33C3 Vorspannmusik
Herald: So. Viele spenden ihre Daten an
dem Internet und wieviel, wie, welche
Auswirkung haben diese Datenströmung auf
unsere Gesellschaft wird uns heute Karl
Urban darüber mehr erzählen. Karl ist ein
Geo-Wissenschaftler, ein
Wissenschaftsjournalist. Vor allem freier
Journalist, ein Mitglied des
Fachwerkschafts und auch ein Broadcaster.
Er gewann in 2013 für seinen Blogpost
einen Preis, des Highblogs des..., von
Spektrum der Wissenschaft. Ja, erstmal.
Wir begrüßen ihn alle mit
einem großen Applaus.
Applaus
Karl Urban: Hallo. Schön, dass ihr alle da
seid und nicht in Saal 1 beim Vorsitzenden
der Europäischen Weltraumagentur.
Freut mich sehr.
LachenApplaus
Ich sag das auch, weil ich auch gern da
wäre, denn Raumfahrtthemen liegen mir auch
sehr nah und die digitalen Themen aber
auch. Und heute will ich über die Zukunft
reden. Wer hat heute schon mal in sein
Horoskop geschaut? Es gibt tatsächlich
ein, zwei Meldungen, hätte ich nicht mit
gerechnet. Ich hätte Lachen dann noch
gefragt, wer jemanden kennt.
Applaus
Ja wir leben ja in Zeiten, in denen
Krankenkassen homöopatische Medikamente
zahlen, insofern sind solche Fragen
durchaus legitim. Wer glaubt, dass wir die
Zukunft vorhersehen können? Oder, anders
gefragt, dass wir sie vorherberechnen
können? Ah, es gibt ein paar, 20, 30. Das
ist mein Thema heute. Also ich möchte
über Orakel 2.0 reden. Und ganz zu
Beginn, ein Disclaimer: Ich bin jetzt kein
Coder, also ich hab mich in diese Thematik
eingelesen. Ich bin
Wissenschaftsjournalist, ich lese mich
gerne sehr tief in die wissenschaftliche
Literatur ein, aber ich hab mich vor allem
auch mit den gesellschaftlichen Folgen
dieses Themas versucht ein bischen
auseinanderzusetzten und deswegen bin ich
am Ende, wenn uns die Zeit reicht auch
sehr dankbar über eure Gedanken zu dem
Thema. Denn erschlagen werde ich das
sicher nicht. Ein weiterer Disclaimer:
Zukunft ist natürlich ein großes Wort
und Vorhersage der Zukunft erst recht und
letztlich ist sowas, wie die Zukunft der
Gesellschaft vorauszusagen, ja auch nicht
wirklich was Neues. Also es gibt in sehr
großer Zeitskala sowas wie Klima-
modelle, Technik-Folgen-Abschätzung, wo
man ja versucht letztlich technologische
Entwicklung in die Zukunft
fortzuschreiben. Es gibt auch so etwas wie
Wettervorhersage, was immerhin recht gut
mittlerweile funktioniert, was auch mit
Daten und Modellen zu tun hat. Es gibt
einen Bereich der Wettervorhersage, der
funktioniert eigentlich fast garnicht,
nämlich die Gewittervorhersage. Das ist
eigentlich nur im Bereich von Stunden
möglich und basiert überhaupt nicht auf
Wettermodellen, sondern vor allem auf der
Erfahrung von Meteorologen, die
Echtzeitkarten beobachten. Und die
Big-Data-Vorhersage, mit der ich mich
heute oder über die ich heute sprechen
möchte, bewegt sich auch in diesem
Bereich von mehreren Stunden bis wenigen
Tagen. Also, kein Voodoo da. Monate, Jahre
in der Zukunft, sondern sehr kurze
Zeiträume. Wenn wir jetzt ein bischen
zurückschauen als Erstes. Ja also Orakel
sind wahrscheinlich so alt wie die
zivilisierte Menschheit, haben immer eine
große Rolle gespielt. Letztlich wollte
der Mensch immer, war der Mensch immer
darauf angewiesen, in die Zukunft zu
blicken. Alleine zu verstehen wie so der
Jahresablauf funktioniert, wann Felder
überflutet werden. In den ersten
Hochkulturen, im Zweistromland. All das
hat erfordert, dass man so ein bisschen in
die Zukunft blicken kann und einfach so
den natürlichen Ablauf der Jahreszeiten
von Überflutungsereignissen zu kennen.
