33C3 Vorspann-Musik
Applaus
Herald: Ihr alle kennt ihn,
ich muss ihn nicht großartig ansagen:
Martin Haase, oder maha, mit der
'Sprache der Populisten', und ich sollte
euch noch eins sagen: dieses Mal nicht
alles lernen! Das ist die falsche Sprache.
Applaus
maha: Ja vielen Dank. Ich glaube ich werde
das erste Mal ins Französische übersetzt,
das ist schon was Besonderes. Also ich
kann auch Französisch, also die Sprache.
Lachen
Und ich werde mir das hinterher anhören,
trotzdem vielen Dank dafür,
also finde ich ganz toll.
So, ja, es geht um die Sprache der
Populisten, insbesondere um das Deutsche.
Und ich werde natürlich auch wieder
ein paar Videoschnipsel zeigen. Und
wenn man da was lernen kann, dann kann man
vielleicht was lernen von den Journalisten
in den Videoschnipseln, die halt
dann doch die Gesprächspartner
in Verlegenheit bringen, und das kann man
sich so ein bisschen abgucken, denn
es geht vor allen Dingen um seltsame
Konzepte. Das ist auch der Gegenstand
meines Vortrags. Und wenn man da Fragen
stellt auf der Ebene, dann bekommt man
doch auch ganz überraschende Antworten.
Wenn wir aber über Populisten sprechen,
müssen wir natürlich erstmal wissen,
"was ist überhaupt Populismus?". Und da
steigen wir gleich mit einem Videoschnipsel
ein, was uns einen Eindruck gibt, und dann
versuche ich das auch noch ein bisschen
definitorisch zu erfassen. Dieser nette Herr
wird uns das jetzt erklären.
Audio/Video-Wiedergabe beginnt
Befragter: Meine Kritik ist, dass ihr
nicht die Wahrheit sagt! Grölen im Hintergrund
Interviewerin: Über Flüchtlinge?
B.: Nein, ihr berichtet keine Wahrheit.
Seit dem ganzen Drama.
I.: Warum sind Sie heute Abend hier?
B: Weil das alles eine Schweinerei ist.
I: Was denn genau?
B: Was denn genau? Dass hier das
zu einem islamischen Staat werden soll.
Und die armen Christen, die dort
unten getötet werden - Kopf ab -
weil, wenn ihr den Koran kennt,
dann wüsstet ihr, dass der Koran
ganz schlimm gegen die Christen ist.
I: Sie wissen aber schon, dass ganz viele
der Flüchtlinge, gerade aus Syrien
und dem Irak, fliehen vor Bomben,
vor Fassbomben, vor Folter,
vor Vergewaltigung...
B: Warum fliehen die? Die sollen zuhause
bleiben, sollen ihr Land wieder aufbauen.
I: Im Krieg?
B: Wir haben auch Krieg gehabt, sind wir
weggelaufen? Wir haben unser Land aufgebaut
und sind nicht woanders hingegangen,
und haben gejammert. Bleibt...
Audio/Video-Wiedergabe endet
maha: Okay. Also wir merken schon
so ein bisschen, worum es geht
und wie es funktioniert. Also Wahrheit
war ein ganz wichtiger Aspekt hier,
wir werden auf das Konzept Wahrheit heute
auch noch einmal zu sprechen kommen.
Es geht um einfache Gewissheiten, die
eben als Wahrheiten verkauft werden,
und vor allen Dingen geht es
darum, Ängste zu schüren,
Dystopien, wie man sagt. Also Flüchtlinge...
bedrohen... und das ist, glaube ich,
ein ganz wichtiger Aspekt von Populismus
im engeren Sinn. Man kann natürlich
Populismus auch weiter fassen, dann kann
man sagen: naja gut, Parteien sind immer
irgendwie auch populistisch, aber hier
geht es doch um etwas spezifisch engeres,
nämlich es geht hier vor allem um die
Sache mit den einfachen Gewissheiten.
Ängste, und dann aber einfache Lösungen.
Das ging alles los, wir erinnern
uns, mit "Der Euro muss weg".
Jetzt heißt es eher "Flüchtlinge
raus, und dann ist alles gut". Aber
das kann ja nicht sein, es kann eben
nicht alles gut werden. Was passiert,
wenn der Euro weg ist, dann gibt es
vielleicht noch mehr Probleme.
Oder "Steuern runter", das ist auch so eine
einfache Lösung, oder "Merkel muss weg",
und alles ist gut. Aber wer kommt denn nach
Merkel? Seehofer... Lachen Gabriel...
von der Leyen... also, ja okay, hm,
also ich... das ist immer das Problem.
Und es gibt sicherlich noch weitere Dinge.
Was hier auffällt, ist, dass immer
irgendwas weg muss, am Besten noch mit
Ausrufungszeichen, also das Ausrufungszeichen
ist ein deutliches Kennzeichen. Es muss
was weg, und dann ist alles gut. Aber
so ist es eben einfach nicht. Insbesondere
möchte ich auf Rechtspopulismus hier
eingehen, und da gibt es auch so drei
Kriterien beim Rechtspopulismus.
Da geht es oft um das Recht der Mehrheit,
also das Recht des Stärkeren,
die Mehrheit, die Starken, die
soll durchgesetzt werden.
Dann oft die Forderung nach einem starken
Staat, Law and Order, also in allen Parteien
die besonders dem Rechtspopulismus
zuzuordnen sind, wir werden noch sehen,
dass sind vielleicht mehr Parteien als man
denkt, geht es immer um Law and Order,
ganz wichtig. Und es gibt Schuldzuweisungen,
Schuldzuweisungen an eine entspezifizierte
Minderheit. Was ist eine entspezifizierte
Minderheit? Also insbesondere, wir haben
schon gehört, in dem Text: Ausländer, die
gleichgesetzt werden mit Flüchtlingen
- natürlich sind nicht alle Ausländer
Flüchtlinge - die werden gleichgesetzt
mit Moslems - wobei auch nicht alle
Flüchtlinge Moslems sind - die werden
gleichgesetzt mit Islamisten, und die
werden gleichgesetzt mit Terroristen.
Das ist also die Minderheit, gegen die es
geht. Also Ausländer am Ende gleich
Terroristen. Es gibt da noch so Varianten
zum Rechtspopulismus. Eine Variante
die so ein bisschen im liberalen oder
libertären Raum zu finden ist, da geht es
dann nicht so um das Recht der Mehrheit,
sondern um das Recht der Leistungsträger,
da wird dann auch nicht immer ein starker
Staat gefordert, obwohl Law and Order
da auch oft auf der Agenda steht, sondern
es soll um Steuersenkungen gehen.
Wie man natürlich Steuersenkungen mit
Law and Order in Verbindung bringt, ist
nicht immer klar. Und da gibt es dann
andere entspezifizierte Minderheiten.
Was man so hört aus der liberalen Ecke
ist dann immer "die Transferempfänger".
