35C3 Vorspannmusik
Herald: "Freiheit ist das Recht, anderen
zu sagen, was sie nicht hören wollen.".
sinngemäß hat das mal George Orwell in
´nem Buch so geschrieben, oder man könnte
in Deutschland auch sagen "Keep calm and
go to Karlsruhe" wie es auf dieser schönen
Postkarte steht. Die Gesellschaft für
Freiheitsrechte wird im nächsten Talk
vorgestellt. Es werden zwei Leute diesen
Talk machen, das eine ist der Ulf
Buermeyer, der ist Richter in Berlin,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Verfassungsgericht in Berlin. Er macht
einen Podcast "Lage der Nation", kommt
glaube ich immer Freitag, macht er
zusammen mit Philip Banse, einem
Journalisten, der so das aktuelle
politische Tagesgeschehen ein bissel
aufarbeitet und bewertet. Er ist auch
aktiv im Bereich Netzpolitik, bei der
digitalen Gesellschaft, ist Jurist, was
wohl Sinn macht für die GFF und er macht
das zusammen mit Nora Markard. Nora
Markard ist auch Juristin, die ist im
Vorstand der GFF, sie ist Professorin in
Hamburg und setzt sich unter anderem auch
für Flüchtlingsrechte ein. Zusammen machen
sie beide recht viel. Sie machen auch
zusammen eben, unter anderem mit Malte
Spitz noch, die Gesellschaft für
Freiheitsrechte. Was die tun, warum sie`s
tun und was so da alles in 2019 zu
erwarten ist und was da so als Ausblick
für 2019 ansteht, das werden sie uns jetzt
alles erzählen. Bitte nochmal ein
Riesenapplaus für Nora und Ulf.
Applaus
Nora Markard: Ja Hi, vielen Dank
Konstantin für die Einführung. Wir sind
heute da mit dem Talk "Freedom needs
fighters!"also "Freiheit braucht Kämpfer /
Kämpferinnen" und werden euch das Konzept
strategische Prozessführung vorstellen.
Das was uns heute hier besonders
beschäftigen wird, ist, dass die
Freiheitsrechte verteidigt werden müssen,
auch und gerade im digitalen Raum.
Konstantin hat schon gesagt, mein Name ist
Nora Markard, ich bin im Vorstand der
Gesellschaft für Freiheitsrechte und neben
mir steht:
Ulf Buermeyer: Ich bin Ulf Buermeyer,
hallo, herzlich willkommen zu unserem
Talk. Wir freuen uns sehr, dass ihr alle
hier seid und uns zunächst ein bisschen
zuhört, aber wir wollen natürlich nachher
auch mit euch ins Gespräch kommen,
deswegen haben wir das so auf 40-45
Minuten angelegt und freuen uns sehr auf
eure Vorschläge, Anregungen und Fragen.
N: Ja, die Freiheit ist in Gefahr, das ist
erstmal unser Ausgangspunkt. Wir leben
jetzt vielleicht in einem Land, wo man
sich sagt, naja, das ist ja schon so im
Vergleich, weltweit, eher eines der
Länder, wo die Freiheitsrechte, wo es
denen ganz gut geht. Aber es gibt ja jetzt
nicht nur mit Trump und Putin usw.
Probleme, sondern auch in Deutschland
durchaus Gefahren für die Grund- und
Menschenrechte. Und zwar eben vor allem an
der Schnittstelle zwischen dem Recht und
der digitalen Welt. Also die große
Koalition hat uns da ja eigentlich viele
Themen geliefert, sag ich mal.
U: Ja genau, die große Koalition sorgt im
Grunde seit Jahren dafür, dass ständig
neue Gesetze verabschiedet werden, bei
denen die Grundrechte immer wieder unter
die Räder kommen, einfach weil sie im
politischen Prozess nicht die Rolle
spielen, einfach nicht so interessant sind
für Politikerinnen und Politiker, wie
sie´s eigentlich sein müssen. Und wir
wollen in unserem Talk kurz einmal die
Problemfelder zeigen, wo sich das ganz
besonders deutlich zeigt, aber natürlich
auch Probleme aufzeigen, denn dieser Talk
soll uns jetzt ja nicht alle frustriert
hinterlassen uns sagen die Welt geht
unter...
N: Lösungen aufzeigen
U: ...sondern im Gegenteil, wir wollen
LÖSUNGEN aufzeigen, Perspektiven
aufzeigen, was können wir tun, um
Grundrechte zu schützen und zu stärken,
gerade auch im digitalen Raum.
N: Genau. Denn Demonstrieren ist wichtig.
U: absolut N: wir schreiben so schön "keep
calm and go to Karlsruhe" wir wollen
natürlich überhaupt nicht, dass ihr "calm"
bleibt, dass ihr ruhig bleibt, sondern
natürlich gehts auch darum, wütend zu
sein, was zu machen. Aber manchmal reicht
das einfach nicht. Und deswegen gibts eben
die Gesellschaft für Freiheitsrechte, um
da anzusetzen und noch eins draufzusetzen,
quasi. Und wir haben euch jetzt mal so´n
paar Highlights aus den Themenbereichen
mitgebracht, die uns besonders
interessieren. Jetzt seht ihr hier mal so
eine kleine Vorschau
Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner,
Massenüberwachung, Einschränkungen der
Pressefreiheit, Hürden für die
Informationsfreiheit, zu denen wir
arbeiten. Fangen wir vielleicht mal an.
U: Genau. Ja, fangen wir an mit den
Gefährdungen der Pressefreiheit. Ihr habt
bestimmt mitbekommen, dass vor einigen
Monaten ein als links bekanntes
Internetportal vom Netz gegangen ist,
nämlich linksunten.indymedia. Und das
halten wir bei der GFF für eine erhebliche
Gefährung der Pressefreiheit. Wieso denn
Nora?
N: Ja, also das ist ja so, eigentlich
steht ja im Grundgesetz, die Zensur findet
nicht statt, ne? Also das ist eigentlich
abgeschafft worden, Pressezensur.
U: So sollte es sein, jedenfalls die
Vorabzensur, das heißt nicht, dass man
nicht hinterher möglicherweise haftbar ist
für Veröffentlichungen in der Presse, aber
bevor etwas online geht, bevor etwas
gedruckt wird, soll es normalerweise keine
Zensur geben. Im Fall indymedia kann man
sich die Frage stellen, wie kann denn das
sein?
N: Ja, also ich mein, Du hast jetzt
gesagt, hinterher haftbar sein, das gilt
ja dann für einzelne Artikel. Hier bei
indymedia, bei linksunten, gehts ja um die
gesamte Seite. Also um das gesamte
Presseerzeugnis, so wie wenn man ne ganze
Zeitung verbieten würde. Das haben die
aber ganz geschickt gemacht, sie haben
nämlich nicht das Presseerzeugnis
verboten, linksunten.indymedia, sondern
sie haben sich überlegt, da sind ja Leute
hinter indymedia und hinter
linksunten.indymedia und die posten ja so
alles Mögliche, irgendwelche Aufrufe zu
Straftaten angeblich, das war ja der
Vorwurf. Und, kann man da nicht irgendwas
konstruieren?
U: Genau, denn der Witz dabei ist, es gibt
eigentlich in Deutschland überhaupt keine
Gesetze, um ganze Medien zu verbieten.
Gibt es einfach nicht. Das wäre sowieso
Ländersache und in den
Landespressegesetzen gibt es keine Norm,
die sagt: "eine Zeitung kann verboten
werden, wenn..." Also haben sie, hat in
diesem Fall das Bundeninnenministerium
einen Trick angewandt, sie haben einfach
gesagt, diese Leute hinter indymedia,
hinter linksunten.indymedia, die bilden
einen Verein. Das wussten die zwar gar
nicht, ja, die haben keine Satzung, die
haben keinen Vorstand, die wussten
überhaupt nicht, dass sie ein Verein sind,
das Innenministerium war schlauer als die
Leute, die diese Webseite betrieben haben,
habe gesagt, "das ist ein Verein" und
praktisch, Vereine kann man verbieten.
N: Ja, insofern, linskunten, der
neugegründete, durch das
Bundeninnenministerium neugegründete
Verein, wurde verboten. Daraufhin konnte
er seine Website auch nicht mehr
betreiben. Und das halten wir für einen
ganz groben Verstoß gegen alle möglichen
rechtlichen Prinzipien, also dass
überhaupt der Bund tätig geworden ist, wo
das doch eigentlich Ländersache ist usw.
Dass das Vereinsrecht hier verwendet wird,
um Presseerzeugnisse zu verbieten, und
natürlich ein Mega-Eingriff in die
Pressefreiheit.
U: Und natürlich auch eine Verletzung des
Demokratieprinzips, denn wenn überhaupt
Vereine, äh, Presseerzeugnisse verboten
werden können, dann muss das der
Gesetzgeber regeln, dann müssen also die
Parlamente darüber entscheiden und nicht
der Bundesinnenminister. Ein schönes
Beispiel, denke ich, wie Grundrechte unter
die Räder kommen, nur weil in diesem Fall
ein Medium politisch sicherlich missliebig
war. Ein anderes Beispiel betrifft den
Umgang mit Accounts auf Twitter.
N: Ja, da ist ja Missliebigkeit glaube ich
das richtige Stichwort, ne, denn auf
Twitter werden ja auch die Meinungen
durchaus pointiert kundgegeben. Auch
gegenüber staatlichen Behörden, die
inzwischen ja die sozialen Medien durchaus
für sich entdeckt haben und das als
Informationskanal nutzen.
U: Ja, das ist Neuland. Neuland, Nora, muss
man sehen, ist natürlich ein wahnsinnig
gefährliches Terrain, aber trotzdem wagen
sich sogar mutige Polizeibehörden in
dieses Terrain...Nora lacht...und
gründen Twitteraccounts und versuchen über
diese Twitteraccounts
Öffentlichkeitsarbeit zu machen, und
bekommen da natürlich, wie das so ist,
wenn man sich quasi in die Öffentlichkeit
wagt, gelegentlich auch einmal kritische
Fragen gestellt und nicht jeder
Polizeibeamte kann damit umgehen.
N: Ja, vor allem so oft und dann immer von
der gleichen Person wieder, das nervt
total.
U: ja, nervt total, kritische Fragen,
kritische Antworten, gar kein Spaß. Was
macht man da am Allerbesten auf Twitter?
N: Ja blocken!
U: Ganz klar, sofort den Blockknopf
drücken, und das Problem dabei ist, wenn
das eine Behörde tut, gegenüber z.B.
