Allaa Faham: Meine Damen und Herren, wir sind GLS. Ich heiße Abdul, er heißt Allaa. Abdul Abbasi: Umgekehrt also. Ich bin Abdul. AF: Sorry. Ich heiße Allaa, er heißt Abdul. Wir kommen aus Syrien. Ich bin Deutschland seit ungefähr zwei Jahren, er seit drei Jahren. Wir haben unser Projekt ungefähr vor einem Jahr angefangen. Es geht eigentlich darum ... - AA: Allaa! AF: dass wir ... - AA: Allaa! AF: die Vorurteile ... - AA: Allaa! AF: zwischen den Menschen ... - AA: Allaa, Allaa! - AF: Was? AA: Habt ihr eigentlich Nutella in Syrien? Diese Schoko ... Esst ihr überhaupt in Syrien Schokolade? Das kennt ihr nicht. AF: Doch. AA: Du hast in Syrien vier Frauen, oder? Jeder Mann braucht vier Frauen. Eine reicht einfach nicht, oder? Natürlich, kann ich verstehen. Ich bin Multi-Kulti -- kein Problem. AF: Das stimmt aber nicht. (Lachen) AA: Aber sie arbeiten alle zuhause. AF: Nein, meine Mutter arbeitet draußen. AA: Im Garten? (Lachen) AF: Nee, eigentlich in einer Firma. AA: Aber sie sind alle verhüllt. Wie kannst du da eigentlich deine Frauen unterscheiden? Es ist schwierig. Ich hab aber eine gute Idee. Jede Frau hat ihre Nummer, wie diese Leute bei Olympia. (Lachen) AF: Hör mal auf. Das stimmt aber nicht. Das stimmt gar nicht. Das stimmt gar nicht. AA: Natürlich stimmt's. Ihr seid aus Syrien. AF: Nee. AA: Aber ich hab diese Frage, da bin ich mir hundertprozentig sicher. AF: Schieß los. AA: Habt ihr in Syrien echte Wahlen? AF: Ja, natürlich haben wir ... Wahlen? AA: Ja? AF: Nein. AA: Siehste. Ist echt. Das ist echt bombastisch bei euch, oder? AF: Bombastisch? AA: Ja. Ich meine Syrer, Bomben. Hast du vielleicht ne Bombe jetzt dabei? AF: Abdul, willst du jetzt ne echte Bombe sehen? Willst du jetzt ne echte Bombe sehen? AA: Wir machen weiter. Wir machen coole Videos, Leute. AF: Ich sprech dich an? AA: Nee. AF: Willst du jetzt ne echte Bombe sehen? AA: 400 [Leute]. Allaa, nee. AF: 1, 2, 3. Ja, das ist hier meine Bombe. (Applaus) Viele verknüpfen meine Identität, meinen syrischen Pass, woher ich komme, mit Bomben, mit Tod, mit Gewalt, mit Krieg, mit Blut, aber diese Bomben, die wir immer zeigen, egal wo, USA, Frankreich, Deutschland, Österreich, Ungarn, überall, dafür wird wenig Aufmerksamkeit gegeben, aber für die echten Bomben natürlich schon viel. Das, meine Damen und Herren, ist die erste Grundlage, wie man ein richtiger Stereotyp sein kann. Die Arten von Witze, die wir von manchen Leuten bekommen, sind, wie ihr jetzt gesehen habt. AA: Ha. AF: Abdul, steh mal auf. AA: Sind wir im Paradies? AF: Nee, immer noch in Münster. AA: Och, Mann. (Lachen) (Applaus) AF: Wenn ihr diese Ideen, diese Fragen, diese Informationen hört, bekommt ihr natürlich den Eindruck, wir sehen in Syrien so aus. AA: Wir bekommen eigentlich in YouTube manchmal Hasskommentare und da steht: "Geh mal zurück zu deinem Kamel!" Das wäre eigentlich cool. (Lachen) Ich würde gerne ein Kamel in Aleppo haben, aber leider haben wir keine Kamele. Also gerne, aber schwierig. Was ist eigentlich das Problem, wenn wir etwas nicht kennen? Das macht uns irgendwie unsicher, und diese Unsicherheit signalisiert eigentlich Schwäche. Und diese Schwäche zeigt Verwundbarkeit. Deswegen versuchen wir, das so gut wie möglich wegzumachen. Und wenn wir eine Frage über eine bestimmte Gruppe stellen, die wir nicht kennen, versuchen wir diese Frage zu beantworten, indem wir eigentlich generalisieren. Wir benutzen damit unsere eigenen selektiven Erfahrungen. Vielleicht habe ich einmal jemanden aus Mexiko kennengelernt und dann habe ich einmal dieses Bild in meinem Kopf, wie die Mexikaner vielleicht sind. Das ist falsch. Beispielsweise im Urlaub. Ihr seid einfach überall im Urlaub. Egal, wohin man geht, es gibt immer Deutsche. In Syrien gibt es Krieg, aber vielleicht ein paar Deutsche, die dort Urlaub machen. Urlaub ist