1 00:00:14,216 --> 00:00:15,704 Wenn es ums Lernen geht, 2 00:00:15,704 --> 00:00:18,365 denken wir meist an Schüler oder Studenten in Hörsälen, 3 00:00:18,365 --> 00:00:19,673 mit Büchern auf dem Pult, 4 00:00:19,673 --> 00:00:21,941 dem Lehrer oder Professor zuhörend, 5 00:00:21,941 --> 00:00:23,599 der vorne steht. 6 00:00:23,599 --> 00:00:26,511 Aber in der Psychologie heißt Lernen etwas anderes. 7 00:00:26,511 --> 00:00:30,152 Hier ist Lernen eine langfristige Veränderung im Verhalten, 8 00:00:30,152 --> 00:00:32,283 die aus Erfahrung wächst. 9 00:00:32,283 --> 00:00:34,379 Zwei der Hauptarten des Lernens sind 10 00:00:34,379 --> 00:00:36,021 die klassische Konditionierung 11 00:00:36,021 --> 00:00:39,066 und operante oder instrumentelle Konditionierung. 12 00:00:39,066 --> 00:00:41,969 Zuerst zur klassischen Konditionierung. 13 00:00:41,969 --> 00:00:45,505 In den 1980ern führte der russische Physiologe Iwan Pawlow 14 00:00:45,505 --> 00:00:48,404 weltberühmte Experimente an Hunden durch. 15 00:00:48,404 --> 00:00:49,736 Er zeigte Hunden Futter 16 00:00:49,736 --> 00:00:51,780 und läutete zugleich mit einer Glocke. 17 00:00:51,780 --> 00:00:55,290 Nach einiger Zeit assoziierten die Hunde die Glocke mit Futter. 18 00:00:55,290 --> 00:00:56,942 Sie lernten, dass wenn sie die Glocke läuten hören, 19 00:00:56,942 --> 00:00:58,420 Futter bekommen. 20 00:00:58,420 --> 00:01:00,454 Schließlich brachte das bloße Läuten 21 00:01:00,454 --> 00:01:01,915 die Hunde zum Sabbern. 22 00:01:01,915 --> 00:01:05,461 Sie lernten Futter zu erwarten, sobald die Glocke läutete. 23 00:01:05,461 --> 00:01:07,564 Das heißt, unter normalen Umständen 24 00:01:07,564 --> 00:01:11,015 bringt die Wahrnehmung von Nahrung Hunde zum Sabbern. 25 00:01:11,015 --> 00:01:13,565 Nahrung ist der unkonditionierte Reiz 26 00:01:13,565 --> 00:01:17,564 und Sabbern ist der unkonditionierte Reflex. 27 00:01:17,564 --> 00:01:21,032 Niemand trainiert einen Hund über ein Steak zu sabbern. 28 00:01:21,032 --> 00:01:24,313 Wenn wir einen unkonditionierten Reiz wie Nahrung 29 00:01:24,313 --> 00:01:26,634 mit etwas zuvor Neutralem kombinieren, 30 00:01:26,634 --> 00:01:28,202 wie dem Läuten einer Glocke, 31 00:01:28,202 --> 00:01:31,458 wird der neutrale Reiz zu einem konditionierten Reiz. 32 00:01:31,458 --> 00:01:35,086 Auf diese Weise wurde die klassische Konditionierung entdeckt. 33 00:01:35,086 --> 00:01:37,463 Nun wissen wir, wie das bei Tieren funktioniert, 34 00:01:37,463 --> 00:01:39,588 aber wie funktioniert das bei Menschen? 35 00:01:39,588 --> 00:01:41,405 Auf die gleiche Weise. 36 00:01:41,405 --> 00:01:44,811 Sagen wir, du gehst zur Ärztin, um eine Spritze zu bekommen. 37 00:01:44,811 --> 00:01:47,766 Sie sagt: "Keine Angst, das tut nicht weh." 38 00:01:47,766 --> 00:01:51,935 und dann tut die Impfung so weh wie noch nie zuvor. 39 00:01:51,935 --> 00:01:54,856 Ein paar Wochen später gehst du zum Zahnarzt für eine Routineüberprüfung. 40 00:01:54,856 --> 00:01:56,408 Er streckt ein Spiegelchen in deinen Mund 41 00:01:56,408 --> 00:01:57,859 um deine Zähne zu untersuchen 42 00:01:57,859 --> 00:02:01,324 und sagt: "Keine Angst, das tut nicht weh." 43 00:02:01,324 --> 00:02:03,747 Obwohl du weißt, dass das Spiegelchen nicht schmerzt, 44 00:02:03,747 --> 00:02:05,195 hüpfst du aus dem Stuhl 45 00:02:05,195 --> 00:02:06,924 und läufst schreiend raus. 46 00:02:06,924 --> 00:02:08,604 Als du bei der Impfung warst, 47 00:02:08,604 --> 00:02:10,852 wurde die Phrase "Keine Angst, das tut nicht weh" 48 00:02:10,852 --> 00:02:12,467 zu einem konditionierten Reiz, 49 00:02:12,467 --> 00:02:14,628 sowie sie mit der schmerzhaften Impfung kombiniert wurde, 50 00:02:14,628 --> 00:02:16,637 dem unkonditionierten Reiz, 51 00:02:16,637 --> 00:02:18,798 gefolgt von dem konditionierten Reflex, 52 00:02:18,798 --> 00:02:21,270 die Flucht zu ergreifen. 