33C3 Vorspannmusik Herald: Lange bevor es [um] die Forderung nach einem staatlichen Konterangriff auf Fake-News in Social Media ging, gab es schon Leute, die das Ganze mit bürgerlichem Engagement versucht haben darzustellen, sichtbar zu machen, und aktiv auch ihm entgegenzuwirken. Diese Personen sind Karolin Schwarz und Lutz Helm, die diesen Vortrag halten. Karolin hat Anfang 2016 die Initiative ‚Hoaxmap‘ gegründet, sie ist Social-Media-Redakteurin, lebt inzwischen in Berlin. Lutz Helm ist ein Leipziger Softwareentwickler und war lange bei Radio Blau sowie auch bei der Online-Ausgabe von dem Satire-Magazin Titanic tätig – insofern wird das bestimmt ein launiger Vortrag! Sie berichten uns heute, warum Hoaxes und Fake-News schon lange nicht mehr flauschiger Katzencontent sind, sondern sehr ernste Formen angenommen haben. Bitte einen Applaus für „Bonsai Kitten waren mir lieber – Rechte Falschmeldungen in sozialen Netzwerken“ Applaus Karolin Schwarz: Hi. Schön, dass ihr da seid; schön dass wir da sind! Wir haben die Kongressgrippe vorgezogen dieses Jahr, deswegen klingen wir so blöd. Ich steige direkt ein. Falschmeldungen im Netz sind wirklich keine neue Geschichte, die heißen jetzt nur Fake-News, die gibt’s aber schon richtig lange, und zwar… Schon 1994 kursierte die Meldung, die angeblich von der Associated Press verbreitet wurde, dass Microsoft die katholische Kirche gekauft hätte. Gelächter …dementsprechend auch die Rechte an der Bibel und der digitalen Ausgabe gehabt hätte. Schon damals erkannten relativ viele Leute, dass es sich um Satire handelt, aber Microsoft sah sich auch genötigt, eine Gegendarstellung rauszugeben, und wir sehen auch hier schon der Begriff „Fake News“ ist gar nicht so neu, sondern zumindest im US-Kontext kannte man den schon 1994. Der Titelgeber unseres Talks – natürlich die Bonsai Kitten. 2000 stellte ein Student des MIT eine Website ins Netz, auf der angeblich Katzenkinder, die in Gläsern herangezogen wurden, verkauft wurden. Schnell als Hoax enttarnt, aber noch lange Jahre danach gab es Proteste von Tierschützern gegen diese ganze Geschichte. So. Und dann kam 2016 und das Ganze war nicht mehr ganz so lustig, sondern Falschmeldungen haben tatsächlich zu den kuriosesten Dingen geführt, bis hin zum bewaffneten Angriff auf eine Pizzeria, in der Hillary Clinton angeblich einen Ring von Prostitutionshandel betrieben hätte. Und das untere Beispiel, auch ganz frisch: Pakistan droht mal eben wegen Twitter mit Atomwaffen. Wir hatten das auch in Deutschland zwischendurch, der Fall einer angeblichen Vergewaltigung in Berlin, der dazu führte, dass es tatsächlich diplomatische Verwerfungen mit Russland gab. Ja, nun ist das Ganze nicht ganz so neu, vor allem rechte Falschmeldungen gibt es schon sehr vermehrt seit dem Sommer vergangenen Jahres, seit die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland rasant anstieg, da ist uns schon aufgefallen, dass es sehr viele Widerlegungen von Falschmeldungen von journalistischer Seite gab, und wir haben uns dann im Februar 2016, also dieses Jahr, entschieden, dass wir dieses ganze Phänomen, das wir beobachten konnten, darstellen auf einer Karte, die seht ihr da rechts. Da sind dann eben diese Gerüchte, die wir … oder: Falschmeldungen, die wir gesammelt haben, dargestellt. Das sind inzwischen 436, nur auf dieser Karte. Das sind die, die widerlegt wurden. Ich habe letztens mit einem Journalisten einer sächsischen Zeitung