Kahle Bäume, verrostete Tore, bröckelnder Stein, ein einsamer Trauernder. Das fällt uns ein, wenn wir an Friedhöfe denken. Vor nicht so langer Zeit waren viele Grabstätten lebhafte Orte mit blühenden Gärten und Menschenmengen, die zwischen den Grabsteinen spazierten. Wie wurden Friedhöfe, was sie heute sind? Einige gibt es schon jahrhundertelang, wie den weltgrößten, "Wadi al-Salaam", wo über fünf Millionen Menschen begraben sind. Aber die meisten als Friedhöfe bekannten Orte sind viel jünger. Lange Zeit wurden die Toten überhaupt nicht begraben. Unsere Vorfahren verabschiedeten sich auf viele andere Arten von den Toten. Einige ließ man in Höhlen zurück, andere auf Bäumen oder Bergen. Manche wurden in Seen versenkt, im Meer ausgesetzt, rituell kannibalisiert oder eingeäschert. Obwohl einige Praktiken heute wohl seltsam erscheinen, verehrte man auf diese Weise die Toten. Dagegen waren die ersten Beerdigungen vor etwa 120.000 Jahren wahrscheinlich Straftätern vorbehalten. Damit schloss man sie von den Riten aus, die die Toten ehren sollten. Doch hatten die ersten Beerdigungen Vorteile gegenüber anderen Praktiken: Sie schützten die Leichen vor Aasfressern und den Elementen und ersparten den Angehörigen den Anblick des Verfalls. Diese Vorteile änderten wohl die Meinung unserer Vorfahren über Gräber zu Ehren der Toten. So wurden Beerdigungen gebräuchlicher. Manche Gräber enthielten Alltags- oder Ritualobjekte. Man glaubte wohl an ein Leben nach dem Tod, wo die Toten Werkzeuge brauchen könnten. Kommunale Bestattungen gab es erstmals vor etwa 10.000 bis 15.000 Jahren in Nordafrika und Westasien, etwa zu der Zeit, als dort die ersten Siedlungen entstanden. Diese Grabstätten wurden dauerhafte Orte des Totengedenkens. Das Nomadenvolk der Skythen hinterließ in der Steppe zahllose Hügelgräber, Kurgane genannt. Die Etrusker bauten weitläufige Totenstädte, deren Schachbrett-Straßen von Gräbern gesäumt wurden. In den unterirdischen Katakomben Roms lagerten sowohl Urnen als auch Leichen. Das Wort "Friedhof" oder "Schlafkammer" wurde zuerst von den alten Griechen verwendet. Sie bauten Gräber auf Friedhöfen an den Stadträndern. In Europas Städten des Mittelalters waren christliche Friedhöfe allgemein zugänglich. Dort lagen die Toten, aber es fanden auch Märkte, Jahrmärkte und anderes statt. Bauern weideten dort sogar Vieh, weil sie glaubten, Friedhofsgras mache süßere Milch. Als die Städte in der industriellen Revolution wuchsen, ersetzten große Vorstadtfriedhöfe kleinere städtische Friedhöfe. Friedhöfe wie der 44 Hektar große Père Lachaise in Paris oder der 29 Hektar große Mount Auburn Cemetery in Cambridge, Massachusetts waren üppige Landschaftsgärten voller gemeißelter Steine und verzierter Gräber. Einst als Luxus für die Reichen und Mächtigen gedacht, wurde der Besitz individueller Gräber auch für die Mittel- und Arbeiterklasse möglich. Man besuchte Friedhöfe für Begräbnisse, aber auch an Todes- und Feiertagen oder einfach für einen Nachmittag im Freien. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden mehr öffentliche Parks und botanische Gärten; daher verloren Friedhöfe an Besuchern. Heute sind viele alte Friedhöfe einsame Orte. Einige gewinnen mit Führungen, Konzerten und anderen Attraktionen Besucher zurück. Zwar beleben wir alte Friedhöfe neu, wir überdenken aber auch die Zukunft der Bestattung. Städten wie London, New York und Hongkong gehen die Gräber aus. Selbst an Orten mit mehr Platz belegen Friedhöfe dauerhaft Land, das nicht bestellt oder entwickelt werden kann. Traditionelle Bestattungen erfordern Material wie Metall, Stein oder Beton und können Boden und Grundwasser mit Chemikalien verschmutzen. Mit wachsendem Umweltbewusstsein suchen die Menschen nach Alternativen. Viele wählen die Einäscherung oder ähnliche Methoden. Neben den gängigeren Praktiken kann man seine Überreste ins All schießen lassen, damit einen Baum düngen oder sich zu Schmuck, Feuerwerkskörpern, sogar Tätowierfarbe verarbeiten lassen. Solche Optionen könnten in Zukunft die Bestattung komplett ersetzen. Friedhöfe mögen die bekanntesten Denkmäler für Verstorbene sein, aber sie sind nur eine Etappe im ständigen Prozess zum Gedenken und zur Ehre der Toten.