33C3 Vorspann-Musik Applaus Herald: Ihr alle kennt ihn, ich muss ihn nicht großartig ansagen: Martin Haase, oder maha, mit der „Sprache der Populisten“, und ich sollte euch noch eins sagen: Dieses Mal nicht alles lernen! Das ist die falsche Sprache. Applaus maha: Ja vielen Dank. Ich glaube ich werde das erste Mal ins Französische übersetzt, das ist schon was Besonderes. Also ich kann auch Französisch, also die Sprache. Lachen Und ich werde mir das hinterher anhören, trotzdem vielen Dank dafür, also finde ich ganz toll. So, ja, es geht um die Sprache der Populisten, insbesondere um das Deutsche. Und ich werde natürlich auch wieder ein paar Videoschnipsel zeigen. Und wenn man da was lernen kann, dann kann man vielleicht was lernen von den Journalisten in den Videoschnipseln, die halt dann doch die Gesprächspartner in Verlegenheit bringen, und das kann man sich so ein bisschen abgucken, denn es geht vor allen Dingen um seltsame Konzepte. Das ist auch der Gegenstand meines Vortrags. Und wenn man da Fragen stellt auf der Ebene, dann bekommt man doch auch ganz überraschende Antworten. Wenn wir aber über Populisten sprechen, müssen wir natürlich erstmal wissen, was ist überhaupt Populismus? Und da steigen wir gleich mit einem Videoschnipsel ein, was uns einen Eindruck gibt, und dann versuche ich das auch noch ein bisschen definitorisch zu erfassen. Dieser nette Herr wird uns das jetzt erklären. Audio/Video-Wiedergabe beginnt Befragter: Meine Kritik ist, dass ihr nicht die Wahrheit sagt! Grölen im Hintergrund, im Video Interviewerin: Über Flüchtlinge? B.: Nein, ihr berichtet keine Wahrheit. Seit dem ganzen Drama. I.: Warum sind Sie heute Abend hier? B: Weil das alles eine Schweinerei ist. I: Was denn genau? B: Was denn genau? Dass hier das zu einem islamischen Staat werden soll. Und die armen Christen, die dort unten getötet werden – Kopf ab! – weil, wenn ihr den Koran kennt, dann wüsstet ihr, dass der Koran ganz schlimm gegen die Christen ist. I: Sie wissen aber schon, dass ganz viele der Flüchtlinge, gerade aus Syrien und dem Irak, fliehen vor Bomben, vor Fassbomben, vor Folter, vor Vergewaltigung… B: Warum fliehen die? Die sollen zuhause bleiben, sollen ihr Land wieder aufbauen. I: Im Krieg? B: Wir haben auch Krieg gehabt, sind wir weggelaufen? Wir haben unser Land aufgebaut und sind nicht woanders hingegangen, und haben gejammert. Bleibt… Audio/Video-Wiedergabe endet maha: Okay. Also wir merken schon so ein bisschen, worum es geht und wie es funktioniert. Also Wahrheit war ein ganz wichtiger Aspekt hier. Wir werden auf das Konzept Wahrheit heute auch noch einmal zu sprechen kommen. Es geht um einfache Gewissheiten, die eben als Wahrheiten verkauft werden. Und vor allen Dingen geht es darum, Ängste zu schüren, Dystopien, wie man sagt. Also Flüchtlinge… bedrohen. Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt von Populismus in engerem Sinn. Man kann natürlich Populismus auch weiter fassen, dann kann man sagen: Naja gut, Parteien sind immer irgendwie auch populistisch. Aber hier geht es doch um etwas spezifisch engeres, nämlich es geht hier vor allen Dingen um die Sache mit den einfachen Gewissheiten. Ängste, und dann aber einfache Lösungen. Das ging alles los, wir erinnern uns, mit „Der Euro muss weg“. Jetzt heißt es eher „Flüchtlinge raus, und dann ist alles gut“. Aber das kann ja nicht sein, es kann eben nicht alles gut werden. Was passiert, wenn der Euro weg ist? Dann gibt es vielleicht noch mehr Probleme. Oder „Steuern runter!“, das ist auch so eine einfache Lösung. Oder „Merkel muss weg“, und alles ist gut. Aber wer kommt denn nach Merkel? Seehofer… Lachen Gabriel… Zwischenruf: Söder! maha: …von der Leyen… also, ja okay, hm, also ich… das ist immer das Problem. Und es gibt sicherlich noch weitere Dinge. Was hier auffällt, ist, dass immer irgendwas „weg muss“. Am besten noch mit Ausrufungszeichen, also das Ausrufungszeichen ist ein deutliches Kennzeichen. Es muss was weg, und dann ist alles gut. Aber so ist es eben einfach nicht. Insbesondere möchte ich auf Rechtspopulismus hier eingehen. Und da gibt es auch so drei Kriterien beim Rechtspopulismus. Da geht es oft um das Recht der Mehrheit, also das Recht des Stärkeren, die Mehrheit, die Starken, die soll durchgesetzt werden. Dann oft die Forderung nach einem starken Staat, „Law and Order“, also in allen Parteien die besonders dem Rechtspopulismus zuzuordnen sind, wir werden noch sehen, das sind vielleicht mehr Parteien als man denkt, geht es immer um „Law and Order“, ganz wichtig. Und es gibt Schuldzuweisungen, Schuldzuweisungen an eine entspezifizierte Minderheit. Was ist eine entspezifizierte Minderheit? Also insbesondere, wir haben es schon gehört, in dem Text: Ausländer, die gleichgesetzt werden mit Flüchtlingen – natürlich sind nicht alle Ausländer Flüchtlinge. Die werden gleichgesetzt mit Moslems – wo auch nicht alle Flüchtlinge Moslems sind. Die werden gleichgesetzt mit Islamisten, und die werden gleichgesetzt mit Terroristen. Das ist also die Minderheit, gegen die es geht. Also Ausländer am Ende gleich Terroristen. Es gibt da noch so Varianten von Rechtspopulismus. Eine Variante die so ein bisschen im liberalen oder libertären Raum zu finden ist, da geht es dann nicht so um das Recht der Mehrheit, sondern um das Recht der Leistungsträger, da wird dann auch nicht immer ein starker Staat gefordert, obwohl „Law and Order“ da auch oft auf der Agenda steht, sondern es soll um Steuersenkungen gehen. Wie man natürlich Steuersenkungen mit „Law and Order“ in Verbindung bringt, ist nicht immer klar. Und da gibt es dann andere entspezifizierte Minderheiten. Was man so hört aus der liberalen Ecke ist dann immer „die Transferempfänger“. Also ein Vertreter der CDU hat mir im September gesagt: „Die Beamten sind schuld, weil die alle keine Krankenversicherung zahlen“. Komisch, ich bin Beamter und zahle Krankenversicherung. Also sowas hört man da. Dann gibt es noch eine Variante die manchmal auch als Linkspopulismus bezeichnet wird, aber ich denke, das ist nicht das Konzept, das ist, glaube ich, auch rechts. Da wird dann gesagt: „Die Mehrheit sind die 99% oder 99,9%“, da wird auch oft nach einem starken Staat gerufen der das dann regelt, und die Schuldzuweisungen: Schuld sind die 1% oder 0,1%, also auch eine Minderheit. Und jetzt ist natürlich klar, es gibt natürlich wenig Reiche und viele, die nicht so reich sind. Aber wenn man dann näher nachfragt, wer denn diese 0,1% sind oder 1%, dann hört man oft „ja…“. Wir werden das gleich noch hören, also das fantasiere ich mir nicht zusammen. Wir hören gleich noch einen Originaltext dazu. „Ja, das sind die Rothschilds“. Und das ist natürlich irgendwie seltsam. Außerdem ist es natürlich so, dass das Finanzsystem durchaus durch mehr Leute getragen wird, die Aktien haben oder die auf eine Rente hoffen, die irgendwo durch Investitionen zustande kommt. Also so einfach ist das nicht, dass