Die Griechen, die antiken Griechen, haben
das dann bisschen in eine andere Richtung
getrieben. Das Orakel von Delphi ist ja
sicher so das bekannteste griechische
Orakel und das hat eigentlich Politik
gemacht oder bzw. sehr viele Herrscher der
verschiedenen griechischen Stadtstaaten
sind nach Delphi gezogen und das Orakel
hat durchaus die auch mal gegeneinander
aufgehetzt oder auch im eigenen Sinne die
Mächtigen manipuliert mit Vorhersagen.
Denn wer die Zukunft vorhersagt, kann sie
natürlich auch verändern. Ich
persönlich hab mich, wie gesagt, als
Journalist, eingelesen in das Thema. Im
Jahr 2011, als frisch gebackener, freier
Wissenschaftsjournalist habe ich einen
Artikel geschrieben über die
EU-Flaggschiff-Initiative, das war eine
Auschreibung der EU-Kommission für ein
großes europäisches Forschungsprojekt,
was sozusagen kurz davor stehen sollte
einen großen Durchbruch hervorzurufen und
da soll sozusagen die Führerschaft in
Europa liegen. Jetzt nicht an US-Unis oder
in China und da haben sich 6 Projekte
beworben, die auch in eine Zielrunde
gekommen sind und eins dieser Projekte war
FutureICT. Ist es am Ende nicht geworden.
Also, ihr wisst wahrscheinlich das
Graphene-Projekt und das Human Brain
Project haben am Ende dieses Geld gekriegt
oder die laufen jetzt und bekommen jetzt
das Geld. Das ging da um 1 Milliarde Euro
über 10 Jahre. Also, das ist für ein
Forschungsprojekt ne ganze Menge. Ja. Aber
wie gesagt, ich hab damals FutureICT
vorgestellt, als das Thema noch nicht,
oder die Entscheidung noch nicht getroffen
gewesen ist und der Gedanke dahinter, der
hat mir schon imponiert. Also, so der
Gedanke: Wir haben diesen exponentiellen
Datenberg, der Menscheit. Ja, also jedes
Jahr produzieren wir so viele Daten, wie
von Anbeginn der Menschheit bis zum
letzten Silvester produziert worden sind.
Machen wir jedes Jahr ja wieder neu und
wenn wir all diese Daten zusätzlich zu
Sensoren, die wir, irgendwelche Apps, die
wir entwickeln, die wir auf Smartphones
installieren lassen - also die Menschen
stellen freiwillig Daten aus der Umwelt
bereit - und wir nutzen all das, was wir
bekommen können, stecken das in so einen
Living Earth Simulator und versuchen mal
verschiedene Aspekte der Gesellschaft zu
simulieren. Ja also, das Versprechen war
jetzt nicht wirklich die Erde als solche
zu simulieren aber bestimmte Aspekte, die
interessant sein könnten und ein weiterer
Gedanke von FutureICT war das ganze auch
öffentlich letztlich zu machen. Also ein
Vorhersagesystem zu haben, was Politiker
nutzen können aber auch für alle. Das es
letztlich kein Herrschaftsinstrument ist,
sondern transparent ist am Ende. Und die
Anwendungen, die da vorgeschlagen wurden,
finde ich, klangen alle auch ziemlich
legitim. Z. B, wir sind in einer Situation
wo eine Naturkatastrophe oder eine Kette
von Katastrophen eintritt. Also Fukushima
war ja so ein Beispiel. Da gabs erst
Naturkatastrophen und dann noch technische
Probleme und in der Situation der
japanischen Regierung zu sein und zu
sagen: "Wie schütze ich jetzt meine
Bevölkerung? Welche Entscheidung muss
ich, kann ich jetzt treffen? Und wie
reagieren Menschen auf diese
Entscheidung?" Also wie reagiert die
japanische Gesellschaft auf diese
Entscheidung und welche Kaskaden kann das
in Gang setzen? Wie wahrscheinlich sind
welche Ereigniszweige in naher Zukunft?