Journalistinnen und Journalisten oder auch
gegen Bürgerinnen und Bürgern, dann
ist das ein Problem, weil es natürlich die
Möglichkeiten der betroffenen, der
geblockten Menschen einschränkt, zur
Kenntnis zu nehmen, was diese Behörden auf
Twitter von sich geben. Es ist also eine
Einschränkung der Möglichkeit, sich zu
informieren und kann auch eine
Einschränkung der Pressefreiheit sein,
wenn es sich um Journalisten handelt, die
natürlich zum Recherchieren auch auf
Twitter mitlesen wollen.
N: Ja, und die Informationsfreiheit, ist
die denn verfassungsrechtlich geschützt
eigentlich?
U: Man sollte das denken, man muss gar
nicht so weit blättern, Artikel 5 z. B.
unseres Grundgesetzes gibt dazu ziemlich
deutlich Auskunft, aber wie gesagt, das
hat nicht alle Behörden interessiert. Wir
haben deswegen mal versucht, dagegen
rechtlich vorzugehen und haben so ein
Musterschreiben entworfen, mit dem sich
dann Menschen an eine Behörde wenden
können. Das Problem ist, wir haben bislang
noch keine Behörde gefunden, die diese
Blockaden dann nciht aufgehoben hat, ja.
Das heißt, sobal man die Behörden
anschreibt, und sagt, liebe Leute,
begründet das doch mal, schickt mir doch
mal einen Bescheid, gegen den ich dann
klagen kann, dann fallen sie alle um, ja,
wie beim Domino, also insofern, das lohnt
sich schon, gelegentlich mal zu sagen:
"Nö, das lass` ich mir jetzt nicht
gefallen.", aber falls jemand geblockt ist
und noch nicht wieder entblockt worden
ist, würden wir uns natürlich über eine
Email freuen.
N: Ja, info@freiheitsrechte.org. Aber da
sieht man auch mal, wie wahnsinnig
schlagkräftig wir sind, inzwischen, Ulf,
ne? Ulf lacht also, ein Schreiben
reicht.
U: ein Schreiben, Punkt.
N: Ja, Informationsfreiheit ist aber
überhaupt ein größeres Thema für uns, ne.
Also Informationsfreiheit ist ja jetzt
nicht nur, dass man auf Twitter was lesen
darf, was die Behörden so machen. Sondern
man kann denen ja auch mal schreiben und
sagen, ich will mal sehen, was ihr sonst
so macht.
U: Genau, wir würden natürlich gerne auch
mal Einsicht in Akten nehmen. bestimmt
kennt der eine oder andere von euch das
Projekt "Frag den Staat". "Frag den Staat"
hilft Menschen dabei, Anfragen an Behörden
zu stellen, um ihr Recht auf
Informationsfreiheit wahrzunehmen. Aber
auch da kann man sich vorstellen, dass das
jetzt nicht alle Behörden mit großer
Begeisterung erfüllt, wenn sie solche
Anfragen bekommen. Im Gegenteil, viele
versuchen sich dagegen zu wehren. Und dann
hilft eben manchmal auch nur noch der Gang
zu Gericht.
N: Ja, also die Behörden haben manchmal so
ein bisschen den Eindruck, die Akten
gehören ihnen. Also man will jetzt
sozusagen ihre persönliche Post lesen. Da
muss man sich vielleicht mal ein bisschen
vor Augen führen, dass so Behörden ja zur
Exekutive gehören, ne. Und wir haben ja
mal den Bundestag gewählt und da kommen
dann die Behörden, werden sozusagen von
dort aus ins Amt gesetzt. Und da die
Gewalt, alle Staatsgewalt geht ja vom
Volke aus, das heißt auch die Behörden
sind mir gegenüber rechenschaftspflichtig.
U: Ja, vor allem, Moneten, ja. Ich meine
die Behörden werden ja nicht zuletzt aus
Steuern bezahlt und man würde ja annehmen,
wenn wir alle mit unseren Steuern das
Arbeiten einer Behörde finanzieren, dann
müsste normalerweise auch öffentlich sein,
was in dieser Behörde vor sich geht. Klar,
es gibt bestimmte Bereiche, wo das nicht
funktioniert, ja, denken wir zum Beispiel
an Landesverteidigung, ja, bei der
Bundeswehr gibt es sicherlich Dinge, die
legitimerweise geschützt sind, aber im
Großen und Ganzen würde man sich da mehr
Transparenz wünschen, aber wie gesagt, das
ist ein langer Prozess, diese
Informationsfreiheit wirklich
durchzusetzen in Behörden und auch dazu
muss man manchmal zu Gericht.
Wir haben ein weiteres großes Thema. Das
ist die Gefährdung von Whistleblowern.
N: Ja, Whistleblower wisst ihr natürlich,
was das ist. Das sind Personen, die
Informationen öffentlich machen, die
geheimgehalten werden, z. B. staatliche
Informationen oder z. B. Informationen
über Unternehmen, und die mitkriegen, im
Rahmen ihrer Tätigkeit oft in diesen
Behörden oder in diesen Unternehmen, die
mitkriegen, dass da irgendwas faul ist.
Das da irgendwas rechtswidrig läuft, dass
da irgendne ganz große Sauerei am Dampfen
ist und kein Mensch weiß Bescheid. Und
diesen Whistleblowern verdanken wir es
dann meistens, die dann Dokumente z. B.,
Informationen den Medien zuspielen, dass
diese Skandale an die Öffentlichkeit
kommen und dass man dann z. B. darauf
reagieren kann, also dass der Gesetzgeber
tätig werden kann oder die Polizei oder
dass man z. B. beim nächsten Mal andere
Leute wählt, oder so was, ne?
U: ja
N: Und was ist jetzt das Problem mit den
Whistleblowern? Ist doch eigentlich super.
U: Das Problem mit den Whistleblowern ist,
dass sie sehr häufig große rechtliche
Risiken eingehen, wenn sie z. B. für den
Staat arbeiten, dann ist Whistleblowing
häufig strafbar als Verletzung eines
Dienstgeheimnisses. Aber auch wenn sie nur
in einem Privatunternehmen arbeiten, kann
es z. B. die Verletzung von
Geschäftsgeheimnissen sein. Also
Whistleblower leben gefährlich. Es gibt
bis heute in Deutschland keinen
vernünftigen Whistleblower-Schutz, das
betrifft also die Menschen, die
tatsächlich Informationen weitergeben. Und
es gibt außerdem nur ganz, sagen wir mal,
eingeschränkten Schutz für Journalistinnen
und Journalisten, die natürlich auf
Informationen von Whistleblowern
angewiesen sind. Und ganz besonders
gefährlich ist in diesem Kontext der
Straftatbestand der Datenhehlerei, ja, ist
ein neues Strafgesetz, das so damals mit
der zweiten Auflage der
Vorratsdatenspeicherung durch den
Bundestag geschmuggelt worden ist. Und in
aller Kürze kann man das so verstehen:
das ist ein Gesetz gegen die Weitergabe
von gestohlenen Daten. Gestohlene Daten,
Datenhehlerei, das klingt erstmal schon so
schräg, klingt irgendwie sehr nach "hm, da
hat jemand so im Cyberraum ermittelt", der
Grundgedanke ist aber eigentlich ganz
plausibel. Der Grundgedanke ist nämlich,
man möchte nicht, dass gestohlene
Kreditkartendaten, gestohlene Logins
weitergegeben werden. Das Problem ist
bloß, diese gute Idee hat man nicht ins
Gesetz geschrieben, sondern man hat
gesagt, Daten, die irgendwie rechtswidrig
weitergeben worden sind, sollen da erfasst
sein. Das Problem, ich habs gerade gesagt,
auch Whistleblower handeln häufig
rechtswidrig. Sie handeln zwar im
Interesse der Allgemeinheit, wenn sie
Daten über Skandale weitergeben, aber sie
machen sich häufig strafbar, das bedeutet,
von Whistleblowern weitergegebene Daten
können Gegenstand einer Datenhehlerei
sein. Mit anderen Worten, Journalistinnen
und Journalisten stehen, mal jetzt
plastisch formuliert, mit einem Bein im
Gefängnis, wenn sie Daten weitergeben, die
sie selber von Whistleblowern bekommen
haben. Und das, kann man sich vorstellen,
ist ausgesprochen gefährlich für die
Pressefreiheit. Und das gilt z. B. auch
für Experten, die von Journalistinnen und
Journalisten gefragt werden, ob sie nicht
mal Daten analysieren können.
N: was denn für Experten zum Beispiel?
U: Zum Beispiel auch IT-Experten. Es gibt
ja häufiger mal Fälle, wo Email-Konten
geleakt werden an die Presse, und wo der
Journalist dann vor der Frage steht, hier
habe ich diese Outlook-Inbox, ist diese
Datei halbwegs echt oder ist die gefaked
worden. Das ist möglicherweise nicht so
ganz einfach einzuschätzen und da fragt
man, wenn man verantwortungsbewusster
Mitarbeiter der Presse ist, vielleicht
lieber mal Leute, die sich mit sowas
auskennen, also z. B. Leute aus dem Umfeld
des CCC. "Was denkst Du, ist diese Inbox
manipuliert worden oder sieht das soweit
ganz plausibel aus?" Wenn diese Inbox aber
eben geleakt worden ist, z. B. aus einem
Unternehmen oder aus einer Behörde, dann
können sich auch die Experten aus dem CCC-
Umfeld strafbar machen wegen
Datenhehlerei, einfach weil es sich ja um
"gestohlene Daten" handelt. Also man kann
sofort erkennen, dieses Gesetz hat einen
vernünftigen Kern, aber es stellt viel
mehr unter Strafe und das ist
brandgefährlich für die Pressefreiheit
aber auch für IT-Experten z. B.
N: Ja, also noch ein Fall zum
Whistleblowing. Diese Datenhehlerei ist
natürlich ein Thema, was uns sehr
interessiert hat, aber ein ganz neuer
Fall, mit dem wir uns solidarisieren ist
Hermann Theisen.
Hermann Theisen seht ihr hier auf dem
Bild, ist ein Aktivist, der gegen illegale
Waffenexporte agiert und der stellt sich
dann immer so vor Unternehmenstore von so
Rüstungskonzernen in Deutschland, da gibts
ja doch einige.
U: KraussMaffei...
N: KraussMaffei z.B. Stellt sich da hin,
so ganz klassisch oldschool mit
Flugblättern und fordert zum
Whistleblowing auf. Und sagt, "illegale
Waffenexporte?", schaut doch mal nach,
wenn ja, sagt Bescheid. Das ist
Aufforderung zum Whistleblowing. Ist das
strafbar?
U: Ich fürchte es ist jedenfalls nach
Auffassung mancher Staatsanwaltschaften
und mancher Amtsgerichte strafbar.
Deswegen hat Herrman Theisen ein Problem.