Also ein Vertreter der CDU hat mir im
September gesagt "Die Beamten sind schuld,
weil die alle keine Krankenversicherung
zahlen". Komisch, ich bin Beamter und
zahle Krankenversicherung. Also sowas hört
man da. Dann gibt es noch eine Variante
die manchmal auch als Linkspopulismus
bezeichnet wird, aber ich denke, das ist
nicht das Konzept, das ist, glaube ich,
auch rechts. Da wird dann gesagt:
"Die Mehrheit sind die 99% oder 99.9%", da
wird auch oft nach einem starken Staat
gerufen der das dann regelt, und die
Schuldzuweisungen. Schuld sind die 1%
oder 0.1%, also auch eine Minderheit. Und
jetzt ist natürlich klar, es gibt natürlich
wenig Reiche und viele, die nicht so reich
sind, aber wenn man dann näher nachfragt,
wer denn diese 0.1% sind oder 1%, dann
hört man oft "ja..." Wir werden das gleich
noch hören, also das fantasiere ich mir
nicht zusammen. Wir hören gleich noch
einen Originaltext dazu. "Ja, das sind
die Rothschilds". Und das ist natürlich
irgendwie seltsam. Außerdem ist es
natürlich so, dass das Finanzsystem
durchaus durch mehr Leute getragen wird,
die Aktien haben oder die auf eine Rente
hoffen, die irgendwo durch Investitionen
zustande kommt. Also so einfach
ist das nicht, dass alles Geld bei 0.1%
ist. Ja, und wenn wir jetzt zur Sprache
kommen, dann gibt so einen Punkt, und das
hat auch was mit den, mit der Minderheit
zu tun, die vor allen Dingen im Fokus
steht. Ein Punkt, den wir hier schonmal
hatten, nämlich den "Flüchtlingstsunami".
Und da sieht man eben Entmenschlichung
dadurch, dass eben von einem Tsunami die
Rede ist, das haben wir hier ja schonmal
thematisiert. Es gibt dann auch die
Variante "Flüchtlingslawine",
"Flüchtlingswelle" und "Flüchtlingskrise",
und das interessante ist, je weiter wir
runtergehen in dieser Liste, umso mehr
Hits findet man, wenn man danach sucht,
und "Flüchtlingskrise" ist sozusagen das
gängige Wort, was wir eben tatsächlich
auch in der Presse finden, und meine
Hypothese, die ich dann auch Ende
aufgreifen werde, ist, dass auf diese
Weise natürlich auch die Sprache
der Populisten in die allgemeine Sprache
eindringt, denn in Zeitungen, in den Medien
hört man immer mal wieder was von
"Flüchtlingskrise", Und im Grund ist
"Flüchtlingskrise" zwar nicht so ein krasser
Begriff, also nicht so ein Dysphemismus
wie "Flüchtlingstsunami", aber immerhin
ist es auch etwas, was die Minderheit
entmenschlicht und eben dann auch dafür
steht, eben die Wirklichkeit in so einer
besonderen Weise darzustellen. Was dann
endet mit solchen Äußerungen, wie ich
auch gefunden habe in den Videos, die ich
auch gleich noch zeigen werde, dass Leute
sagen "Wir sind fremd im eigenen Land".
Was natürlich paradox ist, denn das
eigene Land ist eben gerade das, wo
man nicht fremd ist. Also die Definition
von "fremd" passt nicht zu dieser
Äußerung. Aber diese Art von Paradoxien,
die finden wir halt immer wieder, deshalb
werden wir uns auch heute ein bisschen
mit Semantik beschäftigen, also
mit der Bedeutung von Wörtern.
Und da gibt es eine Reihe von Wörtern die
ich als "verbogene Wörter" bezeichnet habe,
weil man sie zunächst einmal gar nicht
versteht. Man weiß gar nicht, was soll
das sein? Und erst bei einigem Nachdenken
oder Nachforschen kommt man darauf,
dass das irgendwie was Sonderbares
ist und dann auch im Kontext von
Rechtspopulismus steht. Das erste Wort,
das mir über den Weg gelaufen ist, ist
"Ethnopluralismus". Das klingt super,
Pluralismus, ganz toll, Ethnopluralismus.
Ja, was ist damit gemeint? Es ist
tatsächlich auch ein Kampfbegriff,
wir werden nachher auch noch weitere
solche sehen, bei dem es darum geht,
dass gesagt wird: "Ja, wir sind ja für
Pluralität, aber jede Ethnie, also jeder
Volksstamm soll da bleiben, wo er
hingehört." Also irgendwie in Afrika.
Das ist so das, was sich dahinter
verbirgt. Und ein ganz anderes Wort,
das ich auch zunächst nicht verstanden
habe: Die "Bahnhofsklatscher". Da habe ich
gedacht, Bahnhofsklatscher, vielleicht
irgendwas mit Silvester in Köln, oder so?
Nein, es ist was anderes. Es gibt eine
Variante davon, dann hab ich es dann
auch besser verstanden: die "Refugees
welcome"-Klatscher oder einfach nur
"Welcome-Klatscher". Das sind also
diejenigen, die offensichtlich Leute
begrüßen, die in Deutschland ankommen.
Also wir sehen da schwierige Semantik,
die man also erstmal begreifen muss, wenn
man nicht zu dieser Filterbubble gehört.
Dann gibt es Umdeutungen. Und das ist
halt besonders interessant. Das ist auch
die besondere Gefahr bei der ganzen Sache,
wenn ganz normale Wörter verwendet werden,
die plötzlich was anderes bedeuten, dann
gibt es natürlich da die Möglichkeit, dass
jemand plötzlich überzeugt wird von
Argumentationen, weil er sie etwas anders
versteht. Eine dieser Umdeutungen,
die wir häufig finden, betrifft das Wort
"Demokratie". Das hört man oft auch in
den Videos, die ich noch zeigen werde,
"Demokratie", da wird mehr Demokratie
gefordert, und natürlich sind wir alle
für mehr Demokratie. Und wenn man dann
aber genauer nachhört, was damit gemeint ist,
dann wird so ein bisschen Etymologie
betrieben. Also der Wortursprung.
'Demos' - das Volk, 'kratie' - die
Volksherrschaft, also "mehr Volksherrschaft",
und "wir sind das Volk". Also diejenigen,
die sowas sagen, sagen also "Wir wollen
herrschen". Obwohl sie nicht das gesamte
Volk sind. Und zu Demokratie gehört eben
auch sowas wie Minderheitenschutz, aber
hier geht es dann meistens darum, dass
die Mehrheit bestimmen soll, und das eben
auch, äußert sich dann auch in Forderungen
nach direkter Demokratie, was eigentlich
eine gute Forderung ist, aber es soll eben
das Volk entscheiden und nicht irgendeine
Elite. Dabei beruht Demokratie schon
darauf, dass Verantwortung deligiert wird
und bestimmte Leute anderen gegenüber
verantwortlich sind. Der andere umgedeutete
Begriff ist "Wahrheit". Wir hatten das
vorhin schon gehört, Wahrheit, was ist
eigentlich hier mit Wahrheit gemeint? Ja,
Wahrheit wird verstanden als das, was in
der "Meinungsdiktatur" der "Lügenpresse"
unterdrückt wird. Also es gibt auf der
einen Seite die Meinungsdiktatur,
die Lügenpresse, und das andere ist
die Wahrheit. Als ob genau das, was
unterdrückt wird, schon allein per se
dadurch dass es unterdrückt wird,
Wahrheit ist. Die Frage ist, ob es
überhaupt unterdrückt wird.