alles Geld bei 0,1% ist. Ja, und wenn wir jetzt zur Sprache kommen, dann gibt so einen Punkt, und das hat auch was mit den, mit der Minderheit zu tun, die vor allen Dingen im Fokus steht. Ein Punkt, den wir hier schonmal hatten, nämlich den ‚Flüchtlingstsunami‘. Und da sieht man eben Entmenschlichung dadurch, dass eben von einem Tsunami die Rede ist, das haben wir hier ja schonmal thematisiert. Es gibt dann auch die Variante ‚Flüchtlingslawine‘, ‚Flüchtlingswelle‘ und ‚Flüchtlingskrise‘. Und das Interessante ist, je weiter wir runtergehen in dieser Liste, umso mehr Hits findet man, wenn man danach sucht, und ‚Flüchtlingskrise‘ ist sozusagen das gängige Wort, was wir eben tatsächlich auch in der Presse finden, und meine Hypothese, die ich dann auch Ende aufgreifen werde, ist, dass auf diese Weise natürlich auch die Sprache der Populisten in die allgemeine Sprache eindringt, denn in Zeitungen, in den Medien hört man immer mal wieder was von ‚Flüchtlingskrise‘. Und im Grund ist ‚Flüchtlingskrise‘ zwar nicht so ein krasser Begriff, also nicht so ein Dysphemismus wie ‚Flüchtlingstsunami‘, aber immerhin ist es auch etwas, was die Minderheit entmenschlicht und eben dann auch dafür steht, eben die Wirklichkeit in so einer besonderen Weise darzustellen. Was dann endet mit solchen Äußerungen, die ich auch gefunden habe in den Videos, die ich auch gleich noch zeigen werde, dass Leute sagen: „Wir sind fremd im eigenen Land“. Was natürlich paradox ist, denn das eigene Land ist eben gerade das, wo man nicht fremd ist. Also die Definition von ‚fremd‘ passt nicht zu dieser Äußerung. Aber diese Art von Paradoxien, die finden wir halt immer wieder, deshalb werden wir uns auch heute ein bisschen mit Semantik beschäftigen, also mit der Bedeutung von Wörtern. Und da gibt es eine Reihe von Wörtern die ich als ‚verbogene Wörter‘ bezeichnet habe, weil man sie zunächst einmal gar nicht versteht. Man weiß gar nicht, was soll das sein? Und erst bei einigem Nachdenken oder Nachforschen kommt man darauf, dass das irgendwie was Sonderbares ist und dann auch im Kontext von Rechtspopulismus steht. Das erste Wort, das mir über den Weg gelaufen ist, ist ‚Ethnopluralismus‘. Das klingt super, Pluralismus, ganz toll, Ethnopluralismus. Ja, was ist damit gemeint? Das ist tatsächlich auch ein Kampfbegriff – wir werden nachher auch noch weitere solche sehen – bei dem es darum geht, dass gesagt wird: „Ja, wir sind ja für Pluralität, aber jede Ethnie, also jeder Volksstamm soll da bleiben, wo er hingehört.“ Also irgendwie in Afrika, am besten. Das ist so das, was sich dahinter verbirgt. Und ein ganz anderes Wort, was ich auch zunächst nicht verstanden habe: die ‚Bahnhofsklatscher‘. Da habe ich gedacht, ‚Bahnhofsklatscher‘, vielleicht irgendwas mit Silvester in Köln, oder so? Nein, es ist was anderes. Es gibt eine Variante davon, dann hab ich es dann auch besser verstanden: die ‚Refugees- Welcome-Klatscher‘ oder einfach nur ‚Welcome-Klatscher‘. Das sind also diejenigen, die offensichtlich Leute begrüßen, die in Deutschland ankommen. Also wir sehen da so schwierige Semantik, die man also erstmal begreifen muss, wenn man nicht zu dieser Filterbubble gehört. Dann gibt es Umdeutungen. Und das ist halt besonders interessant. Das ist auch die besondere Gefahr bei der ganzen Sache, denn, wenn ganz normale Wörter verwendet werden, die plötzlich was anderes bedeuten, dann gibt es natürlich da die Möglichkeit, dass jemand plötzlich überzeugt wird von Argumentationen, weil er sie etwas anders versteht. Eine dieser Umdeutungen, die wir häufig finden, betrifft das Wort ‚Demokratie‘. Das hört man oft auch in den Videos, die ich noch zeigen werde. ‚Demokratie‘, da wird mehr Demokratie gefordert. Und natürlich sind wir alle für mehr Demokratie. Und wenn man dann aber genauer nachhört, was damit gemeint ist, dann wird so ein bisschen Etymologie betrieben. Also der Wortursprung, ‚demos‘ = das Volk, ‚kratie‘ = die Volksherrschaft, also ‚mehr Volksherrschaft‘, und „wir sind das Volk“. Also diejenigen, die sowas sagen, sagen also „Wir wollen herrschen!“. Obwohl sie nicht das gesamte Volk sind. Und zu Demokratie gehört eben auch sowas wie Minderheitenschutz. Aber hier geht es dann meistens darum, dass die Mehrheit bestimmen soll, und das eben auch… äußert sich dann auch in den Forderungen nach direkter Demokratie, was eigentlich eine gute Forderung ist. Aber es soll eben das Volk entscheiden und nicht irgendeine Elite. Dabei beruht Demokratie schon darauf, dass Verantwortung delegiert wird und bestimmte Leute anderen gegenüber verantwortlich sind. Der andere umgedeutete Begriff ist ‚Wahrheit‘. Wir hatten das vorhin schon gehört. Wahrheit, was ist eigentlich hier mit Wahrheit gemeint? Naja, Wahrheit wird verstanden als das, was in der „Meinungsdiktatur“ der „Lügenpresse“ unterdrückt wird. Also es gibt auf der einen Seite die Meinungsdiktatur, die Lügenpresse, und das andere ist die Wahrheit. Als ob genau das, was unterdrückt wird, schon allein per se dadurch dass es unterdrückt wird, Wahrheit ist. Die Frage ist, ob es überhaupt unterdrückt wird. Das werden wir dann auch noch sehen. Also, es gibt diesen Gegensatz „Wahrheit und Meinungsdiktatur/Lügenpresse“, und auf der anderen Seite die Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit, die man vertreten will, im Gegensatz zu dem ‚Maulkorb‘ und der ‚Zensur‘, die allenthalben zu finden ist. Also auch ‚Meinungsfreiheit‘ wird umgedeutet, in einer bestimmten Weise, dass hier eben die eigene Meinung gemeint ist, oder eben die Meinung, die vermeintlich unterdrückt wird. Wir hören uns das mal an, hier haben wir so eine Argumentation, wieder aus diesem ZDF-Beitrag. Gelächter Audio/Video-Wiedergabe beginnt Befragte: Die Presse kann doch hier weg! Interviewerin: Deswegen darf er mich schubsen? B: Nein, das nicht! Das ist nicht in Ordnung. I: Na wenigstens das. B: Aber die Berichterstattung können Sie sich ersparen, weil die Wahrheit bringen Sie sowieso nicht. I: Aber wenn wir nicht berichten, heißt es doch auch, wir würden zensieren. Was wollen Sie denn jetzt? B: Naja, sicherlich wird das zensiert! Wo haben Sie denn hier objektive Berichterstattung? I: Was fehlt Ihnen denn? Gemurmel eines Nebenstehenden B: So, und bitte, das war nur, was ich sagen wollte. I: Na dann. Durfte sie ja jetzt auch. B: Die Wahrheit! I: Was ist denn die Wahrheit? B: Ja, aber nicht Ihre. I: Aber was ist denn Ihre Wahrheit? B: Nicht Ihre Wahrheit. I: Ich weiß gar nicht, was meine ist. B: Hören Sie hier zu, das ist die Wahrheit. Und nicht, was ‚unsere Politiker‘ hier veranstalten. I: Ich würde gerne wissen… …das sind auch Politiker! B: Aber die sind nicht in der Regierung! I: Und was ist jetzt nochmal Ihre Wahrheit? B: Das ist nicht Ihre. Hören Sie hier zu – da hören Sie sie. I: Ich versteh’s nicht, lassen wir’s. Ich versteh’s nicht. Lachen im Saal andere Demo-Teilnehmer befragt: I: Ernsthaft – wie könnte denn eine Lösung