Meine persönliche Auffassung wäre, Hermann
Theisen ist ein Mensch, der Zivilcourage
zeigt, der eben versucht zu verhindern,
dass Waffenkonzerne damit durchkommen,
illegal Panzer in irgendwelche Krisenregionen zu
verschieben, aber wie gesagt, manche
Staatsanwaltschaften meinen, das könnte
eine Anstiftung sein zur Verletzung von
Geschäftsgeheimnissen. Und deswegen hat er
zurzeit drei Strafverfahren, in denen er
unterstützt werden muss, damit er da eben
nicht verurteilt wird, und die Idee, die
dahinter steht ist, Whistleblowing sollte
eben keine Stratat sein und deswegen auch
nicht der Aufruf zum Whistleblowing.
Applaus
N: jetzt haben wir ja auch ein bisschen
schon über Überwachungsmaßnahmen anfangs
gesprochen, da haben wir ja einiges von
der großen Koalition geliefert bekommen.
Also ein, sozusagen, bunter Strauß von
neuen Überwachungsmaßnahmen.
U: Apropos bunter Strauß, dieser bunter
Strauß Blätter, das ist die synthetische
Palme vor dem Hauptquartier des
Bundesnachrichtendienstes in Berlin in
einer nieseligen Novembernacht. Die habens
richtig nett da, die Schlapphüte, wie man
sieht.
N: ja, also reformiert wurden das "G10",
das Gesetz zu Artikel 10, das so
Lauschangriffe ermöglicht. Das "BKA-
Gesetz" wurde reformiert, das BND-Gesetz
wurde reformiert, was steht da alles drin,
was gibts Neues?
U: Also der Kern ist, dass diese Gesetze
sowas in Deutschland ermöglichen, was
Edward Snowden über die Arbeit der NSA
oder des GCHQ, des britischen
Geheimdienstes, offen gelegt hat, nämlich
die sogenannte "Totalüberwachung" des
Internet. Es geht bei diesen Reformen,
insbesondere des G10- und des BND-Gesetzes
nicht etwa darum, einzelne Menschen ins
Visir zu nehmen, die man aus welchen
Gründen auch immer für Gefährder hält,
sondern es geht darum, den ganz großen
Schnorchel anzusetzen, zum Beispiel, das
ist in Deutschland das Relevanteste, beim
DECIX, also beim Internetknotenpunkt in
Frankfurt, wo also Terabit pro Sekunde
durchmarschieren, und da möchte der BND
einfach ganz gerne das Ohr an der Leitung
haben und der Schlüssel dazu ist das G10.
N: Das ist ja ein bisschen so das, was
Edward Snowden über die NSA offen gelegt
hat
U: ganz genau
N: nur dass führen wir jetzt einfach durch
Gesetz ein.
U: genau, was Edward Snowden im Grunde als
Mahnung verstanden hat, als Warnung für
unsere westlichen Demokratien, das hat die
große Koalition vor zwei, drei Jahren im
Grunde als Blaupause genommen, um die
Kompetenzen des BND ganz drastisch
auszuweiten. Das, wie gesagt, erlaubt vor
allem das G10 im Inland und das BND-Gesetz
erlaubt diese ungerichtete, massenhafte
Internetüberwachung im Ausland.
N: gibts da so rechtliche Grundlagen in
den verschiedenen Gesetzen, welche
Freiheitsrechte sind da so betroffen?
U: Also man kann da an eine ganze Reihe
von Freiheitsrechten denken, wir haben da
z. B. eine Bedrohung der Pressefreiheit
drin gesehen, weil es natürlich ein
Problem ist, wenn man als Journalist oder
als Journalistin versucht, mit Quellen zu
kommunizieren, über das Internet, und man
aber nicht nur befürchten muss, sondern im
Grunde sicher weiß, dass diese
Kommunikation auf irgendeiner Festplatte
des BND landet. Und man muss weiterhin ja
wissen, dass der BND mit verschiedenen
anderen Nachrichtendiensten einen bunten
Datenaustausch betreibt, und man könnte ja
noch sagen, ist ja nicht so schlimm, wenns
der BND ist, wir sind ja schließlich ein
Rechtsstaat, ja, da muss man sich ja gar
keine Sorgen machen. Das Problem ist aber,
dass es da natürlich auch Austauschringe
gibt, wo die Daten zwischen Geheimdiensten
weitergegeben werden, und da weiß dann
letzlich selbst der BND nicht mehr so ganz
genau, was eigentlich mit deutschen
Überwachungsergebnissen eigentlich so
angestellt wird. Das ist ein Problem für
die Pressefreiheit, aber natürlich ist es
auch ein Problem für das
Telekommunikationsgeheimnis, also Artikel
10 unseres Grundgesetzes, denn eigentlich
soll es ja so sein, dass dieses Grundrecht
dafür sorgt, dass man in der Ferne, über
eine Distanz, genauso geheim kommunizieren
kann, als wenn man z. B. zu zweit ohne
Geräte in einem Park gemeinsam spazieren
geht. Die Idee des Fernmeldegeheimnisses,
des Telekommunikationsgeheimnisses ist es,
vertrauliche Kommunikation über die
Distanz zu ermöglichen. Dass Briefe nicht
gelesen werden, dass Telefongespräche
nicht mitgehört werden, und man muss ganz
ehrlich sagen, dieses Grundrecht ist für
den BND zu erheblichen Teilen außer Kraft
gesetzt, weil der BND ohne Verdacht, ohne
irgendeinen sachlichen Grund ganze
Leitungen abzapfen und mitschneiden kann
und da denken wir das ist mit dem
Kernbereich dieses Grundrechtes nicht mehr
vereinbar.
N: Ja und gespeichert wird natürlich auch,
also die ganzen Metadaten mal locker für 6
Monate einfach abgespeichert. Komplett.
U: Genau, und dieses BND-Gesetz erlaubt
unter anderem nochmal so ne Art Spezial-
Vorratsdatenspeicherung für den BND, ich
glaub sogar zwei Jahre ehrlich gesagt bei
den Metadaten, bin nicht ganz sicher, also
will ich mich nicht drauf festlegen. Ja
deswegen das ist alles nicht schön. Und
deswegen haben wir gesagt, das ist auf
jeden Fall ein Gesetz, gegen das wir
vorgehen müssen. Aber apropos unbegrenzte
Datenzugriffe und "machen Sie sich keine
Sorgen"
N: Ja, machen Sie sich keine Sorgen hieß
es auch als damals die biometrischen
Passbilder eingeführt wurden. Kennen wir
alle, die wunderbaren, noch hässlicheren
Passbilder, wo man jetzt noch nicht mal
mehr lächeln darf und kein Schatten im
Gesicht. Wurden eingeführt, hatten viele
Menschen große Sorgen was so Sicherheit,
Datenschutz usw. angeht Es hieß immer, da
wird überhaupt nichts von verwendet, es
geht nur darum, dass alle unproblematisch
in die USA einreisen können, weil wir das
alle täglich machen, das ist natürlich
wichtig.
U: Was solln wir machen! Der Ami will das
so!
N: Aber, sonst nix, wird sonst für nix
gebraucht.
U: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts
zu sehen.
N: Genau, und - Überraschung.
U: Überraschung, natürlich finden sich,
wie immer, interessierte Abnehmer für
diese gespeicherten Passbilder.
Im Sommer 2017 ist eine neue
Rechtsgrundlage in Kraft getreten, die es
verschiedenen Geheimdiensten erlaubt, ohne
irgendwelche näheren rechtlichen Gründe
diese Daten bei den Meldebhörden
abzugreifen. Also diese Bilder liegen
bislang nicht in einem zentralen Register,
sondern die liegen bei den Meldebehörden,
und da gibts jetzt aber Online-
Schnittstellen, über die Geheimdienste
diese Passbilder abrufen können. Das
kontrolliert übrigens niemand. Und es wird
auch niemand benachrichtigt. Insbesondere
die Meldebehörden schaun da nicht drauf,
dürfen sie auch gar nicht, d. h. also da
kann...das ist so ne Art
Selbstbedienungsladen für Passbilder von
Geheimdiensten und wenn man sich das jetzt
mal in Kombination vorstellt. Also quasi
zwangsweise Passbilddatenbank aller
Menschen, die ein deutsches
Identitätsdokument haben zusammen mit
Videoüberwachung, die den Abgleich mit
Fotodatenbanken ermöglicht, da muss man
ganz ehrlich sagen, kann man sich nur noch
gruseln. Deswegen haben wir gesagt,
möglicherweise müssen diese Bilder
gespeichert werden, aber jedenfalls kann
es nicht sein, dass Geheimdienste selbst
entscheiden, welche Bilder sie gerne
hätten. Klammer auf, im Zweifel nämlich
alle.
N: Ja aber das ist natürlich immer das
Problem, wenn die Daten einmal da sind,
dann fällt einem doch relativ schnell
nochn ein, was man damit alles machen
könnte.
U: In der Tat. Beispiel, nächste
Volkszählung. Für das Jahr 2021 ist wieder
eine Volkszähung in Deutschland geplant.
Das ist als solches, denke ich, noch kein
Grund zur Beunruhigung, weil die ganz
genauen Spielregeln dafür noch gar nicht
feststehen. Aber natürlich setzt eine
solche Volkszählung komplexe IT-Systeme
voraus. Und wir wissen alle wie es so
steht um öffentliche IT-Systeme in
Deutschland, die sind in aller Regel
wasserdicht. Und damit sie so wasserdicht
sein können, müssen sie natürlich
wunderbar getestet werden. Und das
Bundesinnenministerium hat sich gedacht,
es gibt einfach kein besseren Test, als
wenn wir einfach sämtliche Realdaten für
diesen Test verwenden. Und deswegen hat
das Bundeninnenministerium vor ein paar
Wochen erst ein Gesetz durch den Bundestag
geschleust, der ein Test dieses Zensus
2021 schon im Januar nächsten Jahres
vorsieht und zu diesem Test sollen die
Meldebehörden in Deutschland einfach die
Daten über sämtliche gemeldeten Personen
an eine Zentralstelle, ich glaube es ist
das BSI, Bundesamt für Sicherheit...oder?
Oder das statistische Bundesamt, ich bin
mir nicht ganz sicher, jedenfalls an eine
zentrale Bundesbehörde sollen einfach
Daten über sämtliche in Deutschland
gemeldeten Personen weitergemeldet werden.
N: Und sind die Datensätze so anonymisiert
und so?
U: Nein, das sind also Realdaten, sonst
kann man das System angeblich nicht
testen. Da sind dann natürlich auch bei
den Bundestagsanhörungen auch Leute auf
die Idee gekommen, man könnte ja mit
gehashten Daten arbeiten, also wenn man
Daten nach einem standardisierten
Verfahren hashen würde, dann könnte man ja
auch auf diese Art und Weise zum Beispiel
doppelte Meldungen treffen. Wenn man
Namen, Geburtsort, Geburtsdatum nach einem
bestimmten Standard hasht, dann kann man
die Hashes vergleichen, dann muss man
nicht die Realdaten in eine
Zentraldatenbank werfen.