Das werden wir dann auch noch sehen. Also,
es gibt diesen Nebensatz "Wahrheit und
Meinungsdiktatur/Lügenpresse", auf der
anderen Seite die Meinungsfreiheit.
Die Meinungsfreiheit, die man vertreten
will, im Gegensatz zu dem "Maulkorb"
und der "Zensur", die allenthalben zu
finden ist. Also auch "Meinungsfreiheit"
wird umgedeutet, in einer bestimmten
Weise, dass hier eben die eigene Meinung
gemeint ist, oder eben die Meinung,
die vermeintlich unterdrückt wird.
Wir hören uns das mal an, hier haben wir
so eine Argumentation, wieder aus diesem
ZDF-Beitrag. Gelächter
Audio/Video-Wiedergabe beginnt
Befragte: Die Presse kann doch hier weg!
Interviewerin: Und deswegen darf er mich schubsen?
B: Nein, das nicht!
Das ist nicht in Ordnung.
I: Na wenigstens das.
B: Aber die Berichterstattung
können Sie sich ersparen,
weil die Wahrheit
bringen Sie sowieso nicht.
I: Aber wenn wir nicht berichten, heißt
es doch auch, wir würden zensieren.
Was wollen Sie denn jetzt?
B: Jaja, sicherlich wird das zensiert!
Wo haben Sie denn hier objektive Berichterstattung?
I: Was fehlt Ihnen denn?
B: So, und bitte, das war nur,
was ich sagen wollte.
I: Na dann. Durfte sie ja jetzt auch.
B: Die Wahrheit!
I: Was ist denn die Wahrheit?
B: Ja, aber nicht Ihre.
I: Was ist denn Ihre Wahrheit?
B: Nicht Ihre Wahrheit.
I: Ich weiß gar nicht, was meine ist.
B: Hören Sie hier zu, das ist
die Wahrheit. Und nicht, was
'unsere Politiker' hier veranstalten.
I: Ich würde gerne wissen...
das sind auch Politiker!
B: Aber die sind nicht in der Regierung!
I: Und was ist jetzt
nochmal Ihre Wahrheit?
B: Das ist nicht Ihre. Hören Sie hier zu
- da hören Sie sie.
I: Ich versteh's nicht, lassen
wir's. Ich versteh's nicht.
Lachen im Saal
andere Demo-Teilnehmer befragt:
I: Ersthaft - wie könnte denn eine Lösung aussehen?
Audio/Video-Wiedergabe endet
maha: Hm. Also Wahrheit ist eben das,
was irgendwie unterdrückt wird, und man
weiß es nicht genau, aber wenn es
unterdrückt wird, ist es die Wahrheit.
Also das ist, irgendwie, das, was hier
rauskommt. Ein bisschen erinnert mich das
an 1984, wir erinnern uns: "War
is Peace", "Freedom is Slavery",
"Ignorance is Strength". und 'ignorance'
wird natürlich nicht mit Nichtwissen
übersetzt, aber ich denke, hier ist
auch wieder Ignoranz gemeint.
"Ignoranz ist Stärke". Und das ist auch
die Überschrift für den nächsten
Abschnitt hier. Da sieht man auch wieder
solche Verschiebungen in der Bedeutung.
"Gutmenschen" und vor allem das
"Gutmenschentum" ist so ein Begriff,
der immer auftaucht ich hab das hier auch
mal rausgesucht aus Google Trends,
was Leute gesucht haben und da sieht man
in der Tat, Gutmenschen gab es wohl schon,
dann nimmt das irgendwie zu, Ende 2012.
Und dann gibt es hier die ganzen
Ausschläge 2016, wo das Wort "Gutmenschen"
tatsächlich wichtiger wird. Aber es
verändert dabei seine Bedeutung. Den
'Gutmensch' - eigentlich ist das sowas
wie der 'Naivling', möglicherweise 'ne
Lehnübersetzung, aus Französisch
'bonne homme', netter Kerl, 'bonne
homme'. Es ist abgeleitet: 'bonhomie',
die Gutmütigkeit. Aber jetzt verschiebt
sich das. Und die Gutmenschen sind
die eigentlich Bösen. Das sind irgendwie
Böse, wir werden das gleich noch sehen,
an Komposita. Gutmenschen sind also
plötzlich für die Sprecher des
Populisten-Sprechs böse Menschen. Und
zwar sind sie besonders deshalb böse weil
sie die sogenannte 'politisch korrekte
Sprache' benutzen. Auch so ein Feindbild.
Politisch korrekte Sprache wird eben hier
auch als was sehr negatives angesehen.
Auch im Grunde ein Kampfbegriff. Man
ist gegen die politisch korrekte Sprache.
'Gut' ist eben für Rechtspopulisten
diejenige Sprache die nicht
politisch korrekt ist. Und man erkennt
jetzt - dass eben gerade Gutmenschen
was Böses sind - an Komposita.
Ich habe hier ein paar gefunden.
Nämlich 'Toleranzfaschismus', 'Gutmenschen-
faschismus' und 'Sprachfaschismus'.
Interessant ist dabei, dass ich den Beleg
'Tolleranzfaschismus' nur mit 2x L
gefunden habe.
Gelächter und Applaus
Ja, ich bin gefragt worden, vor einiger
Zeit, von einer Journalistin, wie man
eigentlich Fake-News erkennt. Und ich habe
gesagt, naja, wenigstens die Rechtschreibfehler
sind ein guter Hinweis. Was nicht heißen
soll, dass News ohne Rechtschreibfehler
keine Fake-News ist. Aber wenn
Rechtschreibfehler drin sind, dann
muss man sich schon fragen, ob das
wirklich alles so ist, wie es dargestellt wird.
Das liegt jetzt nicht - also ich
will jetzt nicht Leute bashen
mit Rechtschreibschwächen, ich selber
habe ja auch eine gewisse Neigung dazu,
aber was man da macht, ist, also wenn
man eine Rechschreibschwäche hat, ist,
seine Texte durch andere lesen zu lassen.
Und wenn eine Nachricht eine richtige
Nachricht ist, haben die bestimmt auch
viele Leute angeschaut. Und dann
gibt's halt nicht mehr so viele
Rechtschreibfehler. Also, von daher,
kann man an der Zahl der
Rechtschreibfehler schon erkennen,
dass etwas nicht stimmt, oder 'ne
Einzelposition darstellt. Ja, wir werden
weiter
darauf eingehen, was es zu bekämpfen
gilt. Dann ist es das sogenannte
'Gender-Mainstreaming'. Gender-
Mainstreaming wird auch als
etwas negatives umgedeutet. Also Gender-
Mainstreaming, damit ist ja eigentlich
gemeint, ursprünglich, die Möglichkeit
dass eben Geschlecht, was
weniger sichtbar ist, sichtbar gemacht
wird. Also, in den Mainstream 'reinkommt.
