. Da
hängt jetzt noch eine riesen Generatorwelle
dran, der Generator ist jetzt auch kein
Leichtgewicht, und das ist jetzt nur ein
Gerät in diesem Stromnetz. Das heißt da
ist einfach in der Drehbewegung
wirklich viel Energie gespeichert.
Und das ist die sogenannte Momentanreserve,
was die macht, das ist hier wieder diese
blaue Gerade, die bestimmt mir,
wie schnell die Frequenz abgebremst wird.
Man muss sich vorstellen diese Turbinen
rotieren mit einem Vielfachen
der Frequenz des Stromnetzes,
alle synchron, alle in Europa. Und
wenn jetzt irgendwo was wegfällt,
dann werden alle sich bewegenden
Massen gleichmäßig abgebremst.
Mehr oder minder gleichmäßig, es gibt da
noch andere Effekte. Also im Endeffekt
diese Momentanreserve repräsentiert
die Trägheit aller erzeuger-, aber auch
verbraucherseitigen, rotierenden
Schwungmassen. Es gibt gewisse
frequenzabhängige Lasten, wie Pumpen,
oder Verdichter, die tragen natürlich auch
dazu bei. Also überall, wo ich eine
netzsynchron rotierende Maschine habe,
die trägt zu diesem Effekt bei.
Da kann man wieder gucken,
jetzt alle drei Effekte zusammengerechnet,
wie wirkt sich denn das aus, wenn ich
diese Rotationsenergie verändere? Die wird
charakterisiert durch den etwas sperrigen
Begriff der ‚Netzanlaufzeit‘. Ist
die Netzanlaufzeit relativ klein,
das ist die rote Kurve, kriege ich einen
relativ scharfen initialen Frequenzdip.
Ist sie ein bisschen größer,
bei 20 Sekunden, kriege ich
diesen schwarzen Verlauf. Das sind
übrigens auch empirisch geschätzte Werte,
also so Pi-mal-Daumen in dieser
Range bewegt sich das, in Europa.
Zweiter Effekt, also diese rote Kurve:
der ‚Netzselbstregeleffekt‘.
Der sagt einfach: „Okay, ich habe
1,5% bis 2% Netzlastreduktion
pro Prozent Frequenzverlust“. Diese
frequenzabhängigen Lasten ziehen einfach
weniger Leistung, je
niedriger die Frequenz ist.
Stellt euch einfach einen Asynchronmotor
vor, der da irgendwo dreht.
Wenn ich die Frequenz absenke,
dann kriegt der halt weniger Energie,
und nimmt damit auch weniger Energie auf.
Es sei denn, sie sind durch so einen
Frequenzumformer angebunden, dann gilt
das natürlich nicht. Aber alles was wirklich
netzsynchron läuft, trägt
zu diesem Effekt bei.
Wieder der gleich Plot: ist die
Netzkennzahl relativ gering, rote Linie,
ist mein initialer Dip größer. Ist sie
relativ hoch, fällt der initiale Dip
nicht so groß aus.
Und jetzt kommen wir zur ersten aktiven
Komponente. Das waren jetzt einfach nur
physikalische Effekte, die halt im
europäischen Stromnetz so drin sind.
Jetzt sind wir quasi im Regelsystem
eines Großkraftwerks.
Stellt euch z.B. ein
Atomkraftwerk vor.
Und da gibt es einen Mechanismus namens
‚Primärregelung‘, dessen Aufgabe es
jetzt ist, quasi den Frequenzeinbruch,
weil da irgendwas passiert ist,
wirklich zu begrenzen und wieder
ein bisschen zu stabilisieren.
Ein Schaltbild, Übersichtsbild
aus einem Paper
was ich sehr empfehlen kann, von Elgard (?).
Wer da mehr wissen will über diese ganzen
Effekte, das wäre eure Quelle. Was im
Endeffekt gemacht wird, ist, ich habe
unten bei der „1“ einen Frequenzsensor
und kucke „Was ist denn die aktuelle
Netzfrequenz?“, melde
das an ein Regelsystem
da oben bei der „2“, wo dann im
Prinzip die Rotationsgeschwindigkeit
meiner Generatorwelle verglichen wird
mit der Frequenz, und gekuckt wird:
„Wie passt denn das alles zusammen?
Was wäre eigentlich mein ‚Setpoint‘?
Was ist mein gegenwärtiger Frequenzwert?“
Und da wird im Endeffekt einfach
ein Ventil auf oder zu gemacht, das heißt
es wird mehr oder weniger Dampf
auf meinen Generator gegeben.
Und so gleicht man das aus,
über hydraulische Effekte, über
pneumatische Effekte, und natürlich auch
die Trägheit dieser rotierenden Turbine
hat man eine gewisse Anlaufzeit,
die es einfach braucht. D.h. so ca.
30 Sek. Verzögerung hat man
einfach in diesem System, bis
die Primärregelung wirklich losläuft.
Von der Regelstrategie her
ist das ein simpler Proportionalregler.
Das ist jetzt aus einem Dokument
was die europäischen Netzbetreiber
der EU-Komission vorgelegt haben,
wie dieser Mechanismus
strukturiert werden soll. Im Prinzip,
wenn man eine positive Frequenzabweichung
hat wird die Leistung entsprechend reduziert.
Wenn man eine negative Frequenzabweichung
hat, wird die Leistung entsprechend gesteigert.
Relativ simpel. Und die Steigung dieser
Gerade wird dann – ich sage mal –
pro Kraftwerk über die
Netzbetreiber einfach festgelegt.
D.h. jedes Kraftwerk, was an dieser
Regelung teilnimmt, kriegt so eine Gerade
und regelt dementsprechend.
Okay, zurück nochmal zu Gundremmingen.
Ich habe ein Modell geschrieben, was
ich euch im Prinzip jetzt gezeigt habe,
was diese ganzen Plots macht.
Was das Regelverhalten
des europäischen Stromnetzes
ein bisschen charakterisiert.
Es gibt noch eine Größe die uns fehlt, um
das Modell wirklich sinnvoll laufen lassen
zu können. Und das ist die Netzlast.
Wie viel Strom wurde denn in der Zeit
überhaupt in der EU oder in dem
europäischen Verbundnetz benötigt?
Sieht man einmal auf der x-Achse, Uhrzeit,
also Tageszeit aufgetragen, alles in UTC.
Auf der y-Achse die Netzlast in Megawatt.
Diese Kurve verschiebt sich natürlich im
Jahresverlauf. Man braucht im Winter
Heizung, man braucht mehr Licht.
Im Sommer ist das ein bisschen anders.
Und auch über die Tageszeit
verändert sich diese Kurve.