53 00:02:21,270 --> 00:02:24,008 Klassische Konditionierung im Alltag. 54 00:02:24,008 --> 00:02:26,267 Operante Konditionierung zeigt, wie Konsequenzen 55 00:02:26,267 --> 00:02:29,142 zu Veränderungen im Verhalten führen. 56 00:02:29,142 --> 00:02:31,478 Wie funktioniert operante Konditionierung? 57 00:02:31,478 --> 00:02:34,730 Es gibt zwei Grundbegriffe: 58 00:02:34,730 --> 00:02:36,989 Verstärkung und Bestrafung. 59 00:02:36,989 --> 00:02:38,777 Verstärkung macht es wahrscheinlich, 60 00:02:38,777 --> 00:02:40,525 dass du etwas wiederholst. 61 00:02:40,525 --> 00:02:42,708 Bestrafung macht es unwahrscheinlicher. 62 00:02:42,708 --> 00:02:45,869 Verstärkung und Bestrafung können positiv oder negativ sein, 63 00:02:45,869 --> 00:02:48,134 was aber nicht mit gut oder schlecht gleichzusetzen ist. 64 00:02:48,134 --> 00:02:50,490 Positiv heißt, dass ein Reiz dazukommt, 65 00:02:50,490 --> 00:02:52,951 wie Süßes nach gesundem Essen. 66 00:02:52,951 --> 00:02:55,264 Negativ heißt, dass es einen Reiz weniger gibt, 67 00:02:55,264 --> 00:02:56,965 wie einen Tag ohne Hausarbeit, 68 00:02:56,965 --> 00:02:59,469 weil du eine Prüfung geschafft hast. 69 00:02:59,469 --> 00:03:02,176 Sehen wir uns ein Beispiel operanter Konditionierung an. 70 00:03:02,176 --> 00:03:03,995 Nach dem Abendessen 71 00:03:03,995 --> 00:03:06,522 machst du Tisch und Geschirr sauber. 72 00:03:06,522 --> 00:03:08,724 Danach bekommst du eine große Umarmung von deiner Mutter, 73 00:03:08,724 --> 00:03:11,108 die sagt: "Danke für deine Hilfe." 74 00:03:11,108 --> 00:03:13,267 In dieser Situation ist die Reaktion deiner Mutter 75 00:03:13,267 --> 00:03:15,896 eine positive Verstärkung, weil es wahrscheinlicher macht, 76 00:03:15,896 --> 00:03:17,689 das operante Verhalten zu wiederholen, 77 00:03:17,689 --> 00:03:20,611 also Tisch und Geschirr sauber zu machen. 78 00:03:20,611 --> 00:03:24,038 Operante Konditionierung können wir überall in unserem Leben finden. 79 00:03:24,038 --> 00:03:25,533 Es gibt nicht viel, das wir tun, 80 00:03:25,533 --> 00:03:27,473 das nicht beeinflusst worden wäre 81 00:03:27,473 --> 00:03:29,308 durch operante Konditionierung. 82 00:03:29,308 --> 00:03:31,080 Operante Konditionierung sieht man 83 00:03:31,080 --> 00:03:34,121 sogar in außergewöhnlichen Situationen. 84 00:03:34,121 --> 00:03:36,461 Eine Gruppe von Forschern zeigte, 85 00:03:36,461 --> 00:03:37,501 dass operante Konditionierung 86 00:03:37,501 --> 00:03:40,390 Tauben zu Kunstkennern macht. 87 00:03:40,390 --> 00:03:42,725 Futter war der positive Verstärker 88 00:03:42,725 --> 00:03:44,142 um die Tauben zu lehren, 89 00:03:44,142 --> 00:03:46,392 Gemälde von Monet zu wählen, 90 00:03:46,392 --> 00:03:48,388 und nicht von Picasso. 91 00:03:48,388 --> 00:03:50,644 Wenn andere Kunstwerke gezeigt wurden, 92 00:03:50,644 --> 00:03:53,436 beobachteten die Forscher Reizgeneralisierung, 93 00:03:53,436 --> 00:03:55,229 weil die Tauben Impressionisten wählten, 94 00:03:55,229 --> 00:03:56,754 und nicht die Kubisten. 95 00:03:56,754 --> 00:03:58,609 Vielleicht werden sie den Tauben demnächst beibringen, 96 00:03:58,609 --> 00:04:00,535 ihre eigenen Meisterwerke zu malen.