Aber hier ist irgendwie 'was sonderbar
Negatives gemeint. Und deshalb finden
wir für's Gender-Mainstreaming auch
Ersatzwörter. Nämlich 'Gender-Ideologie',
sehr häufig, 'Genderismus' sogar, 'Gender-
Wahn' oder 'Gender-Wahnsinn', und
'Gender-Faschismus'. Wieder der
Faschismus. Der ist immer schnell dabei.
Und jetzt denkt man sich "naja, was wird
da gemeint sein mit Gener-Faschismus?
Dass irgendwie ein Geschlecht das andere
unterdrückt oder so? Nein, es geht hier
um Sprache. Und wir hatten vorhin auch
das mit dem Sprach-Faschismus. Also,
unter Gender-Faschismus wird vor allen
Dingen verstanden, dass irgendwie,
tatsächlich, wie beim Gender-Mainstreaming
gefordert, die Mehrgeschlechtlichkeit eben
sichtbar gemacht wird in der Sprache. Das
wird eben als bekämpfenswert angesehen,
und als 'Faschismus' angesehen. Im
gleichen Bereich ein anderer Begriff, der
auftaucht. Die sogenannte
'Frühsexualisierung'. Interessant ist
vor allen Dingen, dass das Wort
'Sexualisierung' kaum zu finden ist.
Abder 'Frühsexualisierung'. Offensichtlich
gibt es Sexualisierung nicht ohne 'Früh'.
Aber die Wikiopedia weiß auch, dass es
hier um einen Kampfbegriff geht. Das
steht da auch in der Wikipedia direkt, in
der Definition von 'Frühsexualisierung'.
Also hier können wir sehen wie die Trends
sind, wann das so auftaucht. 2006/2007
gibt's die Diskussion zunächst in der
Schweiz. Dadurch dieser erste starke
Ausschlag. Und dann gibt's da nochmal so
Ausschläge. Und dann ab 2011 immer mehr
das Thema 'Frühsexualisierung'. Weil
das eben auch von rechtspopulistischen
Parteien immer vorgebracht wird. Mal
Bildungsplan in Hessen, Regelungsplan (?)
in Baden-Württemberg. Da wird jetzt gesagt
also Sexualkunde für Pubertierende
das ist eben 'Frühsexualisierung'. Gemeint
ist da aber - ich meine das steckt in dem
Wort 'Frühsexualisierung' drin - warum
'früh'? Früh eben weil man da irgendwie
so andeuten will, dass es vielleicht
irgendwie was mit Verführung von
Kindern zu tun hat. Da sind wir dann so
im pädophilen Bereich. Also das soll
auf jeden Fall stigmatisiert werden. Und
es geht einfach nur um Sexualkunde!
Das ist eben hier der Begriff der
eingesetzt wird um dagegen zu opponieren.
Dann das Wort "völkisch", das plötzlich in
den Diskussionen kam. wo dann Frauke
Petry sagte, das Wort "völkisch" muss jetzt
wieder benutzbar sein. Da muss man sich
natürlich ankucken wo das herkommt. Das
erklärt uns dieser Philosoph: laut Johann
Gottlieb Fichte, also am Anfang des
19. Jahrhunderts, das Wort "völkisch"
ist nämlich für ihn eine Lehnübersetzung
für das Wort "deutsch". Und zwar "deutsch"
ist ja abgeleitet aus Althochdeutsch
"diota" plus Adjektivendung "-isk",
also gibt's so 'ne Form wie "djutisch",
"djutsch", aus der dann "deutsch" sich
weiterentwickelt. Und eben "Volk" und
"-lich"... oder "Volk" und "-isch" ist das
eigentlich. Deshalb "Volk-isch" oder
"völkisch". Das wird dann in der Folge,
im 19. und 20. Jahrhundert verwendet für
"national". Als Übersetzung für "national"
weil man da eben der Meinung war, man muss
für "national" auch ein deutsches Wort haben.
Aber dadurch dass es im Grunde so 'ne
Lehnübersetzung für "deutsch" ist, ist es
halt insbesondere eben mit Bezug auf
Deutschland verwendet, und das geht dann
im 20. Jahrhundert los... Das ist hier
Google Engrams (?), also während des
1. Weltkriegs, dass man hier eben
besonders in anitsemitischen Zirkeln
das Wort "völkisch" benutzt, eben auch
in der Bedeutung "nicht-jüdisch". Und
man sieht also ganz deutlich durch den
Ausschlag um 1940 herum, dass es sich
eben um einen Terminus handelt, der im
Nationalsozialismus 'ne besondere
Bedeutung hat. Dass das dann nachher noch
kommt, hängt natürlich auch damit zusammen
dass in Büchern der Nationalsozialismus
aufbearbeitet wird. Wenn wir uns jetzt
die Trends anschauen, heute, "völkisch"
poppt da einmal auf, 2016, das ist eben
genau der Punkt, wo das in die Diskussion
geworfen wird. Und dann gibt's dann auch
so 'n bisschen weitere Diskussion zu
"völkisch", und dann verschwindet es
eigentlich wieder. Also man sieht, dass
hier ein Wort verwendet wird was
eigentlich keinen Erfolg hat. Und dann
eben auch gleich wieder verschwindet.
Ein bisschen anders sieht es mit einem
anderen Nazi-Terminus aus, dem Terminus
"Umvolkung". Das erfreut sich dann doch
weiterhin einer gewissen Beliebtheit.
Und wird aber auch umgedeutet.
Das bedeutet was anderes als es
vor allen Dingen um 1940 bedeutet hat.
Denn da ging es darum, dass es -
- naja gut, ich komm' gleich drauf. Also
was hier jetzt passiert, ist, in neuerer Zeit,
dass "Umvolkung" eintritt als Verstärkung
- es ist auch stärker als "Überfremdung".
Also zunächst mal wird das Wort
"Überfremdung" verwendet, das war auch
'Unwort [des Jahres] 1993', und stattdessen
in den rechten Kreisen wird jetzt das Wort
"Umvolkung" verwendet. Also ein Wort,
was aus der nationalsozialistischen
Volkstumspolitik stammt... hier ist auch
der Erfinder des Konzepts, Albert Brackmann,
ein Historiker, der für die sogenannte
"Ausbreitung nach Osten", also Deutsche
sollen nach Osten gehen, eben vorschlägt,
dass dort eben alles wieder deutsch
werden soll. Das nennt man auch
"Germanisierung" / "germanization",
oder eben "Umvolkung". Da sollen eben
Leute zu Deutschen gemacht werden,
die eben vielleicht jetzt schon slawisiert
worden sind. Also solche Vorstellungen
stecken dahinter. Und jetzt wird das aber
ganz anders verwendet. Und es kommt
wieder auf. In Österreich und Deutschland
schon um 2012 herum. Und da geht es nun
darum, dass angeblich in Deutschland und
Österreich eine sogenannte "Umvolkung"
stattfindet, dadurch dass eben Menschen,
also Ausländer, hinkommen und dadurch
sich das Volk eben verändert, nicht mehr
deutsch wird, sondern ersetzt wird.
