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33C3 Vorspann-Musik
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Applaus
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Herald: Ihr alle kennt ihn,[br]ich muss ihn nicht großartig ansagen:
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Martin Haase, oder maha, mit der[br]„Sprache der Populisten“, und ich sollte
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euch noch eins sagen: dieses Mal nicht[br]alles lernen! Das ist die falsche Sprache.
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Applaus
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maha: Ja vielen Dank. Ich glaube ich werde[br]das erste Mal ins Französische übersetzt,
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das ist schon was Besonderes. Also ich[br]kann auch Französisch, also die Sprache.
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Lachen
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Und ich werde mir das hinterher[br]anhören, trotzdem vielen Dank dafür,
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also finde ich ganz toll. So, ja, es[br]geht um die Sprache der Populisten,
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insbesondere um das Deutsche.
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Und ich werde natürlich auch wieder[br]ein paar Videoschnipsel zeigen. Und
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wenn man da was lernen kann, dann kann man[br]vielleicht was lernen von den Journalisten
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in den Videoschnipseln, die halt[br]dann doch die Gesprächspartner
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in Verlegenheit bringen, und das kann[br]man sich so ein bisschen abgucken,
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denn es geht vor allen Dingen um seltsame[br]Konzepte. Das ist auch der Gegenstand
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meines Vortrags. Und wenn man da Fragen[br]stellt auf der Ebene, dann bekommt man
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doch auch ganz überraschende Antworten.[br]Wenn wir aber über Populisten sprechen,
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müssen wir natürlich erstmal wissen,[br]was ist überhaupt Populismus?
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Und da steigen wir gleich mit einem[br]Videoschnipsel ein, was uns einen
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Eindruck gibt, und dann versuche ich das[br]auch noch ein bisschen definitorisch
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zu erfassen. Dieser nette Herr[br]wird uns das jetzt erklären.
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Audio/Video-Wiedergabe beginnt[br]Befragter: Meine Kritik ist, dass ihr
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nicht die Wahrheit sagt![br]Grölen im Hintergrund
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Interviewerin: Über Flüchtlinge?[br]B.: Nein, ihr berichtet keine Wahrheit.
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Seit dem ganzen Drama.
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I.: Warum sind Sie heute Abend hier?
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B: Weil das alles eine Schweinerei ist.[br]I: Was denn genau?
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B: Was denn genau? Dass hier das[br]zu einem islamischen Staat werden soll.
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Und die armen Christen, die dort[br]unten getötet werden – Kopf ab! –
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weil, wenn ihr den Koran[br]kennt, dann wüsstet ihr,
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dass der Koran ganz schlimm[br]gegen die Christen ist.
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I: Sie wissen aber schon, dass ganz viele[br]der Flüchtlinge, gerade aus Syrien
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und dem Irak, fliehen vor Bomben, vor[br]Fassbomben, vor Folter, vor Vergewaltigung…
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B: Warum fliehen die? Die sollen zuhause[br]bleiben, sollen ihr Land wieder aufbauen.
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I: Im Krieg?[br]B: Wir haben auch Krieg gehabt, sind wir
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weggelaufen? Wir haben unser Land aufgebaut[br]und sind nicht woanders hingegangen,
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und haben gejammert. Bleibt…[br]Audio/Video-Wiedergabe endet
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maha: Okay. Also wir merken schon[br]so ein bisschen, worum es geht
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und wie es funktioniert. Also Wahrheit[br]war ein ganz wichtiger Aspekt hier.
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Wir werden auf das Konzept Wahrheit heute[br]auch noch einmal zu sprechen kommen.
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Es geht um einfache Gewissheiten, die[br]eben als Wahrheiten verkauft werden.
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Und vor allen Dingen geht es[br]darum, Ängste zu schüren,
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Dystopien, wie man sagt.[br]Also Flüchtlinge… bedrohen.
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Und das ist, glaube ich, ein ganz[br]wichtiger Aspekt von Populismus
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in engerem Sinn. Man kann natürlich[br]Populismus auch weiter fassen, dann
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kann man sagen: naja gut, Parteien sind[br]immer irgendwie auch populistisch.
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Aber hier geht es doch um etwas[br]spezifisch engeres, nämlich es geht hier
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vor allen Dingen um die Sache mit den[br]einfachen Gewissheiten. Ängste, und
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dann aber einfache Lösungen. Das[br]ging alles los, wir erinnern uns, mit
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„Der Euro muss weg“. Jetzt[br]heißt es eher „Flüchtlinge raus,
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und dann ist alles gut“. Aber das kann[br]ja nicht sein, es kann eben nicht alles
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gut werden. Was passiert, wenn der Euro[br]weg ist? Dann gibt es vielleicht noch
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mehr Probleme. Oder „Steuern runter!“,[br]das ist auch so eine einfache Lösung.
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Oder „Merkel muss weg“, und alles ist gut.[br]Aber wer kommt denn nach Merkel?
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Seehofer…[br]Lachen
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Gabriel…[br]Zwischenruf: Söder!
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maha: …von der Leyen…[br]also, ja okay, hm, also ich…
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das ist immer das Problem. Und es gibt[br]sicherlich noch weitere Dinge. Was hier
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auffällt, ist, dass immer irgendwas „weg[br]muss“. Am besten noch mit Ausrufungszeichen,
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also das Ausrufungszeichen[br]ist ein deutliches Kennzeichen.
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Es muss was weg, und dann ist alles gut.[br]Aber so ist es eben einfach nicht.
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Insbesondere möchte ich auf[br]Rechtspopulismus hier eingehen.
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Und da gibt es auch so drei Kriterien[br]beim Rechtspopulismus. Da geht es oft
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um das Recht der Mehrheit,[br]also das Recht des Stärkeren,
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die Mehrheit, die Starken(?), die soll[br]durchgesetzt werden. Dann oft
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die Forderung nach einem starken Staat,[br]Law and Order, also in allen Parteien
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die besonders dem Rechtspopulismus[br]zuzuordnen sind, wir werden noch sehen,
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das sind vielleicht mehr Parteien als man[br]denkt, geht es immer um Law and Order,
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ganz wichtig. Und es gibt Schuldzuweisungen,[br]Schuldzuweisungen an eine entspezifizierte
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Minderheit. Was ist eine entspezifizierte[br]Minderheit? Also insbesondere, wir haben
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es schon gehört, in dem Text: Ausländer,[br]die gleichgesetzt werden mit Flüchtlingen
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– natürlich sind nicht alle Ausländer[br]Flüchtlinge. Die werden gleichgesetzt
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mit Moslems – wo auch nicht alle[br]Flüchtlinge Moslems sind. Die werden
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gleichgesetzt mit Islamisten, und die[br]werden gleichgesetzt mit Terroristen.
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Das ist also die Minderheit, gegen die es[br]geht. Also Ausländer am Ende gleich
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Terroristen. Es gibt da noch so Varianten[br]von Rechtspopulismus. Eine Variante
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die so ein bisschen im liberalen oder[br]libertären Raum zu finden ist, da geht es
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dann nicht so um das Recht der Mehrheit,[br]sondern um das Recht der Leistungsträger,
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da wird dann auch nicht immer ein starker[br]Staat gefordert, obwohl Law and Order
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da auch oft auf der Agenda steht, sondern[br]es soll um Steuersenkungen gehen.
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Wie man natürlich Steuersenkungen mit[br]Law and Order in Verbindung bringt,
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ist nicht immer klar. Und da gibt es dann[br]andere entspezifizierte Minderheiten.
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Was man so hört aus der liberalen Ecke[br]ist dann immer „die Transferempfänger“.