wichtig. (Lachen) (Applaus) Eines Morgens sah ich diesen Mann um 6 Uhr morgens und er hat seine Strandliege mit -- Wie heißt das? -- [einem] Handtuch reserviert -- um 6 Uhr morgens. Und jetzt, wenn ich über Deutsche oder an Deutsche denke, da gibt es nur dieses Bild in meinem Kopf, und ich benutze es, um zu erschließen, dass ich Deutsche kenne. Ja, alle um 6 Uhr morgens ... Eigentlich, in anderen Worten, ich bilde hier Stereotypen. AF: Das Ding mit Stereotypen, obwohl wir versuchen, es abzulegen -- Abdul versucht es nicht so wirklich. Das Ding ist, es ist eine allgemeine Eigenschaft von uns allen, die in unserer Natur liegt. Menschen machen Fehler. Ich z. B. wusste nur drei Sachen über Deutschland: Oktoberfest, Mannschaft und den Satz "Ich liebe dich". Ich konnte [nur] diesen Satz eigentlich am Anfang. Ich habe allen Leuten gesagt: "Ich liebe dich." (Lachen) Wie, warum? AA: Ja, verstehe ich. AF: Ihr wisst wahrscheinlich, dass Deutsche oft stereotypisiert werden, als wütend, ernst -- und humorlos. Was eigentlich nicht stimmt, oder? AA: Na gut, meine Freundin sitzt hier. Natürlich stimmt's. AF: Auch wenn die deutsche Toleranz gegenüber anderen Kulturen unvergleichbar ist mit anderen Ländern, zumindest meiner Erfahrung nach, gibt es immer noch diese Stereotypen von Syrern hier in Deutschland. Und das liegt auf jeden Fall daran, dass wir, also Deutsche und Syrer, wenig Kontakt miteinander haben. Hier wird es wichtig, Brücken zu bauen. Hier wird es wichtig, dass wir miteinander mehr kommunizieren, dass wir mehr miteinander sprechen. Hier wird es wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass man nicht alle über einen Kamm scheren darf. Deutsche sind keine Klons, Syrer auch nicht. AA: Das Wort "sozial" oder das englischen Wort "[social]" stammt von dem lateinischen Wort -- Habibii? Darf ich meinen Text zeigen? -- "socialis". Dieses Wort wurde im Lateinischen benutzt, um Gruppen zu beschreiben, die miteinander nett, höflich, cool umgehen. Wir können eigentlich diese ursprüngliche Bedeutung benutzen und sie für unsere heutige Situation gebrauchen. Wir können damit die Menschheit als "Sozialgemeinschaft" beschreiben, die sowohl gute als auch faule Eier hat. Und dafür, meine Damen und Herren, haben wir GLS, German LifeStyle, gegründet. (Lachen) (Applaus) AF: Nice. - AA: Cool, ne? AF: Wir haben mit unserem Projekt vor einem Jahr angefangen. Es geht eigentlich darum, dass wir Deutsche und Syrer mehr miteinander sprechen, dass wir die Vorurteile gegenüber den Deutschen als auch gegenüber uns, den Syrern, abbauen, dass wir die Unterschiede, die wir haben, auch verstehen. Wir haben jetzt ca. 90 000 [Fans] auf Facebook. AA: Ungefähr 90 000, ja. AF: Und 20 000 [Abonnenten] auf YouTube. Und das ist ein kleines Beispiel von unseren Videos. Die sind eigentlich ein bisschen alt, aber ... AA: Warte. Ja, genau, das machen wir. (Lachen) Noch einmal. Das haben wir auch gemacht. (Lachen) (Applaus) Kein Problem. Wir machen das jetzt einfach live. Oder doch. (Video) [Die Deutschen] AF: Willst du Schokolade? AA: Nee, danke. Für mich nicht. Alles gut. AF: Okay. [Die Syrer] (Arabisch) AF: War lecker. (Arabisch) Wir waren mit unserem Leben ganz zufrieden. Niemand von uns hat vor dem Krieg darüber nachgedacht, Syrien zu verlassen, aber das alles kommt uns wie ein Schicksal vor, und das alles tut uns sehr weh. Wir möchten uns in eure Gesellschaft integrieren, uns an das Grundgesetz halten. Wir möchten, dass wir zusammen friedvoll leben und zueinander stehen, weil wir zusammen stärker sind. Und das alles schaffen wir allein nicht, und ihr ohne uns auch nicht. Daher sollten wir uns gegenseitig unterstützen, weil wir möchten, [dass aus uns etwas wird]. Wir haben vieles verloren, aber unsere Träume behalten wir immer noch und die möchten wir verwirklichen, damit wir aktiv in dieser Gesellschaft