N: Das ist so aufwendig, weißte. Man kann
doch einfach die Daten nehmen.
U: Richtig, genau das hat das
Innenministerium auch gesagt, wenn wir das
nämlich machen würden mit den Hashes, dann
müsste ja jede Meldebehörde für ihre
gemeldeten Menschen so einen Hash
berechnen. Viel zu kompliziert, wir lassen
uns einfach die gesamten Daten an eine
zentrale Stelle schicken, aber, machen Sie
sich keine Sorgen, diese Daten werden
selbstverständlich nicht gespeichert,
selbstverständlich ganz schnell wieder
gelöscht, wenn der Test...
N: Hier gibts nichts zu sehen, bitte gehen
Sie weiter.
U: Hier gibts nichts zu sehen.
Apropos nichts zu sehen, Nora.
N: Es ist auch einiges auf Landesebene
losgewesen, ne?
U: In der Tat
N: Also in...die Polizeigesetze sind ja
reformiert worden in relativ vielen
Bundenländern. Viele von euch haben
wahrscheinlich aus Bayern gehört, vom
NoPAG-Bündnis gegen das BayPAG, das
bayrische Polizeiaufgabengesetz.
Polizeirecht ist ja Landesrecht in
Deutschland. Das wird nicht, es gibt nur
noch die Bundespolizei als klassische
Polizeibehörde, die macht aber nur
Grenzschutz. Alles andere sind dann immer
die Länderpolizeien und das heißt, wir
haben auch überall Ländergesetze. Und
Bayern war da ein bisschen so der
Vorreiter. Und in diesen Polizeigesetzen
hat man da jetzt so einiges schönes Neues
reingeschrieben. Staatstrojaner ist so ein
Thema.
U: Ja braucht man, wenn man was auf sich
hält so als Behörde in Deutschland, dann
geht es gar nicht mehr ohne, dass man sich
in die Gerätschaften der Menschen
reinhackt. Wir haben das ja schon seit
einiger Zeit in der Strafprozessordnung,
das heißt, sobald ein hinreichend schwerer
Verdacht einer Straftat besteht, kann
ohnehin schon ein Staatstrojaner
eingesetzt werden. Die Polizeibehörden
wollen das jetzt ergänzend aber noch
präventiv. Das ist umso absurder, wenn man
sich vorstellt, dass ja schon heute sehr
viele Straftatbestände weit im Vorfeld
einer Gefahr greifen. Also nehmen wir z.
B. § 129a des Strafgesetzbuches, die
terroristische Vereinigung. Sobald sich
drei Leute in der Kneipe zusammensetzen
und sagen: "Lass mal ´ne Bombe bauen",
machen die sich, wenn das Ernst gemeint
ist und kein Scherz, schon strafbar, wegen
dieses § 129a. Das heißt dann können sie
schon nach den bisherigen
Trojanerregelungen mit Trojanern
ausgespäht werden. Gleichwohl sagen
Polizeibehörden durch das ganze Land, wir
müssen das auch zur Abwehr von möglichen
terroristischen Gefahren, und das würde,
wenn das so durchgesetzt würde, dazu
führen, dass tatsächlich dutzende von
Behörden in ganz Deutschland, also
Geheimdienste und Polizeibehörden und dann
nochmal Bundesbehörden, allesamt
Staatstrojaner einsetzen. Da kann man sich
vorstellen, dass auf den Handys von
irgendwelchen bekannten Gefährdern dann
irgendwann sich drei oder vier Trojaner
gegenseitig auf die Füße treten würden.
Ich will jetzt nicht zu weit ausholen,
wie weit das so gehen würde und und wo da
die Probleme liegen für Staatstrojaner.
Wir gehen da vielleicht gleich kurz
nochmal drauf ein, weil wir da auch eine
Verfassungsbeschwerde erhoben haben. Aber
wir wollens jetzt erstmal nur so als
Stichwort hier in den Raum stellen.
Staatstrojaner in den Polizeigesetzen ist
quasi gerade total schick.
N: Ja aber Vorverlagerung ist vielleicht
auch nochmal ein Stichwort für diese
sogenannte Präventivhaft, also der Begriff
des Gefährders war ja viel in der Presse
auch. Gefährder...also Gefahr ist ja
erstmal so´n ganz klassisches
polizeirechtliches Thema. Also die Polizei
kann dann tätig werden, wenn es
irgendwelche Gefahren für die öffentliche
Sicherheit oder Ordnung gibt, wenn z. B.
irgendwelche Sraftaten drohen. Oder wenn
z. B. irgendwas einsturzgefährdet ist und
man muss jetzt die Leute rausholen, was
weiß ich alles. Findet man eigentlich gut,
dass die Polizei bei Gefahr tätig werden
kann. Jetzt haben die sich aber was Neues
ausgedacht. Erstmal den Gefährder. Weil
der Gefährder ist irgendwie gefährlich,
aber noch nicht so konkret, also der
könnte mal gefährlich, also konkret
gefährlich werden.
U: Das ist genau das Problem bei diesem
Begriff des Gefährders. Dass es da auch
nicht irgendwie eine Instanz gibt, die
sagt, der Mensch ist jetzt tatsächlich ein
Gefährder. Also dass man vielleicht auch
dagegen klagen könnte und sagen könnte ich
bin kein Gefährder. Sondern das ist
einfach letztlich so ein Begriff der so
rumwabert, wo keiner so ganz genau weißt,
was das ist. Auf jeden Fall aber
ermöglicht dieser Begriff des Gefährders
eine ganze Reihe von Maßnahmen, um
abzuwehren, dass mal irgendwann etwas
Gefährliches passiert. Und, wie gesagt
gerade, besonders schick bei den
neugeschaffenen Polizeigesetzen ist die
sogenannte Präventivhaft. Das ist was ganz
Spezielles. Früher gabs das immer schon
mal für einige wenige Tage, dass eine
Person, die akut gefährlich ist,
eingesperrt werden kann. Wie gesagt, für
kurze Zeiträume. Das allerdings wird jetzt
massiv ausgeweitet, in einigen
Polizeigesetzen kann man tatsächlich
unbegrenzt eingesperrt werden, obwohl man
noch gar nichts gemacht hat. Ja, das heißt
natürlich müssen da dann Richter gefragt
werden oder Richterinnen, aber prinzipiell
kann man in bestimmten Bundesländern,
insbesondere in Bayern unbegrenzt
eingesperrt werden, obwohl man noch nie
was getan hat. Und das große Problem dabei
ist, wie soll man eigentlich eine solche
Gefahrenprognose widerlegen, wenn man in
Haft sitzt. Da kann man natürlich immer
wunderbar argumentieren von Seiten des
Staates: "Na jetzt ist er natürlich nicht
gefährlich, jetzt sitzt er ja. Aber wenn
wir ihn rauslassen würden, dann würde es
selbstverständlich sofort wieder
brandgefährlich." Wenn man sich allerdings
die Praxis anguckt, wie solche Gesetze
genutzt werden, aus Bayern wird ein Fall
berichtet, wo Geflüchtete in einer
Asylbewerberunterkunft demonstriert haben
und so ne Art Aufstand geprobt haben, weil
sie gegen ihre Unterbringungsbedingungen
protestieren wollten. Klarer Fall -
einsperren. Einige von diesen Menschen
sind dafür wochenlang ins Gefängnis
gesperrt worden, einfach im Wesentlichen
um Ruhe in dieser Unterkunft
herbeizuführen.
N: Ja, da wird der Rechtsstaat im Grunde
zum Präventivstaat, ne?
U: Genau.
N: Wird jetzt einfach mal schön präventiv
alles Mögliche, werden Leute festgesetzt,
verhaftet, durchsucht...könnte ja sein,
dass sie gefährlich werden.
U: könnte ja sein, dass sie gefährlich
werden. N: später U: und die Idee, die
dahinter steht, das ist das was mir
persönlich Sorgen macht, dass man eben
nicht mehr darauf schaut, was passiert
tatsächlich. Es geht nicht mehr darum,
haben Menschen irgendetwas gemacht, für
das sie möglicherweise bestraft werden
müssen, sondern es geht nur noch um
Prognoseentscheidungen von Beamten, die
sind dann zwar gerichtlich überprüfbar in
bestimmten Grenzen, aber auch das fällt
schwer, denn bei der drohenden Gefahr muss
man eben keine ganz konkreten Umstände
mehr nachweisen, Nora, das machts nicht
einfacher, dagegen vor Gericht vorzugehen.
N: Genau, also das ist dann wirklich auch
so ein Gummiparagraf, das wird für den
Rechtsstaat dann wirklich gefährlich. Und
das ist eben nicht nur in Bayern
verabschiedet worden, sondern Baden-
Württemberg ist nachgezogen, NRW,
Niedersachsen, Sachsen, Brandenburg, also
das ist jetzt so ein bisschen so ein
Dominoeffekt, hat man das Gefühl. Bayern
ist so das Labor, da werden die Sachen
einmal durchgesetzt und dann kann man das
einfach abschreiben und in die anderen
Landesgesetze übernehmen, wenn man das gut
findet.
U: Genau, und dann sagt man halt einfach
wir sind ja nicht ganz so krass wie
Bayern, aber dass das natürlich immer noch
deutlich mehr Eingriffsbefugnisse für die
Polizei enthält als vorher, das fällt
dabei gerne mal unter den Tisch. Und das
Ganze muss man sich ja immer vor Augen
führen, vor dem Hintergrund einer
Sicherheitslage, die alles andere als
bedrohlich ist. Also wenn man die Bild-
Zeitung liest, könnte man ja den Eindruck
gewinnen, dass es mehr oder weniger
tödlich ist, auch nur auf die Straße zu
gehen, weil einem sofort die Handtasche
geklaut wird oder man von irgendeinem
Messermigranten abgestochen wird, aber das
ist überhaupt nicht der Fall. Ganz im
Gegenteil, schaut man sich die
Kriminalstatistiken an, dann sinkt die
Kriminalität in Deutschland teilweise
sogar ganz drastisch im Bereich
Wohnungseinbruchsdiebstähle im
zweistelligen Prozentbereich. Aber auch in
allen anderen Deliktsbereichen ist die
Kriminalität rückläufig, mit anderen
Worten, eigentlich könnte man sagen, die
Polizei hat offensichtlich schon heute
Rechtsgrundlagen, die ihr eine effektive
Gefahrenabwehr ermöglichen, die vielleicht
sogar schon zu weit gehen, aber gut, der
Zeitgeist, jedenfalls in den Ländern, ist
ein anderer und dagegen, denke ich, muss
die Zivilgesellschaft vorgehen.
N: Ja, also in Berlin ist ja auch was los.
In Berlin haben wir jetzt was Neues.