Und in solchen Situationen mag es sinnvoll
sein so eine Vorhersage zu machen der
Gesellschaft. Und gab viele andere Ideen,
eine davon vielleicht fand ich auch ganz
charmant. Wenn ein Gesetz verabschiedet
wird im Parlament, ist ja immer die Frage,
erreicht es das, was eigentlich die
Autoren des Gesetzes erreichen wollten.
Und auch das war so eine Idee, sozusagen,
jetzt einen längeren Zeitraum sich
anzukucken und Gesetzes-, die Auswirkungen
auf die Gesellschaft zu simulieren. Und
zumindest so eine Spannbreite der nahen
Zukunft sehen zu können. OK. Und dann hab
ich das Thema, wie gesagt, 2011
recherchiert und jetzt vor einem Jahr
nochmal angefangen mich tiefer einzulesen
und was seitdem passiert ist. Also
FutureICT hat es ja nicht geschafft. Das
ist gegipfelt in einer Sendung für den
Deutschlandfunk, einer halbstündigen
Sendung, die jetzt im Oktober gesendet
wurde. Und das, was ich da vorgestellt
hab, da will ich jetzt kurz nochmal in
etwas größerer Tiefe reinschauen. Also
ein Beispiel, was ich gefunden hab, das
ist ein bischen älter und noch relativ
einfach. Das ist eine israelische
Informatikerin, die mit ihrer Firma so
einen Vorhersagealgorithmus entwickelt
hat. Letztlich einen selbstlernenden
Algorithmus, der einfach nur das
Nachrichtenarchiv der New York Times der
letzten Jahrzehnte analysiert und darin
Kausali... , ne nicht, eben nicht
Kausalitäten sondern Korrelationen sucht.
Also, irgendwelche Ereignisfolgen, die
statistisch häufiger auftreten als Andere
und dann die aktuelle Nachrichtenlage
beobachtet und im Zweifel
Echtzeitwarnungen ausgibt für politische
Ereignisse. Das eine Beispiel, was Kira in
ihrem TED-Talk hier von 2014 gebracht hat,
war es gab so ne komische Folge von
Dürreereignissen in afrikanischen Staaten
in dem Fall. Wenige Jahre später von
Überschwemmungen und dann gab es wieder
wenige oder ein Jahr später eine
Choleraepidemie. Was nicht sonderlich
überraschend ist, aber in dem Fall gabs
so eine Warnung für Kuba. Und Kuba ist so
ein Land wo es seit über 100 Jahren
eigentlich keine Cholera mehr gegeben
hatte. 2013 gabs tatsächlich eine große
Choleraepidemie. Also, war so ihr
Positivbeispiel, dass diese Warnungen
durchaus was bringen können. Ja, das war
so ein kleines Beispiel, wie so was
anfängt. Ja dann gabs ja auch 2011 den
arabischen Frühling. Wenn man nach
Literatur zum Thema Arab Spring / Social
Media sucht, sieht man das ist, das wurde
letztlich sehr gut beforscht. Also es ist
letztlich der perfekte Lerndatensatz
gewesen. Auch weil ja soziale Medien
einfach auch eine entscheidende Rolle
gespielt haben, dass sich Menschen zu
Protesten verabreden können und... genau,
da kann man wirklich in den Daten
beobachten, wie solche Proteste spontan
entstehen. Und ja, ein bischen weiter
entwickeltes System ist EMBERS. Das ist an
mehreren, also wird entwickelt von
mehreren US-Universitäten, die bekommen
ihr Geld von der IARPA. Das ist so eine
Art Forschungsfinanzierer in den USA für
Geheimdienstaufgaben. Die Ausgaben..., die
Ergebnisse, die man jetzt hier sieht, also
das ist für Proteste, die es in Venezuela
gegeben hat und das soll hier zeigen: ja,
da wo wir sie vorhergesagt haben, fast an
allen Orten sind sie dann auch
aufgetreten. Diese Warnungen werden, also
es gibt da auch Warnungen letztlich, die
ausgegeben werden, die werden aber nicht
veröffentlicht. Sondern letztlich den
US-Diensten zur Verfügung gestellt. Wie
funktioniert EMBERS? Also auch
selbsternender Algorithmus, der halt jetzt
nicht nur Nachrichten und Blogs
untersucht, sondern auch geolokalisierte
Tweets und Facebookposts aus diesen
Ländern und Städten und der dann solche
Warnungen ausgibt. Also hier in dem Fall:
Protest in Venezuela. Wer ist dabei?
