Vor etwa zwei Jahren erschien ein Artikel über mich in der New York Times mit dem Titel: "Die Abenteuer eines jungen Polyglotten". Es ging um meine Leidenschaft für Fremdsprachen, mein ganz spezielles Hobby. Zuerst fand ich das großartig. Das Sprachenlernen bekam dadurch mehr Aufmerksamkeit und wurde nicht mehr als einsames Hobby dargestellt, sondern als Weg, mit Menschen aus aller Welt in Kontakt zu treten. Je länger ich aber im Fokus der Medien stand, umso deutlicher veränderte sich der Blickwinkel auf meine Geschichte. Ich wollte immer darüber reden, wie und warum ich Sprachen lerne und dabei erfolgreich bin. Stattdessen wurde daraus aber eher eine Zirkusnummer, durch die die Medien meine Geschichte zu einer Sensation machen wollten. Das klang dann etwa so: "Guten Tag. Heute ist der 17-jährige Tim Doner bei mir. Er spricht 20 Sprachen fließend ... Entschuldigung ... Er kann Sie sogar in 25 Sprachen beleidigen und spricht zehn weitere Sprachen fließend. Tim, warum sagst du dem Publikum nicht 'Guten Morgen' und 'Danke für's Einschalten' auf Muslimisch?" (Lachen) "Ähm ... Arabisch." (Arabisch) "Super! Kannst du dich jetzt auf Deutsch vorstellen und sagen: Ich spreche 23 Sprachen fließend." "Das stimmt nicht ganz, aber ..." "Kein Problem, lass das Publikum einfach mal hören." (Deutsch) "Wunderbar, wie wär's jetzt mit einem chinesischen Zungenbrecher?" (Lachen) "Also ... Wir könnten über Chinesisch reden. Immer mehr Amerikaner lernen Chinesisch, was ich sehr positiv finde." "Nein, nur ein Zungenbrecher, Tim." (Lachen) (Chinesisch) "Wahnsinn! Wie wär's mit noch einem Zungenbrecher?" "Lieber nicht, aber wir könnten ja über China sprechen. Man kann durch eine Fremdsprache so viel gewinnen. "Entschuldigung, Tim, unsere Zeit ist um." (Lachen) (Applaus) "Warum sagst du unserem Publikum nicht 'Auf Wiedersehen' auf Türkisch, bevor unsere Zeit um ist." "Wir haben bisher über nichts Wichtiges gesprochen." "Türkisch, bitte." (Türkisch) "Nicht übel ... ob der wohl bei Frauen gut ankommt?" (Lachen) "Bleiben Sie dran, denn gleich sehen Sie eine Bulldogge im Badeanzug auf einem Skateboard." (Lachen) (Applaus) Das war zwar lustig, hat aber zwei wesentliche Probleme bei der Darstellung meiner Geschichte verdeutlicht. Ich selbst hatte den Eindruck, dass aus dem Sprachenlernen so eine Art Aufgabe wurde, etwas, das plötzlich ... streng organisiert, aufgegliedert, logisch erklärt und in Zahlen ausgedrückt werden muss. Ich spreche x Sprachen. Ich lerne y Sprachen. Ich habe aber immer das Gegenteil getan und Sprachen aus Spaß gelernt. Ich wollte mit Menschen kommunizieren und fremde Kulturen kennenlernen. Insgesamt wurde das Sprechen einer Sprache oder das Erlernen einer Sprache herabgewürdigt. Heute, bei TEDxTeen, möchte ich euch mitgeben, dass zum Sprachenlernen mehr gehört, als nur einige Wörterbucheinträge zu lernen. Es geht um mehr, als jemanden zu fragen, wo das WC ist, oder jemandem die Uhrzeit mitzuteilen. Aber jetzt greife ich vor. Wer meine Geschichte nicht kennt, weiß vielleicht gar nicht, was das Wort "Polyglotter" -- ein seltsames Wort -- eigentlich bedeutet. Hier hat alles angefangen. Dieser kleine Knirps war ich, ungefähr 2001, und hier begann mein Sprachabenteuer. Ich war ein Kinderdarsteller und sprach damals noch keine Fremdsprache. Ich konnte aber schon immer gut Akzente nachahmen. Ich ging also zum Vorsprechen für Werbespots im Radio und Fernsehen, und imitierte dort Austin Powers. Und nein ... das werde ich jetzt nicht tun. (Lachen) Manchmal habe ich auch Apu aus "Die Simpsons" imitiert. Einmal wurde ich aufgefordert zu gehen. Ich sollte wie ein Kleinkind lispeln, ich wollte aber Darth Vader mit französischem Akzent sprechen. (Lachen) So habe ich aber gelernt, wie man Laute analysiert und den Akzent einer Fremdsprache oder deren Rhythmus imitiert und im Alltag