Allerdings habe ich jetzt nochmal als ich
nachgeguckt habe, hier nach der
Allgemeinverfügung gesucht, habe ich
gesehen, es gibt in Frankfurt usw. jetzt
auch ähnliche Allgemeinverfügungen. Also
in Berlin, nochmal kurz als Erläuterung,
hat die Bundespolizeidirektion Berlin,
also Bundespolizei, die für die Bahnhöfe
und den Zugverkehr und so weiter zuständig
ist, eine sogenannte Allgemeinverfügung
erlassen. Das können die machen, wenn die
so mir eine einzelne Maßnahme über´n Kopf
ziehen quasi, dann ist das ein
Verwaltungsakt und wenn die das jetzt für
so ´ne unbestimmte Zahl von Sachverhalten
machen, dann ist das kein Gesetz sondern
dann ist das eine Allgemeinverfügung. Die
können einfach die Polizei verabschieden.
U: Aber die muss sich natürlich im Rahmen
der Gesetze halten. Weil die Polizei
eigentlich nicht aus eigener Macht
Grundrechte einschränken kann, sondern
immer nur dann, wenn es ein Gesetz ihr so
erlaubt.
N: Ja, wir brauchen natürlich eine
Rechtsgrundlage dafür. So und jetzt haben
sie sich Folgendes ausgedacht: In den
S-Bahnen z. B. in Berlin so Nachts am
Wochenende zwischen, weiß ich nicht,
Abends um acht und morgens um sechs da
fahren ja so viele Leute lang, die
irgendwelche gefährlichen Gegenstände bei
sich tragen, die sie dann zu gefährlichen
Taten einsetzen könnten. Und das wird
jetzt mal verboten. Und da haben sie sich
so ´nen ganz schönen Begriff rausgesucht,
den haben sie sich nicht selber
ausgedacht, sondern den gibt es im
Strafgesetzbuch. Nämlich das sogenannte
gefährliche Werkzeug. Das gefährliche
Werkzeug, was ist das Ulf, Du bist ja
Strafrechtler.
U: Ja das Problem bei dem gefährlichen
Werkzeug ist, dass es nicht dadurch
gefährlich wird, dass es einfach als
solches gefährlich ist, sondern es wird
erst gefährlich durch seinen Einsatz. Mit
anderen Worten, jeder Gegenstand kann im
Grunde ein gefährliches Werkzeug sein,
wenn ich ihn in einer ganz bestimmten
Weise einsetze. Ja, denken wir an einen
Laptop. Wenn jemand der festen Überzeugung
ist, er hat ein ganz besonders solides
Gerät bei sich, dann kann er das natürlich
seinem Sitznachbarn aus einer bestimmten
Aufwallung heraus - bäm - über den Kopf
ziehen. Mit anderen Worten ein Laptop ist
ein furchtbar gefährliches Werkzeug,
selbst wenn man ihn nicht zum Hacken
einsetzt. Gleiches gilt für Mate-Flaschen
oder für Spazierstöcke oder Regenschirme,
man kann so ziemlich alles als
gefährliches Werkzeug einsetzen, natürlich
unter anderem auch ein Schweizer
Multitool.
N: Aber wenn man das einfach nur mitführt,
das Werkzeug, dann ist natürlich die
Frage, wann wird es, ist es jetzt schon
gefährlich, weil man´s einsetzen könnte?
U: Ja, es ist jedenfalls dann gefährlich,
wenn dieser Mann ein Multitool bei sich
führt, dann ist das ganz offensichtlich
ganz furchtbar gefährlich. Vielleicht
kennt ihn der ein oder andere, ein
Berliner Urgestein aus dem CCC, Andreas
Bogk, @andreasdotorg auf Twitter, der mit
der GFF zusammen jetzt geklagt hat, weil
er gesagt hat, das kann ja nicht wahr
sein, dass ich mein Schweizer Multitool
nicht mehr in der Bahn mitführen kann,
weil ich sonst möglicherweise ein 250 EUR
Zwangsgeld entrichten muss. Aber das
eigentliche Problem ist wahrscheinlich gar
nicht mal, dass Andeas Bogk ein Problem
bekommt mit der Polizei, denn wie man auf
diesem Foto sehr schön sehen kann,
entspricht er so dem klassischen Bild des
Mitteleuropäers und wahrscheinlich ist
diese Regelung viel gefährlicher für
Menschen die in irgendeiner Art und Weise
aus dem Raster fallen. Jemand der Rastas
trägt, jemand der vielleicht dunkle
Hautfarbe hat oder der in irgendeiner Art
und Weise dem Bild dessen entspricht, der
irgendwie aus Sicht eines Polizeibeamten
nicht so ganz normal ist. Da kann man sich
vorstellen: "Zeigen Sie doch mal Ihre
Tasche, haben Sie da ein Taschenmesser
dabei?"
N: Anlasslose Untersuchungen, das kennen
wir aus Amerika so als "Stop-and-Search"
oder "Stop-and-Frisk", das sind diese
Regelungen, wo man einfach Leute mal
anhalten kann und sagen kann: " Sie da,
komm´se mal her, machen Sie mal Ihre
Tasche auf."
U: Genau.
N: Ist das ein Grundrechtseingriff?
U: Das ist in der Tat ein
Grundrechtseingriff, insbesondere weil es
dafür ja in diesen Situationen keine
Anlässe braucht. Also wenn jemand
tatsächlich Anlass gibt für eine
Polizeikontrolle, dann wird niemand im
Ansatz was dagegen haben.
N: ja, Verdacht heißt sowas dann.
U: Ein Verdacht, ja ein Verdacht. und das
ist genau das Problem, dass diese
Regelungen es ermöglichen, einfach
jedermann zu kontrollieren, denn man muss
ja schauen, ob er einen solchen
gefährlichen Gegenstand bei sich führt.
N: Berliner haben ja manchmal am
Wochenende Nachts auch andere Sachen noch
mit, nicht nur gefährliche Gegenstände,
sondern auch so...Betäubungsmittel z. B.
U: Stimmt. Könnte ja praktisch sein,
möglicherweise...
N: findet man dann zufällig, wenn man...
U: Das sind dann die berühmt berüchtigten
Zufallsfunde
N: Zufallsfund, genau.
Ja, das so vielleicht als kleine Reihe von
Highlights, über so die sag ich mal
polizeilichen, geheimdienstlichen usw.
Eingriffe aber Freiheit ist ja für alle
da.
U: Freiheit ist für alle da. Freiheit ist
also nicht nur die konkrete Freiheit vor
Eingriffen des Staates, sondern es ist
auch die Freiheit, wie man behandelt wird.
Und dafür ist Nora unsere Expertin.
N: Ja, also Diskriminierungsfreiheit,
Freiheit von Diskriminierung, haben wir
jetzt schon eben bisschen angesprochen mit
der Frage anlasslose Durchsuchung. Wir
unterstützen auch z. B. eine
Frontal21-Journalistin, die gegen das ZDF
klagt. Vielleicht ist manchen von euch der
Begriff Gender-Pay-Gap ein Begriff. Der
Gender-Pay-Gap oder die Lohnlücke zwischen
Männern und Frauen, die wird weltweit
erhoben. In Deutschland liegt sie bei
schockierenden 21%. Also Frauen verdienen
durchschnittlich 21% weniger als Männer in
Deutschland. Deswegen gibt es den Equal-
Pay-Day immer so um den März rum, weil bis
dahin arbeiten Frauen in Deutschland
umsonst. Ab da werden sie, das sind
sozusagen 21% des Jahres, ab da werden sie
bezahlt. Und dann gibt es so verschiedene
Faktoren, die man noch rausrechnen kann.
Man kann ja sagen, gut, die arbeiten ja
vielleicht Teilzeit, oder vielleicht haben
die dann längere Ausfallzeiten, haben
deswegen nicht so viel Berufserfahrung
usw. also man kann da so´n paar Sachen
rausrechnen. Aber selbst dann bleibt man
noch bei einem völlig unerklärlichen
Abstand von 6%. Bei gleicher Arbeitszeit,
also Bruttostundenlohn, bei gleicher
Tätigkeit, bei gleicher Ausbildung usw. 6%
weniger, im Durchschnitt, also manchmal
auch mehr. Und jetzt im Fall dieser
Journalistin, preisgekrönt, hat neulich
wieder so`n Wirtschaftsjournalismuspreis
bekommen für ne Reportage über Amazon, die
hat irgendwie festgestellt, dass ihre
ganzen männlichen Beitragsmacher in der
Redaktion, die das gleiche machen wie sie,
mehr verdienen als sie. Und zwar egal, ob
die wirklich..also die Erklärung war dann,
"ja, die sind schon länger beim ZDF" und
so. Und irgendwann kriegte sie raus, also
das haut alles hinten und vorne nicht hin.
Auch die, die nicht länger da waren, auch
die, die weniger lang da waren als der
andere oder die weniger Berufserfahrung
hatten oder so, die haben auch mehr
verdient.
U: Irgendwann blieb einfach nur noch ein
Grund über...
N: Man fragt sich, was das sein kann.
U: Ja, das waren die Chromosomen,
N: ist das vielleicht Diskriminierung?
U: Möglicherweise
N: Könnte sein. Und da hat sie dann
versucht natürlich mit dem ZDF über ihr
Gehalt zu sprechen. Das ZDF hat sich da
etwas hartleibig erwiesen. Und
entsprechend ist sie vor Gericht gezogen.
Und klagt jetzt eben auf gleiches Gehalt
und auf Schadensersatz usw. usw. Das ist
so ein ganz klassisches strukturelles
Problem in Deutschland, wo jetzt mal eine
Person sich gefunden hat, die da bereit
ist, eben auch gegen ihren laufenden
Arbeitgeber zu klagen, obwohl sie so eine
öffentliche Persönlichkeit ist, also
Respekt. Zweiter Fall, § 219a.
U: § 219a des Strafgesetzbuchs, das
sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen.
Der Paragraf ist aber wie so häufig
wesentlich weiter gestrickt, als seine
Überschrift erstmal vermuten lässt. Er
stellt nämlich auch völlig sachliche und
neutrale Informationen über Abtreibungen
unter Strafe, wenn sie von Ärztinnen und
Ärzten kommen, bizarrerweise. Und zwar
einfach deswegen, weil unterstellt wird,
dass Ärztinnen und Ärzte damit Geld
verdienen. Ob das wirtschaftlich so
stimmt, ist eine andere Frage, sehr
wahrscheinlich ist das allenfalls
kostendeckend, was man dafür so bekommt,
aber jedenfalls wird Ärztinnen und Ärzten
unterstellt, dass sie damit Geld
verdienen. Deswegen ist es unter Strafe
gestellt. Die GFF unterstützt deswegen
Kristina Hähnel, die vielleicht der ein
oder andere im Saal kennen mag, eine
Gießener Ärztin, die verurteilt worden
ist, aber eben noch nicht rechtskräftig,
weil sie auf ihrer Homepage ganz nüchtern
einfach nur erwähnt hat, dass sie
grundsätzlich bereit ist, Abtreibungen
durchzuführen. Und das ist ein Fall, den
wir durch die Instanzen begleiten, in der
Hoffnung, dass Ärzte in Zukunft sachlich
informieren dürfen, darüber, was sie so
tun. Um Werbung geht es hier überhaupt
nicht, denn Werbung ist Ärzten sowieso
verboten. Und Ärztinnen natürlich auch.