gesprochen, der meinte, das sei wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs, weil alleine für Dresden könnte er ungefähr so viele Gerüchte aufzählen. Wir haben Gerüchte über Geflüchtete vor allem auf der Karte, aber auch Gerüchte, die „Südländer“ oder „Nordafrikaner“ betreffen, weil seit letztem Jahr im Prinzip alle diese Personengruppen als Geflüchtete subsumiert werden. Unser Ziel bei der Erschaffung der Hoaxmap war, dass wir eine Datenbank schaffen, das heißt, dass wir eine Art Nachschlagewerk für Menschen schaffen, die mit Gerüchten konfrontiert sind. Gleichzeitig wollten wir eine Debatte über Informations- und Medienkompetenz anregen, und natürlich wollten wir auch mal schauen, was die Daten so hergeben, und gucken, wie sich das Ganze über die Zeit entwickelt, oder ob es inhaltliche Zusammenhänge gibt, usw. Lutz: Ja, und inzwischen sind elf Monate fast ins Land gegangen. Wir haben inzwischen wie gesagt diese 436 Gerüchte eingesammelt, haben in der Zwischenzeit auch schon mal geguckt: Wie hat sich das so entwickelt, was sind thematische Schwerpunkte vielleicht auch, und wer verbreitet das Ganze. Zum zeitlichen Verlauf: man sieht hier aktuell gerade sehr gut den Verlauf der Gerüchte auf unserer Karte. Also die sind nicht immer nicht nur mit einem Ort und dem Geschehen, was da passiert sein soll, sondern auch noch mit einem Datum versehen. Und man sieht sehr gut, dass es einen ersten sprunghaften Anstieg im September 2015 gibt, das fällt zusammen mit der Entscheidung, aufgrund der Situation in Ungarn Flüchtlinge dann auch einreisen zu lassen. Es gibt noch einen weiteren Anstieg im Januar 2016, sicherlich auch zurückzuführen auf die Übergriffe, die es in Köln in der Silvesternacht im letzten Jahr gegeben hat. Danach gibt es einen sehr drastischen Rückgang. Was man hier sieht (das gilt für alle Zahlen, die es auch im Folgenden gibt), ist natürlich, dass das alles keine eins-zu-eins-Zahlen über die Gerüchte und Falschmeldungen, die in Umlauf sind, sind, sondern, dass das nur widergibt, worüber Bericht erstattet wurde; also wo sich jemand hingesetzt hat und das Ganze nachrecherchiert hat. Das bildet insofern nicht eins zu eins das tatsächliche Geschehen ab. Wir haben uns angeguckt: wie ist die regionale Verteilung nach den Bundesländern? Im Bild links sieht man hier die absoluten Zahlen, da sind Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ganz vorn, sicherlich diejenigen Bundesländer zum einen mit den meisten Einwohnerinnen und Einwohnern. Und Bayern als Transitland sicherlich eine große Rolle, also sehr viele der Geflüchteten sind über Bayern eingereist, daneben Nordrhein-Westfalen, das Land mit den meisten aufgenommenen Asylbewerber*innen. Interessanter sieht es aus, wenn man das Ganze auf die Einwohner umrechnet. Das, was hier blau dargestellt sind, sind die ostdeutschen Bundesländer, das sieht man dann auf der rechten Seite, das ist sozusagen das Pro-Kopf-Gerücht, da liegt dann Thüringen ganz vorne, vor Sachsen und Sachsen-Anhalt, dann kommt Bayern, Mecklenburg, Baden-Württemberg, und dann Brandenburg, und dann der Rest, also das sieht so ein bisschen anders aus. Wir haben uns auch thematisch nochmal angeguckt, was es gegebenenfalls für regionale Schwerpunkte gibt. Das lässt sich nicht für alle Themen von Gerüchten sozusagen festlegen, also es gibt sehr viele Themenkreise, um die sich das dreht. Einer davon ist Geldleistung, bzw. Sachleistung, über Leistungen, die