anwendet. Gehen wir einen Schritt weiter. Hier bin ich ca. in der dritten Klasse und habe gerade mit Französisch angefangen. Nach 6 bis 12 Monaten, ja sogar nach 2 Jahren, konnte ich mit niemandem reden. Französisch war nur ein Schulfach, und obwohl ich die französischen Wörter für Ellbogen, Knie und Schnürsenkel kannte, konnte ich mit niemandem fließend Französisch sprechen. Gehen wir noch einen Schritt weiter. In der 7. Klasse habe ich mit Latein angefangen, was natürlich eine tote Sprache ist. Durch Latein lernt man, eine Sprache zu analysieren und als System mit Regeln und auch als Puzzle zu betrachten. Das war zwar interessant, aber Sprachen interessierten mich immer noch nicht besonders. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Mit ca. 13 Jahren interessierte ich mich für den israelisch- palästinensischen Konflikt und lernte Hebräisch. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das angehen sollte und habe angefangen, Rapmusik zu hören. Ich habe Liedtexte gelernt und nachgesprochen und versucht, einmal pro Woche oder Monat mit Muttersprachlern zu reden. Mit der Zeit habe ich immer mehr verstanden. Ich klang nicht wie ein Muttersprachler, meine Aussprache war nicht besonders gut und ich wusste nichts über Grammatik. Aber ganz anders als in der Schule war es mir gelungen, mir die Grundkenntnisse einer Sprache selbst anzueignen. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Arabisch habe ich mit 14 in einem Sommerkurs vor Beginn der 9. Klasse gelernt. Das war im Sommer 2010. Nach einem Monat konnte ich problemlos lesen und schreiben. Ich hatte Grundkenntnisse des Hocharabischen und eines weit verbreiteten Dialekts gelernt. Da wurde mir klar, dass ich tatsächlich als Hobby Sprachen lernen konnte. Dann kam der 24. März 2011. Ich litt an einer Schlafstörung und lernte so nachts immer mehr Sprachen, mithilfe von Grammatikbüchern und Fernsehshows. Ich vertrieb mir also z. B. mit dem Arabisch- oder Hebräischlernen die Zeit. Am 24. März blieb ich nachts lange wach und machte mit meinem Computer Audioaufnahmen auf Arabisch, untertitelte diese und lud sie auf YouTube unter dem Titel "Tim spricht Arabisch" hoch. (Arabisch) Am nächsten Tag das Gleiche ... (Hebräisch) Tim spricht Hebräisch. Die Kommentare waren großartig. Manche schrieben: "Wow, ich habe noch nie einen Amerikaner Arabisch sprechen gehört." (Lachen) Kann man ihnen das verübeln? Andere schrieben: "Vielleicht solltest du an deinen Vokalen arbeiten." Oder: "Dieses Wort wird anders ausgesprochen." Plötzlich war Sprachenlernen kein einsames Lernen mit Büchern oder meinem Computer mehr, sondern Kommunikation mit der ganzen Welt. Von da an war ich süchtig. Ich hatte eine mehrsprachige Community, mit der ich kommunizieren konnte, und einen Lehrer oder Gesprächspartner für jede Sprache, die ich lernen wollte. Ich zeige euch eine kurze Filmmontage. Video: [Arabisch] Vor ca. 6 Monaten habe ich angefangen, Arabisch zu lernen. [Indonesisch] Angefangen habe ich vor eins, zwei, drei, vier ... ca. vier Tagen. [Hebräisch] Ich finde, dass Lesen und Schreiben auf Arabisch leichter ist. [Ojibwe] Ojibwe finde ich sehr schwierig. [Swahili] ... aber ich kam vorgestern nach Hause. [Paschto] Wie ist meine Aussprache? Vielen Dank! Einen schönen Tag noch. Tschüss! (Applaus) Das war meine Art, mit der Welt in Kontakt zu treten. Während des Sprachenlernens musste ich aber auch Hindernisse überwinden, z. B.: Wie lernt man selbstständig eine Sprache? Wenn man euch sagen würde: "Ihr müsst in einem Monat Paschto lernen", würdet ihr nicht wissen, wie das geht. Ich habe also experimentiert. Zum Beispiel so: Im Lateinunterricht habe ich bei Cicero von der sogenannten "Loci-Methode" oder genauer gesagt "Locorum" gelesen. Es geht dabei um Gedächtnisstützen. Nehmen wir an, ihr wollt 10 Vokabeln lernen. Diese Wörter