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Also ein Vertreter der CDU hat mir im[br]September gesagt: „Die Beamten sind schuld,
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weil die alle keine Krankenversicherung[br]zahlen“. Komisch, ich bin Beamter und
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zahle Krankenversicherung. Also sowas hört[br]man da. Dann gibt es noch eine Variante
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die manchmal auch als Linkspopulismus[br]bezeichnet wird, aber ich denke, das ist
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nicht das Konzept, das ist, glaube ich,[br]auch rechts. Da wird dann gesagt:
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„Die Mehrheit sind die 99% oder 99,9%“,[br]da wird auch oft nach einem starken Staat
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gerufen der das dann regelt, und die[br]Schuldzuweisungen: schuld sind die 1%
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oder 0,1%, also auch eine Minderheit. Und[br]jetzt ist natürlich klar, es gibt natürlich
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wenig Reiche und viele, die nicht so reich[br]sind. Aber wenn man dann näher nachfragt,
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wer denn diese 0,1% sind oder 1%, dann[br]hört man oft „ja…“. Wir werden das gleich
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noch hören, also das fantasiere ich mir[br]nicht zusammen. Wir hören gleich noch
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einen Originaltext dazu. „Ja, das sind[br]die Rothschilds“. Und das ist natürlich
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irgendwie seltsam. Außerdem ist es[br]natürlich so, dass das Finanzsystem
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durchaus durch mehr Leute getragen wird,[br]die Aktien haben oder die auf eine Rente
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hoffen, die irgendwo durch Investitionen[br]zustande kommt. Also so einfach
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ist das nicht, dass alles Geld bei 0,1%[br]ist. Ja, und wenn wir jetzt zur Sprache
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kommen, dann gibt so einen Punkt, und das[br]hat auch was mit den, mit der Minderheit
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zu tun, die vor allen Dingen im Fokus[br]steht. Ein Punkt, den wir hier schonmal
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hatten, nämlich den ‚Flüchtlingstsunami‘.[br]Und da sieht man eben Entmenschlichung
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dadurch, dass eben von einem Tsunami die[br]Rede ist, das haben wir hier ja schonmal
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thematisiert. Es gibt dann auch die[br]Variante ‚Flüchtlingslawine‘,
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‚Flüchtlingswelle‘ und ‚Flüchtlingskrise‘.[br]Und das Interessante ist, je weiter wir
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runtergehen in dieser Liste, umso mehr[br]Hits findet man, wenn man danach sucht,
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und ‚Flüchtlingskrise‘ ist sozusagen das[br]gängige Wort, was wir eben tatsächlich
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auch in der Presse finden, und meine[br]Hypothese, die ich dann auch Ende
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aufgreifen werde, ist, dass auf diese[br]Weise natürlich auch die Sprache
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der Populisten in die allgemeine Sprache[br]eindringt, denn in Zeitungen, in den Medien
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hört man immer mal wieder was von[br]‚Flüchtlingskrise‘. Und im Grund ist
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‚Flüchtlingskrise‘ zwar nicht so ein krasser[br]Begriff, also nicht so ein Dysphemismus
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wie ‚Flüchtlingstsunami‘, aber immerhin[br]ist es auch etwas, was die Minderheit
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entmenschlicht und eben dann auch[br]dafür steht, eben die Wirklichkeit
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in so einer besonderen Weise darzustellen.[br]Was dann endet mit solchen Äußerungen,
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die ich auch gefunden habe in den Videos,[br]die ich auch gleich noch zeigen werde,
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dass Leute sagen: „Wir sind fremd im[br]eigenen Land“. Was natürlich paradox ist,
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denn das eigene Land ist eben gerade das,[br]wo man nicht fremd ist. Also die Definition
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von ‚fremd‘ passt nicht zu dieser[br]Äußerung. Aber diese Art von Paradoxien,
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die finden wir halt immer wieder, deshalb[br]werden wir uns auch heute ein bisschen
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mit Semantik beschäftigen, also[br]mit der Bedeutung von Wörtern.
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Und da gibt es eine Reihe von Wörtern die[br]ich als ‚verbogene Wörter‘ bezeichnet habe,
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weil man sie zunächst einmal gar nicht[br]versteht. Man weiß gar nicht, was soll
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das sein? Und erst bei einigem Nachdenken[br]oder Nachforschen kommt man darauf,
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dass das irgendwie was Sonderbares[br]ist und dann auch im Kontext von
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Rechtspopulismus steht. Das erste Wort,[br]das mir über den Weg gelaufen ist, ist
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‚Ethnopluralismus‘. Das klingt super,[br]Pluralismus, ganz toll, Ethnopluralismus.
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Ja, was ist damit gemeint? Das ist[br]tatsächlich auch ein Kampfbegriff
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– wir werden nachher auch noch weitere[br]solche sehen – bei dem es darum geht,
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dass gesagt wird: „Ja, wir sind ja für[br]Pluralität, aber jede Ethnie, also
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jeder Volksstamm soll da bleiben, wo[br]er hingehört.“ Also irgendwie in Afrika,
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am besten. Das ist so das, was sich[br]dahinter verbirgt. Und ein ganz anderes
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Wort, was ich auch zunächst nicht[br]verstanden habe: die ‚Bahnhofsklatscher‘.
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Da habe ich gedacht, ‚Bahnhofsklatscher‘,[br]vielleicht irgendwas mit Silvester in Köln,
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oder so? Nein, es ist was anderes. Es gibt[br]eine Variante davon, dann hab ich es dann
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auch besser verstanden: die ‚Refugees-[br]Welcome-Klatscher‘ oder einfach nur
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‚Welcome-Klatscher‘. Das sind also[br]diejenigen, die offensichtlich Leute
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begrüßen, die in Deutschland ankommen.[br]Also wir sehen da so schwierige Semantik,
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die man also erstmal begreifen muss, wenn[br]man nicht zu dieser Filterbubble gehört.
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Dann gibt es Umdeutungen. Und das ist[br]halt besonders interessant. Das ist auch
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die besondere Gefahr bei der ganzen[br]Sache, denn, wenn ganz normale Wörter
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verwendet werden, die plötzlich was[br]anderes bedeuten, dann gibt es natürlich
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da die Möglichkeit, dass jemand plötzlich[br]überzeugt wird von Argumentationen,
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weil er sie etwas anders versteht. Eine[br]dieser Umdeutungen, die wir häufig finden,
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betrifft das Wort ‚Demokratie‘. Das hört[br]man oft auch in den Videos, die ich noch
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zeigen werde. ‚Demokratie‘, da wird mehr[br]Demokratie gefordert. Und natürlich
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sind wir alle für mehr Demokratie. Und[br]wenn man dann aber genauer nachhört,
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was damit gemeint ist, dann wird so[br]ein bisschen Etymologie betrieben.
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Also der Wortursprung, ‚demos‘ = das Volk,[br]‚kratie‘ = die Volksherrschaft,
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also ‚mehr Volksherrschaft‘, und[br]„wir sind das Volk“. Also diejenigen,
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die sowas sagen, sagen also „Wir[br]wollen herrschen!“. Obwohl sie nicht
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das gesamte Volk sind. Und zu[br]Demokratie gehört eben auch sowas
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wie Minderheitenschutz. Aber hier geht es[br]dann meistens darum, dass die Mehrheit
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bestimmen soll, und das eben auch…[br]äußert sich dann auch in den Forderungen
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nach direkter Demokratie, was eigentlich[br]eine gute Forderung ist. Aber es soll eben
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das Volk entscheiden und nicht irgendeine[br]Elite. Dabei beruht Demokratie schon
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darauf, dass Verantwortung delegiert wird[br]und bestimmte Leute anderen gegenüber
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verantwortlich sind. Der andere[br]umgedeutete Begriff ist ‚Wahrheit‘.
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Wir hatten das vorhin schon gehört.[br]Wahrheit, was ist eigentlich hier
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mit Wahrheit gemeint? Naja,[br]Wahrheit wird verstanden als das,
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was in der „Meinungsdiktatur“ der[br]„Lügenpresse“ unterdrückt wird.
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Also es gibt auf der einen Seite die[br]Meinungsdiktatur, die Lügenpresse,
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und das andere ist die Wahrheit. Als[br]ob genau das, was unterdrückt wird,
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schon allein per se dadurch dass[br]es unterdrückt wird, Wahrheit ist.
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Die Frage ist, ob es überhaupt unterdrückt[br]wird. Das werden wir dann auch noch sehen.
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Also, es gibt diesen Gegensatz „Wahrheit[br]und Meinungsdiktatur/Lügenpresse“,
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und auf der anderen Seite die[br]Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit,
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die man vertreten will, im Gegensatz zu[br]dem ‚Maulkorb‘ und der ‚Zensur‘,
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die allenthalben zu finden ist. Also auch[br]‚Meinungsfreiheit‘ wird umgedeutet,
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in einer bestimmten Weise, dass hier[br]eben die eigene Meinung gemeint ist,
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oder eben die Meinung, die[br]vermeintlich unterdrückt wird.
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Wir hören uns das mal an, hier haben wir[br]so eine Argumentation, wieder aus diesem
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ZDF-Beitrag. Gelächter[br]Audio/Video-Wiedergabe beginnt
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Befragte: Die Presse kann doch hier weg!
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Interviewerin: Deswegen[br]darf er mich schubsen?
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B: Nein, das nicht![br]Das ist nicht in Ordnung.
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I: Na wenigstens das.
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B: Aber die Berichterstattung[br]können Sie sich ersparen,
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weil die Wahrheit[br]bringen Sie sowieso nicht.
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I: Aber wenn wir nicht berichten, heißt[br]es doch auch, wir würden zensieren.
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Was wollen Sie denn jetzt?[br]B: Naja, sicherlich wird das zensiert!
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Wo haben Sie denn hier[br]objektive Berichterstattung?
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I: Was fehlt Ihnen denn?[br]Gemurmel eines Nebenstehenden
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B: So, und bitte, das war nur,[br]was ich sagen wollte.
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I: Na dann. Durfte sie ja jetzt auch.
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B: Die Wahrheit![br]I: Was ist denn die Wahrheit?
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B: Ja, aber nicht Ihre.[br]I: Aber was ist denn Ihre Wahrheit?
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B: Nicht Ihre Wahrheit.[br]I: Ich weiß gar nicht, was meine ist.
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B: Hören Sie hier zu, das ist[br]die Wahrheit. Und nicht, was
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‚unsere Politiker‘ hier veranstalten.[br]I: Ich würde gerne wissen…
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…das sind auch Politiker![br]B: Aber die sind nicht in der Regierung!
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I: Und was ist jetzt[br]nochmal Ihre Wahrheit?
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B: Das ist nicht Ihre. Hören Sie[br]hier zu – da hören Sie sie.
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I: Ich versteh’s nicht, lassen[br]wir’s. Ich versteh’s nicht.
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Lachen im Saal[br]andere Demo-Teilnehmer befragt:
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I: Ernsthaft – wie könnte denn[br]eine Lösung aussehen?
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Audio/Video-Wiedergabe endet
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maha: Hm. Also Wahrheit ist eben das,[br]was irgendwie unterdrückt wird, und man
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weiß es nicht genau, aber wenn es[br]unterdrückt wird, ist es die Wahrheit.