Nämlich Kraft Standesrechts, d. h. wenn es
wirklich nur um quasi so
marktschreierisches Anpreisen ginge, das
wäre ja vielleicht wirklich etwas bizarr
in dem Bereich, das ist ohnehin verboten,
standesrechtlich durch die ärztlichen
Berufsordnungen. Hier gehts wirklich nur
um sachliche informationen und da sind wir
als GFF der Ansicht, das sollten Ärztinnen
und Ärzte auf ihrer Homepage dürfen. Ja,
das war jetzt ein buntes...
Applaus
U: Das war ein buntes Potpourri der vielen
Themen, die uns beschäftigen als GFF. Und
man kann so einen gemeinsamen Nenner
finden für diese ganzen Themen. Es sind
eigentlich durch die Bank Fails, die aus
diesem Haus stammen zeigt auf das Foto
des Reichstages Das sind also durch die
Bank, mit wenigen Ausnahmen, ja,
Bundespolizei ist ne Ausnahme, aber im
Großen und Ganzen sind es Fails, die aus
dem Bundestag oder aus den entsprechenden
Landesparlamenten stammen. In sehr vielen
Fällen gab es sogar aus der
Zivilgesellschaft Widerstand, und das ist
auch wichtig. Natürlich ist das ganz
wichtig, dass man z. B. demonstriert, dass
man bei Abgeordneten anruft, dass man
twittert, dass man blogt. Das Problem ist
bloß, es gibt viele Themen, die im
Bundestag kein Gehör finden. Es gibt viele
Themen, die einfach Abgeordnete letztlich
nicht interessieren und wenn man sich mit
denen mal unterhält, dann bekommt man das
auch irgendwann nach dem zweiten Glas Wein
ziemlich deutlich gesagt. "Das mag ja
alles richtig sein und das ist mir ja auch
menschlich total symphathisch, was Sie mir
das sagen, aber das interessiert meine
Wählerinnen und Wähler einfach nicht." Und
dann wird es eben auch nicht gesetzt. Mit
anderen Worten, manchmal kommt ganz
normale Lobbyarbeit oder politische
Überzeugungsarbeit an ihre Grenzen,
manchmal muss man einfach klagen.
N: Ja, dieses Bild kennt ihr vielleicht,
das ist von der American Civil Liberties
Union, ACLU, eins unserer großen
Vorbilder. Die gibt es eben schon seit
Jahrzehnten. Die haben so ne Organisation
aufgebaut und jetzt kommt so ein
Präsident, der rechts und links ständig
die Grund- und Menschenrechte verletzt und
die ACLU ist am Start.
U: Die ACLU ist am Start. Sie war z. B. am
Start, als Trump den sogenannten muslim-
ban, also Einreisesperre für Menschen aus
bestimmten muslimischen Ländern verkündet
hat und hat noch an den Flughäfen
tatsächlich angefangen, den Menschen, die
davon betroffen waren, rechtlichen
Beistand zu gewähren. Das hat mich
persönlich sehr gerührt, dass so zu sehen.
Das waren also quasi wirklich quasi
Anwältinnen und Anwälte, die sich quasi
den Kampfanzug angezogen haben und ins
Feld gezogen sind, für die Grund- und
Menschenrechte. Und das ist für mich
jedenfalls eine große Motivation zu sagen,
es braucht einfach Kämpferinnen und
Kämpfer für Grundrechte eben auch vor
Gericht.
N: Ja, Du hast auch mit denen gesprochen,
also Du in den USA warst, ne, warste bei
der ACLU aber auch bei der Electronic
Frontier Foundation, bei der EFF, und nach
dem Vorbild haben wir dann 2015 die GFF
gegründet.
U: genau
N: als Verein, wir haben dann den Launch
gemacht 2016 mit unserem ersten Fall, das
war das G10.
U: Genau, da haben wir mit Amnesty
International zusammengearbeitet. Das ist
überhaupt so ne Strategie der GFF, kann
man an der Stelle vielleicht kurz
erwähnen, dass wir eigentlich versuchen,
wenn das sachlich irgendwie funktioniert,
mit anderen NGOs zusammenzuarbeiten, die
auf diesem Gebiet schon Erfahrung haben.
Einfach weil wir sagen, wir wollen das Rad
nicht neu erfinden, was wir besonders gut
können, ist klagen. Aber z. B. wenns um
Pressefreiheit geht, dann arbeiten wir
sehr gerne mit Reporter ohne Grenzen
zusammen, weil die halt einfach die
Kontakte haben, die kennen die Sorgen und
Nöte der Presse und wir bringen dann so
spezifisch die juristischen Mittel mit und
arbeiten zusammen, um was zu erreichen.
N: Ja, und das ist eben das Ziel, ist die
Verbesserung...
Applaus
N: Das Ziel ist eben die Sicherung, die
Verbesserung der grund- und
menschenrechtlichen Standards und da haben
wir natürlich eben supertolle Partner in
der Zivilgesellschaft, die da auch für
arbeiten, aber die das eben politisch
machen oder da Druck machen oder Demos
organisieren oder Aktionen machen. Und wir
greifen dann eben mit dem Mittel der
strategischen Prozessführung dazu. Da
sagen wir auch gleich noch was dazu.
Vielleicht nochmal ganz kurz, wer wir
sind. Also Ulf habt ihr jetzt schon
gesehen, mich habt ihr auch gesehen, noch
im Vorstand ist Boris Burghardt mit uns,
ein Strafrechtler. Malte Spitz, kennen
bestimmt auch viele von euch, ne?
U: Ja, Malte Spitz ist ehemaliger Grünen-
Politiker, der z. B. bekannt geworden ist,
dadurch dass er 2011 mal die Telekom
verklagt hat auf Herausgabe seiner
Vorratsdaten, weil er nämlich gesagt hat,
das ist ja super, die Polizei bekommt
diese Daten, vielleicht auch die
Geheimdienste, aber ich wills einfach
selber mal wissen, ja ich möchte wissen,
welche Vorratsdaten die, in diesem Fall
wars die Telekom, über mich gesammelt hat.
Und dann hat er die gemeinsam mit Zeit
online visualisiert, in so einer Website
und das war einfach ganz großartig um mal
zu sehen, von wegen "nur" Metadaten. Man
kann also auch aus Vorratsdaten einfach
unglaublich viele Rückschlüsse ziehen.
N: Ja und dann sind wir noch ein paar mehr
Leute, also es sind etwa 30 feste
Mitglieder, das ist so ein ganz kleiner
"circle of trust", der auch klein bleiben
soll. Aber ganz wichtig, wir haben fast
1.400 Fördermitglieder schon inzwischen,
die uns unterstützen, die unsere Arbeit
unterstützen. Und wir sind auch als Team
inzwischen total gewachsen, also wer ist
die GFF, das sind inzwischen nicht mehr
nur der ehrenamtliche Vorstand, sondern
das sind inzwischen auch ein paar bezahlte
Kräfte sogar. Da sind wir sehr stolz
drauf. Wir haben jetzt ein Team, zu dem
gehört jetzt inzwischen Malte Spitz als
unser Secretary General und dann haben wir
Litigators, wir sind natürlich total
modern, auf Englisch.
U: Die auch heute da sind.
N: Ja, genau, sind auch da. Bijan Moini
und Lea Beckmann z. B. sind jetzt unsere
beiden Juristen und Juristinnen im Haus,
im Legal Team. Fundraising, Kommunikation
usw. wir bilden natürlich auch aus, klar,
Ehrensache. Wie finanzieren wir das Ganze?
U: Also seht ihr z. B. auch bei uns am
Stand, ja Referendarinnen und
Praktikantinnen aus den letzten Monaten,
wenn ihr oben mal vorbeischauen wollt im
"about:Freedom"-Space?
N: about:Freedom, genau.
U: im about:Freedom-Space, genau, gibts
nen kleinen Stand von der GFF
N: da gibts auch Sticker
U: Da gibts auch Sticker, und ich glaube
sogar noch ein paar Jutebeutel.
N: und Pfefferminzbonbons gibts da, für
den frischen Atem
U: ja, die hübschen Jutebeutel, Freedom
Fighter-Beutel...gibt es da oben bei uns
am Stand und da am Stand sitzen vor allem
unsere Referendarinnen und
Praktikantinnen, herzlichen Dank auch an
dieser Stelle für diesen Super Einsatz.
Applaus
N: Ja, wir sagen immer, wir sind so ne
Kriegskasse für die Grundrechte. Also wir
haben die Kohle, ready, wenn sie gebraucht
wird und machen dann nicht erstmal so ne
Fundraising-Aktion, manchmal machen wir
das auch, aber der Grundsatz ist, es gibt
das Büro, es gibt die Leute, es gibt das
Know-How usw. das steht alles schon zur
Verfügung. Und so Klagen kostet halt Geld,
also unsere Leute kosten uns Geld, unsere
Anwälte, mit denen wir zusammenarbeiten
kosten uns Geld, die Kampagnen kosten Geld
usw. Ganz wichtig sind da natürlich
Spenden und noch toller als Spenden sind
Fördermitgliedschaften. Warum Ulf?
U: Ja, ganz einfach, weil
Fördermitgliedschaften, das bedeutet im
Prinzip, dass man verspricht, pro jahr
einen bestimmten Beitrag bei uns in den
Topf tut.
N: Wie so´n Abo, quasi.
U: Wie so´n Abo, ja ´n Abo für Freiheit,
wenn man so will. Und wir haben da drei
Stichworte auf die Folie geworfen,
Nachhaltigkeit, Unabhängigkeit,
Planbarkeit. Das hilft uns einfach zu
wissen, wir haben diese Menschen, die uns
dauerhaft unterstützen, denn wir haben ja
häufig Verfahren, die viele Jahre dauern.
Und wir gehen da finanzielle
Verpflichtungen ein und das können wir
natürlich, also Einzelspenden helfen
dabei, aber wir können es wesentlich
leichter, wenn wir einfach so eine gewisse
Planbarkeit haben, weil jemand gesagt hat,
ich bin im Prinzip auf Dauer dabei.
Natürlich kann man das jederzeit kündigen.
Aber das hilft uns sehr...
N: Kostet auch nicht soviel, ne?
U: Kostet auch nicht so viel, ich glaub...