Wenn man mal so grob, grob
kuckt, Näherung 25. März
7:35 Uhr, als dieser Ausfall war,
würde ich sagen 405 GW
an benötigter elektrischer Energie.
Das ist jetzt im Prinzip meine
Messdaten über dem Modell.
Die grüne Linie ist die
gemessene Netzfrequenz,
die anderen Linien kennt ihr schon.
Und wenn ihr jetzt einfach mal oben
auf die schwarze Linie kuckt,
diese Hockey-Form,
das ist relativ gut auf einem Niveau
angekommen, wie auch der Ausfall
tatsächlich war. Also die
50 mHz die ich gemessen habe
kann ich mit diesem Modell
im Prinzip schon vorhersagen.
Was ich nicht vorhersagen kann ist die
konkrete Form des Frequenzverlaufs.
Das kommt einfach daher, dass natürlich
parallel in Europa noch ein bisschen
mehr passiert als nur dieses eine
Event. D.h. es ist quasi unmöglich,
genau diese Kurve auszurechnen.
Aber so Pi-mal-Daumen
passt das schon ganz gut,
das Modell ist noch nicht
hinreichend kalibriert.
Ich bräuchte einfach mehr
Kernkraftwerk-Schnellabschaltungen,
um das zu machen.
lacht
Gelächter
Applaus
Aber Sinn und Zweck von der Arbeit ist es
jetzt einfach mal, Messdaten zu sammeln,
mal zu kucken wann fallen denn
Kernkraftwerke aus, kann ich das in den
Messdaten nachvollziehen. Und dann halt
anhand von verschiedenen Fällen dieses
Modell weiter zu verfeinern. Um einfach
ein Maß zu haben wie groß ist denn z.B.
die Netzanlaufzeit. Wie groß ist die
momentane Reserve. Wie würde es sich
verhalten bei welcher Ausfallgröße.
So, Zwischenfazit: Was passiert
bei erzeugerseitigen Störungen?
Unabhängig davon, physikalische Effekte
stabilisieren zunächst mal das Netz
in den ersten 10 Sekunden. Ohne die
Physik würde das an der Stelle sowieso
nicht funktionieren, weil wir einfach
keine Regelung haben die so schnell
reagieren könnte. Dann irgendwann
wirkt die Primärregelung.
Wenn ich jetzt einen Blackout verursachen
wollte, müsste ich also einen möglichst
schnellen, hinreichend großen Sprung
in der Netzfrequenz verursachen,
damit es für die Primärregelung
schon zu spät ist.
Gleiches gilt natürlich auch für
Verbraucherausfälle. Also ich kann
das Ganze einfach umdrehen, kann sagen,
okay, ich gehe in Privathaushalte oder
Industrieunternehmen, oder was auch immer,
jeder der Strom verbraucht, wenn ich den
schlagartig vom Netz trenne, geht die
Frequenz halt nach oben. Ist aber
im Prinzip genau der gleiche Zusammenhang.
Gut.
So. Nächster Punkt: was ist denn mit
diesem Übertragungsnetz? Ist ja noch eine
weitere Komponente die im
Prinzip angreifbar wäre.
So ein Übertragungsnetz kann natürlich
ausfallen. Und das passiert auch. Z.B.
am 4.11.2006, etwa 22:10 Uhr,
da wurde die Norwegian Pearl,
das ist dieses schöne Schiff, ausgeliefert
von der Meyer Werft in Papenburg.
Die haben das Problem, dass sie nicht
direkten Zugang zur Nordsee haben. Sondern
die müssen halt über die Ems ihre Schiffe
da irgendwie in die Nordsee transportieren.
Komplizierend an der Stelle ist, das es
da eine Höchstspannungsleitung gibt.
Das ist ein Bild von dieser Leitung.
Damals gab es noch nicht diese roten
Aufständerungen, d.h. die Leitung war
einfach niedriger, und da das ein relativ
großes Schiff ist, war da einfach nicht mehr
genügend Luft, so, dass diese Meyer-Werft
bei E.ON angerufen hat, gesagt hat: „Hier,
können wir die mal irgendwie für eine Stunde
offline nehmen, weil ich würde da gerne
mein Schiff ausliefern.“ E.ON hat das dann
auch gemacht. Man sieht da diese rote
Kurve, das ist Pi mal Daumen der Verlauf
dieser Leitung. Da geht irgendwo die Ems
in die Nordsee. Die haben sich verabredet,
okay, „schalten hier den Strom
ab“, und E.ON hat dann
diese Leitung außer Betrieb genommen.
Und dann gab es so einen kleinen Fuckup.
E.ON hat auf der Seite… Geplant
war, dass die elektrische Leistung
über andere Höchstspannungsleitungen
transportiert wird.
Auf der Seite von E.ON, auf einer Leitung,
hatte man angenommen, dass der Auslösewert
von einem Leitungsschutzschalter bei
3000 A liegt. Auf der Gegenstelle, was
dann im Netzgebiet von RWE war, war der
gleiche Leitungsschutzschalter, allerdings
mit 2100 A spezifiziert. D.h. E.ON hat eine
Netzberechnung gemacht, hat gesagt:
„Naja, ich bin jetzt hier bei 2500. Bei
3000 liegt der…“ – also erfundene Werte,
„ich bin bei 2500“ oder was auch immer –
„…das passt in meinen Auslösewert hinein,
also machen wir das einfach. Das ist safe.“
Hat natürlich dazu geführt, dass diese
Leitung offline ging. Und weil die Situation
im Stromnetz gerade relativ viel
Transportkapazität erfordert hat, gab
es dann eine leichte Kettenreaktion.
Jede dieser Zahlen da auf der Karte steht für
den Ausfall einer Höchstspannungsleitung.
Das ging also im Prinzip einmal quer durch
die Republik, wo die Leitungen halt
ausgefallen sind. Die Konsequenz war,
dass das europäische Verbundnetz in
3 unabhängige Teilnetze zerfallen ist, die
auch unterschiedliche Frequenzen hatten.
Also ihr seht hier Bereiche wie Spanien,
Frankreich die eine Unterfrequenz hatten.
Hamburg hatte eine Überfrequenz.
Und da in Richtung Osten, Area 3,
hatte dann wieder eine
Unterfrequenz. So, eher ungut.
Man sieht auch hier in dem Graph die
3 Netzfrequenzen noch einmal separat
aufgeplottet.
War jetzt nicht so gut. Man hat dann
versucht das Ganze zu reparieren.