Arbeiter, Businessleute. Es gab schon
vorher Warnungen diesbezüglich. Die
Proteste, die es geben wird sind
statistisch signifikant. Also deutlich
stärker, als das was man vorher
beobachtet hat und auch was die wollen. Ja
also, das ist das, was das Tool durch
letztlich semantische Auswertung von
Texten, die gepostet werden, macht und
dann für die nahe Zukunft ausgibt. Kann
man sich auch logisch überlegen, also es
ist kein wirklicher Voodoo dabei. Wenn
jemand schreibt: "Ich geh morgen auf ne
Demonstration.", in einem Tweet, dann kann
man dieses morgen und Demonstration,
vielleicht noch den Ort natürlich
rauslesen. Und wenn es viele Leute
twittern, klar sagen: "Da wirds einen
Protest geben!". Alles eigentlich auch
noch einigermaßen primitiv. Das schöne
an EMBERS ist, US-Geheimdienstfinanzierer
aber doch US-Unis auch. Das heißt, die
publizieren ihre Ergebnisse und die tun
sich aber ein bischen schwer dann das auch
kritisch zu bewerten, was sie machen.
Also, da schreiben sie schön, das kann ja
da helfen, dass Regierungen die Sorgen
ihrer Einwohner ernst nehmen können,
priorisieren können. Vielleicht um sicher
zu stellen, dass der Schuh gar nicht mehr
so stark drückt, weil sie einfach direkt
gegensteuern können. Aber natürlich, man
könnte das auch missbrauchen. Ne? Das ist
hier aus dem letzten Absatz aus dem Paper.
Also ich find, relativ wenig
selbstkritisch. So. Das ist der aktuelle
Stand gewesen, bis vor zwei, drei Jahren.
Letzlich brauchte man unzensierten Zugriff
auf soziale Netzwerke. Natürlich muss man
solche Vorhersagen auch immer mit der
Realität abgleichen. Das ist letztlich,
ja eine automatische Aufgabe. Also wenn
man jetzt sagt, mit 80%iger
Wahrscheinlichkeit wird es zu Protesten
kommen, muss man natürlich nach der
Vorhersage kucken, ist es auch eingetreten
und letztlich immer die Vorhersagen an das
anpassen, was man vorhergesagt hat. Und
natürlich muss man bei solchen
semantischen Auswertungen, von Tweets zum
Beispiel, auch immer den wandelnden
Kontext der Daten sich ankucken. Also wenn
wir plötzlich eine Zensur haben in dem
Land und die Leute plötzlich einen Code
verwenden um sich zu Protesten zu
verabreden, dann kann das natürlich sein,
dass so ein Tool auch nicht mehr
funktioniert. So. Also. Ist das wirklich
so? Ja also, brauchen wir das? Nicht ganz.
Ja das ist jetzt ein Ergebnis, dieses Jahr
im Sommer in Science publiziert, von einer
Gruppe an der University of Miami. Und die
haben ein bisschen versucht bisschen
Extremismusforschung eigentlich zu machen.
Die wollten mal sehen, wie Islamisten vom
Islamischen Staat in sozialen Netzwerken
eigentlich sich so organisieren. Weil die
ja offenbar eine Rolle spielen, sich
global zu organisieren. Und das ist auf
Facebook und Twitter relativ schwierig,
weil da die automatischen Filter ziemlich
gut funktionieren und wahrscheinlich auch
die juristischen Hürden hoch sind.
Deswegen gibts da ein großes Interesse,
dass sofort zu reglementieren. Also da
gibts einfach keine Daten, die man
analysieren kann. Und deswegen haben die
sich VKontakte angekuckt, das ist ja auch
eines der größeren sozialen Netzwerke,
was in Russland beheimatet ist. Auch in
Russland sind islamistische Postings,
werden da natürlich zensiert und sind
staatlich nicht gern gesehen. Aber die
Moderation ist nicht ganz so hinterher.