N: 90 EUR mindestens im Jahr
U: 90 EUR, genau. Und für Menschen in
Ausbildung ab 36 EUR.
N: Ein Bier für die Freiheit im Monat.
U: genau, ein Bier für die Freiheit. Und
an dieser Stelle erstmal ein ganz
herzliches Dankeschön an die vielen
Menschen, die uns unterstützt haben in den
letzten zwei, drei Jahren. Und vor allem
auch an unsere vielen Fördermitglieder,
wir haben nämlich gehört, es sind ganz
viele schon am Stand vorbeigekommen. Ganz
herzliches Dankeschön für eure
Unterstützung.
Applaus
N: und wo wir schon beim Danken sind, da
können wir gleich weiterdanken, wir haben
nämlich auch institutionelle Förderungen,
also hier seht ihr mal so ein paar unserer
super Kooperationspartner, die bei
Projekten mit dabei sind, die uns
Anschubfinanzierungen zum Teil auch
gegeben haben, also ganz wichtig.
U: Gerade so in der ersten Zeit, wenn man
einfach noch keine Fördermitglieder hat
und keine Spender hat und Spenderinnen ist
es natürlich wahnsinnig wichtig, dass
andere Organisationen sagen: "Hey, es ist
gut, dass so quasi professionelle Klagen
in Deutschland finanziert werden und
organisiert werden und da einfach was in
den Topf getan haben. Das wäre ohne diese
Sponsoren z. B. niemals möglich gewesen.
N: Also noch vielleicht zum Abschluss wir
haben jetzt immer gesagt, ja da klagen wir
und so, wir unterstützen die. Was machen
wir jetzt genau, strategische
Prozessführung, was ist das eigentlich?
Das heißt natürlich strategisch im Sinne
von, wir haben eine langfristige Strategie
für die Grund- und Menschenrechte. Wir
haben auch so besondere Schwerpunkte, da
haben wir euch jetzt ein paar von
vorgestellt, in denen wir besonders eben
gegen Gefahren für die Freiheit vorgehen
wollen. Und in diesen Bereichen suchen wir
dann eben unsere Fälle ganz sorgfältig
aus. Und versuchen eben, jetzt nicht alle
möglichen Einzelfälle zu dem Thema zu
machen, sondern den Fall zu finden, der
das so auf den Punkt bringt oder der ein
Präzedenzfall werden kann, wo wir ein
gutes Urteil kriegen, auf den dann andere
aufbauen können. Weil so viele Fälle
gleichzeitig, schaffen wir dann auch
nicht, also schon, aber...
U: Wir haben jetzt über ein Dutzend Fälle
glaube ich, die parallel laufen oder in
Vorbereitung sind, vielleicht sinds sogar
15, ganz genaue Zahl ist schwer zu sagen,
weil manche Fälle so in so´nem
Zwischenbereich sind, wo wir nicht genau
wissen, machen wir die, machen wir die
nicht. Es sind schon inzwischen ne ganze
Reihe, muss man sagen, die wir so im
Portfolio haben. Aber es geht eben nicht
darum, möglichst viele Fälle vor Gericht
zu bringen, sondern genau die richtigen
Fälle, bei denen man dann eine Chance hat,
dass eine Entscheidung dabei herauskommt,
die auch tatsächlich Grund- und
Menschenrechte stärken kann.
N: Und das ist dann natürlich auch ein
Bildungsauftrag für uns, also jetzt seht
ihr mich mal hier so beim, schön beim
Interview geben. Das machen wir eben,
versuchen wir viel, dass wir über diese
Fälle kommunizieren und dass wir das
nutzen als Möglichkeit eben diese
Freiheitsgefahren auch in der
Öffentlichkeit den Leuten vor Augen zu
führen, zu sagen, was hat das mit Dir zu
tun, warum ist das wichtig, worum gehts da
eigentlich, das ist alles immer so
kompliziert mit Jura, wir versuchen das
runterzubrechen und verständlich zu
erklären. Und da haben wir ja verschiedene
Formen auch, das ist doch ein schönes Foto
von Dir.
U: Ja das ist ein wunderschönes Foto. Hier
sieht man mal einen Fail der GFF, ich
versuche da einen Aktenordner beim
Bundesverfassungsgericht einzuwerfen, der
ist aber viel zu groß für den
Briefschlitz, mit anderen Worten, das war
noch nicht so richtig weit her mit der
strategischen Prozessführung. Gott sei
Dank war der Pförtner dann so frei und hat
den Ordner angenommen. Das ist die
Verfassungsbeschwerde gegen die
Datenhehlerei, da wars nämlich ein
bisschen knapp alles zeitlich und deswegen
habe ich die dann selbst nach Karlsruhe
gefahren.
N: Ja, aber so nach Karlsruhe das sind
eben vor allem in diesen
Überwachungsgesetzen kann man zum Teil
eben direkt gegen so ein Gesetz nach
Karlsruhe gehen, aber oft muss man auch
bei den unteren Gerichten anfangen. Jetzt
der Beispielsfall, die ZDF-Journalistin,
die musste jetzt sich durch die
Arbeitsgerichtsbarkeit klagen. Manchmal
intervenieren wir auch in laufenden
Verfahren, indem wir so ein Gutachten
schreiben, so´n "Amicus Brief", also so´n
"Freund des Gerichts-Stellungnahme". Aber
vielleicht sagen wir einfach nochmal zum
Abschluss, was jetzt so die Highlights aus
unserer aktuellen Aktivität sind.
U: Genau, hier sieht man das, wir haben
gegen das BND-Gesetz geklagt, gemeinsam
mit Reporter ohne Grenzen. Dann sind wir
gerade dran, das ist wirklich ein
Arbeitsschwerpunkt zurzeit, die
Polizeigesetze anzugreifen. Und zwar in
allen Ländern. Der Witz dabei ist, auf
Bundesebene, Trojaner z. B. sind ja
durchaus angegriffen worden, da gabs ne
ganze Reihe von Verfassungsbeschwerden,
aber auf Länderebene ist das deutlich
schwieriger, so was zu organisieren.
Deswegen haben wir gesagt, wir verstehen
die GFF auch als
Grundrechtsschutzinstitution auf
Länderebene, wir wollen versuchen, wir
werdens vielleicht nicht ganz schaffen,
aber wir wollens auf jeden Fall versuchen,
gegen alle verfassungswidrigen
Polizeigesetze auch auf Länderebene
konsequent vorzugehen. Eingereicht sind
bislang Bayern und Baden-Württemberg. Und
in Arbeit, NRW, Niedersachsen, und da
fehlen noch jetzt Sachsen und...
N: und Sachsen-Anhalt
U: Sachsen-Anhalt weiß ich jetzt nicht
genau. Brandenburg, genau Brandenburg ist
noch in Arbeit.
N: Transparenzklagen unterstützen wir.
Applaus
N: vielleicht nochmal ganz kurz, weil wir
das eben schon angesprochen haben,
FragdenStaat, da kriegt man ja
Unterstützung dabei, so ne IFG-Anfrage zu
machen, Informationsfreiheitsgesetz. Wenn
man da nicht weiterkommt und irgendwann
vor Gericht gehen muss, dann kann man die
GFF fragen und die, sag ich mal, die
Fälle, die Präzendenzwirkung haben können,
die unterstützen wir dann mit einer
Transparenzpatenschaft. Und da hatten wir
jetzt auch gerade einen sehr schönen
Erfolg. Markus Beckedahl hat erfolgreich
vor dem Bundesverwaltungsgericht auf
Herausgabe von Kabinettsprotokollen
geklagt, also teilweise erfolgreich, muss
man sagen. Er hatte geklagt auf die
Protokolle richtig selbst, das ist aus
Sicherheitsgründen, also sozusagen Schutz
der Exekutiven Sphäre des Kabinetts
versagt worden, aber er wollte zumindest
die Teilnehmerliste. Er wollte wissen, wer
da gesessen hat. Welche Experten da
eingeladen worden sind. Und zwar vor sechs
Jahren.
U: Es ging da übrigens...vor sechs Jahren.
Und es ging da, das ist vielleicht das
Spannende an dem Fall, es ging da um den
Kabinettsbeschluss zum sogenannten
Leistungsschutzrecht. Und damals wars so,
dass einer von zwei Brüdern Cheflobbyist
bei Springer war und der andere Bruder im
Bundeskanzleramt gearbeitet hat und da
fand das Markus, fand ich ganz logisch,
auch interessant zu erfahren, ob eventuell
sogar beide Brüder aber jedenfalls der
eine Bruder, bei der entscheidenen Sitzung
dabei war.
N: kann ja sein. Und wir haben eben
einiges in Vorbereitung, Zensus haben wir
schon angesprochen. Whistleblowerschutz,
aber es gibt noch weitere Themen, z. B.
bei der Drittmittelforschung Transparenz
einzufordern. Da findet ihr auf unserer
Website viele Informationen.
U: Und dieses Zensus-Gesetz ist auch
nochmal ein schönes Beispiel dafür, warum
wir glauben, dass es so wichtig ist, dass
es eine Organisation wie die GFF gibt,
denn wie gesagt, das Gesetz ist Ende
November, Anfang Dezember durch den
Bundestag gekommen, aber die
Datenübermittlung ist schon für den 13.
Januar geplant, mit anderen Worten, das
musste super schnell gehen und innerhalb
von nur einem guten Monat ein solches
Verfahren auf die Beine zu stellen und in
Karslruhe einen entsprechenden Antrag zu
stellen, das funktioniert nicht, wenn man
erst im Dezember damit anfängt. Und
deswegen glauben wir, ist es einfach gut,
wie Nora hats eben so schön die
Kriegskasse genannt. Deswegen glauben wir
es ist gut, wenn es eine Kriegskasse gibt
für die Freiheitsrechte.
N: ja, seid dabei. Join! Freedom needs
Fighters. Wir brauchen euch. Vielen Dank!
U: danke für eure Fragen!
Applaus
Herald: Ja, vielen Dank Nora Markard und
Ulf Buermeyer. Ja wir haben Zeit für
Fragen noch ein bisschen. Ich seh schon die
ersten an den Mikrofonen. Wir fangen mal
an mit Mikrofon 3 bitte.
Mik 3: Ja Hi, vielen Dank fur eure Arbeit
und ihr seid die Gesellschaft für
Freiheitsrechte und ihr habt erwähnt, dass
die ACLU euer Vorbild ist. Es ist glaube
ich bekannt, dass die ACLU auch nicht so
coole Leute vertreten hat in der
Vergangenheit. Wie ist das bei euch,
Freiheitsrechte für alle? Würdet ihr also
auch für Freiheitsrechte von obviously
Extremgruppen eintreten, wenn es nötig
ist?