Der Ausfall war etwa so um
22:10 Uhr. Man hat dann
um – was ist das hier – 22:34 Uhr,
also 25 Minuten später,
den ersten Versuch gemacht zwei
Teilnetze wieder zusammenzuführen und
zusammenzuschalten. Hat nicht so gut
funktioniert. Man hat dann insgesamt
9 Versuche gebraucht um wirklich wieder
die Netze physikalisch miteinander
zu verbinden. Hat dabei sehr viele
– ich sage mal – Effekte entdeckt
von Frequenzoszillationen. Frequenz
ist hochgegangen. Dann haben die
Windkraftwerke im deutschen Norden gesagt:
„Oh, ich schalte mal besser ab“, dann ist
die Frequenz wieder runtergegangen.
Gelächter
Dann haben die Windkraftanlagen gesagt:
„Oh, die Frequenz ist cool, ich schalte
wieder ein“, dann ist sie wieder hoch!
Also das ist halt kein triviales System.
Es ist eine verdammt komplexe Geschichte,
da sind verdammt viele Gesetze im Spiel,
Vorschriften im Spiel, und wir reden über
etwas europäisches. Also in Italien hat
man ganz andere Schaltschwellen als
in Deutschland. Um das noch mal so ein
bisschen zu abstrahieren und, ja,
vielleicht einfacher greifbar zu machen,
habe ich mir folgendes Szenario überlegt:
Das ist im Endeffekt ein kleines
Python-Skript, was dieses IEEE-24
reliability test system simuliert, also
wirklich die Leistungsflüsse in einem
Ausschnitt des amerikanischen
Höchstspannungsnetzes – ich
weiß nicht wie das dort heißt…
Ihr müsst euch im Prinzip hinter jedem
dieser grünen Kreise ein komplettes
Netzsegment vorstellen. Und halt sagen,
okay, da hängt jetzt eine Menge
hintendran. Da hängt halt irgendwie ein
Bundesland hintendran oder sowas.
Und auch im normalen Betrieb kommt es
vor, dass z.B. wie da unten die Leitung
zwischen (6) und (10) einfach eine
Leitung über Kapazität betrieben wird.
Das ist normaler business. Ich sage
mal das ist jetzt eher so eine ‚leichte‘
Überlastung, das kann
halt auch mehr sein.
So und jetzt mache ich einfach mal da
die Leitung aus, zwischen (14) und (16).
(14) wird weiter versorgt. Das ist die
(N-1)-Sicherheit: „Ist irgendwas
passiert, aber das Ding läuft
weiter“. So, wie man erwartet,
wenn ich die Leitung zwischen (11) und (14)
jetzt kappe, hat (14) keinen Strom mehr.
Aber es gibt auch Effekte darüber hinaus.
Die Leitung zwischen (11) und (13)
transportiert jetzt auf einmal keine
Energie mehr. Was da jetzt genau
dahintersteht, wo welches Kraftwerk ist,
wie man das vorher gespeist hat und so,
das ist halt jetzt hier nicht ersichtlich.
Aber es gibt da nicht-intuitive
Zusammenhänge. Und jetzt mache ich einfach
mal zwischen (3) und (9) die Leitung aus.
Und jetzt passiert eine ganze Menge. Jetzt
habe ich hier z.B. zwischen (8) und (7)
einen Ausfall. Der ist an einer ganz
anderen Stelle. Ich habe zwischen
(16) und (19) eine Leitung die
jetzt so langsam sich erwärmt.
Gelächter
Und zwischen (1) und (3) habe ich
jetzt eine Leitung die mit 250%
ihrer Spezifikation betrieben wird.
Insofern gehe ich davon aus,
okay, die wird auch ausfallen. Und jetzt
habe ich den Fall – es ist wie gesagt
nur ein Beispiel um das ein bisschen
greifbar zu machen – und jetzt habe ich
den Fall, dass (1) im Prinzip zwei verfügbare
funktionierende Leitungen hat, aber
trotzdem nicht versorgt werden kann.
Einfach basierend auf physikalischen
Effekten die jetzt darunterliegen.
Fazit: Stromnetze sind eine
extrem komplexe Geschichte.
Im Prinzip wird jede Schalthandlung die
ein Übertragungsnetzbetreiber so macht
über genau solche Modellrechnungen
nochmal geprüft.
Also: „wenn ich jetzt hier diese Leitung
ausmache, was sind denn die Konsequenzen
für mein Netz?“ Meistens
geht das auch gut. Wird ja
nicht immer so ein Kreuzfahrtschiff
ausgeliefert. Aber inhärent neigen
diese Netze halt zu Kaskadeneffekten.
Wenn irgendwo was überlastet ist, und
irgendwas drumherum noch passiert
dann kann halt mehr passieren.
Weiß man nicht so genau. Und das Verhalten
von so einem Netz ist halt unintuitiv.
Also es ist nicht so einfach, dass man sagt:
„Okay, ich habe jetzt hier meinen Netzplan,
ich mache hier ein X hin, und dann
ist das verständlich“, sondern
das muss man schon wirklich simulieren.
Verschärft wird diese ganze Problematik
jetzt durch den zunehmenden
Stromtransport. Wir haben den
liberalisierten europäischen Energiemarkt.
Strom wird an der Börse gehandelt.
D.h. ich kann als Österreicher
meinen Strom in einem französischen
Kernkraftwerk kaufen, und mir den Strom
einfach herschicken lassen. Die Netze
müssen die Leistung natürlich trotzdem
transportieren. Das ist jetzt von der
Transparenzplattform, der NZuE,
dem Verband der europäischen
Übertragungsnetzbetreiber. Einfach mal
ein willkürlicher Screenshot gemacht.
Die Daten sind online, könnt ihr euch
ankucken. Das ist jetzt eine Situation,
wo durch TransnetBW, durch das
Netzgebiet von TransnetBW
aus Frankreich 1,7 GW
importiert wird, und weitergeleitet wird
in die Schweiz und nach Österreich.
Also das ist ganz normaler Business.
Unabhängig davon was jetzt
innerhalb von dem Netz von Transnet sonst
noch passiert. Das sind jetzt nur
Summenbildungen. D.h. man hat
Stromhandel, man hat die Notwendigkeit
diese Leistungen zu transportieren, und
das belastet einfach die Netze zusätzlich.
Wenn man jetzt sich noch ein bisschen um
den Stromhandel kümmert… Das ist ein event,
auch willkürlich aus meinen Datensätzen
rausgegriffen, das ist keine Besonderheit.
Das ist eine Situation irgendwie aus dem
September 2014, kurz nach Mitternacht,
sieht man dass die Frequenz relativ stark
einbricht. Wenn man jetzt wirklich
Spitze-zu-Spitze mal kuckt, sind
wir so etwa bei 160..170 mHz,
so etwa 3 Atomkraftwerke die da ausfallen.