Wir hören da gleich auch noch einen Text
dazu. Das heißt also, "Umvolkung" hat
sowas mit einer Opferrolle zu tun. Also
jetzt plötzlich sind die Deutschen Opfer
einer vorgeblichen Umvolkung.
Und das hören wir uns jetzt an.
Von einer Demo in Dresden. Da sehen wir
erstmal Plakate, die sind schon ganz
interessant. Und dann hören wir wie
das abläuft, mit der Umvolkung.
Und hier wird uns auch wieder eine
'Wahrheit' präsentiert. Also wir
erfahren jetzt von dem Gesprächspartner
was wirklich, in Wahrheit, seiner Meinung
nach, vor sich geht.
Audio/Video-Wiedergabe beginnt
Interviewer: Was ist denn Ihre Forderung?
Sie sagten hier, "die berechtigten Ford..."
Antwort: Meine Forderungen kann ich Ihnen
sagen. Man muss erstmal die Leute aufklären.
Dass wir kein souveränes Land sind, mit
keiner souveränen Regierung. Dass die
Befehle aus Tel Aviv und Washington
kommen. Und die U.S.A., die U.S.A. wird
wieder regiert von der IPAC, einer
jüdischen Lobby. Das hat nichts mit
'rechtslastig' zu tun, das ist Tatsache!
Ein Herr Ros Soros finanziert
die Republikaner. Die Demokraten
finanzieren... die Demokraten!
Gelächter im Saal
Und jetzt frage ich Sie: mit welchem Recht
wird die Bevölkerung ausgetauscht, obwohl
die Bedürfnisse der Wirtschaft
und Gesellschaft nicht gegeben sind? Wenn
hier auch Akademiker sich von Praktikum
zu Praktikum hangeln müssen. Und das auf
eine freie Stelle, das ist der Traum der
globalen Wirtschaftslobby! Dass sich nicht
nur 10 bewerben, sondern möglichst 1000.
Interviewer: Was muss sich denn ändern?
Antwort: Wie bitte?
Interviewer: Wie soll sich das denn ändern,
Ihrer Meinung nach?
Antwort: Das kann ich Ihnen sagen. Indem
man erstmal genau schaut, was für Menschen
herkommen. Ich wurde vor paar Tagen
diffamiert, weil ich gesagt hatte, man
müsste schon im Mittelmeer die Flüchtlinge
abfangen, und den Flüchtlingsstatus
aberkennen. Wissen Sie was man zu mir
gesagt hat? Ich wäre ein Nazi! Das Gleiche
praktiziert die australische Regierung.
Sind jetzt die Australier alle Nazis?
So sieht's aus, genau so sieht's aus. Denn
die Flüchtlinge die hierher kommen, denen
muss man, wenn sie schon herkommen,
eine Perspektive bieten. Und die sind
nicht gegeben. Wir haben weder die
Arbeitsplätze, noch den Platz. Schauen Sie
sich doch die westlichen Großstädte an!
70%, kann man 80% sagen, sind doch
keine Deutschen mehr. Ist das ein normaler
Trend? Ich weiß es nicht. Ich habe nichts
gegen andere Nationen. Und auch nichts
gegen andere Kulturen. Aber es kann
nicht sein, dass weil die ISIS... Die ganzen
Bürgerkriege werden von der U.S.A.
angezettelt und manipuliert. Und die
ganzen Wörtschaftsflüschtlinge,
die sind ja selber-entwurzelnd für die
ihre Heimat bestohlen. Und wenn sie
das bringen, dann bin ich gespannt, ob Sie
noch Ihren Arbeitsplatz behalten. Danke.
Gelächter im Saal
Audio/Video-Wiedergaben endet*
Applaus
maha: Ja, also jetzt wissen wir Bescheid.
Endlich die Wahrheit, ne? lacht
Die vielleicht doch nicht 'Wahrheit' ist.
Ja, im Übrigen kann man sagen, also
George Soros hat gegen Bush gespendet,
also nicht für die Republikaner. Außerdem
ist er ungerarisch-stämmiger Amerikaner.
Soros ist übrigens ein Esperanto-Name.
Nebenbei erwähnt. Aber, wie auch immer,
also das stimmt alles irgendwie nur
so halb. Und ist eh eine
Verschwörungstheorie. Gut, aber,
man versucht... also der Sprecher hier
versucht irgendwie hinter die Wirklichkeit
zu kommen. Und das versucht man
tatsächlich auch in rechten Kreisen
mit Linguistik. Es wird gerne Ethymologie
betrieben. Also die Wortherkunft
schaut man sich näher an. Und in der
Linguistik gibt's einen Ausdruck der
sehr passend ist durch die neuere
Entwicklung. Da sist allerdings ein
Ausdruck der schon aus dem 19. Jahrhundert
stammt. 'Falsche Ethymologie', oder
'irrige Ethymologie' wird als
'Volksethymologie' bezeichnet. Und das
passt hier einfach sehr schön. Denn die
Ausführungen, dass "völkisch" einfach nur
das Adjektiv zu "Volk" sei, ist eben
Volksethymologie. Wir haben ja vorhin
gehört, dass es damit ganz andere Dinge
auf sich hat. Oder - ist auch glaube ich
allgemein bekannt - die Geschichte -
gerade hier dieser Herr der sagte,
Deutschland sei kein souveräner Staat,
wird das sicher auch begründen könne
mit dem 'Personalausweis', weil man sagt:
"Hier, Personal, ist ja klar. Personal -
das ist 'ne Firma, mit Personal, deshalb
gibt's Personalausweise", und man verkennt
natürlich, dass es hier ethymologisch
nicht passt. Das erste Glied
von 'Personalausweis' ist natürlich
abgeleitet von 'Personalien', also
Informationen über Personen,
und nicht von 'Personal'.
Gut, die Frage ist jetzt, wie sieht die
Zukunft aus? Und die Frage ist
ob die Zukunft tatsächlich den Populisten
gehört. Und der Sache wollen wir jetzt mal
nachgehen. Mit jemandem, der sich auch als
Populist, zumindestens hier, qualifiziert.
Hören wir uns mal an...
Applaus
was er zu sagen hat. Die Leser unseres
Blogs neusprech.org kennen schon
die Auflösung, weil ich versehentlich den
Artikel schon vor der Veranstaltung
veröffentlicht habe. Aber wir werden
gleich noch sehen, dass nach der
Veröffentlichung des Artikels sogar noch
was passiert. Aber erstmal das!
Audio/Video-Wiedergabe beginnt
Horst Seehofer: Wir sind der festen
Überzeugung, dass diese große historische
Aufgabe, die Integration von Flüchtlingen
in unserem Land, dass auch die Zustimmung
der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben
sind, wenn wir nicht zu einer Obergrenze
für die Zuwanderung bei den Flüchtlingen
kommen.
Beifall im CSU-Saal
maha: Ja, donnernder Applaus dafür,
offenbar sind alle der Meinung.
Horst: Der Horst Seehofer und Angela
Merkel, oder Angela Merkel, Entschuldigung,
und Horst Seehofer haben noch immer für
alles eine Lösung gefunden. Wenn das
dein Motto in den nächsten Wochen ist,
Lachen und Beifall im 33C3-Saal
dann bist du wieder herzlich eingeladen!