aussehen? Audio/Video-Wiedergabe endet maha: Hm. Also Wahrheit ist eben das, was irgendwie unterdrückt wird, und man weiß es nicht genau, aber wenn es unterdrückt wird, ist es die Wahrheit. Also das ist irgendwie das, was hier rauskommt. So ein bisschen erinnert mich das an „1984“, wir erinnern uns: „War is Peace“, „Freedom is Slavery“, „Ignorance is Strength“. Und ‚ignorance‘ wird natürlich nicht mit Nichtwissen übersetzt, aber ich denke, hier ist auch wieder Ignoranz gemeint, „Ignoranz ist Stärke“. Und das ist auch die Überschrift für den nächsten Abschnitt hier. Da sieht man auch wieder solche Verschiebungen in der Bedeutung. ‚Gutmenschen‘, und vor allen Dingen das ‚Gutmenschentum‘ ist so ein Begriff, der immer auftaucht. Ich habe das hier auch mal rausgesucht aus Google Trends. Da sieht man eben was Leute gesucht haben. Und da sieht man in der Tat, Gutmenschen gab es wohl schon, dann nimmt das irgendwie zu, so Ende 2012. Und dann gibt es hier die ganzen Ausschläge 2016, wo das Wort ‚Gutmenschen‘ dann eben tatsächlich wichtiger wird. Aber es verändert dabei seine Bedeutung. Denn ‚Gutmensch‘ – eigentlich ist das sowas wie der ‚Naivling‘, möglicherweise eine Lehnübersetzung, aus französisch ‚bonne homme‘, netter Kerl, ‚bonne homme‘, es ist abgeleitet: ‚bonhomie‘, die Gutmütigkeit. Aber jetzt verschiebt sich das. Und die Gutmenschen sind die eigentlich Bösen. Das sind irgendwie Böse, wir werden das gleich noch sehen, an Komposita. Gutmenschen sind also plötzlich für die Sprecher des Populisten-Sprechs böse Menschen. Und zwar sind sie besonders deshalb böse weil sie die sogenannte ‚politisch korrekte Sprache‘ benutzen. Auch so ein Feindbild. Politisch korrekte Sprache wird eben hier auch als etwas sehr Negatives angesehen. Auch im Grunde ein Kampfbegriff. Man ist gegen die politisch korrekte Sprache. ‚Gut‘ ist eben für Rechtspopulisten diejenige Sprache die nicht politisch korrekt ist. Und man erkennt jetzt, dass eben gerade Gutmenschen was Böses sind, an Komposita. Ich habe hier ein paar gefunden. Nämlich ‚Toleranzfaschismus‘, ‚Gutmenschenfaschismus‘ und ‚Sprachfaschismus‘. Interessant ist dabei, dass ich den Beleg ‚Tolleranzfaschismus‘ nur mit 2x L gefunden habe. Gelächter und Applaus Ja, ich bin gefragt worden, vor einiger Zeit, von einer Journalistin, wie man eigentlich Fake-News erkennt. Und ich habe gesagt, naja, wenigstens die Rechtschreibfehler sind ein guter Hinweis. Was nicht heißen soll, dass News ohne Rechtschreibfehler keine Fake-News ist. Aber wenn Rechtschreibfehler drin sind, dann muss man sich schon fragen, ob das wirklich alles so ist, wie es dargestellt wird. Das liegt jetzt nicht – also ich will jetzt nicht Leute bashen mit Rechtschreibschwächen, ich selber habe ja auch eine gewisse Neigung dazu. Aber was man da macht, ist, also wenn man eine Rechtschreibschwäche hat, ist, seine Texte durch andere lesen zu lassen. Und wenn eine Nachricht eine richtige Nachricht ist, haben die bestimmt auch viele Leute angeschaut. Und dann gibt’s halt nicht mehr so viele Rechtschreibfehler. Also, von daher kann man an der Zahl der Rechtschreibfehler schon erkennen, dass etwas nicht stimmt, oder eine Einzelposition darstellt. Ja, wir werden weiter darauf eingehen, was es zu bekämpfen gilt. Dann ist es das sogenannte ‚Gender- Mainstreaming‘. Gender-Mainstreaming wird auch als etwas Negatives umgedeutet. Also Gender-Mainstreaming, damit ist ja eigentlich gemeint, ursprünglich, die Möglichkeit, dass eben Geschlecht, was weniger sichtbar ist, sichtbar gemacht wird. Also, in den Mainstream reinkommt. Aber hier ist irgendwie etwas sonderbar Negatives gemeint. Und deshalb finden wir für das Gender-Mainstreaming auch Ersatzwörter. Nämlich ‚Gender-Ideologie‘, sehr häufig, ‚Genderismus‘ sogar, ‚Gender-Wahn‘ oder ‚Gender-Wahnsinn‘, und ‚Gender-Faschismus‘. Wieder der Faschismus. Der ist immer schnell dabei. Und jetzt denkt man sich „Naja, was wird da gemeint sein mit Gender-Faschismus? Dass irgendwie ein Geschlecht das andere unterdrückt oder so?“ Nein, es geht hier um Sprache. Wir hatten vorhin auch das mit dem Sprach-Faschismus. Also, unter Gender-Faschismus wird vor allen Dingen verstanden, dass irgendwie, tatsächlich, wie beim Gender-Mainstreaming gefordert, die Mehrgeschlechtlichkeit eben sichtbar gemacht wird in der Sprache. Das wird eben als bekämpfenswert angesehen, und als ‚Faschismus‘ angesehen. Im gleichen Bereich ein anderer Begriff, der auftaucht. Die sogenannte ‚Frühsexualisierung‘. Interessant ist vor allen Dingen, dass das Wort ‚Sexualisierung‘ kaum zu finden ist. Aber ‚Frühsexualisierung‘. Offensichtlich gibt es Sexualisierung nicht ohne ‚früh‘. Aber die Wikipedia weiß auch, dass es hier um einen Kampfbegriff geht. Das steht da auch in der Wikipedia direkt, in der Definition von ‚Frühsexualisierung‘. Also hier können wir sehen wie die Trends sind, wann das so auftaucht. 2006/2007 gibt es die Diskussion zunächst in der Schweiz. Dadurch dieser erste starke Ausschlag. Und dann gibt’s da nochmal so Ausschläge. Und dann ab 2011 immer mehr das Thema ‚Frühsexualisierung‘. Weil das eben auch von rechtspopulistischen Parteien immer vorgebracht wird. Bildungsplan in Hessen, Bildungsplan in Baden-Württemberg. Da wird jetzt gesagt, also Sexualkunde für Pubertierende das ist eben ‚Frühsexualisierung‘. Gemeint ist da aber… ich meine das steckt in dem Wort ‚Frühsexualisierung‘ drin, warum ‚früh‘? Früh eben weil man da irgendwie so andeuten will, dass es vielleicht irgendwie was mit Verführung von Kindern zu tun hat. Da sind wir dann so im pädophilen Bereich. Also das soll auf jeden Fall stigmatisiert werden. Und es geht einfach nur um Sexualkunde! Das ist eben hier der Begriff der eingesetzt wird um dagegen zu opponieren. Dann das Wort ‚völkisch‘, das plötzlich in den Diskussionen kam. Wo dann Frauke Petry sagte, „das Wort ‚völkisch‘ muss jetzt wieder benutzbar sein“. Da muss man sich natürlich ankucken wo das herkommt. Das erklärt uns dieser Philosoph: laut Johann Gottlieb Fichte, also am Anfang des 19. Jahrhunderts, das Wort ‚völkisch‘ ist nämlich für ihn eine Lehnübersetzung für das Wort ‚deutsch‘. Und zwar ‚deutsch‘ ist ja abgeleitet aus Althochdeutsch ‚diota‘ plus Adjektivendung -isk, also gibt es so eine Form wie ‚djutisch‘, ‚djutsch‘, aus der dann ‚deutsch‘ sich weiterentwickelt. Und eben ‚Volk‘ und -lich… oder ‚Volk‘ und -isch ist das eigentlich. Deshalb ‚Volk-isch‘ oder ‚völkisch‘. Das wird dann in der Folge, im 19. und 20. Jahrhundert verwendet für ‚national‘. Als Übersetzung für ‚national‘ weil man da eben der Meinung war, man muss für ‚national‘ auch ein deutsches Wort haben. Aber dadurch dass es im Grunde so eine Lehnübersetzung für ‚deutsch‘ ist, ist es halt insbesondere eben mit Bezug auf Deutschland verwendet, und das geht dann im 20. Jahrhundert los… Das ist hier Google Ngrams, also während des 1. Weltkriegs, dass man hier eben besonders in antisemitischen