Das ist etwas was ganz normal ist.
Das ist einfach ein Handelsartefakt. Das
hat keine physikalischen Ursachen, das hat
keine Ursachen dadrin, dass irgendwo
irgendwas ausgefallen ist, sondern das ist
eine Konsequenz des Stromhandels. Ich habe
dann wirklich viele von diesen events
so gefunden und habe mal eine
durchschnittliche Netzfrequenz
über die Tageszeiten geplottet. Also über
1 1/2 Jahre alle meine Daten genommen,
da eine Durchschnitts-Netzfrequenz in
Abhängigkeit von der Uhrzeit geplottet.
Und da kommt dieser Graph raus. Was ich
erwarten würde ist, dass das mehr oder
minder 50 Hz ergibt. Was man aber sieht
ist, dass die mittlere Netzfrequenz
– die schwarze Linie in der Mitte –
deutliche Strukturen aufweist.
Und wenn man sich das ein
bisschen genauer ankuckt
– hier nochmal reingezoomt – so
findet man im Prinzip, dass jede Stunde
so ein Event passiert. Die sind abends…
jetzt muss ich nochmal zurückgehen.
Die gehen abends eher nach unten, morgens
gehen sie eher nach oben, mittags sind
die Events eher kleiner. Aber morgens
und abends größer. Das sind einfach
normale Handelsstrukturen, die dadurch
kommen, dass Strom in Stundenpaketen
gehandelt wird. Bzw. mittlerweile auch
in Viertelstundenpaketen.
Und man sieht halt genau, wann jetzt
einzelne Produkte an diesem Finanzmarkt
ablaufen, und wann jetzt das nächste
Kraftwerk quasi diese Leistung übernimmt.
Das sind einfach Übergänge zwischen
verschiedenen Lieferbeziehungen.
So, das ist jetzt mein Kochrezept für
einen Blackout: Ihr braucht einen
Leistungssprung. Und dieser
Leistungssprung muss schneller sein als
die Frequenzregelung. Ich muss verhindern
dass die Primärregelung da wirklich
eingreifen kann und die Frequenz stützen
kann. Und ich muss mir eine Konstellation
suchen wo ich vielleicht auch noch schaffe,
dass Ausfallkaskaden im Stromnetz selber
passieren. Letztlich ist es ja immer Ziel,
dass ich das Gleichgewicht zwischen
Erzeugung und Verbrauch irgendwie störe.
Konkret, wenn ich Böses vorhätte, was
würde ich tun? Ich würde mir einen Tag
suchen, wo viel Wind da ist. Ganz einfach
deswegen, weil Windkraftanlagen nicht Teil
der Primärregelung sind. D.h. wenn ich
mehr Wind im Netz habe, habe ich
automatisch weniger rotierende Masse in
diesen Großkraftwerken, die aktiv dagegen
wirken. Dann würde ich mir eine Situation
suchen, auf der Basis von Handelsdaten die
man aber einsehen kann, wo ich weiß,
okay, da wird jetzt viel Strom in ein
anderes Netz exportiert. Z.B. nach
Großbritannien. Die sind ein Teil von dem
kontinental-europäischen Netz. Und ich
würde vielleicht einen Stundenwechsel mir
gezielt auskucken wo es sowieso schon
irgendwie Unruhe in diesem System gibt.
Und dann brauche ich nur noch meinen
gezielten, schnellen Lastsprung.
Und das ist im Endeffekt
mein Angriffsplan.
Kurz vor Weihnachten war ich dankbar für
diese heise-Meldung: „Hacker haben Teile
des US-Stromnetzes infiltriert“.
Natürlich. Ob das jetzt Hacker sind, ob
das Regierungen sind, ob das irgendwelche
nicht-transparenten Organisationen sind –
wer auch immer das ist, aber es ist ein
Software-System, und es wird irgendwie
angegriffen werden. Hinzu kommt, dass die
Software-Systeme, die man im Netzbetrieb
einsetzt, ja, das ist halt eine Monokultur.
Von den 800 Netzbetreibern
in Deutschland setzen 300
das System ‚IDS HIGH-LEIT‘ ein.
lacht
ein wenig Gelächter
Insofern, wenn ich einmal in diesem
HIGH-LEIT Produkt eine Schwachstelle
gefunden habe, weiß ich auch wie ich
in die restlichen 299 reinkomme.
Es ist halt eine Monokultur.
Smartmeter – ist natürlich
eine Angriffsfläche. In Deutschland sagt
man immer: „Ah, Smartmeter, da schalte ich
den Haushalt ab“. Nein, mit den deutschen
Smartmetern wird man Haushalte
nicht wirklich abschalten können. Man kann
nur gewisse Geräte in Haushalten abschalten.
Ist auch gar nicht relevant, weil vermutlich
ist es einfacher, in anderen europäischen
Ländern nach nicht so gut geschützten
Smartmeter-Infrastrukturen zu suchen,
und nicht die Smartmeter anzugreifen,
sondern die Steuerzentrale der Smartmeter.
Das ist jetzt einfach mal eine Karte.
Alles was grün ist, sind
Smartmeter-Infrastrukturen, die es
erlauben den Haushalt komplett vom
Stromnetz zu trennen aus der Ferne.
Applaus
Also potenziell – ohne jetzt die Systeme im
Detail so mir angekuckt zu haben,
bzw. nicht herunter auf diese Ebene –
ist es ein Computer-System. Prinzipiell
gibt es da so die Möglichkeit Tarife
umzuschalten. D.h. es gibt
Kommunikationsmöglichkeiten, vielleicht
kann ich auch Zeitpunkte, Schaltzeitpunkte
vorgeben. Und so eine Infrastruktur
ist potentiell auch skriptbar.
D.h. ich könnte mir überlegen: „der
Zeitpunkt ist gut, da bitte einfach mal
halb Frankreich vom Netz nehmen“.
Geht aber viel einfacher.
Gelächter
Es geht mir um einen wirklich
kurzzeitigen Leistungssprung. Ich
kann ja einfach einen Teil des Netzes
manipulieren, ja? Ich habe Stromleitungen
die halt einfach diese Leistung
transportieren. Die sind irgendwo
im Wald. Dann suche ich mir [eine]
entsprechende Stelle aus und zerstöre
einfach mechanisch dort Infrastruktur.
Wenn ich es gut mache, zerstöre ich
natürlich genau die Infrastruktur die am
meisten kritisch ist. Das ist dann eine
Hausaufgabe, die ich nicht erledigen
möchte. Es gibt auch militärische
Waffen dafür, z.B. Graphitbomben.
