Rosalie, eine ältere Dame,
saß im Pflegeheim,
als sich ihr Zimmer plötzlich
mit wirbelnden Stoffen füllte.
Mitten in diesem Wirbel
sah sie Tiere,
Kinder
und kostümierte Charaktere.
Rosalie war alarmiert,
nicht durch das Eindringen,
sondern weil sie wusste,
dass das eine äußerst detaillierte
Halluzination war.
Ihre kognitive Funktion war ausgezeichnet,
und sie hatte keine
Medikamente eingenommen,
die Halluzinationen hervorrufen könnten.
Am seltsamsten war: wären echte
Zirkuskünstler in ihr Zimmer gestürmt,
hätte sie sie nicht sehen können.
Sie war völlig blind.
Rosalie litt an Charles-Bonnet-Syndrom,
ein Leiden, bei dem Patienten
mit Sehstörungen oder völliger Blindheit
plötzlich ganze Szenen
in lebhaften Farben halluzinieren.
Halluzinationen treten plötzlich auf
und können nur wenige Minuten andauern
oder über Jahre hinweg
immer wieder auftreten.
Wir verstehen noch nicht ganz
warum sie kommen und gehen
oder warum manche Patienten
sie entwickeln und andere nicht.
Aus fMRT-Studien wissen wir,
dass diese Halluzinationen
die gleichen Gehirnbereiche
wie das Sehen aktivieren,
Bereiche, die nicht durch
die Vorstellungskraft aktiviert werden.
Viele andere Halluzinationen,
einschließlich Gerüche,
optische Halluzinationen
und Geräusche,
betreffen dieselben Gehirnbereiche
wie echte Sinneserfahrungen.
Aus diesem Grund wird angenommen,
dass die Großhirnrinde
eine Rolle bei Halluzinationen spielt.
Diese dünne Schicht grauer Substanz
bedeckt das gesamte Gehirn,
wobei verschiedene Bereiche Informationen
von jedem unserer Sinne verarbeiten.
Aber auch bei Menschen
mit uneingeschränkten Sinnen,
konstruiert das Gehirn die Welt
aus unvollständigen Informationen.
Zum Beispiel haben
unsere Augen blinde Flecken,
wo der Sehnerv einen Teil
der Netzhaut blockiert.
Wenn der Visuelle Cortex Licht
zu kohärenten Bildern verarbeitet,
füllt er diese blinden Flecken
mit Informationen aus der Umgebung.
Gelegentlich bemerken wir einen Fehler,
aber meistens nicht.
Wenn dem Visuellen Cortex auch nur kurz
die Eingabe aus den Augen entzogen wird,
versucht das Gehirn immer noch,
ein kohärentes Bild zu erstellen,
aber die Grenzen seiner Fähigkeiten
werden offensichtlicher.
Die ausgewachsenen Halluzinationen
des Charles Bonnet Syndroms
sind ein Beispiel dafür.
Da das Charles-Bonnet-Syndrom
nur bei Menschen auftritt,
die normal sehen und dann
das Augenlicht verlieren,
und nicht bei Menschen,
die blind geboren wurden,
glauben Wissenschaftler, dass das Gehirn
gespeicherte Bilder verwendet,
um den Mangel an neuen visuellen
Eingaben auszugleichen.
Das gilt auch für andere Sinne.
Menschen mit Hörverlust
halluzinieren oft Musik oder Stimmen,
manchmal so kunstvoll wie die Kakophonie
einer ganzen Blaskapelle.
Neben sensorischer Deprivation
sind Drogen und Medikamente,
Leiden wie Epilepsie und Narkolepsie
sowie psychiatrische Erkrankungen
wie Schizophrenie
einige der vielen bekannten Ursachen
für Halluzinationen,
und wir finden immer noch neue.
Einige der bekanntesten Halluzinationen
sind mit Drogen wie LSD
und Psilocybin verbunden.
Zu ihren typischen Effekten
gehört das Gefühl,
dass trockene Gegenstände nass sind
und Oberflächen atmen.
Bei höheren Dosen kann die visuelle Welt
zu schmelzen scheinen,
sich in Wirbel auflösen
oder in fraktalartige Muster zerplatzen.
Es gibt Hinweise darauf, dass diese Drogen
auch auf die Großhirnrinde wirken.
Während Sehstörungen typischerweise
nur visuelle Halluzinationen
und Hörstörungen verursachen,
verursachen Substanzen wie LSD
Wahrnehmungsstörungen aller Sinne.
Dies liegt wahrscheinlich daran,
dass sie Rezeptoren in einer Vielzahl
von Gehirnregionen aktivieren,
einschließlich der kortikalen
Regionen aller Sinne.
LSD und Psilocybin funktionieren
beide wie Serotonin im Gehirn
und binden insbesondere direkt
an eine Art von Serotoninrezeptor.
Während die Rolle von Serotonin im Gehirn
komplex ist und wenig verstanden wird,
spielt es wahrscheinlich
eine wichtige Rolle
bei der Integration
von Informationen aus Augen,
Nase,
Ohren
und anderen Sinnesorganen.
Eine Theorie besagt,
dass LSD und Psilocybin
Halluzinationen verursachen,
indem sie die Signalübertragung
bei der sensorischen
Integration unterbrechen.
Halluzinationen bei Schizophrenie
können einen ähnlichen Mechanismus
aufweisen wie LSD und Psilocybin.
Patienten mit Schizophrenie
haben häufig erhöhte
Serotonin-Spiegel im Gehirn.
Antipsychotika lindern
die Symptome von Schizophrenie,
indem sie die gleichen
Serotoninrezeptoren blockieren,
an die LSD und Psilocybin binden.
In einigen Fällen können diese Medikamente
sogar die Halluzinationen von Patienten
mit Charles-Bonnet-Syndrom lindern.
Wir sind noch weit davon entfernt,
die Ursachen und miteinander
verbundenen Mechanismen
von Halluzinationen zu verstehen.
Es ist jedoch klar, dass diese Erfahrungen
viel enger mit der gewöhnlichen
Wahrnehmung verbunden sind,
als wir einst dachten.
Indem wir Halluzinationen studieren,
lernen wir viel darüber,
wie unser Gehirn die Welt konstruiert,
die wir sehen,
hören,
riechen
und berühren.
Wenn wir mehr lernen,
werden wir zu schätzen wissen,
wie subjektiv und individuell
das Wahrnehmungsuniversum
eines jeden Menschen wirklich ist.