N: Das ist uns bisher nicht untergekommen,
insofern kommt es glaube ich auf den Fall
an. Du hast es richtig angesprochen, die
ACLU vertritt z. B. auch Nazis, weil sie
sagen, Meinungsfreiheit gilt halt für
alle. Da ist glaube ich schon die deutsche
Rechtslage ein bisschen eine andere als in
den USA, unsere Meinungsfreiheit wird eben
begrenzt. Und uns geht es aber vor allem
eben darum, in Bereichen tätig zu werden,
wo Menschen ausgegrenzt werden, wo
Menschen ihre Rechte nicht durchsetzen
können und ich glaube bei uns sind die
Gefahrenlagen deutlich andere. Gerade im
Moment. Insofern würde ich jetzt sagen,
das ist nicht ein Thema für das wir jetzt
unsere Ressourcen einsetzen wollen würden,
weil wir das Gefühl haben, da ist eine
strukturelle Gefahr für die Grundrechte am
Start.
U: Wenn natürlich ein solcher Fall jetzt
ein besonderes Problem irgendwie sag ich
mal deutlich macht in der Rechtsprechung,
dann würden wir halt einfach versuchen,
Klägerinnen und Kläger zu finden, die das
Problem vielleicht so ein bisschen besser
und so ein bisschen weniger kontrovers auf
den Punkt bringen. Ich glaube halt im
Sinne unserer strategischen Prozessführung
wären solche im Zweifel vielen sehr
unsymphathische Klägerinnen und Kläger
einfach auch keine besonders guten
Klägerinnen und Kläger, vermutlich.
Herald: Super
Applaus
Herald: Ja es gibt ja noch Millionen
Zuschauer zuhause vor den Engeräten,
deswegen eine Frage aus dem Internet.
Signal Angel: Die ist recht umfangreich
und zwar: Wie beurteilt die GFF den in
diesem Jahr vollzogenen zweiten einmaligen
Datenabgleich aller Einwohnermeldebehörden
mit dem Beitragsservice in Köln, bei dem
die Berliner Datenschutzbeauftragte vor
dem Entstehen eines mit dem Recht auf
informationelle Selbstbestimmung
unvereinbaren zentralen Schattenregisters
warnte.
U: Ja, in der Tat habe ich mir diesen Fall
ziemlich genau angeguckt. Ehrlich gesagt
allerdings weniger mit dem GFF-Hut, als
mit meinem quasi dienstlichen Hut,
weil es da auch eine Reihe von Verfahren
in Berlin gegeben hat. Deswegen kann ich
da nicht so wahnsinnig viel dazu sagen, es
ist allerdings so, dass die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zu diesem
Problemkreis extrem eindeutig ist.
Deswegen haben wir intern entschieden,
dass es hier keinen Sinn macht, noch ein
weiteres Verfahren zu unterstützen,
einfach weil wir da null Aussicht auf
Erfolg gesehen haben. Ja, da hat Karlsruhe
einfach schon gesprochen, ich seh das
persönlich sehr kritisch, wir haben das
als GFF jetzt nicht unsere Position
abgestimmt. Ich persönlich sehe das sehr
kritisch, aber man muss einfach sagen, da
konnten wir unsere Ressourcen nicht
sinnvoll einsetzen, weil wir da sehr
wahrscheinlich verloren hätten.
Herald: Mikrofon 1
Mik 1: Jetzt gab es letzens bei der Lage
der Nation schon einen Beitrag zu der
Gemeinnützigkeit der deutschen
Umwelthilfe, jetzt wollte ich halt fragen
wie das aussieht bei euch?
Gemeinnützigkeit für die Gesellschaft für
Freiheitsrechte?
N: Yes, kannste alles von der Steuer
absetzen. Gelächter
U: genau, das ist sehr schön, wir sind in
der Tat gemeinnützig.
Herald: Gut, Mikrofon Nr. 4 hat noch eine
Frage?
Mik 4: Ja Hallo, erstmal danke für den
Vortrag. Mich würde interessieren, klagt
ihr auch gegen EU-Verordnungen und wenn
nicht, gibts ne Organisation wie eure auch
auf Europa-Ebene?
N: Ja also gegen EU-Verordnungen kann man
klagen, in der Tat. Meistens muss man
Dinge bei denen es um EU-Recht geht vor
den deutschen Gerichten klären, insofern
klar, wenn das bei uns in Deutschland
Thema ist, dann stehen wir dafür auch
parat. Auf europäischer Ebene...ja sag mal
ruhig...
U: ganz konkret, also wir bereiten gerade
eine ganze Serie von Verfahren vor gegen
die Fluggastdatenspeicherung, also so ne
Art Vorratsdaten für Flugreisenende. Und
da sind wir also dran, klar. Die Antwort
ist ja, wir machen auch Europarecht.
Applaus
Herald: Wir haben noch ein paar Fragen aus
dem Internet, die wir jetzt mal hören.
Signal Angel: Das Wort Gefährer suggeriert
Gefahr, sollte man daher statt
"Präventivgewahrsam für Gefährder" lieber
"verfahrenslose Inhaftierung von
Unbescholtenen" oder eine ähnliche
Formulierung verwenden?
U: Ja klar.
N: Gute Idee
U: Natürlich ist das Neusprech, ja. Also
falls der ein oder andere sich mit den
Vorträgen von Maha schon mal
auseinandergesetzt hat, natürlich, oder da
ist noch Kai Biermann mit dabei, also Maha
und Kai Biermann machen ja diese Vorträge
über Neusprech und das finde ich ist ein
wunderbares Beispiel dafür wie man einfach
durch die Wahl dieses Begriffs
Präventivhaft schon so tut, als wenn es
überhaupt irgendwas präventiv zu
verhindern gelte. Ja, das ist ja gerade
die Frage, ob die Leute wirklich
gefährlich sind, insofern halte ich das
persönlich jedenfalls für extrem
gefährlich.
Herald: Es gibt nochmal ne Frage glaube
ich aus dem Netz?
Signal Angel: Ja. Würden Sie auch bei
einer Aktion wie bei den Hausdurchsuchung
bei den Zwibelfreunden Unterstützung
leisten, bzw. nach welchen Kriterien
wählen Sie für solche Fälle Unterstützung?
N: Ja mit den Zwiebelfreunden haben wir
uns sehr intensiv befasst.
U: Ja, wir hatten denen Unterstützung
zugesagt, die haben dann aber so schnell
gewonnen vor dem Landgericht München, dass
wir gar nicht mehr zum Zuge kamen.
Publikum lacht
Applaus
U: da waren wir quasi dran, aber wie
gesagt.
N: die PM war schon in der Pipeline.
U: die PM war fertig, aber gut
N: Pressemitteilung
U: Manchmal ist es auch einfach schön zu
gewinnen, ohne dass es einer weiß.
N: schön, wenn der Rechtsstaat
funktioniert.
U: schön, wenn der Rechtsstaat
funktioniert.
N: Haben wir nichts dagegen.
U: sehr schön, ja.
Herald: Sehr gut, Mikrofon 1 nochmal.
Mik 1: Ja ich wollt mal fragen, wie das
mit den Ambitionen und der Erfüllung davon
aussieht, also wie viele Sachen würdet ihr
gerne machen, wie kommt ihr gewissermaßen
dabei hinterher, die Sachen die neu
dazukommen, irgendwie in Schach zu halten
oder eventuell auch alte Sache neu
aufzuarbeiten? Und inwieweit spielt dabei
Geld ne Rolle, irgendwie dass euch dabei
blockiert. dass ihr nicht genug habt, oder
so?
N: Ja danke, dass Du das Geld ansprichst,
ist ein wichtiges Thema. Wir wachsen
gerade und das ist toll. Also es kommt im
Februar noch ne dritte Frau dazu in unser
Legal-Team. So dass wir uns nochmal unsere
Kapazitäten ein bisschen erweitern werden.
Aber es gibt ständig das Problem, dass wir
jetzt schon mehr machen, als wir, oder sag
ich mal an der Grenze sind dessen, was wir
schaffen und eigentlich wollen wir ne
Situation erreichen, wo wir alle wichtigen
Fälle annehmen können und dann noch ein
bisschen Luft haben, uns zu überlegen, was
würden wir gerne machen, was müsste man
mal...man muss so eine Organisation auch ein
bisschen in Ruhe aufbauen, dass sich da
so´ne Organisationskultur festigen kann.
Wir legen viel Wert auf Datenschutz, wir
investieren eben auch in unsere
Infrastruktur. Also alles das kostet Geld,
kostet Zeit, kostet Ressourcen. Und die
Fälle sind eben nur ein Teil dessen, was
so ´ne Organisation braucht.
U: Ja, also um es vielleicht auch ein
bisschen so mit Beispielen zu unterlegen.
Das ist ja hier auch gerade der Kongress
des CCC, wir haben selbstverständlich
überhaupt keine Cloud-Dienste im Einsatz,
ist alles selbst gehostet. Fast alles ist
Open Source, also wir haben Macs im
Einsatz, das ist natürlich nicht komplett
Open Source, aber alle
Serverbetriebssysteme sind alles Linux,
sind Debian-Linux-Systeme, wir haben
Nextcloud mit ner eigenen VPN-Lösung. Wir
haben ne eigene Email-Server-
Infrastruktur, also wir sind komplett
unabhängig von irgendwelchen externen
Dienstleistern, einfach weil wir uns
sagen, das ist das Sicherste. Man weiß
einfach nie, wer sonst irgendeinen
Beschluss ins Haus geschickt kriegt,
"schickt uns mal den Server von der GFF",
bei uns müssten sie wenigstens die Tür
eintreten. Ja, da haben wir die Hoffnung,
dass wir das mitkriegen und um so ein
bisschen noch ein paar Zahlen da zu
ergänzen, wir sind zurzeit so bei 1.400
Fördermitgliedern etwa. Wir haben mal
ausgerechnet, dass unser mittelfristiges
Ziel ist, wo wir sagen, wir können dieses
Ziel erreichen, wirklich alles angreifen
zu können, was in Deutschland massiv
grundrechtsschädigend ist, wären so etwa
5.000 Fördermitglieder. Also wir hoffen,
dass wir in den nächsten Jahren von 1.4
auf 5.000 wachsen können, und das wären
dann so cirka 15, gut 15 bis knapp 20
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist
so unser mittelfristiges Ziel. Dann sind
wir immer noch keine ACLU, die ja in allen
50 Bundesstaaten große Büros hat und so,
aber das muss ja vielleicht auch gar nicht
sein. Aber dann sind wir jedenfalls glaube
ich in Deutschland eine sehr
schlagkräftige Organisation.
Herald: Super, mit diesen Worten
Applaus vielleicht die restlichen
Fragen, die jetzt noch sind später am
Stand von der GFF. Herzlichen Dank nochmal
an Nora und Ulf, Riesen-Applaus nochmal
für die beiden.
Applaus
U: vielen Dank.
Herald: Ja, danke schön.
Abspannmusik
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