werden nicht in Blöcken gelernt, sondern im räumlichen Gedächtnis abgelegt. Das sieht dann so aus: Das ist der Union Square. Hier bin ich jeden Tag. Wenn ich meine Augen schließe, kann ich mir diesen Ort genau vorstellen. Ich stelle mir also vor, über diesen Platz zu gehen, und verknüpfe jede Stelle, die in mir Resonanz findet, mit einer Vokabel. Ein Beispiel: Ich gehe die Park Avenue entlang und "gehen" heißt auf Japanisch "iku". Ich gehe weiter, biege rechts ab und setzte mich auf die Stufen, was "suwaru" heißt. Oben im Bild ist eine Statue von George Washington, die ich früher für einen Brunnen hielt. "Nomu" heißt also "trinken". Den Baum daneben kann man "kiru", "fällen". Bei Barnes & Noble weiter oben kann man "yomu", "lesen". Wenn ich Hunger habe und zu meinem Lieblingsfalafelladen will, gehe ich ein Haus weiter, um zu "taberu", "essen". Habe ich etwas vergessen? Acht von zehn, nicht übel. Indem ich häufig mit solchen Methoden experimentiert habe, wurde das Sprachenlernen wesentlich interaktiver. Ich konnte mich besser an Dinge erinnern und hatte dabei jede Menge Spaß. Vielleicht gefällt euch eine andere Methode besser. Viele Leute fragen mich: "Du lernst so viele Sprachen gleichzeitig. Wieso verwechselst du die nicht?" Oder: "Wie lernst du so viele Vokabeln? Ich lerne das spanische Wort für 'Tisch' und vergesse sofort, was 'Buch' heißt." Ich verknüpfe diese Wörter mit anderen Begriffen. Schaut euch z. B. diese drei indonesischen Wörter an, die unter den ersten 50 Wörtern waren, die ich gelernt habe: "Kepala", "Kabar" und "Kantor". Inhaltlich haben sie nichts gemein. "Kepala" heißt "Kopf", "Kabar" heißt "Nachrichten" und "Kantor" heißt "Büro". Alle Wörter klingen aber wegen des "K" und "A" ähnlich. Ich lerne also Vokabeln, indem ich ähnlich klingende Wortgruppen zusammenfasse. Wenn ich das Wort "Kepala" höre, denke ich sofort an "Kabor" und "Kantor". Auf Arabisch das Gleiche: Die Wörter "Iktissad", "Istiklal", "Sokot" haben inhaltlich nichts gemein und bedeuten "Wirtschaft", "Unabhängigkeit" und "Niedergang". Wenn ich ein Wort höre, dann -- (Lachen) -- denke ich sofort an die anderen. Das Gleiche auf Hebräisch. (Hebräisch) Diese Wörter heißen "wiederkehren", "erinnern" und "scheinen". Das Gleiche auf Farsi, wobei die Wörter aber sinnverwandt sind. Das Wort "Pedar", das Vater bedeutet, erinnert mich an "Mada", "Barodar" und "Dokhtar": "Mutter", "Bruder", "Tochter". Das ist also eine weitere Lernmethode. So lernt ihr nicht unbedingt, eine Sprache fließend zu sprechen, aber ich konnte so einige Lernhindernisse überwinden. Ihr fragt euch nun vielleicht: Wozu das Ganze? Warum lernt man Paschto oder Ojibwe, wenn man in New York wohnt? Das ist eine berechtigte Frage. Ich wohne schon immer in New York und bin trotzdem erstaunt, wie viele Sprachen man an einem Tag hören kann. In den Straßen sehe ich spanische und chinesische Werbetafeln, russische Buchhandlungen, indische Restaurants und türkische Bäder. Trotz dieser Sprachenvielfalt hält die amerikanische Mainstreamkultur entschlossen an ihrer Einsprachigkeit fest. Wenn ihr mir nicht glaubt, schaut euch einfach die Reaktionen auf das Superbowl-Video von Coca-Cola an. Während ich mit dem Sprachenlernen experimentierte, bildete sich meine eigene Community mit Lernern aus New York heraus. Ich ging in andere Stadtbezirke und blamierte mich buchstäblich, als ich mit Leuten zu reden versuchte und ihre Meinungen hören wollte, um so meine neuen Sprachkenntnisse zu nutzen. Video: (Russisch) Wie heißen Sie? - Natan. Natan. - Guten Tag. Wie heißt du? Ich heiße Tim. Schön, dich kennenzulernen. Schön, Sie kennenzulernen. Woher kommen Sie? (Urdu) Qudratullah Shanab selbst hat dieses Buch verfasst. Was heißt "nawist"? Es bedeutet, der Schriftsteller hat geschrieben ... Ah, Khod-Nawist (selbst schreiben). Von Persisch "khod-nevashtan". Vielleicht müsst ihr oft eure Muttersprache sprechen. Vielleicht ist das, was ihr sagt, nicht besonders interessant. So kommt ihr aber mit der Sprache in Kontakt. Mein Urdu ist nicht gut, das Gespräch war eher schwerfällig, aber ich habe das Wort "Khod-Nawist" gelernt. Das werde ich nicht vergessen. Vielleicht fragt ihr euch nun wieder: "Wozu das Ganze?" Ich erkläre oft, weshalb ich Sprachen lerne, aber ich glaube, dieses Zitat von Nelson Mandela drückt meinen Beweggrund am besten aus: "Wer mit einem Menschen in einer Sprache spricht, die er versteht, erreicht seinen Verstand. Wer mit ihm in seiner Sprache spricht, erreicht sein Herz.“ Ich begriff so, dass Sprache und Kultur sowie Sprache und Gedanken aufs Engste zusammenhängen. Wenn ihr z. B. Persisch lernen wollt und im Wörterbuch "Danke", "Wie viel kostet das?" und "Tschüss" nachschlagt, dann sprecht ihr deswegen noch lange nicht Persisch, und ich erkläre euch auch, warum. Wenn ihr etwas in einem persischen Buchladen kaufen wollt, fragt ihr vielleicht: "Wie viel kostet das?" Wahrscheinlich sagt man euch dann: "Ghabeli nadaareh." Das bedeutet: "Es ist wertlos." (Lachen) Das ist ein fest verwurzelter Brauch, der "Taaraf" heißt. Dabei reden zwei Personen miteinander und versuchen, bescheidener als der andere zu sein. Ein Buchhändler wäre unhöflich, wenn er zu mir sagen würde: "Das kostet 5 $." Er müsste sagen: "Es ist wertlos. Du siehst so gut aus, bist so talentiert ..." (Lachen) "Ich bin so bescheiden, du bekommst es umsonst." (Lachen) Vielleicht hört ihr aber auch einen anderen Satz. Wenn Ihr euch bei jemandem auf Farsi bedanken wollt oder jemanden begrüßt und das Wort für "Danke" kennt, denkt ihr vielleicht, ihr sprecht Farsi. So einfach ist es aber nicht. Ich habe im Gespräch mit Iranern oft "Ghorbanet beram" gehört. Wörtlich heißt das: "Darf ich mein Leben für dich opfern?" (Lachen) Auch das ist ziemlich poetisch, man könnte sogar sagen: melodramatisch. So etwas versteht man aber nur, wenn man die andere Kultur kennt. Ich möchte diese Bräuche nicht als exotisch darstellen, denn im Englischen tut man dasselbe. Auf die Frage "Wie geht's dir?" gibt es nur eine Antwort: "Gut." Etwas anderes will ich nicht hören. (Lachen) Trotzdem fragt man. Man sagt auch "Gott segne dich", wenn jemand niest, obwohl hier keine religiöse Konnotation vorhanden ist. Stimmt's? Interessanterweise glauben die meisten Linguisten, dass Sprache nicht grundsätzlich unser Denken prägt. Keine Sprache macht euch zu einem Mathe-Genie. Keine Sprache lässt alle logischen Probleme lösbar erscheinen. Es gibt aber eine enge Verbindung zwischen Sprache und Kultur. Sprache kann einem so viel über die Mentalität einer Kultur verraten. Weltweit verschwindet alle zwei Wochen eine Sprache. Diese Sprache wird nicht mehr gesprochen, z. B. wegen Kriegen, Hungersnöten oder häufig auch Assimilation. Es ist vielleicht einfacher, nicht die Sprache eines kleinen Dorfs, sondern Arabisch zu sprechen. Vielleicht gibt es irgendwo einen Stamm im Amazonas, dessen Lebensraum zerstört wird, sodass es für diesen sinnvoller ist, Portugiesisch zu lernen und die eigene Kultur aufzugeben. Darüber solltet ihr nachdenken. In zwei Monaten ist der 1. April. Dieser Tag wird vielleicht stressig, weil ihr eine Arbeit abgeben oder eure Miete zahlen müsst. Für zwei Völker, für zwei Kulturen, bedeutet das aber das Verschwinden ihrer Sprache, ihrer Mythologie, ihrer Geschichte, ihrer Folklore und ihre Sicht auf die Welt. Wenn ihr euer Spanisch verbessert oder Japanischkurse besucht, verhindert ihr dadurch nicht das Verschwinden einer Sprache. Ihr begreift so aber, dass Sprachen in sich ein kulturelles Weltverständnis darstellen. Wenn ihr heute Abend eines mitnehmen sollt, dann das: Wörter lassen sich leicht übersetzen; die Bedeutung dieser Wörter aber nicht. Danke. (Applaus)