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Also das ist irgendwie das, was hier[br]rauskommt. So ein bisschen erinnert mich
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das an „1984“, wir erinnern uns:[br]„War is Peace“, „Freedom is Slavery“,
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„Ignorance is Strength“. Und ‚ignorance‘[br]wird natürlich nicht mit Nichtwissen
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übersetzt, aber ich denke, hier ist[br]auch wieder Ignoranz gemeint,
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„Ignoranz ist Stärke“. Und das ist auch[br]die Überschrift für den nächsten
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Abschnitt hier. Da sieht man auch wieder[br]solche Verschiebungen in der Bedeutung.
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‚Gutmenschen‘, und vor allen Dingen das[br]‚Gutmenschentum‘ ist so ein Begriff,
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der immer auftaucht. Ich habe das hier[br]auch mal rausgesucht aus Google Trends.
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Da sieht man eben was Leute gesucht haben.[br]Und da sieht man in der Tat, Gutmenschen
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gab es wohl schon, dann nimmt das[br]irgendwie zu, so Ende 2012.
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Und dann gibt es hier die ganzen[br]Ausschläge 2016, wo das Wort ‚Gutmenschen‘
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dann eben tatsächlich wichtiger wird. Aber[br]es verändert dabei seine Bedeutung.
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Denn ‚Gutmensch‘ – eigentlich ist das[br]sowas wie der ‚Naivling‘, möglicherweise
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eine Lehnübersetzung, aus französisch[br]‚bonne homme‘, netter Kerl, ‚bonne homme‘,
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es ist abgeleitet: ‚bonhomie‘,[br]die Gutmütigkeit. Aber jetzt
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verschiebt sich das. Und die Gutmenschen [br]sind die eigentlich Bösen.
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Das sind irgendwie Böse, wir werden[br]das gleich noch sehen, an Komposita.
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Gutmenschen sind also plötzlich für[br]die Sprecher des Populisten-Sprechs
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böse Menschen. Und zwar sind sie besonders[br]deshalb böse weil sie die sogenannte
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‚politisch korrekte Sprache‘ benutzen.[br]Auch so ein Feindbild.
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Politisch korrekte Sprache wird eben hier[br]auch als etwas sehr Negatives angesehen.
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Auch im Grunde ein Kampfbegriff. Man ist[br]gegen die politisch korrekte Sprache.
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‚Gut‘ ist eben für Rechtspopulisten[br]diejenige Sprache die nicht politisch
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korrekt ist. Und man erkennt jetzt, dass[br]eben gerade Gutmenschen was Böses sind,
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an Komposita. Ich habe hier ein paar[br]gefunden. Nämlich ‚Toleranzfaschismus‘,
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‚Gutmenschenfaschismus‘ und[br]‚Sprachfaschismus‘. Interessant ist dabei,
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dass ich den Beleg ‚Tolleranzfaschismus‘[br]nur mit 2x L gefunden habe.
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Gelächter und Applaus
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Ja, ich bin gefragt worden, vor[br]einiger Zeit, von einer Journalistin,
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wie man eigentlich Fake-News erkennt.[br]Und ich habe gesagt, naja, wenigstens
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die Rechtschreibfehler sind ein guter[br]Hinweis. Was nicht heißen soll, dass
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News ohne Rechtschreibfehler[br]keine Fake-News ist. Aber
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wenn Rechtschreibfehler drin sind, dann[br]muss man sich schon fragen, ob das
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wirklich alles so ist, wie es dargestellt[br]wird. Das liegt jetzt nicht – also ich
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will jetzt nicht Leute bashen mit[br]Rechtschreibschwächen, ich selber
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habe ja auch eine gewisse Neigung[br]dazu. Aber was man da macht, ist,
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also wenn man eine Rechschreibschwäche[br]hat, ist, seine Texte durch andere
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lesen zu lassen. Und wenn eine Nachricht[br]eine richtige Nachricht ist, haben die
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bestimmt auch viele Leute angeschaut.[br]Und dann gibt’s halt nicht mehr so viele
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Rechtschreibfehler. Also, von daher kann[br]man an der Zahl der Rechtschreibfehler
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schon erkennen, dass etwas nicht stimmt,[br]oder eine Einzelposition darstellt.
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Ja, wir werden weiter darauf[br]eingehen, was es zu bekämpfen gilt.
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Dann ist es das sogenannte ‚Gender-[br]Mainstreaming‘. Gender-Mainstreaming
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wird auch als etwas Negatives umgedeutet.[br]Also Gender-Mainstreaming, damit ist ja
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eigentlich gemeint, ursprünglich, die[br]Möglichkeit dass eben Geschlecht, was
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weniger sichtbar ist, sichtbar gemacht[br]wird. Also, in den Mainstream reinkommt.
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Aber hier ist irgendwie etwas sonderbar[br]Negatives gemeint. Und deshalb finden
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wir für das Gender-Mainstreaming auch[br]Ersatzwörter. Nämlich ‚Gender-Ideologie‘,
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sehr häufig, ‚Genderismus‘ sogar,[br]‚Gender-Wahn‘ oder ‚Gender-Wahnsinn‘,
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und ‚Gender-Faschismus‘. Wieder der[br]Faschismus. Der ist immer schnell dabei.
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Und jetzt denkt man sich „Naja, was wird[br]da gemeint sein mit Gender-Faschismus?
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Dass irgendwie ein Geschlecht das andere[br]unterdrückt oder so?“ Nein, es geht hier
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um Sprache. Wir hatten vorhin auch[br]das mit dem Sprach-Faschismus. Also,
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unter Gender-Faschismus wird vor allen[br]Dingen verstanden, dass irgendwie,
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tatsächlich, wie beim Gender-Mainstreaming[br]gefordert, die Mehrgeschlechtlichkeit eben
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sichtbar gemacht wird in der Sprache. Das[br]wird eben als bekämpfenswert angesehen,
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und als ‚Faschismus‘ angesehen. Im[br]gleichen Bereich ein anderer Begriff,
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der auftaucht. Die sogenannte[br]‚Frühsexualisierung‘. Interessant ist
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vor allen Dingen, dass das Wort[br]‚Sexualisierung‘ kaum zu finden ist.
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Aber ‚Frühsexualisierung‘. Offensichtlich[br]gibt es Sexualisierung nicht ohne ‚früh‘.
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Aber die Wikipedia weiß auch, dass es[br]hier um einen Kampfbegriff geht. Das
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steht da auch in der Wikipedia direkt, in[br]der Definition von ‚Frühsexualisierung‘.
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Also hier können wir sehen wie die Trends[br]sind, wann das so auftaucht. 2006/2007
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gibt’s die Diskussion zunächst in der[br]Schweiz. Dadurch dieser erste starke
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Ausschlag. Und dann gibt’s da nochmal so[br]Ausschläge. Und dann ab 2011 immer mehr
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das Thema ‚Frühsexualisierung‘. Weil[br]das eben auch von rechtspopulistischen
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Parteien immer vorgebracht wird.[br]Bildungsplan in Hessen, Bildungsplan
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in Baden-Württemberg. Da wird jetzt[br]gesagt, also Sexualkunde für Pubertierende
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das ist eben ‚Frühsexualisierung‘. Gemeint[br]ist da aber… ich meine das steckt in dem
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Wort ‚Frühsexualisierung‘ drin, warum[br]‚früh‘? Früh eben weil man da irgendwie
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so andeuten will, dass es vielleicht[br]irgendwie was mit Verführung von
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Kindern zu tun hat. Da sind wir dann so[br]im pädophilen Bereich. Also das soll
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auf jeden Fall stigmatisiert werden. Und[br]es geht einfach nur um Sexualkunde!
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Das ist eben hier der Begriff der[br]eingesetzt wird um dagegen zu opponieren.
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Dann das Wort ‚völkisch‘, das plötzlich[br]in den Diskussionen kam. Wo dann
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Frauke Petry sagte, „das Wort ‚völkisch‘[br]muss jetzt wieder benutzbar sein“.
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Da muss man sich natürlich ankucken[br]wo das herkommt. Das erklärt uns
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dieser Philosoph:[br]laut Johann Gottlieb Fichte, also
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am Anfang des 19. Jahrhunderts,[br]das Wort ‚völkisch‘ ist nämlich für ihn
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eine Lehnübersetzung für das Wort[br]‚deutsch‘. Und zwar ‚deutsch‘
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ist ja abgeleitet aus Althochdeutsch[br]‚diota‘ plus Adjektivendung -isk,
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also gibt’s so eine Form wie ‚djutisch‘,[br]‚djutsch‘, aus der dann ‚deutsch‘
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sich weiterentwickelt. Und eben ‚Volk‘[br]und -lich… oder ‚Volk‘ und -isch
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ist das eigentlich. Deshalb ‚Volk-isch‘[br]oder ‚völkisch‘. Das wird dann in der Folge,
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im 19. und 20. Jahrhundert verwendet für[br]‚national‘. Als Übersetzung für ‚national‘
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weil man da eben der Meinung war, man muss[br]für ‚national‘ auch ein deutsches Wort haben.