angeblich von Asylbewerber*innen bezogen werden. Hier lässt sich schon feststellen, dass es einen regionalen Schwerpunkt gibt. Also so rings um München, im Süden der Republik, ist eine Häufung von Einträgen. Da lässt sich jetzt aber nicht eins zu eins sagen, dass dort jetzt der Neid besonders groß ist, im reichen Bayern oder so, oder ob da nur die Lokalpresse vielleicht viel mehr dahinter her ist, zu recherchieren, aber es fällt doch sehr ins Auge. Insbesondere, weil es bei anderen Themen, z.B. (hier jetzt rechts zu sehen) aus dem Themenbereich Raub und Diebstahl, es eine solche regionale Häufung nicht gibt. Was wir uns außerdem angesehen haben, ist, was für Gerüchte überhaupt im Umlauf sind, ob wir das rekonstruieren können. Da ist es so, dass in den meisten Berichten über die Gerüchte bzw. Falschmeldungen nicht detailliert genug aufgeführt ist, worauf das Ganze zurückzuführen ist, bzw. dass auch nicht nachrecherchiert worden ist, quasi nur eine Widerlegung dessen. Deswegen gibt es bei knapp 200 Gerüchten da keine Zuordnung. Bei ungefähr 90 können wir zumindest sagen, dass sie vorrangig über soziale Netzwerke, d.h. in den Fällen vor allem über Facebook, aber auch über WhatsApp verteilt worden sind. Sehr präzise lässt sich bestimmen, dass ungefähr 50 der Gerüchte auf Falschaussagen bei der Polizei zurückzuführen sind, das sind dann entweder Zeugenaussagen oder direkt Anzeigen, die falsch waren; und es lässt sich auch bei 50 Geschichten durchaus noch ein ursächliches Geschehen ermitteln, was quasi als Erklärung herangezogen werden könnte dafür, dass dieses Gerücht im Umlauf war. Aber es gibt eben auch komplett gefälschte und erfundene Geschichten, die spielen auch eine Rolle, auch da kann man sagen, das ist ziemlich eindeutig gewesen. Ja. Drei Beispiele mal kurz, wie sowas dann aussehen kann. Was wir hier sehen, ist ein Facebook- Eintrag von Tatjana Festerling, die in Dresden zugange – ich kenne den aktuellen Zustand des Verhältnisses zwischen Pegida und Tatjana Festerling nicht, aber sie war dort als Rednerin sehr oft aktiv. Hier hat sie auf ihrer Facebook-Seite einen Beitrag gepostet, wo jemand beobachtet hat, dass Zelte aufgebaut worden sind vor einem Krankenhaus in Dresden, und die Vermutung, die gleich ins Kraut geschossen ist, ist eben, dass es sich nur um Tuberkulose handeln kann. Die tatsächliche Geschichte dahinter war, dass ein Klinikteil baulich fertiggestellt wurde, es gab dort dann eine Feier und dafür wurden Festzelte aufgebaut. Das ist sozusagen dann… es gibt irgendein Geschehen und es wird dann eine Geschichte draus gemacht. Was wir auch haben, ist, dass Meldungen komplett erfunden werden. Da gibt es hier jetzt ein Beispiel, das ist vielleicht zu viel, das komplett durchzulesen, aber es ging um einen Bombenfund in Sigmaringen, bei dem angeblich auch drei Terroristen festgenommen worden sind. Der Text erschien auf einer Website, zuerst auf einer rechten Website. Wenn man so ein bisschen danach geguckt hat, wo die Textfragmente herkommen, kann man feststellen, dass die ersten zwei Drittel des Textes im Großen und Ganzen von einer Bombendrohungsmeldung in Emmendingen von baden.fm kommt und der Rest zusammengestückelt ist aus einem Beitrag beim Focus, bei focus.de, wo tatsächlich eine fertig gebaute Rohrbombe gefunden wurde und auch Leute festgenommen worden sind. Das wurde remixed zu einem neuen Text und einem völlig neuen Geschehen. Ja, was wir auch erleben, ist, dass