Zirkeln das Wort ‚völkisch‘ benutzt, eben auch in der Bedeutung ‚nicht-jüdisch‘. Und man sieht also ganz deutlich durch den Ausschlag um 1940 herum, dass es sich eben um einen Terminus handelt, der im Nationalsozialismus eine besondere Bedeutung hat. Dass das dann nachher noch kommt, hängt natürlich auch damit zusammen dass in Büchern der Nationalsozialismus aufbearbeitet wird. Wenn wir uns jetzt die Trends anschauen, heute, ‚völkisch‘ poppt da einmal auf, 2016, das ist eben genau der Punkt wo das in die Diskussion geworfen wird. Und dann gibt’s dann auch so ein bisschen weitere Diskussionen zu ‚völkisch‘, und dann verschwindet es eigentlich wieder. Also man sieht, dass hier ein Wort verwendet wird was eigentlich keinen Erfolg hat. Und dann eben auch gleich wieder verschwindet. Ein bisschen anders sieht es mit einem anderen Nazi-Terminus aus, dem Terminus ‚Umvolkung‘. Das erfreut sich dann doch weiterhin einer gewissen Beliebtheit. Und wird aber auch umgedeutet. Das bedeutet etwas anderes als es vor allen Dingen um 1940 bedeutet hat. Denn da ging es darum, dass es – naja gut, ich komme gleich drauf. Also was jetzt passiert, ist, in neuerer Zeit, dass ‚Umvolkung‘ eintritt als Verstärkung – es ist auch stärker als ‚Überfremdung‘. Also zunächst mal wird das Wort ‚Überfremdung‘ verwendet. Das war auch „Unwort [des Jahres] 1993“, und stattdessen in den rechten Kreisen wird jetzt das Wort ‚Umvolkung‘ verwendet. Also ein Wort, was aus der nationalsozialistischen Volkstumspolitik stammt… hier ist auch der Erfinder des Konzepts, Albert Brackmann, ein Historiker, der für die sogenannte „Ausbreitung nach Osten“, also Deutsche sollen nach Osten gehen, eben vorschlägt, dass dort eben alles wieder deutsch werden soll. Das nennt man auch ‚Germanisierung‘, ‚germanization‘, oder eben ‚Umvolkung‘. Da sollen eben Leute zu Deutschen gemacht werden, die eben vielleicht jetzt schon slawisiert worden sind. Also solche Vorstellungen stecken dahinter. Und jetzt wird das aber ganz anders verwendet. Und es kommt wieder auf. In Österreich und Deutschland schon um 2012 herum. Und da geht es nun darum, dass angeblich in Deutschland und Österreich eine sogenannte ‚Umvolkung‘ stattfindet, dadurch, dass eben Menschen, also Ausländer, hinkommen und dadurch sich das Volk eben verändert, nicht mehr deutsch wird, sondern ersetzt wird. Wir hören da gleich auch noch einen Text dazu. Das heißt also, ‚Umvolkung‘ hat sowas mit einer Opferrolle zu tun. Also jetzt plötzlich sind die Deutschen Opfer einer vorgeblichen Umvolkung. Und das hören wir uns jetzt an. Von einer Demo in Dresden. Da sehen wir erstmal Plakate, die sind schon ganz interessant. Und dann hören wir, wie das abläuft mit der Umvolkung. Und hier wird uns auch wieder eine ‚Wahrheit‘ präsentiert. Also wir erfahren jetzt von dem Gesprächspartner was wirklich, in Wahrheit, seiner Meinung nach, vor sich geht. Audio/Video-Wiedergabe beginnt Interviewer: Was ist denn Ihre Forderung? Sie sagten hier, „die berechtigten Ford…“ Antwort: Meine Forderungen kann ich Ihnen sagen. Man muss erstmal die Leute aufklären. Dass wir kein souveränes Land sind, mit keiner souveränen Regierung. Dass die Befehle aus Tel Aviv und Washington kommen. Und die USA, die USA wird wieder regiert von der IPAC, einer jüdischen Lobby. Das hat nichts mit ‚rechtslastig‘ zu tun, das ist Tatsache! Ein Herr [George] Soros finanziert die Republikaner. Die Demokraten finanzieren… die Demokraten! Gelächter im Saal Und jetzt frage ich Sie: Mit welchem Recht wird die Bevölkerung ausgetauscht, obwohl die Bedürfnisse der Wirtschaft und Gesellschaft nicht gegeben sind? Wenn hier auch Akademiker sich von Praktikum zu Praktikum hangeln müssen. Und das auf eine freie Stelle, das ist der Traum der globalen Wirtschaftslobby! Dass sich nicht nur 10 bewerben, sondern möglichst 1000. Interviewer: Was muss sich denn ändern? Antwort: Wie bitte? Interviewer: Wie soll sich das denn ändern, Ihrer Meinung nach? Antwort: Das kann ich Ihnen sagen. Indem man erstmal genau schaut, was für Menschen hier herkommen. Ich wurde vor paar Tagen diffamiert, weil ich gesagt hatte, man müsste schon im Mittelmeer die Flüchtlinge abfangen, und den Flüchtlingsstatus aberkennen. Wissen Sie was man zu mir gesagt hat? Ich wäre ein Nazi! Das gleiche praktiziert die australische Regierung. Sind jetzt die Australier alle Nazis? So sieht’s aus, genau so sieht’s aus. Denn die Flüchtlinge die hierher kommen, denen muss man, wenn sie schon herkommen, eine Perspektive bieten. Und die sind nicht gegeben. Wir haben weder die Arbeitsplätze, noch den Platz. Schauen Sie sich doch die westlichen Großstädte an! 70%, kann man 80% sagen, sind doch keine Deutschen mehr. Ist das ein normaler Trend? Ich weiß es nicht. Ich habe nichts gegen andere Nationen. Und auch nichts gegen andere Kulturen. Aber es kann nicht sein, dass weil die ISIS… die ganzen Bürgerkriege werden von der USA angezettelt und manipuliert. Und die ganzen Wörtschaftsflüschtlinge, die sind ja selber entwurzelt, sind ihrer Heimat bestohlen. Und wenn Sie das bringen, dann bin ich gespannt, ob Sie noch Ihren Arbeitsplatz behalten. Danke. Gelächter im Saal Audio/Video-Wiedergaben endet Applaus maha: Ja, also jetzt wissen wir Bescheid. Endlich die Wahrheit, ne? lacht Die vielleicht doch nicht ‚Wahrheit‘ ist. Ja, im Übrigen kann man sagen, also George Soros hat gegen Bush gespendet, also nicht für die Republikaner. Außerdem ist er ungarisch-stämmiger Amerikaner. Soros ist übrigens ein Esperanto-Name. Nebenbei erwähnt. Aber, wie auch immer, also das stimmt alles irgendwie nur so halb. Und ist eh eine Verschwörungstheorie. Gut, aber, man versucht… also der Sprecher hier versucht irgendwie hinter die Wirklichkeit zu kommen. Und das versucht man tatsächlich auch in rechten Kreisen mit Linguistik. Es wird gerne Etymologie betrieben. Also die Wortherkunft schaut man sich näher an. Und in der Linguistik gibt’s einen Ausdruck der sehr passend ist, durch die neuere Entwicklung. Das ist allerdings ein Ausdruck der schon aus dem 19. Jahrhundert stammt. ‚Falsche Etymologie‘, oder ‚irrige Etymologie‘ wird als ‚Volksetymologie‘ bezeichnet. Und das passt hier einfach sehr schön. Denn die Ausführungen, dass ‚völkisch‘ einfach nur das Adjektiv zu ‚Volk‘ sei, ist eben Volksetymologie. Wir haben ja vorhin gehört, dass es damit ganz andere Dinge auf sich hat. Oder… ist auch glaube ich allgemein bekannt die Geschichte: gerade hier dieser Herr der sagte, Deutschland sei kein souveräner Staat, wird das sicher auch begründen können mit dem ‚Personalausweis‘, weil man sagt: „Hier, Personal, ist ja klar. Personal – das ist eine Firma, mit Personal, deshalb gibt’s Personalausweise“, und man verkennt natürlich, dass es hier etymologisch nicht passt. Das erste Glied von ‚Personalausweis‘ ist natürlich abgeleitet von ‚Personalien‘, also Informationen über Personen, und nicht von ‚Personal‘. Gut, die Frage ist jetzt, wie