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Aber dadurch dass es im Grunde so eine[br]Lehnübersetzung für ‚deutsch‘ ist, ist es
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halt insbesondere eben mit Bezug auf[br]Deutschland verwendet, und das geht dann
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im 20. Jahrhundert los…[br]Das ist hier Google Ngrams,
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also während des 1. Weltkriegs,[br]dass man hier eben besonders
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in anitsemitischen Zirkeln das Wort[br]‚völkisch‘ benutzt, eben auch
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in der Bedeutung ‚nicht-jüdisch‘.[br]Und man sieht also ganz deutlich
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durch den Ausschlag um 1940 herum, dass[br]es sich eben um einen Terminus handelt,
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der im Nationalsozialismus eine besondere[br]Bedeutung hat. Dass das dann nachher
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noch kommt, hängt natürlich auch[br]damit zusammen dass in Büchern der
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Nationalsozialismus aufbearbeitet wird.[br]Wenn wir uns jetzt die Trends anschauen,
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heute, ‚völkisch‘ poppt da einmal auf,[br]2016, das ist eben genau der Punkt
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wo das in die Diskussion geworfen wird.[br]Und dann gibt’s dann auch so ein bisschen
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weitere Diskussionen zu ‚völkisch‘, und[br]dann verschwindet es eigentlich wieder.
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Also man sieht, dass hier ein Wort[br]verwendet wird was eigentlich
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keinen Erfolg hat. Und dann eben[br]auch gleich wieder verschwindet.
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Ein bisschen anders sieht es mit einem[br]anderen Nazi-Terminus aus, dem Terminus
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‚Umvolkung‘. Das erfreut sich dann doch[br]weiterhin einer gewissen Beliebtheit.
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Und wird aber auch umgedeutet.[br]Das bedeutet etwas anderes als es
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vor allen Dingen um 1940 bedeutet[br]hat. Denn da ging es darum,
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dass es – naja gut, ich komme gleich[br]drauf. Also was jetzt passiert, ist,
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in neuerer Zeit, dass ‚Umvolkung‘ eintritt[br]als Verstärkung – es ist auch stärker
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als ‚Überfremdung‘. Also zunächst mal[br]wird das Wort ‚Überfremdung‘ verwendet.
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Das war auch „Unwort [des Jahres] 1993“,[br]und stattdessen in den rechten Kreisen
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wird jetzt das Wort ‚Umvolkung‘[br]verwendet. Also ein Wort,
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was aus der nationalsozialistischen[br]Volkstumspolitik stammt… hier ist auch
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der Erfinder des Konzepts, Albert[br]Brackmann, ein Historiker, der
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für die sogenannte[br]„Ausbreitung nach Osten“, also
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Deutsche sollen nach Osten gehen,[br]eben vorschlägt, dass dort eben
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alles wieder deutsch werden soll. Das[br]nennt man auch ‚Germanisierung‘,
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‚germanization‘, oder eben ‚Umvolkung‘.[br]Da sollen eben Leute zu Deutschen
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gemacht werden, die eben vielleicht[br]jetzt schon slawisiert worden sind.
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Also solche Vorstellungen stecken[br]dahinter. Und jetzt wird das aber
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ganz anders verwendet. Und es kommt[br]wieder auf. In Österreich und Deutschland
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schon um 2012 herum. Und da[br]geht es nun darum, dass angeblich
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in Deutschland und Österreich eine[br]sogenannte ‚Umvolkung‘ stattfindet,
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dadurch, dass eben Menschen, also[br]Ausländer, hinkommen und dadurch
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sich das Volk eben verändert, nicht[br]mehr deutsch wird, sondern ersetzt wird.
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Wir hören da gleich auch noch einen Text[br]dazu. Das heißt also, ‚Umvolkung‘ hat
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sowas mit einer Opferrolle zu tun. Also[br]jetzt plötzlich sind die Deutschen Opfer
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einer vorgeblichen Umvolkung.[br]Und das hören wir uns jetzt an.
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Von einer Demo in Dresden. Da sehen[br]wir erstmal Plakate, die sind schon
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ganz interessant. Und dann hören wir,[br]wie das abläuft mit der Umvolkung.
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Und hier wird uns auch wieder eine[br]‚Wahrheit‘ präsentiert. Also wir
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erfahren jetzt von dem Gesprächspartner[br]was wirklich, in Wahrheit,
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seiner Meinung nach, vor sich geht.[br]Audio/Video-Wiedergabe beginnt
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Interviewer: Was ist denn Ihre Forderung?[br]Sie sagten hier, „die berechtigten Ford…“
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Antwort: Meine Forderungen kann ich Ihnen[br]sagen. Man muss erstmal die Leute aufklären.
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Dass wir kein souveränes Land sind, mit[br]keiner souveränen Regierung. Dass die
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Befehle aus Tel Aviv und Washington[br]kommen. Und die USA, die USA wird
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wieder regiert von der IPAC, einer[br]jüdischen Lobby. Das hat nichts mit
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‚rechtslastig‘ zu tun, das ist Tatsache![br]Ein Herr [George] Soros finanziert
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die Republikaner. Die Demokraten[br]finanzieren… die Demokraten!
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Gelächter im Saal[br]Und jetzt frage ich Sie: mit welchem Recht
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wird die Bevölkerung ausgetauscht,[br]obwohl die Bedürfnisse der Wirtschaft
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und Gesellschaft nicht gegeben sind? Wenn[br]hier auch Akademiker sich von Praktikum
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zu Praktikum hangeln müssen. Und das auf[br]eine freie Stelle, das ist der Traum der
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globalen Wirtschaftslobby! Dass sich nicht[br]nur 10 bewerben, sondern möglichst 1000.
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Interviewer: Was muss sich denn ändern?[br]Antwort: Wie bitte?
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Interviewer: Wie soll sich das[br]denn ändern, Ihrer Meinung nach?
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Antwort: Das kann ich Ihnen sagen. Indem[br]man erstmal genau schaut, was für Menschen
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herkommen. Ich wurde vor paar Tagen[br]diffamiert, weil ich gesagt hatte, man
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müsste schon im Mittelmeer die Flüchtlinge[br]abfangen, und den Flüchtlingsstatus
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aberkennen. Wissen Sie was man zu mir[br]gesagt hat? Ich wäre ein Nazi! Das gleiche
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praktiziert die australische Regierung.[br]Sind jetzt die Australier alle Nazis?
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So sieht’s aus, genau so sieht’s aus. Denn[br]die Flüchtlinge die hierher kommen, denen
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muss man, wenn sie schon herkommen,[br]eine Perspektive bieten. Und die sind
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nicht gegeben. Wir haben weder die[br]Arbeitsplätze, noch den Platz. Schauen Sie
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sich doch die westlichen Großstädte an![br]70%, kann man 80% sagen, sind doch
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keine Deutschen mehr. Ist das ein normaler[br]Trend? Ich weiß es nicht. Ich habe nichts
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gegen andere Nationen. Und auch nichts[br]gegen andere Kulturen. Aber es kann
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nicht sein, dass weil die ISIS… die ganzen[br]Bürgerkriege werden von der USA
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angezettelt und manipuliert. Und die[br]ganzen Wörtschaftsflüschtlinge,
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die sind ja selber entwurzelt, sind[br]ihrer Heimat bestohlen. Und wenn Sie
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das bringen, dann bin ich gespannt, ob Sie[br]noch Ihren Arbeitsplatz behalten. Danke.
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Gelächter im Saal[br]Audio/Video-Wiedergaben endet
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Applaus
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maha: Ja, also jetzt wissen wir Bescheid.[br]Endlich die Wahrheit, ne? lacht
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Die vielleicht doch nicht ‚Wahrheit‘ ist.[br]Ja, im Übrigen kann man sagen, also
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George Soros hat gegen Bush gespendet,[br]also nicht für die Republikaner. Außerdem
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ist er ungarisch-stämmiger Amerikaner.[br]Soros ist übrigens ein Esperanto-Name.
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Nebenbei erwähnt. Aber, wie auch[br]immer, also das stimmt alles irgendwie
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nur so halb. Und ist eh eine[br]Verschwörungstheorie. Gut, aber,
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man versucht… also der Sprecher hier[br]versucht irgendwie hinter die Wirklichkeit
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zu kommen. Und das versucht man[br]tatsächlich auch in rechten Kreisen
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mit Linguistik. Es wird gerne Etymologie[br]betrieben. Also die Wortherkunft
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schaut man sich näher an. Und in der[br]Linguistik gibt’s einen Ausdruck der
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sehr passend ist, durch die neuere[br]Entwicklung. Das ist allerdings ein
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Ausdruck der schon aus dem 19. Jahrhundert[br]stammt. ‚Falsche Etymologie‘, oder
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‚irrige Etymologie‘ wird als[br]‚Volksetymologie‘ bezeichnet. Und das
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passt hier einfach sehr schön. Denn die[br]Ausführungen, dass ‚völkisch‘ einfach nur
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das Adjektiv zu ‚Volk‘ sei, ist eben[br]Volksetymologie. Wir haben ja vorhin
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gehört, dass es damit ganz andere Dinge[br]auf sich hat. Oder… ist auch glaube ich
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allgemein bekannt die Geschichte:[br]gerade hier dieser Herr der sagte,
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Deutschland sei kein souveräner Staat,[br]wird das sicher auch begründen können
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mit dem ‚Personalausweis‘, weil man sagt:[br]„Hier, Personal, ist ja klar. Personal –
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das ist eine Firma, mit Personal, deshalb[br]gibt’s Personalausweise“, und man verkennt
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natürlich, dass es hier etymologisch[br]nicht passt. Das erste Glied
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von ‚Personalausweis‘ ist natürlich[br]abgeleitet von ‚Personalien‘, also
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Informationen über Personen,[br]und nicht von ‚Personal‘.