Abgeordnete Applaus Gerüchte aufgreifen – offensichtlich ist der Fall schon bekannt, zumindest einigen – es ist so, dass Gerüchte aufgegriffen werden. Wir haben es bisher erst bei der NPD, aber vor allem bei der AfD erlebt, dass das passiert, dass sich Gerüchte in parlamentarischen Anfragen wiederfinden. Unsere Lieblingsanfrage unter diesen Gerüchten ist eine des sächsischen AfD-Abgeordneten Carsten Hütter, der die Frage gestellt hatte, insgesamt mit fünf Fragen, aber zu einer Vergewaltigung im Mai im Maxim-Gorki-Park. Und die sehr kurze Antwort der sächsischen Staatsregierung fiel aus in der Form von „Von einer Beantwortung seitens der Staatsregierung wird abgesehen. Die Fragen sind inhaltlich nicht bestimmbar. Der Staatsregierung ist im Freistaat Sachsen kein Maxim-Gorki-Park bekannt.“ Hier sieht man übrigens Herrn Hütter, wie er vor seinem ausgeschalteten Computer sitzt. Gelächter und Applaus Auf Twitter wurde auch die Vermutung geäußert, dass er vergessen hätte, danach zu googeln, nach dem Maxim-Gorki-Park. Das ist jetzt nur ein Beispiel. Tatsächlich stellt sich ja die Frage: wer verbreitet die Gerüchte, wer verbreitet die Falschmeldungen? Hier ist es wiederum so, dass wir für sehr viele unserer Einträge das nicht rekonstruieren können, bzw. auch nicht die Zeit haben, jeden einzelnen Fall nochmal nachzurecherchieren. Bei einigen geht das, bei anderen geht das eher nicht. Es lässt sich sehr deutlich sagen: dann, wenn es eine Anzeige gegeben hat, dass die angeblichen Opfer oder Betroffenen der ausgedachten Straftat dann natürlich auch diejenigen sind, die diese Falschmeldung in die Welt gesetzt haben. Es lässt sich bei vielen Einträgen feststellen, dass es über private Facebook-Profile in die Welt gesetzt worden ist. Auch dort lässt sich dann nicht genau sagen, wer dann hinter diesem Profil steckt, aber zumindest lässt sich sagen, dass es auf Facebook verbreitet worden ist. Einige der Gerüchte sind erst bekannt geworden oder erst in die Öffentlichkeit sozusagen geraten über die Anrufe oder Facebook-Kommentare oder Leserbriefe von Zeitungen, also vorrangig von Lokalzeitungen. Es gibt eine ganze Reihe von Geschichten, die auch von Augenzeugen selbst in die Welt gesetzt worden ist, einfach darüber, dass zu irgendeinem Geschehen etwas sich ausgedacht wurde, und wir haben aber eben auch ein paar Parteien hier bei denjenigen, die – nicht unbedingt sich die Gerüchte ausgedacht haben, aber die sie sehr prominent platziert haben. Ganz vorne ist da hier wiederum die AfD, außerdem die FPÖ aus Österreich, also wir betrachten hier auf der Karte eben auch Österreich und, soweit die Schweiz eben deutschsprachig ist, auch die Schweiz. Neben der FPÖ auch Leute von der CDU und eben auch der NPD, und daneben Boulevardzeitungen und rechte Facebookseiten, Websites etc. Karolin: So. Und jetzt? Im Rahmen der US-Wahl, oder des Wahlergebnisses, wo vielfach behauptet wurde, dass Falschmeldungen oder Fake-News, sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt hätten, wurde sehr viel Druck auf Facebook ausgeübt, die jetzt vor kurzem erst Lösungsansätze vorgestellt haben, zum einen nämlich die Option, Fake-News als Meldeoption einzuführen, d.h. User können jetzt eben selbst melden. Was natürlich zu einem erhöhten Aufkommen von Meldungen bei Facebook führt, und die Tickets, wie sie jetzt aktuell bearbeitet werden ist uns bewusst, im Rahmen von Hate-Speech zumindest, das klappt nicht ganz so