Das sind einfach Bomben, die Graphitstaub,
oder Kohlestaubfasern freisetzen, die über
Umspannwerke oder Kraftwerke abgefeuert
werden, dort explodieren, halt einen Staub
verursachen, und einfach einen Kurzschluss
machen. Wurde im 2. Golfkrieg eingesetzt.
Wurde im Kosovo-Krieg eingesetzt. Ist also
eigentlich gut abgehangene Technologie,
die verfügbar ist.
Ja, was ist meine Kritik? Naja.
Am Anfang habe ich gesagt:
Auslegungskriterium ist eben dieses
(N-1)-Kriterium. Ein Betriebsmittel fällt
aus, der Rest muss weiterfunktionieren.
Jetzt kommt es aber immer drauf an,
was passiert drumherum? Was macht das
Stromsystem gerade? Und wo sind wirklich
die Schwachpunkte? Und diese systemischen
Schwächen werden halt bei diesem Kalkül
überhaupt nicht mit einbezogen. Wir haben
den Stromhandel, wir haben eine relativ
hohe Netzauslastung – all das macht
schon an sich Lastsprünge. Und ich kann
es vorherberechnen. Die Kaskadeneffekte
sind in der Literatur relativ wenig
betrachtet bislang. Also auch in den
Netzrechnungen ist mir nicht bekannt,
dass Kaskadeneffekte gezielt als
Parameterstudie z.B. untersucht werden.
Und es gibt weitere Effekte, für die ich
allerdings noch nicht die passenden
Messdaten habe. Z.B. Frequenzpendelung: im
Prinzip, die Frequenz schwingt in Europa
von einem Ende, also von Portugal nach –
keine Ahnung, wo ist das, Türkei,
wahrscheinlich der letzte Punkt – gibt es
so eine Pendelbewegung der Netzfrequenz.
Ob das wirklich stabil ist weiß ich
nicht. Da gibt es mittlerweile
bei den Übertragungsnetzbetreibern
Aufzeichnungen. Ich habe einfach noch
nicht genügend außerdeutsche
Messstandorte. Also wenn ihr so eine
Patenschaft für so ein Messgerät
übernehmen möchtet, meldet euch bei mir.
Ich bin euch da sehr dankbar für.
Was tun? Ja, mehr Dezentralisierung wagen.
Es gibt eine VDE-Studie: der zellulare
Ansatz, der eigentlich eher vom…
also die Studie kommt eher aus der
Perspektive von „Wie integrieren wir
Erneuerbare Energien in unser
Energieversorgungssystem? Nicht nur
im Hinblick auf Strom, sondern auch
Wärme usw.“. Aber da wird im Endeffekt
vorgeschlagen, dass man halt relativ
autonome, dezentrale Zellen hat die
Leistung miteinander austauschen können,
die aber für sich selber zunächst mal
autonom funktionieren. D.h. man hat nicht
ein Riesensystem über ganz Europa, sondern
eher kleinere Strukturen. Was braucht man
auch? Man braucht Netzstabilisierung auch
auf der Niederspannungsebene. Stromnetz
wurde nie so gebaut, man hat immer gesagt:
„Okay, Höchstspannungsebene erzeugen
wir den Strom, schicken ihn nach unten,
dort wird er verbraucht.“ Mittlerweile
erzeugen wir halt auch Strom unten und
schicken ihn nach oben. Und verbieten
diesen neuen Anlagen an der Stabilisierung
des Netzes mit teilzunehmen. Also
Primärregelung gibt es nicht in einem
Photovoltaik-Wechselrichter. Das ist an
der Stelle ein komplett passives Ding. Da
muss sich was tun, aber da gibt es
mittlerweile halt auch Bestrebungen
an der Stelle aktiv zu werden und
neue Vorschriften umzusetzen.
Ich hätte gern autonome Zellen im Hinblick
auf das Stromnetz. Ich hätte gern, dass
sich eine Stadt wie z.B. Kaiserslautern
mit ihrem Umland relativ
autonom versorgen kann. Sie muss das nicht
die ganze Zeit tun. Vielleicht passt es
auch mal, dass man mit der Nachbarzelle
was austauscht. Aber wenn das Wetter
gerade gut ist, und das alles
zusammenpasst, dann kann das Ding
eigentlich autonom funktionieren.
So, das ist auch schon
das Ende. Ich möchte mich nochmal
ganz herzlich bei denjenigen bedanken,
die mir im Vorfeld E-Mails geschickt
haben. Ich habe von verschiedenen Seiten
gehört, dass meine Gedanken prinzipiell
schon nicht ganz falsch sein können.
Es gibt anscheinend sehr viele Leute die
sich mit diesem Thema beschäftigen.
Und das finde ich ganz klasse. Wenn ihr
euch die Daten ankucken wollt, wenn ihr
mehr über das Projekt erfahren
wollt – Netsinus – ja.
Und dann bedanke ich mich
für eure Aufmerksamkeit.
Applaus
Herald: Ja danke, Mathias.
Ihr dürft Mathias jetzt Sachen fragen.
Wer Mathias keine Sachen fragen will
sondern rausgehen will, möge das bitte
leise tun, und dabei möglichst
wenig Mate-Flaschen umtreten.
eine Flasche fällt klirrend
Gelächter
Danke!
Mathias lacht meckernd
Danke, das war die achte
während dieses Vortrages. Acht!
Das sind nur acht krumme
der (?) Leute hier drin.
Someone: I’m just the microphone angel…
Herald: Ja, da, bitte!
Ihr seid soweit?
Frage: Ja!
Mathias: Schieß’ los!
Frage: Also vielen Dank für den Vortrag!
Mathias: Gerne!
Frage: Ich habe eine Frage zu den
Flaschenklimpern erzeugt Gelächter
autonomen kleineren Netzen. Wenn man jetzt
Strom einkaufen will, dann muss man ja
letztlich irgendwie eine Frequenzanpassung
machen. D.h. da braucht man
vermutlich große Wechselrichter.
Ist das richtig?
Mathias: Naja, die Wechselrichter hast du
bei den erneuerbaren Anlagen ja sowieso.
Also Windkraft usw. geht
nur über Wechselrichter.
Ich weiß jetzt nicht wohin deine Frage
geht. Magst du es noch mal spezi…
Frage: Also letztlich ist
natürlich die Frage, wie
machbar das bereits ist und ob ich es
richtig verstanden habe, auch so nebenbei.
Mathias: Also machbar… wir sind jetzt
dabei, unser Energieversorgungssystem
sowieso umzukrempeln, über die
Energiewende. Technisch halte ich es für
machbar. Ich denke auch, dass man sowieso
viel im Moment tut um Photovoltaik-Anlagen
zu integrieren. So hoch wird der
Zusatzaufwand jetzt auch nicht sein.