Beifall im CSU-Saal
maha: Ja, den Rest musste ich noch zeigen.
Audio/Video-Wiedergabe endet
Also es ging um die Obergrenze.
'Obergrenze', ne? Das ist der
entscheidende Punkt. Und man hört
'Obergrenze' und denkt jetzt "Aha,...",
also rechte Kreise denken "Ja,
der Seehofer will halt irgendwie
die Flüchtlinge raushaben, oder weniger
davon haben, oder zumindestens begrenzen".
Und dann wählen solche Leute vielleicht
doch die CSU, die das wollen.
Aber er meint was anderes. Wir haben das
am 7. Dezember im Blog veröffentlicht.
Und am 14. Dezember, das ist das
folgende Interview, erklärt Horst Seehofer
was er meint. Nur wird es wieder
nicht richtig deutlich. Weil es dann
überdeckt wird durch andere Aussagen,
die dann tatsächlich überall in der Presse
erscheinen. Aber was er eigentlich meint
mit der Obergrenze wird nicht richtig
deutlich, und das erklärt warum er auch
so weit gehen kann mit dieser Forderung.
Wir hören uns das mal an.
Audio/Video-Wiedergabe startet
Interviewerin: ...man in Essen, und
zwar nicht nur die Kanzlerin, sondern
eigentlich sehr viele in der Partei ganz
klar gesagt hatten, "Obergrenze wird es
nicht geben!". Jetzt hatten Sie gesagt, die
soll, die muss in den Koalitionsvertrag.
Würden SIe also wirklich lieber in der
Opposition sein als einen Koalitionsvertrag
zu unterschreiben ohne Obergrenze?
Horst: Schauen Sie, seitdem ich Politik
betreibe höre ich immer "das geht nicht",
und "das wird nicht kommen", und es kommt
dann doch. Ich habe mehrere solche Stationen
hinter mir. Ein sehr schönes Erlebnis war
jetzt letzte Woche. Wir haben ja seit
über einem Jahr der Bundesregierung
angeboten, dass sich bayerische
Polizeibeamte an den Grenzkontrollen
zwischen Österreich und Deutschland
beteiligen. Das ist über ein Jahr lang
abgelehnt worden, "geht nicht",
"kommt nicht". Und jetzt sind wir gebeten
worden das zu machen. Wir tun's auch. So.
Und hier wird es genauso sein. Wir werden
zu einer Begrenzung, auch zu einer
Obergrenze kommen. Und das wird ein ganz
wichtiger Punkt für die CSU im Wahlprogramm...
Interviewerin: Also nur um Sie da richtig
zu verstehen...
Horst: ..., Frau Hassel, und wir garantieren
der Bevölkerung, für den Fall, dass wir
uns an einer Regierung beteiligen können,
zunächst muss ja die Bevölkerung
entscheiden ob dies möglich ist, werden
wir garantieren, der Bevölkerung, dass wir
dafür sorgen, dass dies in die
Regierungspolitik Einzug hält.
Für die nächste Legislatur.
Interviewerin: Also wie die Maut?
Horst: Wie die Maut, ja.
Interviewerin: Also erst glauben SIe dass
die Obergrenze... wie die Maut... irgendwann
wird die größere Schwester mürbe und dann
kommt es doch in den Koalitionsvertrag?
Horst: Nicht weil sie mürbe wird, sondern
weil es eine Übereinstimmung gibt.
Ich habe ja auch in anderen Dingen...
Kopfpauschale im Gesundheitswesen
war auch so ein Fall. Da hieß es immer:
"Kommt, kommt, kommt", CDU hat es
auf ihrem Parteitag beschlossen, gegen
eine Stimme. Aber sie ist nie gekommen.
Weil es auch ungerecht gewesen wäre.
Und hier müssen wir doch sehen, dass wir
unsere Aufgaben mit der Zuwanderung, die
übrigens noch viele, viele Jahre anhalten
wird, die Zuwanderung nach Europa, und
damit schwerpunktmäßig nach Deutschland,
dass wir diese Aufgaben der Integration,
der Gewährleistung der Sicherheit im Lande
nur der Bevölkerung versprechen können
dass wir sie schaffen, wenn wir die
Zuwanderung jährlich begrenzen.
Die Begrenzung ist eine Voraussetzung
für die Humanität und die Integration.
Interviewer: Aber, Herr Seehofer,...
Audio/Video-Wiedergabe endet
maha: Ja. Gut, also 'Obergrenze'. Was
hat es damit auf sich, und warum kann er
so weit gehen und sagen: "Ja, das muss
dann als Garantie... also wir garantieren
dass das reinkommt". Naja. Er hat's hier
deutlich gesagt. Er hat nämlich gesagt
es geht um eine Obergrenze der
'Zuwanderung'. Zuwanderung ist aber
was anderes als Flüchtlinge. Bei
Zuwanderung geht es tatsächlich dann
darum dass Leute integriert werden, und
Deutsche werden. Und das will er begrenzen.
Das ist aber eigentlich sonst nicht das
Thema! Aber das hören eben Leute, die
aus rechtspopulistischen Kreisen kommen,
oder aus rechten Kreisen kommen, nicht.
Sondern sie hören: "Ah, Begrenzung, keine
Flüchtlinge, wunderbar, dann passt das."
Aber es geht eben nicht um die Begrenzung
der Flüchtlinge. Mit denen will man dann
schon irgendwie umgehen. Die CSU fordert
ja auch sowas wie "Transitzonen", und so.
Also es ist ja nicht ganz klar wie das
dann laufen soll. Aber es geht um
die 'Zuwanderung'. Aber dadurch dass er
'Begrenzung' und 'Obergrenze' sagt, kommt
die Botschaft an, die CSU tut was gegen
Flüchtlinge. Was sie ja eigentlich nicht tun.
Und deshalb ist das eben auch kein Problem
mit dem Verfassungsrecht, weil man ja nur
immer "Integration", und "Einwanderung",
"Zuwanderung" spricht, und nicht
über Flüchtlinge. Und deshalb kann er ja
auch solche vollmundigen Garantien
ankündigen. Also die Leute hören etwas
anderes als er eigentlich sagt. Und das
ist schon irgendwo bedenklich. Ja. Ein
anderes Wort das ich in einer Talkshow
aufgeschnappt habe, und das so ein
bisschen zeigt, dass irgendwas seltsam ist,
ist dieses: "Multikulti ist gescheitert".
"Multikulti". Was ist 'Multikulti'
überhaupt für ein Wort? Müsste ein
Substantiv, an der Stelle, sein. Aber
man kann keinen Artikel davorsetzen,
'der, die, das Multikulti' - ist so ähnlich
wie 'der, die, das Cyber'!
Cyber? Ist wie Multikulti!
Beifall
Und da ich mit 'Cyber' und 'Multikulti'
jetzt schon 2 solche Wörter habe,
brauchen wir eine Kategorie. Also
ich nenne die 'Pseudo-Substantive'.