wirken. (Video endet) (Applaus) AF: Danke schön. Wir haben eigentlich viel nachgedacht und wir kamen dann zu dem Gedanken: Wir haben zwei verschiedene Gesellschaften und eine Brücke gibt es dazwischen, die wir überbrücken müssen. Wir haben uns gefragt: Wie schaffen wir diese Brücke überhaupt? Wie können wir das Eis zwischen uns brechen? Es ist so leicht. Es ist eigentlich, wie man eine Frau kennenlernt. AA: Ja. - AF: Abdul? AA: Nein. - AF: Kannst du uns erzählen, ... AA: Genau, vielen Dank. AF: wie du die Frauen kennenlernst? AA: Nein. AF: Warum? AA: Das ist jetzt meine Vergangenheit. Ich will nicht mehr darüber reden. AF: Bitte! AA: Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch. Ich bin kein Pferd mehr. AF: 400 Zuschauer warten auf uns. AA: (Arabisch) AF: Bitte! Komm her. The stage is yours. Und dann? (Lachen) Was hast du dann gemacht? Bitte! (Lachen) (Applaus) Vorsicht, Vorsicht! (singt "My heart will go on") (Lachen) (Applaus) AA: Humor. Seht ihr, mit Humor kann man eigentlich dieses Eis brechen. Humor ist für uns eigentlich eine universale Sprache und keiner hat Angst, das zu sprechen oder auch zu verstehen. Ihr seid jetzt beispielsweise in einer fremden Kultur. Ihr habt Angst, etwas falsch zu machen. Eure Gegenüber haben auch diese Angst, etwas falsch zu machen. Aber auf einmal lacht ihr. Jetzt ist es nicht wichtig, was ihr gemacht [habt]. Vielleicht habt ihr was Falsches in der anderen Kultur gemacht. Aber es ist nicht wichtig, jetzt kein Ärger -- ihr lacht -- keine Distanz, kein Werten; ihr teilt euch diesen Moment. Ihr fühlt euch verbunden. AF: Wow. Nice. - AA: Gut, oder? AF: Dennoch gibt es immer noch diese Menschen, die sich nicht der Kultur und anderen Ländern nicht öffnen möchten. Die wollen diese Anstrengungen nicht machen. Denn, ja, es ist anstrengend, es ist immer schwer zu diskutieren, Ideen zu ändern, die man schon lange hatte. Aber die Frage kommt jetzt: Was verpassen diese Menschen überhaupt? AA: Viele haben diese Angst vor Unterschieden. Für uns ist Unterschied nichts Schlimmes. Unterschied muss nicht immer als negativ bezeichnet [werden]. Unserer Erfahrung nach sind Menschen, die multi-kulti sind, multikulturell, sehr offen, haben mehr Toleranz als Menschen in isolierten, geschlossenen Gesellschaften. Wir können viel voneinander lernen und was teilen. Du -- ich, zum Beispiel, wir, ich kann dir zum Beispiel Kochen beibringen, ja? Du kannst mir zum Beispiel deinen deutschen Pass geben. (Lachen) Deutscher Pass. AF: Religiöser Fanatismus, Rassismus und Nationalismus bauen eine Grenze auf. Wir können diese Grenze nur beseitigen, indem wir uns untereinander kennenlernen; indem wir uns klarmachen, was uns am meisten verbindet: dass wir alle Menschen sind. AA: Das ist eigentlich das, was wir mit unserem Projekt, mit GLS, erreichen wollen. Zurück zu meinem ersten Punkt. Ich will kein einziges Bild über Deutsche haben. AF: Und ich will auch kein einziges Bild über Syrer haben. AA: Dabei interessiert mich überhaupt nicht, ob es ein gutes oder ein hässliches Bild [ist]. Wir sind einfach der Meinung, dass keine Gesellschaft auf dieser Welt auf einen einzigen Stereotyp reduziert werden kann. Das ist falsch. Das ist schlimm. (Applaus) Wir, ich, Allaa, das Pferd und viele Flüchtlinge, viele neue Flüchtlinge, viele neue Gesellschaftsmitglieder wollen euch einfach sagen, dass der Krieg nicht stärker als wir sein darf. Unser Schicksal darf nicht stärker als wir [sein]. AF: Wir sind stärker als unsere Realität. Weiß ist eigentlich Frieden, und wir haben jetzt eigentlich vier Blumen. AA: Das hier ... ist für mein zerstörtes Land, für meine Stadt. AF: Und das hier ist für Deutschland. AA: Das hier für alle auf dieser Welt, die unter dem Krieg leiden. AF: Und das ist für alle, die für die Menschlichkeit stehen. AA: Vielen Dank. - AF: Danke. (Applaus)