sieht die Zukunft aus? Und die Frage ist, ob die Zukunft tatsächlich den Populisten gehört. Und der Sache wollen wir jetzt mal nachgehen. Mit jemandem, der sich auch als Populist, zumindestens hier, qualifiziert. Hören wir uns mal an… Applaus …was er zu sagen hat. Die Leser unseres Blogs neusprech.org kennen schon die Auflösung, weil ich versehentlich den Artikel schon vor der Veranstaltung veröffentlicht habe. Aber wir werden gleich noch sehen, dass nach der Veröffentlichung des Artikels sogar noch was passiert. Aber erstmal das! Audio/Video-Wiedergabe beginnt Horst Seehofer: Wir sind der festen Überzeugung, dass diese große historische Aufgabe, die Integration von Flüchtlingen in unserem Land, dass auch die Zustimmung der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben sind, wenn wir nicht zu einer Obergrenze für die Zuwanderung bei den Flüchtlingen kommen. Beifall im CSU-Saal maha: Ja, donnernder Applaus dafür, offenbar sind alle der Meinung. Horst: Der Horst Seehofer und Angela Merkel, oder Angela Merkel, Entschuldigung, und Horst Seehofer haben noch immer für alles eine Lösung gefunden. Wenn das dein Motto in den nächsten Wochen ist, Lachen und Beifall im 33C3-Saal dann bist du wieder herzlich eingeladen! Beifall im CSU-Saal maha: Ja, den Rest musste ich noch zeigen. Audio/Video-Wiedergabe endet Also es ging um die Obergrenze. ‚Obergrenze‘, ne? Das ist der entscheidende Punkt. Und man hört ‚Obergrenze‘ und denkt jetzt „Aha,…“, also rechte Kreise denken „Ja, der Seehofer will halt irgendwie die Flüchtlinge raushaben, oder weniger davon haben, oder zumindestens begrenzen“. Und dann wählen solche Leute vielleicht doch die CSU, die das wollen. Aber er meint was anderes. Wir haben das am 7. Dezember im Blog veröffentlicht. Und am 14. Dezember, das ist das folgende Interview, erklärt Horst Seehofer was er meint. Nur wird es wieder nicht richtig deutlich. Weil es dann überdeckt wird durch andere Aussagen, die dann tatsächlich überall in der Presse erscheinen. Aber was er eigentlich meint mit der Obergrenze wird nicht richtig deutlich, und das erklärt warum er auch so weit gehen kann mit dieser Forderung. Wir hören uns das mal an. Audio/Video-Wiedergabe startet Interviewerin: …man in Essen, und zwar nicht nur die Kanzlerin, sondern eigentlich sehr viele in der Partei ganz klar gesagt hatten, „Obergrenze wird es nicht geben!“. Jetzt hatten Sie gesagt, die soll, die muss in den Koalitionsvertrag. Würden Sie also wirklich lieber in der Opposition sein als einen Koalitionsvertrag zu unterschreiben ohne Obergrenze? Horst: Schauen Sie, seitdem ich Politik betreibe höre ich immer „das geht nicht“, und „das wird nicht kommen“, und es kommt dann doch. Ich habe mehrere solche Stationen hinter mir. Ein sehr schönes Erlebnis war jetzt letzte Woche. Wir haben ja seit über einem Jahr der Bundesregierung angeboten, dass sich bayerische Polizeibeamte an den Grenzkontrollen zwischen Österreich und Deutschland beteiligen. Das ist über ein Jahr lang abgelehnt worden, „geht nicht“, „kommt nicht“. Und jetzt sind wir gebeten worden das zu machen. Wir tun’s auch. So. Und hier wird es genauso sein. Wir werden zu einer Begrenzung, auch zu einer Obergrenze kommen. Und das wird ein ganz wichtiger Punkt für die CSU im Wahlprogramm,… Interviewerin: Also nur um Sie da richtig zu verstehen… Horst: …Frau Hassel, und wir garantieren der Bevölkerung, für den Fall, dass wir uns an einer Regierung beteiligen können, zunächst muss ja die Bevölkerung entscheiden ob dies möglich ist, werden wir garantieren, der Bevölkerung, dass wir dafür sorgen, dass dies in die Regierungspolitik Einzug hält. Für die nächste Legislatur. Interviewerin: Also wie die Maut? Horst: Wie die Maut, ja. Interviewerin: Also erst glauben Sie dass die Obergrenze… wie die Maut… irgendwann wird die größere Schwester mürbe und dann kommt es doch in den Koalitionsvertrag? Horst: Nicht weil sie mürbe wird, sondern weil es eine Übereinstimmung gibt. Ich habe ja auch in anderen Dingen… Kopfpauschale im Gesundheitswesen war auch so ein Fall. Da hieß es immer: „Kommt, kommt, kommt“, CDU hat es auf ihrem Parteitag beschlossen, gegen eine Stimme. Aber sie ist nie gekommen. Weil es auch ungerecht gewesen wäre. Und hier müssen wir doch sehen, dass wir unsere Aufgaben mit der Zuwanderung, die übrigens noch viele, viele Jahre anhalten wird, die Zuwanderung nach Europa, und damit schwerpunktmäßig nach Deutschland, dass wir diese Aufgaben der Integration, der Gewährleistung der Sicherheit im Lande nur der Bevölkerung versprechen können dass wir sie schaffen, wenn wir die Zuwanderung jährlich begrenzen. Die Begrenzung ist eine Voraussetzung für die Humanität und die Integration. Interviewer: Aber, Herr Seehofer,… Audio/Video-Wiedergabe endet maha: Ja. Gut, also ‚Obergrenze‘. Was hat es damit auf sich, und warum kann er so weit gehen und sagen: „Ja, das muss dann als Garantie… also wir garantieren dass das reinkommt“. Naja. Er hat’s hier deutlich gesagt. Er hat nämlich gesagt es geht um eine Obergrenze der ‚Zuwanderung‘. Zuwanderung ist aber was anderes als Flüchtlinge. Bei Zuwanderung geht es tatsächlich dann darum, dass Leute integriert werden, und Deutsche werden. Und das will er begrenzen. Das ist aber eigentlich sonst nicht das Thema! Aber das hören eben Leute, die aus rechtspopulistischen Kreisen kommen, oder aus rechten Kreisen kommen, nicht. Sondern sie hören: „Ah, Begrenzung, keine Flüchtlinge, wunderbar, dann passt das.“ Aber es geht eben nicht um die Begrenzung der Flüchtlinge. Mit denen will man dann schon irgendwie umgehen. Die CSU fordert ja auch sowas wie „Transitzonen“, und so. Also es ist ja nicht ganz klar wie das dann laufen soll. Aber es geht um die ‚Zuwanderung‘. Aber dadurch dass er ‚Begrenzung‘ und ‚Obergrenze‘ sagt, kommt die Botschaft an, die CSU tut was gegen Flüchtlinge. Was sie ja eigentlich nicht tut. Und deshalb ist das eben auch kein Problem mit dem Verfassungsrecht, weil man ja nur immer ‚Integration‘, und ‚Einwanderung‘, ‚Zuwanderung‘ spricht, und nicht über Flüchtlinge. Und deshalb kann er ja auch solche vollmundigen Garantien ankündigen. Also die Leute hören etwas anderes als er eigentlich sagt. Und das ist schon irgendwo bedenklich. Ja. Ein anderes Wort das ich in einer Talkshow aufgeschnappt habe, und das so ein bisschen zeigt, dass irgendwas seltsam ist, ist dieses: „Multikulti ist gescheitert“. „Multikulti“. Was ist ‚Multikulti‘ überhaupt für ein Wort? Müsste ein Substantiv, an der Stelle, sein. Aber man kann keinen Artikel davorsetzen, ‚der die das Multikulti‘ – ist so ähnlich wie ‚der die das Cyber‘! Cyber? Ist wie Multikulti! Beifall Und da ich mit ‚Cyber‘ und ‚Multikulti‘ jetzt schon zwei solche Wörter habe, brauchen wir eine Kategorie. Also ich nenne die ‚Pseudo-Substantive‘. Also die irgendwie schwer als Substantive zu beschreiben sind, und deshalb ist auch nicht ganz klar was sie bedeuten. Ja, ein anderes