Deswegen gibt es immer Zeiträume wenn man
diese Daten rechtzeitig abgreift, in denen
sich kurzzeitig islamistische Gruppen dort
bilden und ausgetauscht haben und was die
gemacht haben, also was man hier sieht: Da
ist Y-Achse, da steht Escalation
Parameter. Ist nichts anderes als die
haben gezählt wieviele Posts es in einem
bestimmten Zeitraum gegeben hat und neue
Gruppen, die sich gebildet haben, bevor
dann wieder gelöscht wurde. Ja es ist
letztlich nur aufaddiert, wie groß die
Aktivität ist und was dabei..., was sie
gesehen haben ist, dass es wenn die
Aktivität sehr stark ansteigt, es einen
Zusammenhang gibt zu realen Ereignissen.
Das haben sie nicht nur in Syrien in dem
Fall bemerkt. Also da sieht man diesen
starken Anstieg und dann kurze Zeit
später dieser rote Strich, das war die
erste Offensive auf Kobane in Syrien. Vom
islamischen Staat. Das ist eine
mathematische Beziehung, die man da
beobachtet, die Physiker auch aus der
Thermodynamik kennen. Nämlich wenn man
eine Flüssigkeit erwärmt, wird die immer
heißer und ab einem bestimmten Punkt,
nämlich bei Normaldruck bei 100°, gibt
es einen Phasenübergang. Das heißt die
Flüssigkeit wird nicht mehr wärmer. Es
gibt nen steilen Anstieg und ab dem
Zeitpunkt kocht das Wasser und das ist
sowas wie..., was man auch in sozialen
Systemen beobachtet. Ist in der Theorie
nichts neues, ist aber jetzt messbar. Und
wenn man diesen Verlauf sich sozusagen
ankuckt, ist auch der Zeitpunkt, zu dem
ein Ereignis eintreten wird in naher
Zukunft erkennbar. Und das. Genau. Das
haben die hier gesehen. Das andere
Beispiel ist aus Brasilien. Einschränkend
dazu gesagt: Also das ist wirklich
letztlich Grundlagenforschung an diesen
sozialen Daten. Ist ein Bereich der
Physik. Die Soziophysik, die sich mit dem
Verhalten von größeren Menschengruppen
beschäftigt. Diese Modelle, die man da
rein legt, die aus der klassischen
Thermodynamik kommen, funktionieren aber
nicht in jedem Fall. Das gibt, kann man
nicht in jedem Fall beobachten. In dem
Fall muss es eine selbstorganisation
geben. Also letztlich, was in sozialen
Netzwerken öfter passiert. Also keiner
der jetzt sagt: "Wir müssen jetzt, wir
müssen jetzt aktiv werden.", sondern das
muss aus dem System heraus entstehen. Dann
kann man solche Vorhersagen machen. Was
die Soziophysiker aber auch sagen ist, die
Gesellschaft ist natürlich kein Topf mit
heißem Wasser und die Phasen, die eine
Gesellschaft hat, die Aggregatzustände,
das ist halt nicht nur fest, flüssig und
gasförmig. Sondern die sind deutlich
höherdimensional, was auch immer das
heißt. Und letztlich stehen sie da am
Anfang. Aber die Daten haben wir. Man kann
jetzt sozusagen Sozialforschung
Babyweinen aus dem Raum machen auf
ähnlichem Niveau wie Naturwissenschaftler.
Babyweinen aus dem Raum
Ok, so viel zum ersten Teil. Also wir
sehen: kollektives Verhalten wird in
sozialen Daten abgerufen. Es gibt die
Methoden das zu analysieren, auch wenn es
sehr große Datenmengen sind und es gibt
kollektive Handlungen in Gesellschaften,
die physikalischen Regeln folgen. Die wir
noch nicht alle kennen, aber das fängt
an. So. Und im Vortrag über die Zukunft
muss ich jetzt anfangen zu extrapolieren.