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Gut, die Frage ist jetzt, wie sieht die[br]Zukunft aus? Und die Frage ist,
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ob die Zukunft tatsächlich den Populisten[br]gehört. Und der Sache wollen wir jetzt mal
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nachgehen. Mit jemandem, der sich auch als[br]Populist, zumindestens hier, qualifiziert.
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Hören wir uns mal an…
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Applaus
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…was er zu sagen hat. Die Leser unseres[br]Blogs neusprech.org kennen schon
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die Auflösung, weil ich versehentlich den[br]Artikel schon vor der Veranstaltung
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veröffentlicht habe. Aber wir[br]werden gleich noch sehen, dass
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nach der Veröffentlichung des Artikels[br]sogar noch was passiert. Aber erstmal das!
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Audio/Video-Wiedergabe beginnt[br]Horst Seehofer: Wir sind der festen
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Überzeugung, dass diese große historische[br]Aufgabe, die Integration von Flüchtlingen
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in unserem Land, dass auch die Zustimmung[br]der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben
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sind, wenn wir nicht zu einer Obergrenze[br]für die Zuwanderung bei den Flüchtlingen
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kommen.[br]Beifall im CSU-Saal
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maha: Ja, donnernder Applaus dafür,[br]offenbar sind alle der Meinung.
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Horst: Der Horst Seehofer und Angela[br]Merkel, oder Angela Merkel, Entschuldigung,
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und Horst Seehofer haben noch immer für[br]alles eine Lösung gefunden. Wenn das
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dein Motto in den nächsten Wochen ist,[br]Lachen und Beifall im 33C3-Saal
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dann bist du wieder herzlich eingeladen![br]Beifall im CSU-Saal
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maha: Ja, den Rest musste ich noch zeigen.[br]Audio/Video-Wiedergabe endet
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Also es ging um die Obergrenze.[br]‚Obergrenze‘, ne? Das ist der
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entscheidende Punkt. Und man hört[br]‚Obergrenze‘ und denkt jetzt „Aha,…“,
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also rechte Kreise denken „Ja,[br]der Seehofer will halt irgendwie
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die Flüchtlinge raushaben, oder weniger[br]davon haben, oder zumindestens begrenzen“.
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Und dann wählen solche Leute vielleicht[br]doch die CSU, die das wollen.
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Aber er meint was anderes. Wir haben das[br]am 7. Dezember im Blog veröffentlicht.
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Und am 14. Dezember, das ist das[br]folgende Interview, erklärt Horst Seehofer
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was er meint. Nur wird es wieder[br]nicht richtig deutlich. Weil es dann
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überdeckt wird durch andere Aussagen,[br]die dann tatsächlich überall in der Presse
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erscheinen. Aber was er eigentlich meint[br]mit der Obergrenze wird nicht richtig
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deutlich, und das erklärt warum er auch[br]so weit gehen kann mit dieser Forderung.
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Wir hören uns das mal an.[br]Audio/Video-Wiedergabe startet
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Interviewerin: …man in Essen, und[br]zwar nicht nur die Kanzlerin, sondern
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eigentlich sehr viele in der Partei ganz[br]klar gesagt hatten, „Obergrenze wird es
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nicht geben!“. Jetzt hatten Sie gesagt, die[br]soll, die muss in den Koalitionsvertrag.
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Würden Sie also wirklich lieber[br]in der Opposition sein als
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einen Koalitionsvertrag zu unterschreiben[br]ohne Obergrenze?
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Horst: Schauen Sie, seitdem ich Politik[br]betreibe höre ich immer „das geht nicht“,
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und „das wird nicht kommen“, und es kommt[br]dann doch. Ich habe mehrere solche
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Stationen hinter mir. Ein sehr schönes[br]Erlebnis war jetzt letzte Woche.
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Wir haben ja seit über einem Jahr der[br]Bundesregierung angeboten, dass sich
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bayerische Polizeibeamte an den[br]Grenzkontrollen zwischen Österreich
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und Deutschland beteiligen. Das ist[br]über ein Jahr lang abgelehnt worden,
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„geht nicht“, „kommt nicht“. Und jetzt[br]sind wir gebeten worden das zu machen.
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Wir tun’s auch. So. Und hier wird es[br]genauso sein. Wir werden zu einer
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Begrenzung, auch zu einer[br]Obergrenze kommen. Und
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das wird ein ganz wichtiger Punkt[br]für die CSU im Wahlprogramm,…
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Interviewerin: Also nur um[br]Sie da richtig zu verstehen…
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Horst: …Frau Hassel, und wir garantieren[br]der Bevölkerung, für den Fall, dass wir
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uns an einer Regierung beteiligen können,[br]zunächst muss ja die Bevölkerung
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entscheiden ob dies möglich ist, werden[br]wir garantieren, der Bevölkerung, dass wir
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dafür sorgen, dass dies in die[br]Regierungspolitik Einzug hält.
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Für die nächste Legislatur.
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Interviewerin: Also wie die Maut?[br]Horst: Wie die Maut, ja.
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Interviewerin: Also erst glauben Sie dass[br]die Obergrenze… wie die Maut… irgendwann
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wird die größere Schwester mürbe und dann[br]kommt es doch in den Koalitionsvertrag?
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Horst: Nicht weil sie mürbe wird, sondern[br]weil es eine Übereinstimmung gibt.
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Ich habe ja auch in anderen Dingen…[br]Kopfpauschale im Gesundheitswesen
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war auch so ein Fall. Da hieß es immer:[br]„Kommt, kommt, kommt“, CDU hat es
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auf ihrem Parteitag beschlossen, gegen[br]eine Stimme. Aber sie ist nie gekommen.
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Weil es auch ungerecht gewesen wäre.[br]Und hier müssen wir doch sehen, dass wir
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unsere Aufgaben mit der Zuwanderung,[br]die übrigens noch viele, viele Jahre
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anhalten wird, die Zuwanderung nach[br]Europa, und damit schwerpunktmäßig
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nach Deutschland, dass wir[br]diese Aufgaben der Integration,
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der Gewährleistung der Sicherheit im Lande[br]nur der Bevölkerung versprechen können
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dass wir sie schaffen, wenn wir die[br]Zuwanderung jährlich begrenzen.
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Die Begrenzung ist eine Voraussetzung[br]für die Humanität und die Integration.
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Interviewer: Aber, Herr Seehofer,…[br]Audio/Video-Wiedergabe endet
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maha: Ja. Gut, also ‚Obergrenze‘. Was[br]hat es damit auf sich, und warum kann er
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so weit gehen und sagen: „Ja, das muss[br]dann als Garantie… also wir garantieren
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dass das reinkommt“. Naja. Er hat’s hier[br]deutlich gesagt. Er hat nämlich gesagt
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es geht um eine Obergrenze der[br]‚Zuwanderung‘. Zuwanderung ist aber
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was anderes als Flüchtlinge. Bei[br]Zuwanderung geht es tatsächlich dann
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darum dass Leute integriert werden, und[br]Deutsche werden. Und das will er begrenzen.
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Das ist aber eigentlich sonst nicht das[br]Thema! Aber das hören eben Leute, die
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aus rechtspopulistischen Kreisen kommen,[br]oder aus rechten Kreisen kommen, nicht.
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Sondern sie hören: „Ah, Begrenzung, keine[br]Flüchtlinge, wunderbar, dann passt das.“
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Aber es geht eben nicht um die Begrenzung[br]der Flüchtlinge. Mit denen will man dann
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schon irgendwie umgehen. Die CSU fordert[br]ja auch sowas wie „Transitzonen“, und so.
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Also es ist ja nicht ganz klar wie das[br]dann laufen soll. Aber es geht um
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die ‚Zuwanderung‘. Aber dadurch dass er[br]‚Begrenzung‘ und ‚Obergrenze‘ sagt, kommt
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die Botschaft an, die CSU tut was gegen[br]Flüchtlinge. Was sie ja eigentlich nicht tut.
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Und deshalb ist das eben auch kein Problem[br]mit dem Verfassungsrecht, weil man ja nur
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immer ‚Integration‘, und ‚Einwanderung‘,[br]‚Zuwanderung‘ spricht, und nicht
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über Flüchtlinge. Und deshalb kann er ja[br]auch solche vollmundigen Garantien
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ankündigen. Also die Leute hören etwas[br]anderes als er eigentlich sagt. Und das
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ist schon irgendwo bedenklich. Ja. Ein[br]anderes Wort das ich in einer Talkshow
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aufgeschnappt habe, und das so ein[br]bisschen zeigt, dass irgendwas seltsam ist,
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ist dieses: „Multikulti ist gescheitert“.[br]„Multikulti“. Was ist ‚Multikulti‘
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überhaupt für ein Wort? Müsste ein[br]Substantiv, an der Stelle, sein. Aber
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man kann keinen Artikel davorsetzen,[br]‚der die das Multikulti‘ – ist so ähnlich
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wie ‚der die das Cyber‘![br]Cyber? Ist wie Multikulti!
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Beifall
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Und da ich mit ‚Cyber‘ und ‚Multikulti‘[br]jetzt schon 2 solche Wörter habe,
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brauchen wir eine Kategorie. Also[br]ich nenne die ‚Pseudo-Substantive‘.
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Also die irgendwie schwer als Substantive[br]zu beschreiben sind, und deshalb ist auch
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nicht ganz klar was sie bedeuten. Ja, ein[br]anderes Wort, was ich so ein bisschen auch
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als mein persönliches Wort – und da ist[br]nicht mal ein Wort, sondern ein Wort-Teil –
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des Jahres ansehe, ist ‚kritisch‘. Denn[br]das zeigt offenbar dass Populismus
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sich verbreitet, dass populistische[br]Argumentationsweisen eben tatsächlich
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irgendwie ankommen. Also das liest[br]man, was jetzt kommt, in Zeitungen.