Was ich als größten Stolperstein
da empfinde, ist, dass
natürlich diejenigen, die im Moment ein
fertiges Stromnetz in ihrem Besitz haben,
nicht wollen, dass sich das verändert.
Und da sind einfach sehr große
Lobbys am Werk, die da in die
entgegengesetzte Richtung agieren.
Frage: Danke!
Mathias: Danke!
Herald: Okay, es wäre wirklich respektvoll
gegenüber denen die es interessiert,
wenn ihr leise rausgeht und draußen
anfangt zu erzählen. Danke schön.
Einmal aus dem Internet!
Signal Angel: Das Internet würde
gerne wissen ob es mit verteilten und
synchronisierten Messungen möglich ist,
von der Netzfrequenz, rauszufinden,
wo oder welches Kraftwerk
ausgefallen ist, weil, naja,
Lichtgeschwindigkeit ist
nicht beliebig groß, ne?
Mathias: Coole Frage, vor allen Dingen hat
man ja in Umspannwerken nochmal irgendwie
Transformatoren die auch Effekte auf die
Laufzeit haben. Also, fände ich einen
sehr coolen Gedanken. Vermutlich bräuchte
man allerdings eine sehr detaillierte
Karte über Leitungslängen, wo welches
Umspannwerk ist, wie Leitungen gerade
betrieben werden. Die Daten sind aber frei
verfügbar. Also wenn jemand weiß wie,
dann: go! Tut es! Schickt mir
eine Mail! Finde ich klasse!
Herald: Hier bitte!
Frage: Wie wäre es denn wenn man
sagt man greift die Stahlindustrie, ihre
Induktionsschmelzanlagen, an und
macht da mal einen Verbraucherabsturz.
Dass man auf einen Schlag
viel weniger verbraucht.
Mathias: Ja, verhält sich ganz genauso,
ist ein Lastabwurf. Ob ich jetzt einen
Erzeugungsverlust habe oder einen
Verbrauchsverlust, die Kurve geht halt
stark nach unten, nach oben. Ansonsten
alles gleich. Was nicht gleich ist, ist
dass es natürlich z.B. diese
50,2Hz-Problematik gibt, wo
Windkraftanlagen halt abschalten. Das
ändert sich. Ich bin im Moment mir nicht
ganz sicher ob es schon umgesetzt ist
oder ob es noch kommt. Aber diese harte
Schaltschwelle versucht man jetzt quasi
aus der Infrastruktur rauszunehmen.
Frage: D.h. einfach abschalten wenn der
Verbrauch runtergeht, geht nicht?
Mathias: Also bei Windkraftanlagen wird es
dann z.B. so sein dass sie ihre Leistung
einfach reduzieren. Bei
Photovoltaik-Anlagen die du jetzt kaufst
ist es schon so. D.h. man hat nicht mehr
diese harte Schaltschwelle sondern man
sagt halt: „Okay, es gibt eine
graduelle Reduktion der Einspeisung“.
Herald: Okay, einmal links außen!
Frage: Ungefähr wieviel Pi-mal-Daumen in
Prozent Abweichung bräuchte man denn damit
es tatsächlich zu einem Komplettausfall
des Stromnetzes kommt? Und wenn das
passieren würde, wie lang dauert das dann
um das Netz eigentlich wieder hochzufahren?
Mathias: Ich muss mal kurz…
Ich weiß nicht ob ich die hier habe…
vereinzelt Gelächter
Ja! Das ist jetzt einfach mal die
Frequenzen aufgeplottet, bei denen
irgendwas im Stromnetz passiert. Ist jetzt
ein Haufen Text. Im Endeffekt, wenn ich
irgendwo unter – was ist das hier – 49,5
oder über 50,5 Hz komme,
passieren Dinge. Da werden entweder
Netzsegmente abgeschmissen, also
gezielt ein Blackout herbeigeführt um die
Frequenz wieder zu stabilisieren, oder
es werden Kraftwerke runtergefahren. Also
diese Frequenzschranke gibt es schon.
Frage: Aber das heißt sozusagen das
System wird sich auch davor schützen, dass
Komplett-Europa einen Stromausfall kriegt,
indem dann sozusagen segmentweise
man sagt, man haut Hamburg
mal aus dem Stromnetz raus?
Mathias: Gut, Hamburg wird jetzt da nicht
weiter als… also wäre eher Rauschen,
vermute ich mal. Dann eher… man geht
z.B. in Stahlschmelzen und klaut denen
einfach mal für 10 Minuten den Strom. Also
da gibt es spezielle Lieferbeziehungen,
die das dann halt zulassen, dass man denen
mal kurzfristig den Strom abdrehen kann.
Deswegen… man muss den Lastsprung
wirklich schnell machen, damit all diese
Mechanismen halt keine Zeit haben,
ihre Wirkung zu entfalten.
Frage: Aber selbst wenn man dann…
Herald: Entschuldigung!
Frage: Danke. Wenn man so einen großen
Lastabwurf hat, was wird dann dagegen
getan, wenn man diese Überfrequenz hat?
Wenn man was abschaltet, dauert das ja
wahrscheinlich eine ganze Weile bis diese
Trägheit weg ist. Also gibt es da einen
riesigen Verbraucher, wird irgendeine
riesige Lampe angemacht? Oder…
Gelächter
Mathias: Also ich kenne Stadtwerke, die
einen Wasserkocher in der Größenordnung
1MW bauen, um damit am Stromhandel
teilzunehmen. Strom ist gerade…
also „Ich kriege jetzt gerade Geld, wenn
ich Strom abnehme, also schalte ich hier
meinen Wasserkocher ein.“
Ja. Aber im Endeffekt,
was man halt traditionell machen würde,
ist, man würde die Kraftwerksleistung
von einem Kraftwerkspark halt einfach
reduzieren. Das passiert auch direkt
in den Kraftwerken selber,
in der Primärregelung. Ja, also,
im Endeffekt: die Frequenz regelt das.
Frage: Okay, danke.
Herald: Hier jetzt bitte!
Frage: Zur 50,2Hz-Problematik: Das ist,
soweit ich weiß, schon umgesetzt.
Ab einer gewissen Leistung mussten ja
die Wechselrichter alle umgerüstet werden.
Einspeise-Management bei
Windenergieanlagen wird auch gerade
umgesetzt. Da gibt es ja dann auch die
schön linearen Kurven. Und Regelleistung
bei Windenergieanlagen habe ich jetzt vor
ein paar Wochen auf der Seite von Amprion
gelesen, wird auch umgesetzt.
Das kommt alles demnächst.
Herald: Das war die Frage?
Okay, das war die Frage?
