Krebs betrifft uns alle --
besonders die sehr invasiven
und arzneimittelresistenten Formen,
die immer wieder erneut ausbrechen
und jeder Behandlung, auch mit den
besten Medikamenten, trotzen.
Die Molekulartechnik,
bei der in kleinsten Maßstäben
gearbeitet wird,
eröffnet spannende neue Möglichkeiten,
die aggressivsten Krebsarten zu bekämpfen.
Der Krebs ist eine sehr clevere Krankheit.
Einige Krebsarten können wir nun
mit bewährten Medikamenten und
Operationen sehr gut behandeln.
Andere Krebsarten hingegen
reagieren nicht auf diese Behandlungen:
Selbst nach einem Medikamentenbeschuss
bleibt der Tumor oder kehrt zurück.
Man kann diese aggressiven Krebsarten
mit Superschurken in Comics vergleichen.
Sie sind intelligent, anpassungsfähig
und äußerst überlebensfähig.
Wie bei fast allen Superschurken heute
stammen ihre Superkräfte
aus einer genetischen Mutation.
Die in den Tumorzellen veränderten Gene
ermöglichen neue,
ungeahnte Überlebenswege,
wodurch der Krebs selbst unsere besten
Chemotherapien überlebt.
Ein Beispiel dafür ist ein Trick,
bei dem ein Gen einer Zelle ermöglicht,
ein Medikament, das sich der Zelle nähert,
wieder hinauszuwerfen,
bevor es seine Wirkung entwickeln kann.
Die Zelle spuckt das Medikament
quasi wieder aus.
Das ist nur ein Beispiel von vielen
genetischen Tricks des Superbösewichtes.
Sie alle beruhen auf Genmutationen.
Gegen diese Superschurken
mit unglaublichen Superkräften
brauchen wir eine neue, starke Waffe.
Wir sind in der Lage,
ein Gen auszuschalten.
Dies gelingt durch eine Gruppe
von Molekülen namens siRNA.
siRNA sind kurze Gencode-Sequenzen,
die eine Zelle dazu bringen,
ein bestimmtes Gen zu blockieren.
Jedes siRNA-Molekül kann
ein spezifisches Gen
innerhalb der Zelle ausschalten.
Schon viele Jahre, seit seiner Entdeckung,
herrscht in der Wissenschaft
reges Interesse
an medizinischen Anwendungsmöglichkeiten
dieser Genblocker.
Aber da gibt es ein Problem.
siRNA wirkt gut innerhalb der Zelle.
Aber wenn es den Enzymen in der Blutbahn
oder im Gewebe ausgesetzt ist,
zerfällt es innerhalb von Sekunden.
Es muss auf dem Weg durch unseren Körper
bis zu seinem Endziel, der Krebszelle,
verpackt und geschützt werden.
Nun also zu unserer Strategie.
Erst verabreichen wir der Krebszelle
den Genblocker siRNA,
damit die Überlebensgene
ruhiggestellt werden.
Dann erledigen wir die Zelle
mit einer Chemo.
Wie lässt sich das bewerkstelligen?
Mit der Molekulartechnik können wir
eine Superwaffe entwickeln,
die die Blutbahn durchqueren kann.
Sie muss winzig genug sein,
um durch die Blutbahn zu gelangen,
in das Tumorgewebe einzudringen
und in die Krebszelle
aufgenommen zu werden.
Damit das gelingt, darf sie nur
etwa ein Hundertstel der Größe
eines menschlichen Haares haben.
Wie bauen wir nun
ein solches Nanoteilchen?
Beginnen wir mit dem Kern --
einer winzigen Kapsel,
die das Chemo-Medikament enthält.
Es ist das Gift, das die Tumorzelle tötet.
Um diesen Kern wickeln wir
einen nanometerdünnen Mantel aus siRNA --
unseren Genblocker.
Da siRNA stark negativ geladen ist,
kann man es mit einer Schicht
aus positiv geladenem Polymer schützen.
Die entgegengesetzt geladenen Moleküle
halten durch die Anziehungskraft zusammen.
Dadurch entsteht eine Schutzschicht,
die den Zerfall von siRNA
in der Blutbahn verhindert.
Wir sind fast fertig.
(Lachen)
Aber es gibt noch ein großes Hindernis.
Vielleicht das größte Hindernis von allen.
Wie kommt die Superwaffe
in ihr Einsatzgebiet?
Mit einer guten Waffe
muss man auch richtig zielen.
Wir müssen unsere Superwaffe daher direkt
auf die Schurkenzellen im Tumor richten.
Unser Körper hat jedoch
ein natürliches Abwehrsystem:
Zellen in der Blutbahn,
die Fremdkörper aussortieren,
sie zerstören oder beseitigen.
Und natürlich wird unser Nanoteilchen
als Fremdkörper betrachtet.
Wir müssen es daher
am Abwehrsystem vorbeischmuggeln.
Damit es nicht als Fremdkörper
aussortiert wird,
müssen wir es tarnen.
