(Audio) Dylan Gunaratne:
Didi Hirsch Krisen Hotline.
Andrea: Hi.
DG: Hey, ich heiße Dylan.
Wie heißen Sie?
Andrea: Andrea.
DG: Hi, Andrea.
Andrea, denken Sie
im Moment an Selbstmord?
Andrea: Ja.
(Ende des Audios)
Was Sie eben hörten, zeigt beispielhaft,
wie es sich anfühlt,
ein Telefongespräch
als Krisenberater zu beginnen.
Nun, ich heiße Dylan,
ich bin ein Krisenberater,
ehrenamtlich bei einer Krisen-Hotline,
die Teil des nationalen Netzwerkes
zur Selbstmordprävention ist.
Ich bin heute hier,
um Ihnen Einblicke
in meine Erfahrungen zu geben,
um Sie dazu zu inspirieren
und zu motivieren,
künftig die Bedeutung des Zuhörens
in ihrem Leben zu bedenken.
Lassen Sie uns also genau aufschlüsseln,
wie der erste Schritt aussieht, okay?
Ich nehme den Hörer ab
und spreche direkt mit Menschen,
die sich selbst umbringen wollen.
Menschen, die Selbstmordgedanken haben.
Menschen, die versucht haben
sich umzubringen,
an diesem Tag oder sogar schon
mehrmals in ihrem Leben.
Menschen, die vielleicht
Selbstmord begehen wollen,
aber nicht unbedingt einen Plan
oder die Mittel dafür haben.
Das bezeichnen wir als
Selbstmordabsicht oder -potenzial.
Oder Anrufe von Dritten,
Menschen, die wegen ihrer Familie
oder ihrer Freunde anrufen.
Menschen, die besorgt sind,
weil sie beispielsweise alamierende Fotos
auf Instagram gesehen haben.
Es ist auch nicht so selten,
einen Scherzanruf von einer Gruppe
13-Jähriger zu erhalten.
Egal, wer der allererste Anrufer ist,
man hat Angst, den Hörer abzunehmen.
Ich wollte keine falschen Sachen sagen.
Ich wollte sichergehen,
dass ich die "richtigen" Sachen sage.
Oft wusste ich nicht,
was ich eigentlich sagen sollte.
Letztlich lernte ich,
einfach offenherzig zu sein.
Auch muss man bereit sein,
sich völlig neue Fähigkeiten anzueignen.
Denn Zuhören ist gewiss nicht einfach.
Es ist nicht einfach.
Es ist sogar ziemlich schwierig zuzuhören.
Erst als ich anfing, ehrenamtlich
bei der Krisen Hotline zu arbeiten,
merkte ich, wie schwer es mir fällt,
in meinem eigenen Alltag zuzuhören.
Hier sind einige der Dinge,
die ich tue, genauso wie Sie,
sogar heute noch.
Manchmal stelle ich
dieselbe Frage zweimal,
kurz nachdem ich das bereits fragte,
da mir einfach entfiel,
was sie eben schon sagten.
Manchmal frage ich Leute nach ihrem Namen
und vergesse ihn kurz darauf,
da ich dabei überlege,
welches Merkmal dieser Person
für mich irgendwie heraussticht.
Oder wenn jemand sagt:
"Hey Dylan, was gibt's Neues?",
und ich einfach erwidere:"Gut, und dir?",
ohne wahrzunehmen,
was sie eigentlich fragten.
Genauso wie Sie,
mache ich diese Fehler
am Ende sehr häufig,
und ich mache sie auch heute noch.
Man sieht also,
dass Zuhören für viele von uns
echt ein Problem ist.
Betrachten wir doch kurz
die meditative Rolle der Technologien, ja?
Die Informationsflut
auf den sozialen Medien und Plattformen;
so viele Bilder und Informationen
stürmen täglich auf uns ein,
beim Arbeiten nutzen wir
mehrere Tabs und Fenster.
Es gibt also Hindernisse beim Zuhören.