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[Da] wollen wir auch die Zeitungen nennen:[br]‚asylkritisch‘ war im Focus, in der Welt.
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‚Zuwanderungskritisch‘, nee, ich glaube[br]die ‚schwulenkritischen‘ Äußerungen
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hatte ich auch mehrfach, auch, glaube[br]ich, Focus. Also man kann das leicht
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herausfinden, indem man nach diesen[br]Wörtern googelt. Also das sind Wörter,
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die man so in der Presse findet. Und die[br]sind natürlich schon irgendwie falsch.
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Also es gibt sowas wie ‚Religionskritik‘.[br]Das ist üblicherweise das, was
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Angehörige einer Religion machen.[br]Weil sie herausfinden wollen was jetzt
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der wahre Glaube ist. Also ‚kritisch‘ im[br]griechischen Sinne, dass man siebt,
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und das Gute raussiebt.[br]Aber darum geht’s natürlich nicht.
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Bei ‚islamkritisch‘ lehnt man einfach[br]Islam ab, oder den Islam ab, und
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ist nicht kritisch damit, dass gewisse[br]Glaubensgrundsätze richtig sein sollen
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und andere nicht. Bei ‚asylkritisch‘[br]wird auch nicht gesagt: „Naja,
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vielleicht sind die Asylbedingungen[br]nicht gut“, sondern man lehnt Asyl ab.
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Und bei ‚zuwanderung[skritisch]‘ wird[br]Zuwanderung abgelehnt. Oder bei
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‚schwulenkritisch‘, da geht’s ja nicht[br]darum, dass bestimmte Aspekte
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des Schwulseins vielleicht authentischer[br]sind als andere. Sondern…
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Gelächter und Beifall
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Ja, wird halt abgelehnt! Also es ist der[br]Ersatz für ‚-feindlich‘! Also gemeint ist
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‚schwulenfeindlich‘, ‚islamfeindlich‘,[br]‚zuwanderungsfeindlich‘.
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Aber es wird nicht ‚feindlich‘[br]verwendet, sondern ‚kritisch‘.
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Also ein abgeschwächter Begriff.[br]Und das ist normale Pressesprache!
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Das ist vielleicht ein Problem. Das[br]gleiche mit den ‚besorgten Bürgern‘.
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Oder ‚besorgte Eltern‘. Auch etwas, was[br]man ganz normal in der Zeitung liest
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oder in der Tagesschau hört.[br]Und niemand hinterfragt das.
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Interessant ist übrigens, dass[br]‚besorgte Bürger‘ selten gegendert wird.
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Offenbar… ne? Gelächter[br]Da ist schon was Seltsames, ne?
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Ist offensichtlich als Ganzes lexikalisiert[br]und bedeutet was anderes, nämlich
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möglicherweise ‚Ausländerfeinde‘,[br]‚Rassisten‘. Und ‚besorgte Eltern‘
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sind möglicherweise Schwulenfeinde. Gut![br]Dann kommen wir zum Wort ‚postfaktisch‘.
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Was ja auch Wort des Jahres [2016] ist.[br]Und fefe hat mich vorher gefragt was
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der Unterschied zwischen ‚Lügenpresse‘,[br]‚postfaktisch‘ und ‚Fake-News‘ ist.
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Und klar, ‚Lügenpresse‘ ist aus dem[br]Vokabular der Rechten, das haben wir
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vorhin schon gesehen. Da ist ‚Fake-News‘[br]vielleicht neutral. Aber ‚Fake-News‘,
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wie ‚postfaktisch‘ sind natürlich[br]Abschwächungen. Bei ‚Fake-News‘
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– ist ja eigentlich, ist gar keine News,[br]sondern falsche Information, Propaganda.
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Und dazu sagt man ‚Fake-News‘. Und[br]‚postfaktisch‘ ist sogar noch eine stärkere
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Abschwächung. Denn es geht ja wieder um[br]Propaganda, und Lügen. Aber es wird nicht
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von ‚Lüge‘ gesprochen, sondern[br]von „postfaktisch“. Interessant ist
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wo das Wort herkommt. Das Wort kommt[br]tatsächlich… hat so einen philosophisch-
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erkenntnistheoretischen Hintergrund.[br]Da geht es nämlich um sogenannte
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‚Postfaktum-Erklärungen‘. Also Erklärungen[br]die man nur im Nachhinein geben kann.
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Wird immer so hingestellt in der[br]Erkenntnistheorie als wichtiger Unterschied
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zwischen den Naturwissenschaften[br]und den Geisteswissenschaften.
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In den Naturwissenschaften hat man[br]Erklärungen mit denen man Dinge
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vorhersagen kann. Die sind dann…
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kann man als ‚ante-faktisch‘ bezeichnen,[br]oder ‚prä-faktisch‘. Nein, so wird’s
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nicht gesagt. Es wird ‚ante-faktum‘,[br]‚post-faktum‘ gesagt, meistens
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mit den lateinischen Wörtern. Und[br]‚postfaktisch‘, also Post-Faktum-Erklärungen,
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normalerweise sind solche Erklärungen[br]in den Geisteswissenschaften, die man
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nur hinterher hat, dann ist das alles[br]plausibel. Aber vorher kann man Dinge
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nicht vorhersagen. Das hat[br]was damit zu tun, dass das…
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‚natürlich gegen kulturell‘, und[br]„Phänomene der 3. Hand“, die halt
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nicht vorhersagbar sind. Das ist[br]eigentlich die Herkunft, also
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von daher passt’s… kennt Angela Merkel[br]als Physikerin wahrscheinlich den Begriff
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‚Post-Faktum-Erklärung‘ und kann das dann[br]verwenden. Interessant ist jetzt, dass…
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also man sagt ja ‚postfaktisch‘ ist eine[br]Übersetzung von ‚post-truth‘. Und hier
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ist ganz schön auch wieder die Verteilung[br]bei Google Trends zu sehen. ‚Post-truth‘
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wird… taucht das erste Mal auf in einem[br]New-York-Times-Artikel im August.
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Und dann am 24. August 2016.
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Und dann kommt es zu einer[br]Wiederaufnahme im Economist.
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Das sieht man da auch beim Ausschlag,[br]nochmal im September, um den 17. September.
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Dann wird das so’n bisschen aufgegriffen.[br]Auch auf deutsch. ‚Postfaktisch‘ taucht
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das erste Mal auf, ist aber noch[br]relativ unbedeutend. Bis es dann
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nochmal, also ist nochmal… jetzt[br]nochmal ‚post-truth‘, im Zusammenhang
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mit der Wahl von Trump. Und[br]danach ist ‚post-truth‘ schon weg,
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taucht gar nicht mehr auf. Und dann sagt[br]die Bundeskanzlerin ‚postfaktisch‘,
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alle googeln das, und deshalb ist das[br]da plötzlich hoch, und bleibt auch
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relativ hoch. Weil es ja dann Wort des[br]Jahres [2016] wird, kann man dann
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auch wieder einen Ausschlag sehen. Also,[br]man sieht sehr deutlich, dass das hier
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eine gewisse Bedeutung hat, die sogar[br]den Gebrauch von ‚post truth‘ übersteigt,
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denn ‚post truth‘ – also ich hab hier die…[br]nicht die Deutschland-Trends genommen,
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sondern die weltweiten Trends. Da würde[br]man eigentlich erwarten, dass ‚post truth‘
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viel höher ist. Aber das ist gar nicht[br]der Fall. Sondern ‚postfaktisch‘
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wird sehr viel stärker verwendet. Ja.
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Und das Problem mit ‚postfaktisch‘[br]ist eben tatsächlich, dass es eben
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Dinge verharmlost, und praktisch ‚Lüge‘,
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oder kontra-faktisches, Falsches als[br]postfaktisch darstellt, und damit eben
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abschwächt. Aber auch das ist jetzt ein[br]Begriff, der verwendet wird von allen!
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Also auch hier, auf dem Kongress habe ich[br]das öfter gehört. Und man liest das jetzt
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immer wieder, „postfaktisch“. Und[br]eigentlich ist es nicht ganz zutreffend.
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Und ich finde, da wo der politische[br]Gegner halt aufrüstet,
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da sollte man nicht darauf hereinfallen[br]und solche Sachen übernehmen.
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Sondern vielleicht auch die Dinge[br]mit stärkeren Worten benennen,
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eben z.B. von ‚kontra-faktisch‘ und ‚Lüge‘[br]sprechen. Und das möchte ich so
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ein bisschen als Empfehlung mit auf den[br]Weg geben. Und auf der einen Seite
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liegt uns…[br]Beifall
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Danke schön. Auf der einen Seite die[br]Konzepte hinterfragen, also wenn jemand
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kommt, und mit einem diskutieren will, ich[br]hatte so eine Podiumsdiskussion, die auch
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leider nicht so gut gelaufen ist für mich![br]Deshalb empfehle ich nicht, das Video
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anzuschauen. Im September [2016],[br]wo ich auf einem Posium saß, wo es
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um quer-Politik, in Berlin, ging. Und wo[br]auch ein Vertreter einer rechten Partei
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saß. Der dann eben auch gleich[br]losgewettert hat, dass eben auf
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der einen Seite natürlich die Flüchtlinge[br]das quere Leben zerstören werden, und
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man deshalb, zum Schutz von Schwulen und[br]Lesben was tun muss gegen die Flüchtlinge.