Daher bringen wir um das Nanoteilchen
noch eine negative geladene Schicht an,
die zwei Zwecke erfüllt.
Erstens besteht die äußere Schicht aus
einem der natürlich geladenen,
stark wasserhaltigen Polysaccharide
in unserem Körper.
Dieses bildet eine Wassermolekülwolke
um das Nanoteilchen,
wodurch es perfekt getarnt wird.
Unter diesem Tarnmantel
kann das Nanoteilchen
lang und weit genug
durch die Blutbahn reisen,
um den Tumor zu erreichen,
ohne vorher vom Körper
beseitigt zu werden.
Zweitens enthält diese Schicht Moleküle,
die gezielt an unsere
Krebszellen andocken.
Daraufhin nimmt die Krebszelle
das Nanoteilchen auf.
Es befindet sich nun in der Krebszelle
und ist einsatzbereit.
Ja, ich fühle das Gleiche. Los!
(Applaus)
Zuerst kommt siRNA zum Einsatz.
Es wirkt mehrere Stunden
und kann so die Überlebensgene blockieren.
Nun haben wir die genetischen
Superkräfte deaktiviert.
Damit bleibt eine Krebszelle
ohne besondere Abwehrkräfte.
Dann kommt das
Chemo-Medikament aus dem Kern
und zerstört sauber und
effizient die Tumorzelle.
Mit genügend Genblockern
können wir viele verschiedene
Mutationen behandeln,
wodurch Tumoren ausgefegt werden können,
ohne dass ein einziger
Bösewicht zurückbleibt.
Wie funktioniert also unsere Strategie?
Wir haben die Nanostruktur-Teilchen
in Tierversuchen
mit einer sehr aggressiven Form von
dreifach negativem Brustkrebs getestet.
Bei diesem Brustkrebs tritt das Gen auf,
das Krebsmedikamente sofort ausspuckt.
Brustkrebs wird zunächst
meist mit Doxorubicin --
nennen wir es "Dox" -- behandelt.
Daher behandelten wir
die Tiere zuerst nur mit Dox.
Die Wachstumsrate
der Tumoren verlangsamte sich,
aber sie wuchsen noch immer schnell
und waren nach zwei Wochen
doppelt so groß.
Dann testeten wir unsere
Kombinations-Superwaffe --
ein Nanoteilchen mit einer siRNA-Schicht
und "Dox" im Kern.
Das Tumorwachstum konnte
nicht nur gestoppt werden,
sondern die Tumoren schrumpften sogar
und wurden in
einigen Fällen ganz beseitigt.
Die Tumoren bildeten sich
jedenfalls zurück.
(Applaus)
Toll ist, dass diese Behandlung auf den
Patienten abgestimmt werden kann.
Wir können viele verschiedene
siRNA-Schichten hinzufügen,
um verschiedene Mutationen und
Tumorabwehrmechanismen zu behandeln.
In den Kern können verschiedene
Medikamente eingefüllt werden.
Durch bessere Diagnosemethoden
und mehr Wissen über bestimmte
Genotypen von Tumoren
können Ärzte ermitteln,
bei welchen Patienten wir
welche Genblocker einsetzen können.
Besonders nahe geht mir Eierstockkrebs.
Das ist ein sehr aggressiver Krebs.
Er wird erst in einem weit
fortgeschrittenen Stadium erkannt,
wenn bereits viele Genmutationen bestehen.
Nach der ersten Chemoterapie
kehrt der Krebs bei
75 % der Patientinnen zurück,
meist in arzneimittelresistenter Form.
Weit fortgeschrittener Eierstockkrebs
ist einer der größten Superschurken.
Wir wollen ihn nun mit
unserer Superwaffe besiegen.
Als Forscherin arbeite ich
meist nicht direkt mit den Patienten.
Aber vor kurzem traf ich Mimi,
die Eierstockkrebs überlebt hatte,
und ihre Tochter Paige.
Beide waren voller Optimismus und Stärke,
waren mutig und füreinander da,
was mich sehr inspirierte.
Bei der Veranstaltung ging es um
Technologien gegen den Krebs.
Mimi erklärte unter Tränen,
dass unsere Bemühungen ihr Hoffnung
für zukünftige Generationen gaben,
auch für ihre Tochter.
Das berührte mich sehr.
Es geht hier nicht nur
um vornehme Wissenschaft.
Es geht darum, Menschenleben zu verändern.
Es geht darum, die Macht
der Molekulartechnik zu verstehen.
Auf ihrem zukünftigen Berufsweg
werden Studenten wie Paige
neue Durchbrüche in der Lösung
der großen Gesundheitsprobleme erzielen --
seien es Eierstockkrebs, neurologische
Störungen oder Infektionskrankheiten --,
genau wie die Chemotechnik mir
innerhalb ihrer winzigen Maßstäbe --
auf Molekülebene --
die Möglichkeit bot,
in menschlichen Maßstäben
etwas zu bewirken.
Vielen Dank.
(Applaus)