gut. Außerdem sollen als Falschmeldungen bekannte Inhalte geflaggt werden, auch das würde in Deutschland ziemlich schwierig funktionieren, weil Falschmeldungen vor allem in Deutschland oder auch generell im deutschsprachigen Raum selten über sogenannte „Fake-News-Websites“ verbreitet werden, sondern tatsächlich sehr viele Einzelmeldungen bei Facebook oder aus dem Kontext gerissene Bilder und Sonstiges verbreitet werden. Noch dazu würde das einfach das ganze „Lügenpresse“-versus- Meinungsfreiheit-Narrativ weiter stärken, d.h. die „guten Medien“ oder die politiktreuen Medien werden eben nicht geflaggt, währenddessen andere Medien halt geflaggt werden, usw. Die US-Medien vor allem wollen mit Facebook zusammenarbeiten, sind eben als Fact-Checker vorgesehen. Es gibt jetzt von der Washington Post eine Chrome-Extension, die Trump-Tweets fact-checkt und auch… Gelächter …ja, viel zu tun! Und auch hierzulande gibt es lustige Initiativen allerorten, nämlich möchte man ein Fake-News-Verbot einführen, das sogar EU-weit im Gespräch ist inzwischen, nämlich den Straftatbestand für Desinformationskampagnen möchte die CSU gerne haben, ja. Kann man sich denken, wohin das Ganze führen könnte oder eben auch nicht. Und auch der Innenminister hat zum Thema natürlich was zu sagen und möchte ein Fake-News-Abwehrzentrum, liebevoll auch Wahrheitsministerium genannt von vielen. Gelächter und Applaus Das Ganze ist insofern schon pikant, weil der Gute nämlich auch zwei Mal bei uns auf der Hoaxmap zu finden ist, nämlich zum einen hat er behauptet, 30 Prozent der Syrer, die in den vergangenen Monaten gekommen wären, wären überhaupt keine Syrer, und er hat gesagt, dass 70 Prozent der Männer, die zur Abschiebung vorgesehen wären, unter 40 Jahren, eben als nicht abschiebefähig oder nicht transportfähig erklärt würden von Ärzten. Beide Statistiken konnte der Innenminister nie belegen. Insofern wüssten wir vielleicht, wo das Fake-News-Abwehrzentrum seine Arbeit beginnen könnte. Applaus Und dann kann man sich natürlich auch fragen, wo das Ganze hinführt. Auch da waren wir schonmal und wollen eigentlich nicht mehr hin. Ja. Eigentlich war es das schon von uns, an dieser Stelle. Danke für unsere… für unsere Aufmerksamkeit, auch das! lacht …Und auch eure Aufmerksamkeit. Wir stehen für Fragen zur Verfügung. Applaus Herald: Vielen herzlichen Dank, Lutz und Karolin! Alle, die Fragen haben, bitte ich, sich jetzt an den Mikrofonen im Raum aufzustellen. Ich rufe dann die Nummern auf. Wir haben schon eine Person an der Nummer 2, du warst sehr schnell. Bitte! Frage: Hi. Danke für den Vortrag. Was ich mich gefragt habe ist, ob ihr nicht auch ein bisschen freudevoll auf derartige Gesetze guckt, weil dann eben solche Leute wie unser lieber Innenminister, man eine rechtliche Handhabe gegen sie hätte. In dem Gesetzesentwurf der CSU steht ja sowas drin, wie, dass innerhalb von 24 Stunden irgendwie solche Sachen markiert oder gelöscht oder irgendwas werden sollen, und vor allem, dass ein Anrecht darauf besteht, dass eine Gegendarstellung gemacht wird. Und sind Gegendarstellungen nunmal sowas, also wenn ich rechtlich durchsetzen kann, dass der Mensch sich öffentlich prominent äußern muss, „ich hab mir so Zahlen ausgedacht“, ich fände das eine ziemlich wirkungsvolle Methode gegen so Politiker, die sich Zahlen ausdenken, also das ist ja nicht unbedingt schlecht. Wie seht ihr das? Lutz: Also, das wär natürlich, wenn man das gegenüber Politikern