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Auf der anderen Seite dann aber auch[br]gesagt hat, ja die ‚Frühsexualisierung‘,
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das lehnen wir ab. Also, man muss[br]den Kindern ja nicht beibringen, dass
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irgendwie es verschiedene Lebensweisen[br]gibt. Also so eine Doppelt-Argumentation.
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Einmal schwulenfeindlich, und einmal[br]– nicht ‚sozusagen‘ sondern tatsächlich –
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ausländerfeindlich. Aber[br]pro-Schwule-und-Lesben.
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Und da muss man eben tatsächlich mal[br]hinterfragen, was ist eigentlich gemeint
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hier, mit diesen Argumentationen, was[br]ist gemeint, wenn dann jemand sagt:
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„Ja, wir sind kritisch gegen[br]Einwanderung und so“?
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Dann vielleicht mal direkt auch darauf[br]ansprechen. Oder wenn jemand sagt:
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„Die Wahrheit wird unterdrückt“, wie wir[br]das gesehen haben, dann eben mal
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fragen: „Was denn für eine Wahrheit?“. Ich[br]glaube dass man da viel erreichen kann.
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Und dass man insgesamt viel erreichen[br]kann, indem man eben tatsächlich auch
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sich etwas genauer überlegt was man sagt.[br]Also nicht „Sprachfaschismus“ oder so.
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Dass irgendwas verboten ist, sondern[br]dass eben Leute wirklich bewusst,
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bewusster sprechen. [Ich] denke das[br]würde an dieser Stelle schon helfen.
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Jo. Und damit bin ich fertig. Danke!
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Beifall
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Herald: Hou, ihr kennt euch aus![br]Noch nicht rausrennen! So schnell
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sind wir nicht. Jetzt gibt’s nämlich noch[br]Fragen und Antworten. Wer von euch
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hat denn Fragen? Bzw. das Internet?[br]Kommen da schon welche?
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Signal Angel: Es kommen[br]gerade welche rein.
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Herald: Geht WLAN wieder nicht?
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maha: Es dauert immer[br]etwas mit dem Internet.
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Herald: Ach so! Na gut.[br]Bitte, dann die 2!
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Frage: Ja, ist dir schon der… hast du dich[br]schon mit dem ziemlich skurrilen Begriff
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‚Bio-deutsch‘ befasst?[br]Gelächter
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maha: Ja. Bei meinen Recherchen kam ich[br]auch… ist mir der auch untergekommen.
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Und ich muss sagen, ich habe ihn dann[br]nicht mehr berücksichtigt. Aber der
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ist natürlich auch ein sehr interessanter[br]Begriff. Weil man natürlich Komposita
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mit ‚Bio‘, zunächst mal, da stellt man[br]sich was anderes vor. Aber ‚Bio‘
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ist natürlich auch immer positiv besetzt.[br]Auch da wo es gar nicht passt, bei
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‚Bio-Diesel‘ z.B. Aber hier bedeutet[br]natürlich ‚Bio-deutsch‘ was anderes.
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Nämlich, ja, eben, genausowas wie[br]aut-doch-thron (?) oder ‚seit mehreren
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Generationen in Deutschland‘. Was ja[br]auch nie passt. Also das ist einfach…
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diese Argumentation ist seltsam. Und…
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Frage: Also Nationalität[br]als ‚erbbare‘ Eigenschaft?
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maha: Genau. Aber ich habe… muss so ganz[br]ehrlich sagen, ich habe den Begriff dann
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nicht weiter aufgenommen, hier in meinen[br]Untersuchungskorpus, weil ich nicht genau
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weiß, was man davon halten soll. Also ich[br]habe ihn… ich suche natürlich immer Belege,
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und kucke mir die an. Und es ist mir[br]unklar, wer das verwendet, und
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was genau beabsichtigt ist.[br]Also ich hab’s sowohl in Blogs gefunden
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– also nicht so sehr in den traditionellen[br]Medien die man der rechten Szene
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zurechnet – ich hab’s aber auch[br]in Blogs gefunden die nun gerade
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nicht der rechten Szene zuzurechnen sind.[br]Also da handelt sich’s vielleicht um
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ein Wort, dessen genaue Zuordnung noch[br]nicht klar ist. Und deshalb habe ich es
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einfach erstmal beiseite gestellt.
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Stimme aus Off: Er meint er weiß was dazu!
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Frage: Ich weiß da was zu, und[br]zwar habe ich da vor 3..4 Jahren
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mal gekuckt. Der Erste der dieses Wort[br]verwendet hat, war der Grünen-Politiker
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Cem Özdemir. Soviel dazu.
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maha: Aha. Ja, ich gehe[br]der Sache noch mal nach.
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Frage: Gibt es ein rhetorisches pattern,[br]das man verwenden kann, wenn man
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Menschen gegenübersitzt, die sich
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zwar ständig in Widersprüchen äußern, aber[br]trotzdem sehr polemisch argumentieren?
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Und also – mir fehlt[br]gerade das Wort – also…
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Wie ist das rhetorische pattern,[br]um sozusagen doch trotzdem
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in ein Gespräch einzusteigen,[br]oder soll man einfach weggehen?
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maha: Ja, also…[br]Lachen, Applaus
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Applaus
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Im Zweifel weggehen! Das ist halt[br]diese Geschichte mit der Filterblase.
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Dadurch dass viele Wörter eine etwas[br]andere Bedeutung haben, gibt’s da
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wenig Verständigungsmöglichkeiten. Denn[br]um sie zu verstehen, muss man die gleiche
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semantische Grundlage haben. Aber wenn der[br]eine mit ‚Demokratie‘ sowas meint wie „Ja,
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jetzt sind wir mal dran“, und der andere[br]mit ‚Demokratie‘ meint, das ist jetzt
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das System mit der Verantwortungs-[br]delegation und so, dann kann man sich
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nicht verständigen [auch] wenn man das[br]gleiche Wort gebraucht. Aber da sieht man
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auch die Strategie. Man muss da nochmal[br]genau nachfragen. Was ist denn eigentlich
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mit ‚Demokratie‘ gemeint? Also, wenn man[br]das will. Also man kann auch weggehen,
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unter Umständen. Also was ist mit[br]‚Demokratie‘ gemeint, oder, wie hier
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die Journalistin das wirklich sehr,[br]sehr gut macht, die dann sagt: „Ja,
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was ist denn Ihre Wahrheit?“ Und wenn[br]dann gesagt wird: „Ja nö, nicht Ihre!“
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dann nochmal nachfragen. Und dann sagt sie[br]ja: „Hören Sie, da!“. Und dann kann man
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sich vielleicht eher eine Meinung bilden.[br]Oder dieser eine, ich habe nur einen
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Ausschnitt gezeigt. Der ist noch ein[br]bisschen länger. Man kann sich das ja
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im Internet anschauen. Da wird dann[br]nochmal gefragt: „Was meinen Sie denn?“
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Und dann sagt er ja: „Die Wahrheit ist[br]dass die USA uns steuert“. Dann
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kommt man der Sache schon näher. Also ich[br]denke man sollte immer wieder nachfragen.
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Das ist – glaube ich –[br]eine ganz gute Strategie.
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Frage: Also, „wer fragt der führt“, und[br]dann spitz reingehen, wenn man sich’s
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traut, und aushält ohne[br]emotional auszuflippen?
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maha: Genau. Ja.
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Beifall
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Herald: Einmal die Frage[br]aus dem Internet, bitte!
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Signal Angel: Es gibt mehrere Fragen.[br]Die erste ist: sind Bezeichnungen wie
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‚postfaktisch‘ und ‚Verschwörungstheorie‘[br]nicht eher schädlich für eine Demokratie,
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da man damit sehr leicht Diskussionen[br]abwürgen kann, und damit so
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den Diskurs schnell beendet?
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maha: Jaa, alsoo, das ist[br]wirklich eine schwierige Frage.
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Also, ich glaube nicht, dass mit…[br]ich denke ‚postfaktisch‘ ist
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einfach wirklich ein gelogenes Wort.[br]Das sollte man dann schon nicht…
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sollte man wirklich vermeiden. Ich glaube[br]nicht, dass dadurch eine Diskussion
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beendet ist. Es ist ja gerade so,[br]wenn man solche weichgespülten,
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also Euphemismen verwendet,[br]das ist auch etwas
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was vielleicht sogar die Diskussion[br]in Gang hält. Die Frage ist nur,
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will man sowas wirklich verwenden.[br]Klar, ich verstehe ja die Frage so,
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dass man sagt, ach das ist alles[br]postfaktisch, also alles gelogen,
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und damit halt den Diskurs[br]beendet. Ja, das ist…
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kann man machen. Wie gesagt, das[br]hängt vom Interesse ab, wieviel Zeit
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man investieren will, wieviel[br]Emotionen man investieren will.
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Durch diese Einigelung,[br]auch semantische Einigelung
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von bestimmten Sprecherinnen und[br]Sprechern kann man im Grunde
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ganz schlecht diskutieren. Deshalb muss[br]man sich zunächst mal über die Konzepte
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verständigen. Und das ist, wenn[br]man diskutieren will, glaube ich,
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der beste Weg. Aber es ist halt ganz[br]schwierig. Deshalb auch wirklich
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die Empfehlung: manchmal ist es auch[br]besser gar nicht weiter zu diskutieren.
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Herald: Mikrofon 3, bitte!