Wort, was ich so ein bisschen auch als mein persönliches Wort – und da ist nicht mal ein Wort, sondern ein Wort-Teil – des Jahres ansehe, ist ‚kritisch‘. Denn das zeigt offenbar, dass Populismus sich verbreitet, dass populistische Argumentationsweisen eben tatsächlich irgendwie ankommen. Also das liest man, was jetzt kommt, in Zeitungen. [Da] wollen wir auch die Zeitungen nennen: ‚asylkritisch‘ war im Focus, in der Welt. ‚Zuwanderungskritisch‘, nee, ich glaube die ‚schwulenkritischen‘ Äußerungen hatte ich auch mehrfach, auch, glaube ich, Focus. Also man kann das leicht herausfinden, indem man nach diesen Wörtern googelt. Also das sind Wörter, die man so in der Presse findet. Und die sind natürlich schon irgendwie falsch. Also es gibt sowas wie ‚Religionskritik‘. Das ist üblicherweise das, was Angehörige einer Religion machen. Weil sie herausfinden wollen was jetzt der wahre Glaube ist. Also ‚kritisch‘ im griechischen Sinne, dass man siebt, und das Gute raussiebt. Aber darum geht’s natürlich nicht. Bei ‚islamkritisch‘ lehnt man einfach Islam ab, oder den Islam ab, und ist nicht kritisch damit, dass gewisse Glaubensgrundsätze richtig sein sollen und andere nicht. Bei ‚asylkritisch‘ wird auch nicht gesagt: „Naja, vielleicht sind die Asylbedingungen nicht gut“, sondern man lehnt Asyl ab. Und bei ‚zuwanderung[skritisch]‘ wird Zuwanderung abgelehnt. Oder bei ‚schwulenkritisch‘, da geht’s ja nicht darum, dass bestimmte Aspekte des Schwulseins vielleicht authentischer sind als andere. Sondern… Gelächter und Beifall Ja, wird halt abgelehnt! Also es ist der Ersatz für ‚-feindlich‘! Also gemeint ist ‚schwulenfeindlich‘, ‚islamfeindlich‘, ‚zuwanderungsfeindlich‘. Aber es wird nicht ‚feindlich‘ verwendet, sondern ‚kritisch‘. Also ein abgeschwächter Begriff. Und das ist normale Pressesprache! Das ist vielleicht ein Problem. Das gleiche mit den ‚besorgten Bürgern‘. Oder ‚besorgte Eltern‘. Auch etwas, was man ganz normal in der Zeitung liest oder in der Tagesschau hört. Und niemand hinterfragt das. Interessant ist übrigens, dass ‚besorgte Bürger‘ selten gegendert wird. Offenbar… ne? Gelächter Da ist schon was Seltsames, ne? Ist offensichtlich als Ganzes lexikalisiert und bedeutet was anderes, nämlich möglicherweise ‚Ausländerfeinde‘, ‚Rassisten‘. Und ‚besorgte Eltern‘ sind möglicherweise Schwulenfeinde. Gut! Dann kommen wir zum Wort ‚postfaktisch‘. Was ja auch Wort des Jahres [2016] ist. Und fefe hat mich vorher gefragt was der Unterschied zwischen ‚Lügenpresse‘, ‚postfaktisch‘ und ‚Fake-News‘ ist. Und klar, ‚Lügenpresse‘ ist aus dem Vokabular der Rechten, das haben wir vorhin schon gesehen. Da ist ‚Fake-News‘ vielleicht neutral. Aber ‚Fake-News‘, wie ‚postfaktisch‘ sind natürlich Abschwächungen. Bei ‚Fake-News‘ – ist ja eigentlich, ist gar keine News, sondern falsche Information, Propaganda. Und dazu sagt man ‚Fake-News‘. Und ‚postfaktisch‘ ist sogar noch eine stärkere Abschwächung. Denn es geht ja wieder um Propaganda, und Lügen. Aber es wird nicht von ‚Lüge‘ gesprochen, sondern von „postfaktisch“. Interessant ist wo das Wort herkommt. Das Wort kommt tatsächlich… hat so einen philosophischwissenschaft- erkenntnistheoretischen Hintergrund. Da geht es nämlich um sogenannte ‚Postfaktum-Erklärungen‘. Also Erklärungen die man nur im Nachhinein geben kann. Wird immer so hingestellt in der Erkenntnistheorie als wichtiger Unterschied zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften. In den Naturwissenschaften hat man Erklärungen mit denen man Dinge vorhersagen kann. Die sind dann… kann man als ‚ante-faktisch‘ bezeichnen, oder ‚prä-faktisch‘. Nein, so wird’s nicht gesagt. Es wird ‚ante-faktum‘, ‚post-faktum‘ gesagt, meistens mit den lateinischen Wörtern. Und ‚postfaktisch‘, also Post-Faktum-Erklärungen, normalerweise sind solche Erklärungen in den Geisteswissenschaften, die man nur hinterher hat, dann ist das alles plausibel. Aber vorher kann man Dinge nicht vorhersagen. Das hat was damit zu tun, dass das… ‚natürlich gegen kulturell‘, und „Phänomene der 3. Hand“, die halt nicht vorhersagbar sind. Das ist eigentlich die Herkunft, also von daher passt es… kennt Angela Merkel als Physikerin wahrscheinlich den Begriff ‚Post-Faktum-Erklärung‘ und kann das dann verwenden. Interessant ist jetzt, dass… also man sagt ja ‚postfaktisch‘ ist eine Übersetzung von ‚post truth‘. Und hier ist ganz schön auch wieder die Verteilung bei Google Trends zu sehen. ‚Post truth‘ wird… taucht das erste Mal auf in einem New-York-Times-Artikel im August. Und dann am 24. August 2016. Und dann kommt es zu einer Wiederaufnahme im Economist. Das sieht man da auch beim Ausschlag, nochmal im September, um den 17. September. Dann wird das so ein bisschen aufgegriffen. Auch auf Deutsch. ‚Postfaktisch‘ taucht das erste Mal auf, ist aber noch relativ unbedeutend. Bis es dann nochmal, also ist nochmal… jetzt nochmal ‚post truth‘, im Zusammenhang mit der Wahl von Trump. Und danach ist ‚post truth‘ schon weg, taucht gar nicht mehr auf. Und dann sagt die Bundeskanzlerin ‚postfaktisch‘, alle googeln das, und deshalb ist das da plötzlich hoch, und bleibt auch relativ hoch. Weil es ja dann Wort des Jahres [2016] wird, kann man dann auch wieder einen Ausschlag sehen. Also, man sieht sehr deutlich, dass das hier eine gewisse Bedeutung hat, die sogar den Gebrauch von ‚post truth‘ übersteigt, denn ‚post truth‘ – also ich hab hier die… nicht die Deutschland-Trends genommen, sondern die weltweiten Trends. Da würde man eigentlich erwarten, dass ‚post truth‘ viel höher ist. Aber das ist gar nicht der Fall. Sondern ‚postfaktisch‘ wird sehr viel stärker verwendet. Ja. Und das Problem mit ‚postfaktisch‘ ist eben tatsächlich, dass es eben Dinge verharmlost, und praktisch ‚Lüge‘, oder kontra-faktisches, Falsches als postfaktisch darstellt, und damit eben abschwächt. Aber auch das ist jetzt ein Begriff, der verwendet wird von allen! Also auch hier, auf dem Kongress habe ich das öfter gehört. Und man liest das jetzt immer wieder, „postfaktisch“. Und eigentlich ist es nicht ganz zutreffend. Und ich finde, da wo der politische Gegner halt aufrüstet, da sollte man nicht darauf hereinfallen und solche Sachen übernehmen. Sondern vielleicht auch die Dinge mit stärkeren Worten benennen, eben z.B. von ‚kontra-faktisch‘ und ‚Lüge‘ sprechen. Und das möchte ich so ein bisschen als Empfehlung mit auf den Weg geben. Und auf der einen Seite liegt uns… Beifall Danke schön. Auf der einen Seite die Konzepte hinterfragen, also wenn jemand kommt, und mit einem diskutieren will, ich hatte so eine Podiumsdiskussion, die auch leider nicht so gut gelaufen ist für mich! Deshalb empfehle ich nicht, das Video anzuschauen. Im September [2016], wo ich auf einem Podium saß, wo es um quer-Politik, in Berlin, ging. Und wo auch ein Vertreter einer rechten Partei saß. Der dann eben auch gleich losgewettert hat, dass eben auf der einen Seite natürlich die Flüchtlinge das quere Leben zerstören werden, und man deshalb, zum Schutz von Schwulen und Lesben was tun muss gegen die Flüchtlinge. Auf der anderen Seite dann aber auch gesagt hat, ja die ‚Frühsexualisierung‘, das lehnen wir ab. Also, man muss den Kindern ja nicht beibringen, dass irgendwie es verschiedene Lebensweisen gibt. Also so eine Doppelt-Argumentation. Einmal schwulenfeindlich, und einmal – nicht ‚sozusagen‘ sondern tatsächlich – ausländerfeindlich. Aber pro-Schwule-und-Lesben. Und da muss man eben tatsächlich mal hinterfragen, was ist eigentlich gemeint hier, mit diesen Argumentationen, was ist gemeint, wenn dann jemand sagt: „Ja, wir sind kritisch gegen Einwanderung und so“? Dann vielleicht mal direkt auch darauf ansprechen. Oder wenn jemand sagt: „Die Wahrheit wird unterdrückt“, wie wir das gesehen haben, dann eben mal fragen: „Was denn für eine Wahrheit?