Also die irgendwie schwer als Substantive
zu beschreiben sind, und deshalb ist auch
nicht ganz klar was sie bedeuten. Ja, ein
anderes Wort, was ich so ein bisschen auch
als mein persönliches Wort - und da ist
nicht mal ein Wort, sondern ein Wort-Teil -
des Jahres ansehe, ist 'kritisch'. Denn
das zeigt offenbar dass Populismus
sich verbreitet, dass populistische
Argumentationsweisen eben tatsächlich
irgendwie ankommen. Also das liest man,
was jetzt kommt, in Zeitungen. Wir werden
auch die Zeitungen nennen: 'asylkritisch'
war im Focus, in der Welt.
'Zuwanderungskritisch', nee, ich glaube
die 'schwulenkritischen' Äußerungen
hatte ich auch mehrfach, auch, glaube
ich, Focus. Also man kann das leicht
herausfinden, indem man nach diesen
Wörtern googelt. Also das sind Wörter,
die man so in der Presse findet. Und die
sind natürlich schon irgendwie falsch.
Also es gibt sowas wie 'Religionskritik'.
Das ist üblicherweise das, was Angehörige
einer Religion machen. Weil sie
herausfinden was jetzt der wahre Glaube ist.
Also 'kritisch' im griechischen Sinne, dass
man siebt, und das Gute raussiebt.
Aber darum geht's natürlich nicht. Bei
'islamkritisch' lehnt man einfach Islam ab,
oder den Islam ab, und ist nicht kritisch
damit dass gewisse Glaubensgrundsätze
richtig sein sollen und andere nicht. Bei
'asylkritisch' wird auch nicht gesagt
"naja, vielleicht sind die Asylbedingungen
nicht gut", sondern man lehnt Asyl ab.
Und bei 'zuwanderungskritisch'
wird Zuwanderung abgelehnt.
Oder bei 'schwulenkritisch', da geht's ja
nicht darum, dass bestimmte Aspekte
des Schwulseins vielleicht authentischer
sind als andere. Sondern...
Gelächter und Beifall
Ja, wird halt abgelehnt! Also es ist der
Ersatz für '-feindlich'! Also gemeint ist
'schwulenfeindlich', 'islamfeindlich',
'zuwanderungsfeindlich'. Aber es
wird nicht 'feindlich' verwendet, sondern
'kritisch'. Also ein abgeschwächter Begriff,
und das ist normale Pressesprache! Das
ist vielleicht ein Problem. Das gleiche mit
den 'besorgten Bürgern'. Oder 'besorgte
Eltern'. Auch etwas was man ganz normal
in der Zeitung liest, oder in der
Tagesschau hört. Und niemand
hinterfragt das. Interessant ist übrigens,
dass 'besorgte Bürger' selten gegendert wird.
Offenbar... ne? Gelächter
Da ist schon was seltsames, ne?
Ist offensichtlich als Ganzes lexikalisiert
und bedeutet was anderes, nämlich
möglicherweise 'Ausländerfeinde',
'Rassisten'. Und 'besorgte Eltern'
sind möglicherweise Schwulenfeinde. Gut!
Dann kommen wir zum Wort 'postfaktisch'.
Was ja auch Wort des Jahres [2016] ist.
Und fefe hat mich vorher gefragt was
der Unterschied zwischen "Lügenpresse",
"postfaktisch" und Fake-News" ist.
Und klar, "Lügenpresse" ist aus dem
Vokabular der Rechten, das haben wir
vorhin schon gesehen. Da ist "Fake-News"
vielleicht neutral. Aber "Fake-News,
wie "postfaktisch" sind natürlich
Abschwächungen. Bei "Fake-News"
- ist ja eigentlich, ist gar keine News,
sondern falsche Information, Propaganda.
Und dazu sagt man 'Fake-News'. Und
"postfaktisch" ist sogar noch ne stärkere
Abschwächung. Denn es geht ja wieder um
Propaganda, und Lügen. Aber es wird nicht
von 'Lüge' gesprochen, sondern
von "postfaktisch". Interessant ist
wo das Wort herkommt. Das Wort kommt
tatsächlich... hat so einen philosophisch-
erkenntnistheoretischen Hintergrund.
Da geht es nämlich um sogenannte
'Postfaktum-Erklärungen'. Also Erklärungen
die man nur im Nachhinein geben kann.
Wird immer so hingestellt in der
Erkenntnistheorie als wichtiger Unterschied
zwischen den Naturwissenschaften und den
Geisteswissenschaften. In Naturwissenschaften
hat man Erklärungen mit denen man Dinge
vorhersagen kann. Die sind dann...
kann man als 'ante-faktisch' bezeichnen,
oder 'prä-faktisch'. Nein, so wird's
nicht gesagt. Es wird 'ante-faktum' /
'post-faktum' gesagt, meistens
mit den lateinischen Wörtern. Und
'postfaktisch', also Post-Faktum-Erklärungen,
normalerweise sind solche Erklärungen
in den Geisteswissenschaften, die man
nur hinterher hat, dann ist das alles
plausibel. Aber vorher kann man Dinge
nicht vorhersagen. Das hat was damit zu
tun, dass das... natürlich gegen kulturell,
und "Phänomene der 3. Hand",
die halt nicht vorhersagbar sind.
Das ist eigentlich die Herkunft, also von
daher passt's... kennt Angela Merkel
als Physikerin wahrscheinlich den Begriff
"Post-Faktum-Erklärung" und kann das dann
verwenden. Interessant ist jetzt, dass...
also man sagt ja 'postfaktisch' ist
eine Übersetzung von 'post-truth'.
Und hier ist ganz schön auch wieder
die Verteilung bei Google Trends zu sehen.
'Post-truth' wird... taucht das erste Mal auf
in einem New-York-Times-Artikel im
August. Und dann am 24. August 2016.
Und dann kommt es zu einer Wiederaufnahme
im Economist. Das sieht man da auch
beim Ausschlag, nochmal im September,
um den 17. September.
Dann wird das so'n bisschen aufgegriffen.
Auch auf deutsch. 'Postfaktisch' taucht
das 1. Mal auf, ist aber noch relativ
unbedeutend. Bis es dann
nochmal, also ist nochmal ein
'post-truth', im Zusammenhang
mit der Wahl von Trump. Und
danach ist 'post-truth' schon weg,
taucht gar nicht mehr auf. Und dann sagt
die Bundeskanzlerin "postfaktisch",
alle googeln das, und deshalb ist das
da plötzlich hoch, und bleibt auch
relativ hoch. Weil es ja dann Wort des
Jahres [2016] wird, kann man dann
auch wieder einen Ausschlag sehen. Also,
man sieht sehr deutlich, dass das hier
eine gewisse Bedeutung hat, die sogar den
Gebrauch von 'post truth' übersteigt, denn
'post truth' - also ich hab hier die...
nicht die Deutschland-Trends genommen,
sondern die weltweiten Trends. Da würde
man eigentlich erwarten, dass 'post-truth'
viel höher ist. Aber das ist gar nicht
der Fall. Sondern 'postfaktisch'.
wird sehr viel stärker verwendet. Ja.