Frage: Ja, war nur so
eine kleine Ergänzung.
Mathias: Danke.
Herald: Bitte, hier!
Frage: Ist bekannt, ob es möglich
ist, auch an den Schaltwerten
die Phasen lustig zu permutieren?
Mathias: Was meinst du
mit ‚Phasen permutieren‘?
Herald: Was meinst du mit ‚lustig‘?
Gelächter
Frage: Naja, ich dachte daran ob es
möglich wäre, mit den vorhandenen
Schaltern im Verbundnetz mal
die Phasen falsch aufzuschalten.
Mathias: Ja, also ich will nicht
ausschließen, dass man da mechanisch
– was weiß ich – einen Schraubenschlüssel
an die richtige Stelle schmeißen kann,
der sich dann selbst verschweißt.
Gelächter
Aber das wäre, wenn, ein relativ kleiner
und lokaler Effekt. Also da würde ich
jetzt nicht davon ausgehen, dass man in
der Größenordnung irgendwas bewirkt.
Herald: Einmal Internet, bitte!
Signal Angel: Ja, das Internet würde
gerne wissen, ob du Daten zu den
sogenannten ‚Earth Hours‘ hast? Also
dieser Dinge wo sich dann Leute sagen:
„Okay, zwischen heute 7 und 8
schalten wir alle das Licht aus“.
Mathias: Daten habe ich. Habt ihr auch,
weil sind auf der Webseite verfügbar. Ich
habe sie mir nicht angekuckt. Ich habe mal
gekuckt ob mein event detector, den ich
immer mal wieder drüberlaufen lasse, bei
der Earth Hour irgendwas komisches, große
Frequenzsprünge oder so gesehen hat. Hatte
keinen Impact, wo ich jetzt irgendwas zu
sagen könnte. Aber: nehmt die Daten,
kuckt selber nach. Vertraut nicht mir!
Herald: Bitte!
Frage: In Österreich wird mit Benzin und
Diesel im Jahr ungefähr 30% mehr Energie
umgesetzt als über das Stromnetz. Und
wenn ich mir jetzt so vorstelle, dass man
versucht in den nächsten, einigen Jahren
20% oder mehr der Fahrzeuge von Verbrenner
auf Elektro umzustellen, frage ich mich
was dann im Stromnetz passiert. Hast du
dazu irgendwelche Modelle oder
Überlegungen? Oder auch was dann passiert
wenn z.B. so ein gesteuertes Fahrzeug
in der Nacht plötzlich ferngesteuert
auf ‚Laden‘ oder auf ‚Entladen‘
geschaltet wird?
Mathias: Also es gibt sehr viele Leute die
sich um genau das Thema Gedanken machen.
Ich bin da nicht ganz tief drin. Aber im
Endeffekt, das Schöne an so einer
Batterie ist, dass sie in relativ kurzer
Zeit sehr viel Leistung abgeben oder
aufnehmen kann. D.h. wenn es mir
jetzt gelingen würde, Elektromobile,
Fahrzeuge im großen Maßstab zu
manipulieren, könnte ich genau solche
Schwankungen natürlich auch verursachen.
Also aus meiner Perspektive ist das jetzt
kein Unterschied, ob ich Smartmeter
angreife oder Elektroautos.
Herald: Bitte hier rechts!
Frage: Ich hätte eine Frage
zu deiner IFG-Anfrage
an die Bundesnetzagentur. Findet
man den Schriftverkehr irgendwo,
und die Daten die du da
bereits bekommen hast?
Mathias: Die Daten habe ich noch nicht
hochgeladen, werden aber auf mein
Github-Ding, was auch auf der Webseite
verlinkt ist, werde ich die hinstellen.
Der Schriftverkehr… ich würde mal sagen
der ist noch nicht beendet. Ist aber auf
fragdenstaat.de dokumentiert. Ich verlinke
das dann noch. Im Moment ist es,
glaube ich, noch nicht, aber kuck’ in
2..3 Tagen, und dann wird es dort sein.
Frage: Super, danke!
Herald: Hier, bitte!
Frage: Du hast gesagt, „5 Tage bis zum
Bürgerkrieg“. Wieviel Kerzen, Ravioli,
und Mate hast denn du so gebunkert?
Mathias lacht
Gelächter und Applaus
Mathias: Gar nix! lacht Kerzen, Ravioli
und sowas funktioniert natürlich auch…
also, das wäre nicht genug. Weil meine
Heizung würde nicht funktionieren.
Wenn ich keinen Sprit mehr im Tank hätte,
könnte ich nicht tanken. Ich könnte auch
nicht zum Geldautomaten gehen. Auf der
Bankfiliale würde man mir auch nichts
mehr geben, weil, wenn der Computer nicht
funktioniert, wie will man das dann
verbuchen? Also, ja, meine
Katastrophenvorsorge ist mangelhaft.
Vielleicht, bei dem einen oder
anderen hier auch! lacht
Herald: Einmal das Internet,
solange es das noch gibt!
Signal Angel: Ja, ehm… lacht
Gelächter
Applaus
Ja, das Internet würde gerne
wissen wie gut sich diese
Netzspannungsschwankungen… wie gut die
sich als Fingerprint eignen, und ob man
das anhand von diesem Brummen im Audio
z.B. rausfinden könnte, wann war das denn?
Mathias: Okay, es gibt jetzt zwei
verschiedene Dinge, die ich im Kopf habe.
Das eine wäre halt… okay, kann ich
anhand von Audiobrummen feststellen
wann genau war das, indem ich das
Netzbrummen im Hintergrund rausfiltere
und versuche zu matchen. Es erscheint
mir prinzipiell möglich. Allerdings
braucht man dann halt relativ hochaufgelöste
Messdaten. Das andere, was immer mal
wieder durch die Medien geistert ist, dass
man anhand von dem Hell-Dunkel-Muster
bei Fernsehaufnahmen in der
Leistungsaufnahme sagen kann,
wann genau dieses Ding angekuckt
wurde, oder was da läuft.
Das habe ich mal versucht mir anzukucken,
ich kann das so nicht nachvollziehen.
Herald: Hier, bitte!
Frage: Ich würde gerne wissen, wie die
Synchronisierung der Generatoren
funktioniert, zwischen den
verschiedenen Kraftwerken.
Mathias: Mhm-mhm!
Herald macht bedeutungsvolle Handzeichen
Mathias lacht
zum Herald: Sorry, du musst mich bremsen!
Herald: …ist ganz spannend!
Auf der linken Seite siehst du im Prinzip
so ein kleines Schaltbild von einem…
von einem Stromnetz; und oben diese
runden Dinger sind Generatoren.