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Frage: Ja, zu dem Begriff ‚postfaktisch‘[br]habe ich noch etwas… eine Frage,
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oder anzumerken. Das kommt ja von einem[br]Artikel aus dem Economist. Und da
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ging es um einen bestimmten Politik-Stil.[br]maha:Ja.
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Frage: Und bei diesem Politik-Stil ging[br]es doch darum, dass die Fakten
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anscheinend gar keine Rolle mehr spielen,[br]maha:Ja.
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Frage: und dass es nur noch um Emotionen[br]geht, also… geht es jetzt um Unwahrheit,
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oder geht es um eine[br]andere Art von Politikstil?
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maha: Ja. Richtig. Im Economist-Artikel[br]geht’s um den Politik-Stil. Da ist ja
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das Wort ‚Post Truth‘ verwendet, was[br]mit ‚postfaktisch‘ dann übersetzt wird.
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Aber das ist… also gemeint ist schon,[br]dass die Politik die dort gemacht wird…
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also es geht sicherlich um den[br]Politik-Stil, aber die Verwendung
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von ‚postfaktisch‘ ist dann insbesondere[br]im Deutschen nochmal eine andere.
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Da geht’s schon um… also das steht schon[br]in einem Verhältnis zu ‚Fake News‘.
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Obwohl zunächst nur der Politik-Stil[br]beschrieben wird. Da kann man sagen,
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gut, das geht noch. Bei dem Politik-Stil,[br]das ist halt ein Politik-Stil der jetzt
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anders ist, weil es nur um Gefühle geht.[br]Aber damit sind wir natürlich mitten auch
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im Populismus. Denn Populismus ist halt[br]das Arbeiten mit Gefühlen und nicht mehr
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mit Argumenten. Also ich würde gar nicht[br]so sehr sagen dass es um Fakten geht,
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sondern es geht um Argumente und[br]Gefühle, die gegenüber gestellt werden.
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Und der neue Politikstil ist halt einer,[br]der mit Gefühlen arbeitet, und damit eben
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populistisch ist. Das hatte ich ja am[br]Anfang, also, Schüren von Ängsten,
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einfache Gewissheiten… Die einfache[br]Gewissheit führt dann auch zu einem
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gewissen Wohlfühlen. Denn ich weiß[br]ja wie’s geht. Wir brauchen nur
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das bedingungslose Grundeinkommen[br]und alles wird schön. Ich habe jetzt hier
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die Gewissheit. Also wie gesagt, ich bin[br]ein Befürworter des bedingungslosen
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Grundeinkommens. Nur, das hinzustellen[br]als einzige… als Allheilmittel, als allein
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seligmachend ist natürlich nicht die[br]Lösung. Und das ist eben genau dieses
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Arbeiten mit Gefühlen, was man eigentlich[br]nicht will. Das ist nicht… das basiert
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nicht auf Fakten. Aber die Verwendung[br]von ‚postfaktisch‘ ist jetzt schon relativ
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synonym mit ‚Fake News‘. Also da geht[br]es schon um Äußerungen. Deshalb:
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die kann man dann auch[br]wirklich ‚Lüge‘ nennen.
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Herald: Mikrofon 4, bitte!
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Frage: Hallo, du hast gerade verschiedene[br]Begriffe gezeigt für ‚Flüchtlingsschwemme‘,
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‚Flüchtlingskrise‘ usw. Mir ist in[br]den letzten Wochen aufgefallen,
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dass das Wort ‚Flüchtlingsfrage‘ in[br]den Medien oft verwendet wird…
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maha: Ja![br]Frage: …und das erinnert mich ein bisschen
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an ‚Judenfrage‘. Das ist so…[br]Beifall
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…die einzige Verbindung, die ich habe.[br]Ja? Und ich warte noch darauf, dass
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wir jetzt von der „Endlösung der[br]Flüchtlingsfrage“ irgendwie reden.
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maha: Hm-hmm. Ein[br]sehr interessanter Punkt.
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Weil tatsächlich… also[br]ich glaube du hast recht,…
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Frage: Weil das hast du in[br]linken und rechten Medien, ne?
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maha: Die Leute die das… Ich[br]muss mal nach den Kontexten
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von ‚Flüchtlingsfrage‘ suchen. Es könnte[br]in der Tat so sein, dass das jemand
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aufgebracht hat genau mit dieser[br]Assoziation, die ich auch habe.
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Aber natürlich ist ‚Frage‘[br]noch neutraler als ‚Krise‘.
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So dass möglicherweise Leute das[br]Wort ‚Flüchtlingsfrage‘ übernehmen,
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weil sie denken, ja, ‚Krise‘[br]ist mir jetzt zu reißerisch,
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sagen wir doch lieber ‚Flüchtlingsfrage‘.[br]Und im Grunde – und das ist einfach
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das Perfide an dem Wort – weckt das die[br]Assoziation, tatsächlich, zu ‚Judenfrage‘.
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Genau. Also das ist… das muss ich mir[br]anschauen. Das ist eine super Beobachtung.
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Das war mir noch nicht aufgefallen. Ja.[br]Frage: Gut, danke!
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Beifall
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Herald: Eine Frage aus dem Internet!
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Signal Angel: Die Frage lautet: Was ist[br]deiner Meinung nach die Ursache
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für die Verschiebung der[br]Argumentation weg von Fakten,
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hin zu einer emotionalen Variante?
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maha: Na, der Hintergrund ist eine[br]Strategie. Also vielleicht habe ich das
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nicht deutlich genug gemacht. Also, das[br]sind hier Leute, die tatsächlich eine
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Strategie haben. Das wird ja überlegt![br]Ich meine, ich wollte jetzt nicht so sehr
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die Äußerungen von bestimmten[br]Parteimitgliedern bringen, denen man
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vielleicht hier nicht eine Plattform bieten[br]will. Aber die sagen ja auch tatsächlich,
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„wir wollen provozieren, das ist unsere[br]Strategie“. Und auf der anderen Seite,
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„wir wollen in diesen Diskurs kommen“.[br]Also es gibt so eine Doppelstrategie.
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Auf der einen Seite auch die[br]Wiederaufnahme durch die Medien,
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das macht man mit diesen Termini, die dann[br]so ein bisschen harmlos daherkommen.
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Und auf der anderen Seite die Provokation,[br]indem man dann mal sagt, „Ja, ‚völkisch‘
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muss wieder ein normales[br]Wort sein!“. Was es nie war.
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Herald: Mikro 2, bitte!
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Frage: Ich habe in letzter Zeit öfter die[br]Kritik gehört, dass irgendwie ein
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öffentlicher Diskurs behindert werden,[br]oder eingeschränkt werden würde, indem
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Leute mit besonders starken Wörtern[br]bezeichnet werden, die in dem Fall
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angeblich gar nicht zutreffen würden.[br]Z.B. dass irgendjemand der gegen
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die Ehe für alle ist, dann irgendwie sagt:[br]„Okay, die Ehe sehe ich jetzt irgendwie
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zwischen Mann und Frau, aber es können[br]ruhig alle Leute machen, was sie wollen.
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Sie sollen es halt nur nicht ‚Ehe‘[br]nennen.“ Dass die als homophob
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bezeichnet werden würden.[br]maha: Als was bezeichnet?
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Frage: Homophob. Z.B. Oder Leute als[br]Rassisten bezeichnet werden würden
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wo andere Leute sagen „Okay,[br]Rassismus ist Rassenideologie, ich sehe
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das gar nicht so, dass das Rassisten sind“[br]etc. Und dass quasi so ein Diskurs
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behindert werden würde. Was ist Ihre[br]Meinung dazu? Und wie kann ich vielleicht
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darauf antworten wenn[br]ich das nicht so finde?
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maha: Hm. Tja. Das ist in der[br]Tat eine schwierige Sache.
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Also… ich meine ich habe ja[br]auch hier vertreten, dass Leute
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die dann sowas sagen[br]wie ‚schwulenkritisch‘,
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dass die vielleicht was anderes[br]besser sagen sollten. Klar.
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Also es ist eine ganz schwierige[br]Geschichte. Man müsste sich dann
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genauer ankucken, wer da[br]spricht. Also manchmal
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– ich habe das ja vorhin schon gesagt –[br]manchmal ist es gut wenn man den Diskurs
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gar nicht erst aufnimmt. Dann ist es[br]auch gut, wenn man gleich sagt, „Nee,
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also auf dieser Ebene möchte ich nicht[br]diskutieren.“ Oder dass man halt
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hinterfragt, oder dass man nochmal fragt:[br]„Wieso… was ist da eigentlich gemeint
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mit sowas ‚ich lehne die Ehe für[br]alle ab‘ oder ‚ich bin für die Ehe
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für Mann und Frau, NUR[br]zwischen Mann und Frau‘?“
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Natürlich kann man – wenn das jemand[br]sagt – kann man schon sagen, dass
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diese Person irgendwo was gegen[br]die gleichgeschlechtliche Ehe hat.
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Also dieser feindlich gegenüber steht.[br]Das ist ja dann nicht unbedingt
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das Ende eines Diskurses. Aber ich[br]glaube, dann zu sagen dass so jemand
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schwulen- oder lesbenkritisch ist,[br]ist glaube ich nicht zutreffend.
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Frage: Würden Sie…
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Herald: Entschuldigung, ich[br]muss das hier abbrechen.
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Einen Riesenapplaus für Martin Haase!
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Beifall
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Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de[br]im Jahr 2017. Unterstütze uns!