“. Ich glaube dass man da viel erreichen kann. Und dass man insgesamt viel erreichen kann, indem man eben tatsächlich auch sich etwas genauer überlegt was man sagt. Also nicht „Sprachfaschismus“ oder so. Dass irgendwas verboten ist, sondern dass eben Leute wirklich bewusst, bewusster sprechen. [Ich] denke das würde an dieser Stelle schon helfen. Jo. Und damit bin ich fertig. Danke! Beifall Herald: Hou, ihr kennt euch aus! Noch nicht rausrennen! So schnell sind wir nicht. Jetzt gibt’s nämlich noch Fragen und Antworten. Wer von euch hat denn Fragen? Bzw. das Internet? Kommen da schon welche? Signal Angel: Es kommen gerade welche rein. Herald: Geht WLAN wieder nicht? maha: Es dauert immer etwas mit dem Internet. Herald: Ach so! Na gut. Bitte, dann die 2! Frage: Ja, ist dir schon der… hast du dich schon mit dem ziemlich skurrilen Begriff ‚Bio-deutsch‘ befasst? Gelächter maha: Ja. Bei meinen Recherchen kam ich auch… ist mir der auch untergekommen. Und ich muss sagen, ich habe ihn dann nicht mehr berücksichtigt. Aber der ist natürlich auch ein sehr interessanter Begriff. Weil man natürlich Komposita mit ‚Bio‘, zunächst mal, da stellt man sich was anderes vor. Aber ‚Bio‘ ist natürlich auch immer positiv besetzt. Auch da wo es gar nicht passt, bei ‚Bio-Diesel‘ z.B. Aber hier bedeutet natürlich ‚Bio-deutsch‘ was anderes. Nämlich, ja, eben, genau sowas wie ‚autochthon‘ oder ‚seit mehreren Generationen in Deutschland‘. Was ja auch nie passt. Also das ist einfach… diese Argumentation ist seltsam. Und… Frage: Also Nationalität als ‚erbbare‘ Eigenschaft? maha: Genau. Aber ich habe… muss so ganz ehrlich sagen, ich habe den Begriff dann nicht weiter aufgenommen, hier in meinen Untersuchungskorpus, weil ich nicht genau weiß, was man davon halten soll. Also ich habe ihn… ich suche natürlich immer Belege, und kucke mir die an. Und es ist mir unklar, wer das verwendet, und was genau beabsichtigt ist. Also ich habe es sowohl in Blogs gefunden – also nicht so sehr in den traditionellen Medien die man der rechten Szene zurechnet – ich habe es aber auch in Blogs gefunden die nun gerade nicht der rechten Szene zuzurechnen sind. Also da handelt sich es vielleicht um ein Wort, dessen genaue Zuordnung noch nicht klar ist. Und deshalb habe ich es einfach erstmal beiseite gestellt. Stimme aus Off: Er meint er weiß was dazu! Frage: Ich weiß da was zu, und zwar habe ich da vor 3..4 Jahren mal gekuckt. Der Erste der dieses Wort verwendet hat, war der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Soviel dazu. maha: Aha. Ja, ich gehe der Sache noch mal nach. Frage: Gibt es ein rhetorisches pattern, das man verwenden kann, wenn man Menschen gegenübersitzt, die sich zwar ständig in Widersprüchen äußern, aber trotzdem sehr polemisch argumentieren? Und also – mir fehlt gerade das Wort – also… Wie ist das rhetorische Pattern, um sozusagen doch trotzdem in ein Gespräch einzusteigen, oder soll man einfach weggehen? maha: Ja, also… Lachen, Applaus Applaus Im Zweifel weggehen! Das ist halt diese Geschichte mit der Filterblase. Dadurch, dass viele Wörter eine etwas andere Bedeutung haben, gibt es da wenig Verständigungsmöglichkeiten. Denn um sie zu verstehen, muss man die gleiche semantische Grundlage haben. Aber wenn der eine mit ‚Demokratie‘ sowas meint wie „Ja, jetzt sind wir mal dran“, und der andere mit ‚Demokratie‘ meint, das ist jetzt das System mit der Verantwortungs- delegation und so, dann kann man sich nicht verständigen [auch] wenn man das gleiche Wort gebraucht. Aber da sieht man auch die Strategie. Man muss da nochmal genau nachfragen. Was ist denn eigentlich mit ‚Demokratie‘ gemeint? Also, wenn man das will. Also man kann auch weggehen, unter Umständen. Also was ist mit ‚Demokratie‘ gemeint, oder, wie hier die Journalistin das wirklich sehr, sehr gut macht, die dann sagt: „Ja, was ist denn Ihre Wahrheit?“ Und wenn dann gesagt wird: „Ja nö, nicht Ihre!“ dann nochmal nachfragen. Und dann sagt sie ja: „Hören Sie, da!“. Und dann kann man sich vielleicht eher eine Meinung bilden. Oder dieser eine, ich habe nur einen Ausschnitt gezeigt. Der ist noch ein bisschen länger. Man kann sich das ja im Internet anschauen. Da wird dann nochmal gefragt: „Was meinen Sie denn?“ Und dann sagt er ja: „Die Wahrheit ist dass die USA uns steuert“. Dann kommt man der Sache schon näher. Also ich denke man sollte immer wieder nachfragen. Das ist – glaube ich – eine ganz gute Strategie. Frage: Also, „wer fragt der führt“, und dann spitz reingehen, wenn man sich’s traut, und aushält ohne emotional auszuflippen? maha: Genau. Ja. Beifall Herald: Einmal die Frage aus dem Internet, bitte! Signal Angel: Es gibt mehrere Fragen. Die erste ist: sind Bezeichnungen wie ‚postfaktisch‘ und ‚Verschwörungstheorie‘ nicht eher schädlich für eine Demokratie, da man damit sehr leicht Diskussionen abwürgen kann, und damit so den Diskurs schnell beendet? maha: Jaa, alsoo, das ist wirklich eine schwierige Frage. Also, ich glaube nicht, dass mit… ich denke ‚postfaktisch‘ ist einfach wirklich ein gelogenes Wort. Das sollte man dann schon nicht… sollte man wirklich vermeiden. Ich glaube nicht, dass dadurch eine Diskussion beendet ist. Es ist ja gerade so, wenn man solche weichgespülten, also Euphemismen verwendet, das ist auch etwas was vielleicht sogar die Diskussion in Gang hält. Die Frage ist nur, will man sowas wirklich verwenden. Klar, ich verstehe ja die Frage so, dass man sagt, ach das ist alles postfaktisch, also alles gelogen, und damit halt den Diskurs beendet. Ja, das ist… kann man machen. Wie gesagt, das hängt vom Interesse ab, wieviel Zeit man investieren will, wieviel Emotionen man investieren will. Durch diese Einigelung, auch semantische Einigelung von bestimmten Sprecherinnen und Sprechern kann man im Grunde ganz schlecht diskutieren. Deshalb muss man sich zunächst mal über die Konzepte verständigen. Und das ist, wenn man diskutieren will, glaube ich, der beste Weg. Aber es ist halt ganz schwierig. Deshalb auch wirklich die Empfehlung: manchmal ist es auch besser gar nicht weiter zu