Und das sind nicht nur
externe Hindernisse.
Es gibt auch interne Barrieren.
Ein Beispiel ist
die Neigung, den Satz
des Anderen beenden zu wollen.
Oder wenn man überlegt,
was man als Nächstes sagt,
während jemand Anderes versucht
mit einem zu sprechen.
Oder wenn man nach Lösungen sucht für das,
was man als deren Probleme ansieht,
während der Andere noch spricht.
All das haben wir selbst schon mal
irgendwie gemacht, oder?
Alle diese Aspekte behindern
unsere Fähigkeit zuzuhören,
wodurch Zuhören zu einer mühsamen Aufgabe
im heutigen Zeitalter wird.
Als Vorsitzender und Gründer
der Ortsgruppe L.A. von NAMI,
-- NAMI ist die nationale Allianz
gegen psychische Erkrankungen --
beunruhigt mich wie wenig
wir auf unsere eigenen Bedürfnisse
der psychischen Gesundheit hören.
Bedenken Sie, zwei Drittel der Studenten,
die mit psychischen Problemen kämpfen,
holen sich keine ärztliche Hilfe,
laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015
von der American College
Health Association.
Nun, ich wollte dieses Thema vorbringen,
um eine Ent-Stigmatisierung anzustoßen,
beim Thema der psychischen Gesundheit,
bei allen Themen,
die ich von den Anrufern
bei der Hotline hörte,
Themen wie soziale Ängste, Depression,
Sozialphobie, Psychosen.
Dieser Punkt betont auch die Rolle,
die Bildung und soziale
Unterstützung dabei spielen,
dass ein offenerer Umgang
mit psychischer Gesundheit
auf dem College Campus geschaffen wird.
An diesem Punkt können wir, glaube ich,
zumindest in der Theorie die Bedeutung
des Zuhörens verstehen, oder?
Sie denken daran und könnten sagen:
"Zuhören ist vermutlich wichtig,
ich tue es nicht so oft, wie ich sollte,
oder ich höre nicht richtig zu,
wie ich es vermutlich sollte."
Aber erst als Zuhören im Angesicht
von Leben oder Tod so wichtig wurde,
fing ich an zu bemerken,
wie oft ich selber
genau diese Fehler machte.
Bis heute fällt es mir schwer,
Anrufern zuzuhören
und gleichzeitig Hilfsangebote
bereitzustellen
und ihnen zu helfen,
die Angebote zu finden,
die für sie passen.
Diese Geschichte beginnt
mit einem Anrufer,
den wir Mark nennen.
Mark war ein jugendlicher Anrufer.
Er erzählte mir, dass und wie
er sich umbringen wollte,
da sein Vater ihn in der Nacht zuvor
körperlich angegriffen hatte.
Es war sehr schwer
Marks Geschichte zu hören;
zeitweise auch herzergreifend.
Aber ich preschte vor
mit einer demographischen Frage
ohne ihn zu ermutigen,
mir mehr seiner Geschichte zu erzählen.
Ich fragte ihn, Mark,
als welches Geschlecht
er sich identifiziere.
Ehrlich gesagt,
bevor er überhaupt anfing zu sprechen,
schrieb ich "männlich" auf.
Aber er antwortete mit: "Transgender".
Ich hatte nicht gut zugehört.
(Lachen)
Eigentlich hörte ich ihm gar nicht zu.
Ich begriff in dem Moment,
dass ich mir Meinungen bildete,
dass ich Schlüsse zog,
anstatt ganz bei Mark zu sein.
Selbst die größte Abischt
einfühlsam zu sein,
ist nicht gleichzusetzen damit,
wenn man jemandem wirklich zuhört.
Deswegen bewundere ich die Berater,
die mit mir arbeiten.
Während einer vierstündigen Schicht
sprechen sie mit sieben bis zehn Anrufern,
und können dabei jedem Anrufer
ihre volle Aufmerksamkeit schenken.