zum Einsatz bringen möchte, wäre das eine schöne Idee. Auf der anderen Seite ist es ganz einfach so, dass sehr viele von uns keine Politiker oder Politikerinnen sind, sondern einfach in unserem Alltag auch Dinge verbreiten manchmal, die falsch sind, und dass es sehr schwierig wird, auch mit Kunst und Satire, Dinge zu verbreiten. Also ich meine, bestimmte Scherze traut man sich schon gar nicht mehr zu machen, wie über den Antifa e.V. oder so, der alle möglichen Sachen finanziert, weil das wirklich geglaubt wird. Das ist ein Problem, aber man kann das nicht über so eine Regelung regulieren, das führt eher dann dazu, dass bestimmte Sphären überreguliert werden, dass bestimmte Sachen auch dann nicht mehr funktionieren, und wo es dann auch wirklich an die Frage von freier Rede geht, egal wie ausgeleiert dieser Begriff manchmal wird, aber das sind dann Sachen, die davon betroffen sind. Frage: Dankeschön Karolin: Ich hab noch was vergessen. Lutz: Achso… Gelächter und Applaus Die Frage ist am Ende auch, inwieweit das rechtlich durchsetzbar ist. Es gab in Österreich? Genau, in Österreich gab es längere Zeit einen Paragrafen, wo es um die Verbreitung von Falschmeldungen ging. Der wurde irgendwann abgeschafft, weil es in 20 Jahren keinen… Karolin: Zum Jahreswechsel erst jetzt, 2015 auf 2016. Lutz: …weil es einfach keine Verurteilungen dazu gab. Und wir haben schon gesehen, in Österreich werden auch einige Falschmeldungen verbreitet. Herald: Okay, wir machen weiter mit der ersten Person an der Nummer 4 bitte. Frage: Danke für den Vortrag. Ich frage mich, wo auf der Karte der Maxim-Gorki-Park eingezeichnet ist. Oder, ein bisschen prinzipieller gefragt: habt ihr den Schauplatz von den erfundenen Geschehnissen eingezeichnet, oder wo der Verbreiter wohnt? Karolin: Die Trennschärfe ist nicht immer ganz klar. Es gibt zum Beispiel auch, wenn wir gar keinen Ort haben, glaube ich zwei Mal, Berlin als Hauptstadt, wenn’s gar nicht ging. Im Maxim-Gorki-Park ist es Dresden, weil es eben im Landtag stattgefunden hat das Ganze. Also es gibt ganz selten keinen Ort, dann nehmen wir meistens entweder den Landkreis oder die Landeshauptstadt und im schlimmsten Fall halt Berlin. Es ist aber tatsächlich so, dass, was wir auch gar nicht dabei hatten, unter den Städten gerade Dresden und Erfurt das Ganze anführen. Herald: Dann machen wir weiter mit der Nummer 3, bitte. Frage: Auch nochmal Danke. Mal eine Frage, da kam jetzt zum Schluss bei den möglicherweise zur Lösung beitragenden Akteuren a) Facebook und b) Gesetzgeber, beides ist jetzt nicht wirklich befriedigend. Ist euch irgend etwas aufgefallen, ich sage mal, was für Strategien von den Leuten, von den Social-Media-Nutzern etc. da funktioniert haben, dahingehend, dass wirklich irgendwelche Gerüchte eingedämmt wurden oder, dass da eine Gegenreichweite aufgebaut worden ist. Weil mehr als das massive Zurücktrollen oder Unterwandern von entsprechenden Facebookgruppen wüsste ich jetzt gar nicht an Strategien, und selbst die würde ich jetzt sagen sind ja jetzt nicht mal in dem Sinne produktiv, dass sie jetzt unglaublich Leute irgendwie von etwas überzeugt, sondern eben nur einen Gegner halt angemessen lächerlich dastehen lässt. Habt ihr da irgendwelche Ratschläge? Karolin: Danke. Also es ist halt tatsächlich so, wie bei den klassischen Gegendarstellungen in den Medien, die erreichen im Zweifelsfall nicht genausoviele Leute wie das Gerücht, das ursprünglich verbreitet