Und das Problem mit 'postfaktisch' ist
eben tatsächlich, dass es eben Dinge
verharmlost, und praktisch 'Lüge',
oder kontra-faktisches, Falsches
als postfaktisch darstellt, und damit
eben abschwächt. Aber auch das ist
jetzt ein Begriff, der verwendet wird von
allen! Also auch hier, auf dem Kongress
habe ich das öfter gehört. Und
man liest das jetzt immer wieder,
"postfaktisch". Und eigentlich
ist es nicht ganz zutreffend.
Und ich finde, da wo der politische Gegner
halt aufrüstet, da sollte man nicht
darauf hereinfallen und solche Sachen
übernehmen. Sondern vielleicht auch
die Dinge mit stärkeren Worten benennen,
eben z.B. von 'kontra-faktisch' und 'Lüge'
sprechen. Und das möchte ich so ein
bisschen als Empfehlung mit auf den Weg
geben. Und auf der einen Seite liegt uns...
Beifall
Danke schön. Auf der einen Seite die
Konzepte hinterfragen, also wenn jemand
kommt, und mit einem diskutieren will, ich
hatte so eine Podiumsdiskussion, die auch
leider nicht so gut gelaufen ist für mich!
Deshalb empfehle ich nicht, das Video
anzuschauen. Im September [2016],
wo ich auf einem Posium saß, wo es
um quer-Politik, in Berlin, ging. Und wo
auch ein Vertreter einer rechten Partei
saß. Der dann eben auch gleich
losgewettert hat, dass eben auf
der einen Seite natürlich die Flüchtlinge
das quere Leben zerstören werden, und
man deshalb, zum Schutz von Schwulen und
Lesben was tun muss gegen die Flüchtlinge.
Auf der anderen Seite dann aber auch
gesagt hat, ja die 'Frühsexualisierung',
das lehnen wir ab. Also, man muss
den Kindern ja nicht beibringen, dass
irgendwie es verschiedene Lebensweisen
gibt. Also so eine Doppelt-Argumentation.
Einmal schwulenfeindlich, und einmal
- nicht 'sozusagen' sondern tatsächlich -
ausländerfeindlich. Aber
pro-Schwule-und-Lesben. Und da
muss man eben tatsächlich mal hinterfragen,
was ist eigentlich gemeint hier, mit
diesen Argumentationen, was ist gemeint
wenn dann jemand sagt "Ja, wir sind
kritisch gegen Einwanderung und so". Dann
vielleicht mal direkt auch darauf ansprechen.
Oder wenn jemand sagt "Die Wahrheit wird
unterdrückt", wie wir das gesehen haben,
dann eben mal fragen "Was denn für eine
Wahrheit?". Ich glaube dass man da
viel erreichen kann. Und dass man
insgesamt viel erreichen kann, indem man
eben tatsächlich auch sich etwas genauer
überlegt was man sagt. Also nicht
"Sprachfaschismus" oder so. Dass irgendwas
verboten ist, sondern dass eben Leute
wirklich bewusst, bewusster sprechen.
[Ich] denke das würde an dieser Stelle
schon helfen. Jo. Und damit
bin ich fertig. Danke!
Beifall
Herald: Hou, ihr kennt euch aus!
Noch nicht rausrennen! So schnell
sind wir nicht. Jetzt gibt's nämlich noch
Fragen und Antworten. Wer von euch
hat denn Fragen? Bzw. das Internet?
Kommen da schon welche?
Signal Angel: Es kommen
gerade welche rein.
Herald: Geht WLAN wieder nicht?
maha: Es dauert immer
etwas mit dem Internet.
Herald: Ach so! Na gut.
Bitte, dann die 2!
Frage: Ja, ist dir schon der... hast du dich
schon mit dem ziemlich skurrilen Begriff
"Bio-deutsch" befasst?
Gelächter
maha: Ja. Bei meinen Recherchen kam ich
auch... ist mir der auch untergekommen.
Und ich muss sagen, ich habe ihn dann
nicht mehr berücksichtigt. Aber der
ist natürlich auch ein sehr interessanter
Begriff. Weil man natürlich Komposita
mit 'Bio', zunächst mal, da stellt man
sich was anderes vor. Aber 'Bio'
ist natürlich auch immer positiv besetzt.
Auch da wo es gar nicht passt, bei
"Bio-Diesel" z.B. Aber hier bedeutet
natürlich 'Bio-deutsch" was anderes.
Nämlich, ja, eben, genausowas wie
aut-doch-thron (?) oder 'seit mehreren
Generationen in Deutschland'. Was ja auch
nie passt. Also das ist einfach... diese
Argumentation ist seltsam. Und...
Frage: Also Nationalität
als 'erbbare' Eigenschaft?
maha: Genau. Aber ich habe... muss so ganz
ehrlich sagen, ich habe den Begriff dann
nicht weiter aufgenommen, hier in meinen
Untersuchungskorpus, weil ich nicht genau
weiß, was man davon halten soll. Also ich
habe ihn... ich suche natürlich immer Belege,
und kucke mir die an. Und es ist mir
unklar, wer das verwendet, und was genau
beabsichtigt ist. Also ich hab's wohl in
Blogs gefunden. Also nicht so sehr
in den traditionellen Medien die man der
rechten Szene zurechnet. Ich hab's
aber auch in Blogs gefunden die nun gerade
nicht der rechten Szene zuzurechnen sind.
Also da handelt sich's vielleicht um ein
Wort, dessen genaue Zuordnung
noch nicht klar ist. Und deshalb habe ich
es einfach erstmal beiseite gestellt.
Stimme aus Off: Er meint er weiß was dazu!
Frage: Ich weiß da was zu, und zwar habe
ich da vor 3..4 Jahren mal gekuckt. Der
Erste der dieses Wort verwendet hat, war
der Grünen-Politiker Cem Özdemir.
Soviel dazu.
maha: Aha. Ja, ich gehe
der Sache noch mal nach.
Frage: Gibt es ein rhetorisches pattern,
das man verwenden kann, wenn man
Menschen gegenübersitzt, die sich zwar
ständig in Widersprüchen äußern, aber
trotzdem sehr polemisch argumentieren? Und
also - mir fehlt gerade das Wort - also...
Wie ist das rhetorische pattern, um
sozusagen doch trotzdem in ein Gespräch
einzusteigen, oder soll man einfach
weggehen?
maha: Ja, ...
Lachen, Applaus
Im Zweifel: weggehen! Das ist halt
diese Geschichte mit der Filterblase.
Dadurch dass viele Wörter eine etwas
andere Bedeutung haben, gibt's da
wenig Verständigungsmöglichkeiten. Denn
um sie zu verstehen, muss man die gleiche
semantische Grundlage haben. Aber wenn der
eine mit 'Demokratie' sowas meint wie "Ja,
jetzt sind wir mal dran", und der andere
mit 'Demokratie' meint, das ist jetzt
das System mit der Verantwortungs-
delegation und so, dann kann man sich
nicht verständigen [auch] wenn man das
gleiche Wort gebraucht. Aber da sieht man
auch die Strategie. Man muss da nochmal
genau nachfragen.