Berater, die seit Jahren oder Jahrzehnten
bei der Hotline arbeiten,
erzählen mir,
dass sich ihre Fähigkeit zuzuhören
sogar noch verbessert.
Fakt ist,
dass Ihre Fähigkeit zuzuhören, wie meine,
kontinuierlich weiterentwickelt
und verfeinert werden kann
und wachsen kann.
Während meiner Zeit als Krisenberater
konnte ich einen ganz anderen
Ansatz des Zuhörens
kennenlernen und verinnerlichen.
In ihrem bahnbrechenden Buch
"Are you listening?",
das 1957 bei McGraw-Hill erschien,
schreiben Dr. Ralph Nichols
und Kommunikationsexperte Leonard Stevens,
dass die durchschnittliche
Sprechgeschwindigkeit der Amerikaner
125 Wörter pro Minute beträgt.
Nun, während viele Forscher
darüber diskutieren
wie die Denkprozesse
im Gehirn funktionieren --
bleiben Sie bei mir --
sind sich die meisten Forscher doch einig,
dass unser Gehirn primär in Worten denkt
und die Denkgeschwindigkeit viel größer
als die Sprechgeschwindigkeit ist.
Was bedeutet das nun für uns alle?
Das bedeutet im Grunde, dass,
wenn wir jemandem zuhören,
wir die Lücken mit unseren
eigenen Gedanken füllen.
Ich möchte diesen Vortrag
mit einem Beispiel
von Nichols and Stevens schließen,
das wir alle irgendwie
nachempfinden können.
Erinnern wir uns doch mal
an das letzte Meeting mit dem Chef,
bei dem wir wirklich zuhören wollten.
Der Chef erzählt uns
von einem neuen Programm,
oder einer neuen Initiative,
die sie umsetzen wollen,
und er möchte unsere Hilfe dafür.
Also hören wir zu.
Wir sitzen dabei und hören zu.
Aber dann,
wegen der langsameren
Sprechgeschwindigkeit,
verglichen mit den Fähigkeiten
unseres Gehirns,
fangen wir allmählich an,
uns unbewusst geistig abzulenken.
Dann beginnen wir an Dinge zu denken,
wie die letzte Trennung,
an unsere Freunde, unsere --
an alles Mögliche,
daran wie man neulich
bei der Arbeit der Held war,
daran dass man ansprechen muss,
wie man fast eine
Firmenkatastrophe verhinderte
denn das ist das Meeting,
um das anzusprechen.
Was auch immer es ist,
wir können das für eine Weile tun.
Wir können uns mental ablenken,
und dann uns wieder
auf das Meeting konzentrieren.
Mental ablenken,
und wieder auf das Meeting konzentrieren.
Aber irgendwann,
träumt man länger vor sich hin,
als man eigentlich vorhatte.
Gemäß der Aussage von Nichols und Stevens
hat man am Ende des Meetings
nahezu die Hälfte von dem verpasst,
was einem der Chef auf gewisse Weise
zu vermitteln versuchte.
Ich bin Berater bei einer Krisen-Hotline.
Meine übliche vierstündige Schicht
verbringe ich damit,
mit Leuten zu reden,
die sich umbringen wollen.
Ich bin Student,
und werde das immer sein.
Ich gründete auf dem Campus
eine Ortsgruppe der NAMI.
Aber eine Sache, die ich nicht bin,
ist ein besserer Zuhörer;
nicht wegen einem dieser Punkte.
Denn Zuhören ist eine Entscheidung,
die wir alle treffen müssen,
jede Minute, jede Sekunde,
eigentlich zu jeder Zeit.
Es ist eine Entscheidung, die wir treffen,
um uns selbst besser zu verstehen,
während wir gleichzeitig
mehr Verständnis füreinander aufbauen.
Aber am allerwichtigsten ist,
dass echtes Zuhören jemandem
tatsächlich das Leben retten kann.
Vielen Dank.
(Applaus)