wurde. Es gibt Einzelfälle, es gibt einen Edeka-Besitzer aus irgendeinem Klein-Kleckers-Dorf, der Herr Wollny, lacht der sehr, sehr schnell reagiert hat auf das Gerücht, und sowohl vor seinem Laden ein Schild aufgestellt hat, als auch in Social Media direkt einen Post verbreitet hat, der sehr viel öfter ge- shared wurde als das ursprüngliche Gerücht. Was sich auch aus Studien zeigt, ist, dass tatsächlich die Geschwindigkeit der Reaktion eine Rolle spielt. Also wenn man dem sehr schnell den Riegel vorschiebt, auch von offizieller Stelle aus, lässt sich da noch was machen, ansonsten ist es wirklich schwierig. Lutz: Wobei ich da ergänzen würde, dass man damit auch nicht die Sphären erreicht, wo Gerüchte verbreitet werden. Nicht alle von uns scrollen sich täglich durch, ähm, Pegida oder auf sonstwas für Seiten, auf denen solche Geschichten verbreitet werden. Aber dort, wo es eben tatsächlich auch eine Diskussionsform gibt, sollte man so schnell wie möglich reagieren. Und das ist vielleicht auch eine Aufgabe von Medien, die einfach ihre Kommentarspalten sehr oft unmoderiert lassen und unkommentiert lassen, da auch dagegen zu wirken. Herald: Okay, noch die Nummer 1 bitte. Frage: Ja, es ist eher eine technische Neugierfrage, hinter euren Einträgen, das sind ja 400..430 Stück, habt ihr da irgendwie ein Ticketsystem, oder ein Vorgangsmanagement, und werden die da durch so einen Status durchgeschoben, wie ‚Erfasst‘, ‚Neu‘, ‚Belegt‘, ‚Widerlegt‘… und wenn ja, welches? Karolin: Ich schüttel’ schon mit dem Kopf, nee. lacht Wir sind einfach zu faul gewesen zu automatisieren auch ein Stück weit bisher. Ist ein Projekt das wir neben der Arbeit betreiben, insofern finden wir die Website auch tatsächlich gar nicht mehr so schön lacht und wollten da mal was dran machen. Auch das steht auf der To-Do Liste. Weiter hinten. – Danke! – Danke. Herald: Dann lassen wir erst noch schnell das Internet zur Sprache kommen und dann noch… Signal Angel: Aus dem Internet habe ich zwei Fragen. Erstmal, wieviele Leute arbeiten an der Hoaxmap? Karolin: Zwei! Gelächter Applaus, Jubel, Pfeifen Karolin: Wobei das nicht ganz stimmt, weil tatsächlich sehr viele Meldungen, die wir inzwischen auf der Karte haben, quasi ge-crowdsourced sind, also viele Meldungen erreichen uns tatsächlich auch per Mail und Twitter und insofern sind wir ein paar mehr lacht was das betrifft. Und das hilft sehr viel. Signal Angel: Und die andere Frage ist: War uns das nicht allen klar, dass genau dies kommt, mit dem großen Boom der Blogs? Speaker grinsen, lachen leicht auf und zucken mit den Achseln Publikum lacht verhalten, und Einzelne pfeifen Teile der Jeopardy-Musik Karolin: Vielleicht… Gelächter Applaus Herald: Danke Internet, und dann haben wir noch eine Frage an der 4. Frage: Hallo. Auf jeden Fall danke für den Talk. Ich finde es mega-wichtig, dass ihr das macht. Sowohl für, nachher, parlamentarische Debatten über sowas, als auch für alltägliche Debatten mit irgendwelchen Leuten, die einem das dann vor die Augen halten. Einfach nur, wenn man ein bisschen Statistik macht, fällt einem natürlich gleich auf, wenn ihr die Graphen zeigt, gewisse Sachen. Z.B. der erste Graph, wo gezeigt wird, wann das Ganze angefangen hat zuzunehmen wie verrückt. Habt ihr das mal, also die Frage ist, (das waren jetzt zwei Sachen) habt ihr das mal einfach über ‚wieviele News über die Flüchtlingskrise überhaupt geschrieben werden, allgemein‘, drübergelegt? Weil das