Und im Endeffekt kannst du dir das
vorstellen, dass die über diese Leitung L1
miteinander gekoppelt sind, in diesem
Beispiel. Und ich habe da jetzt meinen
Netzsinus, der auf der Leitung schwingt.
Und im Endeffekt synchronisieren sich
diese beiden Generatoren halt auf diesen
Netzsinus. Wenn sie das nicht wären,
gäbe es halt mechanisch sehr große
Kräfte, die rückwirken. Also ich habe
diese elektrische Kraft die im Generator
in eine mechanische Kraft verwandelt wird.
Und wenn der eine sich jetzt schneller
dreht wie der andere dann zieht der eine
den anderen. Deswegen hier auf der
rechten Seite nochmal dieses Sinnbild
mit zwei Lokomotiven, die über eine
Feder miteinander gekoppelt sind.
Im Endeffekt, so ähnlich
kann man sich das vorstellen.
Frage: Gib e’s da einen
separaten Takt noch dazu?
Mathias: Nein, nein.
Frage: Okay.
Mathias: Es ist einfach nur die
Netzfrequenz, sonst gibt es da nichts.
Herald: Das war kompakt! Bitte!
Frage: Also nochmal meine zweite
Frage von vorhin: Angenommen
man hat aktuell ein nicht in Betrieb
sich befindendes Stromnetz.
Wie lange braucht man um
das wieder hochzufahren?
Mathias: Gute Frage. Für Europa weiß
das, glaube ich, keiner. Gelächter
Also diese Schwarzstart-Szenarien
– also man hat eine spezielle Sequenz
wie man versucht so ein Netz wieder
aufzubauen. Das funktioniert meistens über
Pumpspeicherkraftwerke, die dann zunächst
mal eine Frequenz vorgeben. Und dann
synchronisiert man halt so Stück für
Stück seine Erzeugerlandschaft dazu.
Genau über dieses Prinzip.
Ob das wirklich funktioniert, wie das
funktioniert, wie sich Elektroautos in dem
Kontext verhalten: keine Ahnung.
Herald: Okay, wir müssen ein bisschen Gas
geben. Dann kriegen wir noch ein paar
Fragen hin. Bitte rechts außen!
Frage: Als Analogie zu den Netztopologien;
auf der einen Seite haben wir also
hierarchisch geroutete Netze, auf der
anderen Seite ver-meshte Netze. Da hast du
auch gesagt, du setzt auf eine
Dezentralisierung. In der Zukunft.
Jetzt vor dem Hintergrund, dass
wir zunehmend meteorologische –
Herald: Bitte kurz fassen!
Frage: …dass wir meteorologische
Extremereignisse haben, wie im Moment
sie sich zwischen Grönland und Island
zusammenbrauen: Wird dieses Argument der
Dezentralisierung bei den Planern ernst
genommen? Oder wehren die sich wie üblich?
Mathias: Also meine Erfahrung ist, dass
die Elektrizitätswirtschaft sehr träge
auf Input von außen reagiert. Egal aus
welcher Richtung und mit welcher
Begründung das kommt. Insofern kann ich
jetzt nicht sagen „Ja genau aus dieser
Systematik, oder genau bei diesem
Vorschlag sind sie besonders träge“.
Ich empfinde das als eher eine
Bestandssicherung, und ein
Bewahren des Etablierten, als ein
„Oh wir haben hier ein Problem,
wir versuchen jetzt dadrauf zu reagieren“.
Herald: Okay, hier bitte!
Frage: Also zu der Geschichte mit dem
Handel. Das sind ja prinzipiell Sachen,
die von den Netzbetreibern ausgehen. Da
könnte man theoretisch ja schon vorher
regeln, weil, ja, man weiß ja im Vorhinein
dass da was kommt. Gibt es dazu
Systeme und wäre das finanziell machbar?
Mathias: Also es hat sich schon sehr
viel getan mit diesen Handelseffekten.
Die waren vor ein paar Jahren wesentlich
größer. Es gibt da eine Arbeit
von Professor Welfonder in Stuttgart,
wenn ich es recht in Erinnerung habe.
Wird was getan. Aber – großes
Missverständnis – die Netzbetreiber
sind nicht diejenigen die handeln.
Die betreiben wirklich nur das Netz.
Derjenige der handelt ist einmal
der Kraftwerksbetreiber mit dem…
mit deinem Stromanbieter. Und die machen
das unter sich aus. D.h. derjenige der
das Netz betreibt hat da überhaupt keinen
Einfluss. Darf er auch nicht nehmen.
3. Energie-Rahmenpaket der EU – da ist im
Prinzip die komplette Segmentierung oder
Abgrenzung dieser Marktrollen vorgesehen.
Also es gibt da keinen Austausch.
Herald: Okay, wir schaffen noch ganz
schnell 2 Fragen, danach möchte ich euch
bitten, unserem großartigen Vortragenden
hier irgendwo aufzulauern.
Heiterkeit
Bitte!
Frage: Ja,…
Mathias: Moment!
Frage: …kurze Frage, wenn jemand
bei diesem Projekt mitmachen will,
wo findet man Infos, und
was kostet das ungefähr?
Mathias: Sehr gerne! Geht auf die
Webseite. Ich habe einen Reiter gemacht,
‚das Projekt‘. Da steht unten eine
Liste wo ich Hilfe gebrauchen könnte.
Im Moment kostet das Messgerät, dadurch
dass es ein Raspberry Pi ist und Gelumpe,
relativ viel. Ich glaube aber, dass man
das wesentlich billiger machen könnte.
Das ist einfach… ja im Moment tut es
und ich stecke es halt mal zusammen.
Ich könnte Leute gebrauchen die
Datenanalyse machen, die wirklich Ahnung
von der ganzen elektrischen Materie
haben. Da kann ich auch bestimmt noch
eine Menge lernen. Ich freue mich über
Leute die Mess-Stationen betreiben.
Ich freue mich über Leute die
Hard- und Software dafür tun.
Steht aber auf der Webseite.
Liegt auch alles auf Github.
Herald: Jetzt, dein Recht
der letzten Frage.
Frage: Daran anschließend, wenn man ein
ausreichend dichtes Sensornetzwerk hat
könnte man ja die Leitungslänge,
wie vorhin besprochen, ausmessen,
wie bei der Blitzortung?
Mathias: Ich habe keine Ahnung ob
das elektrisch wirklich möglich ist,
im Detail. Aber ich finde den Gedanken
extrem spannend. Den hatte ich auch
spontan, als das aufkam.
Ja, lass es uns versuchen!
Herald: Ja…
Mathias: Vielen Dank!
Herald: Ja, danke Mathias!
Applaus
Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2017. Mach‘ mit und hilf uns!