diskutieren. Herald: Mikrofon 3, bitte! Frage: Ja, zu dem Begriff ‚postfaktisch‘ habe ich noch etwas… eine Frage, oder anzumerken. Das kommt ja von einem Artikel aus dem Economist. Und da ging es um einen bestimmten Politik-Stil. maha: Ja. Frage: Und bei diesem Politik-Stil ging es doch darum, dass die Fakten anscheinend gar keine Rolle mehr spielen, maha: Ja. Frage: und dass es nur noch um Emotionen geht, also… geht es jetzt um Unwahrheit, oder geht es um eine andere Art von Politikstil? maha: Ja. Richtig. Im Economist-Artikel geht’s um den Politik-Stil. Da ist ja das Wort ‚Post Truth‘ verwendet, was mit ‚postfaktisch‘ dann übersetzt wird. Aber das ist… also gemeint ist schon, dass die Politik die dort gemacht wird… also es geht sicherlich um den Politik-Stil, aber die Verwendung von ‚postfaktisch‘ ist dann insbesondere im Deutschen nochmal eine andere. Da geht’s schon um… also das steht schon in einem Verhältnis zu ‚Fake News‘. Obwohl zunächst nur der Politik-Stil beschrieben wird. Da kann man sagen, gut, das geht noch. Bei dem Politik-Stil, das ist halt ein Politik-Stil der jetzt anders ist, weil es nur um Gefühle geht. Aber damit sind wir natürlich mitten auch im Populismus. Denn Populismus ist halt das Arbeiten mit Gefühlen und nicht mehr mit Argumenten. Also ich würde gar nicht so sehr sagen dass es um Fakten geht, sondern es geht um Argumente und Gefühle, die gegenüber gestellt werden. Und der neue Politikstil ist halt einer, der mit Gefühlen arbeitet, und damit eben populistisch ist. Das hatte ich ja am Anfang, also, Schüren von Ängsten, einfache Gewissheiten… Die einfache Gewissheit führt dann auch zu einem gewissen Wohlfühlen. Denn ich weiß ja wie’s geht. Wir brauchen nur das bedingungslose Grundeinkommen und alles wird schön. Ich habe jetzt hier die Gewissheit. Also wie gesagt, ich bin ein Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Nur, das hinzustellen als einzige… als Allheilmittel, als allein seligmachend ist natürlich nicht die Lösung. Und das ist eben genau dieses Arbeiten mit Gefühlen, was man eigentlich nicht will. Das ist nicht… das basiert nicht auf Fakten. Aber die Verwendung von ‚postfaktisch‘ ist jetzt schon relativ synonym mit ‚Fake News‘. Also da geht es schon um Äußerungen. Deshalb: die kann man dann auch wirklich ‚Lüge‘ nennen. Herald: Mikrofon 4, bitte! Frage: Hallo, du hast gerade verschiedene Begriffe gezeigt für ‚Flüchtlingsschwemme‘, ‚Flüchtlingskrise‘ usw. Mir ist in den letzten Wochen aufgefallen, dass das Wort ‚Flüchtlingsfrage‘ in den Medien oft verwendet wird… maha: Ja! Frage: …und das erinnert mich ein bisschen an ‚Judenfrage‘. Das ist so… Beifall …die einzige Verbindung, die ich habe. Ja? Und ich warte noch darauf, dass wir jetzt von der „Endlösung der Flüchtlingsfrage“ irgendwie reden. maha: Hm-hmm. Ein sehr interessanter Punkt. Weil tatsächlich… also ich glaube du hast recht,… Frage: Weil das hast du in linken und rechten Medien, ne? maha: Die Leute die das… Ich muss mal nach den Kontexten von ‚Flüchtlingsfrage‘ suchen. Es könnte in der Tat so sein, dass das jemand aufgebracht hat genau mit dieser Assoziation, die ich auch habe. Aber natürlich ist ‚Frage‘ noch neutraler als ‚Krise‘. So dass möglicherweise Leute das Wort ‚Flüchtlingsfrage‘ übernehmen, weil sie denken, ja, ‚Krise‘ ist mir jetzt zu reißerisch, sagen wir doch lieber ‚Flüchtlingsfrage‘. Und im Grunde – und das ist einfach das Perfide an dem Wort – weckt das die Assoziation, tatsächlich, zu ‚Judenfrage‘. Genau. Also das ist… das muss ich mir anschauen. Das ist eine super Beobachtung. Das war mir noch nicht aufgefallen. Ja. Frage: Gut, danke! Beifall Herald: Eine Frage aus dem Internet! Signal Angel: Die Frage lautet: Was ist deiner Meinung nach die Ursache für die Verschiebung der Argumentation weg von Fakten, hin zu einer emotionalen Variante? maha: Na, der Hintergrund ist eine Strategie. Also vielleicht habe ich das nicht deutlich genug gemacht. Also, das sind hier Leute, die tatsächlich eine Strategie haben. Das wird ja überlegt! Ich meine, ich wollte jetzt nicht so sehr die Äußerungen von bestimmten Parteimitgliedern bringen, denen man vielleicht hier nicht eine Plattform bieten will. Aber die sagen ja auch tatsächlich, „wir wollen provozieren, das ist unsere Strategie“. Und auf der anderen Seite, „wir wollen in diesen Diskurs kommen“. Also es gibt so eine Doppelstrategie. Auf der einen Seite auch die Wiederaufnahme durch die Medien, das macht man mit diesen Termini, die dann so ein bisschen harmlos daherkommen. Und auf der anderen Seite die Provokation, indem man dann mal sagt, „Ja, ‚völkisch‘ muss wieder ein normales Wort sein!“. Was es nie war. Herald: Mikro 2, bitte! Frage: Ich habe in letzter Zeit öfter die Kritik gehört, dass irgendwie ein öffentlicher Diskurs behindert werden, oder eingeschränkt werden würde, indem Leute mit besonders starken Wörtern bezeichnet werden, die in dem Fall angeblich gar nicht zutreffen würden. Z.B. dass irgendjemand der gegen die Ehe für alle ist, dann irgendwie sagt: „Okay, die Ehe sehe ich jetzt irgendwie zwischen Mann und Frau, aber es können ruhig alle Leute machen, was sie wollen. Sie sollen es halt nur nicht ‚Ehe‘ nennen.“ Dass die als homophob bezeichnet werden würden. maha: Als was bezeichnet? Frage: Homophob. Z.B. Oder Leute als Rassisten bezeichnet werden würden wo andere Leute sagen „Okay, Rassismus ist Rassenideologie, ich sehe das gar nicht so, dass das Rassisten sind“ etc. Und dass quasi so ein Diskurs behindert werden würde. Was ist Ihre Meinung dazu? Und wie kann ich vielleicht darauf antworten wenn ich das nicht so finde? maha: Hm. Tja. Das ist in der Tat eine schwierige Sache. Also… ich meine ich habe ja auch hier vertreten, dass Leute die dann sowas sagen wie ‚schwulenkritisch‘, dass die vielleicht was anderes besser sagen sollten. Klar. Also es ist eine ganz schwierige Geschichte. Man müsste sich dann genauer ankucken, wer da spricht. Also manchmal – ich habe das ja vorhin schon gesagt – manchmal ist es gut wenn man den Diskurs gar nicht erst aufnimmt. Dann ist es auch gut, wenn man gleich sagt, „Nee, also auf dieser Ebene möchte ich nicht diskutieren.“ Oder dass man halt hinterfragt, oder dass man nochmal fragt: „Wieso… was ist da eigentlich gemeint mit sowas ‚ich lehne die Ehe für alle ab‘ oder ‚ich bin für die Ehe für Mann und Frau, NUR zwischen Mann und Frau‘?“ Natürlich kann man – wenn das jemand sagt – kann man schon sagen, dass diese Person irgendwo was gegen die gleichgeschlechtliche Ehe hat. Also dieser feindlich gegenüber steht. Das ist ja dann nicht unbedingt das Ende eines Diskurses. Aber ich glaube, dann zu sagen dass so jemand schwulen- oder lesbenkritisch ist, ist glaube ich nicht zutreffend. Frage: Würden Sie… Herald: Entschuldigung, ich muss das hier abbrechen. Einen Riesenapplaus für Martin Haase! Beifall Abspannmusik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2017. Unterstütze uns!