könnte so ähnlich aussehen. Und die andere Frage ist, einfach jetzt von dem Gedanken ausgehend, denkt ihr es gibt einfach ein konstantes Hintergrundrauschen, von rechten Fake-News und diese Fake-News sind dann einfach immer über das Thema, was im Moment… die Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Was weiß ich, vielleicht letztes Jahr, war es Griechenland oder I-don’t-know. Lutz: Zur ersten Frage: Nein. Wir haben es bisher noch nicht gegen die allgemeine Berichterstattung über Geflüchtete, über auch Asylpolitik gelegt. Da gibt es ja sicherlich mehrere Themenkreise, die zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte Konjunktur hatten und bestimmte Meldungen auch, das ist schon was, was wir auch vermuten, dass es genau eben im Januar, Februar des letzten Jahres sehr viel um eben auch Falschmeldungen ging, weil es einfach ein Thema war, was in dem Augenblick gerade diskutiert worden ist, und nicht weil es nur dann so viele Falschmeldungen gegeben hat. Das ist für ein Freizeitprojekt bisher zuviel gewesen. Es gibt einige Sachen, die man automatisiert noch erfassen könnte dazu, das sind noch alles Aufgaben, die vielleicht noch vor uns liegen, wo vielleicht auch andere Leute einfach gerne Dinge mal ausprobieren können. Die zweite Frage zum Hintergrundrauschen. Ja, es gibt, schon immer Falschmeldungen die gestreut worden sind, es gab auch schon immer Falschmeldungen in Zeitungen, also vorrangig im Boulevard… …wird auch gerne mal sich eine Story ausgedacht. Wir haben Sachen dabei, die vor zwei Jahren aufgetaucht sind, aber eigentlich auf was zurückgehen, was schon seit den 90igern kursiert als Kettenbrief. Also das gibt es durchaus schon länger. Auf der anderen Seite ist es schon so, dass das Publikum für diese Falschmeldungen jetzt verstärkt auch da ist, und das diese Falschmeldungen durchaus eine größere Öffentlichkeit erreichen. Insofern ist es deutlich mehr als Hintergrundrauschen. Herald: Das Internet hat sich nochmal zu Wort gemeldet. Signal Angel: Das Internet lässt fragen: Wie, oder werden die Meldungen des Crowd-Sourcings überhaupt verifiziert? Also seid ihr selbst dagegen immun, nur Fake-News irgendwie zu verbreiten? K: Also immun sind wir natürlich nicht. lacht Das ginge nicht. Für den Fall dass wir mal einen Fehler machen, der bis jetzt noch nicht passiert ist, haben wir uns klar vorher gesagt, dass wir damit sehr offen umgehen, und das eben – unsere Updates verbreiten wir immer auf Twitter – das eben auch dort kenntlich zu machen. Was die Verifizierung angeht, schauen wir wirklich, dass wir lokale Medien vor allem aufgreifen, und da eben auch entweder die Polizei, oder das Landratsamt, oder ähnliche betroffene Institutionen zu Wort kommen. Und auch klar widerlegt wird was in der ursprünglichen Meldung oder in dem ursprünglichen Gerücht verbreitet wurde. Wir haben tatsächlich relativ viele Meldungen nicht auf die Karte genommen. Weil eigentlich in den Artikeln überhaupt nicht klar wurde, was tatsächlich passiert ist, ob an der Originalmeldung irgendwas dran war usw. Wir entschleunigen da im Zweifelsfall einfach, und machen nicht tagesaktuell jede Meldung sofort drauf, sondern kucken nochmal wie sich vielleicht auch eine Geschichte entwickelt, usw. Herald: Dann sage ich nochmal ganz herzlichen Dank, Karolin und Lutz. Noch einmal einen warmen Applaus bitte! Beifall Abspannmusik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2017. Mach mit und hilf uns!