Also das ist der Teil, wo ich mich selbst
ein bisschen schwer getan habe. Ich weiß
nicht wer von euch 2016 "1984" mal wieder
aus dem Regal gezogen hat. Ich hab mich
auch bemüßigt gesehen das mal wieder zu
lesen. Auch bei dem Thema fand ich, gabs
durchaus Parallelen. Also eine der Lehren,
wie gesagt, kollektives Verhalten lässt
sich kurzfristig vorhersehen. Man muss
natürlich immer kucken, was Vorhersage
bedeutet. Ne also, das ist hier eine
Grafik vom deutschen Wetterdienst für
Wettervorhersagen. Es gibt immer einen
Punkt, da hat man die Daten gemessen. In
der Regel, jetzt, im besten Fall und jetzt
rechnet man einfach mal unter
verschiedenen Randbedingungen in die nahe
Zukunft. Und dann fangen, wenn man
verschiedene Modelle rechnet, an sich so
zufällige Effekte immer mehr
durchzusetzen und am Ende hat man eine
bestimmte Spannbreite möglicher
Zukünfte. So ist die Idee. Jetzt kann man
natürlich das jetzt erstmal positiv
sehen, letzlich, die Vision auch von
FutureICT. Es gibt so ne, das ist hier so
ein Werbevideo von FutureICT gewesen für
die Eu-Kommission, die das damals
entscheiden sollten. Man sieht so einen
lichtdurchfluteten Kontrollraum. Man sieht
letztlich weise Forscher und Politiker,
die da mal Fragen welche Auswirkung
bestimmte Entscheidungen haben können.
Eigentlich ganz toll, für die
Gesellschaft. Die Gesellschaft hat ja, ist
ja komplex. Ja? Wenn wir uns die
Weltgesellschaft ankucken, wir haben so
eine Überlagerung verschiedener Krisen.
Wir haben letztlich viele Technologien,
die schnell auch nicht mehr funktionieren
und Kaskaden, die sich in Gang setzen
können wenn ein Teil nicht mehr
funktioniert. Und deswegen, klar, ist es
eine tolle Idee. Wenn man jetzt sagt: "Ich
will eigentlich nicht die Zukunft der
Gesellschaft vorhersagen, weil ich sie
nicht manipulieren will.", kann man
natürlich auch sagen: "Ich nutze so ein
Instrument, um die Resilienz zu erhöhen."
Also letztlich, sagt man bei komplexen
Systemen, Resilienz bedeutet, wenn es
irgendwelche Störungen gibt, will ich...
soll das System in sich stabil bleiben und
auch dafür ist es natürlich gut solche
Modelle laufen zu lassen für die
Gesellschaft. Beim arabischen Frühling
wurde aber oft auch gesagt, politische
Experten haben das jetzt nicht so
vorhersehen können und vielleicht ist das
jetzt das Ende der politischen Experten.
Also wenn wir solche Vorhersagen machen
können in Zukunft, brauchen wir
eigentlich noch politische Experten?
Wahrscheinlich brauchen wir eher
politische Experten, um die Vorhersagen
oder die Datenströme zu analysieren. Da
komme ich gleich zu. Aber letztlich ist
natürlich so ein Tool für die nahe
Zukunft, jetzt aus der Sicht eines
Politikers, der nicht so richtig in die
Details schauen kann, erstmal Voodoo. Ja,
das was Orakel immer waren und natürlich
letztlich gemäß diesem tollen Artikel
von Sascha Lobo. Dieser Technikaberglaube,
der erstmal kommuniziert wird. Also wir
können die Zukunft der Gesellschaft
vorhersagen und das müssen wir irgendwie
letztlich klarmachen, dass das alles
vielleicht doch nicht so einfach ist. Ein
Beispiel dazu: Google Flu Trends. Können
sich sicher noch einige dran erinnern. War
ja so ein Tool von Google, was einfach
Suchergebnisse ausgewertet hat und die
Symptome, die Leute gegoogelt haben,
Grippesymptome letztlich, verwendet haben
um sowas wie eine Vorhersage des aktuellen
Grippezyklus vorherzusehen. Was ein paar
Jahre funktioniert hat und plötzlich
nicht mehr, weil es Umstellungen bei
Google gab und die Suchergebnisse das
nicht mehr so ganz widergespiegelt haben.
Das heißt, auch wenn solche Korrelationen
ein paar Jahre gut gehen, kann es
irgendwann nicht mehr gut gehen. Und das
ist vielleicht in der Vorhersage selbst
erstmal gar nicht ersichtlich. Und der
entscheidende Punkt, den ich grad schon
angedeutet habe, ist natürlich: In dem
Moment, wo ich Vorhersagen mache, kann ich
natürlich zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Da relativ früh sagen, ich will jetzt
nicht dass das am Ende hier so
hochspringt. Also zum Beispiel, dass sich
die Leute zu einer Demonstration
verabreden. Das heißt, ich muss, wenn ich
so eine Vorhersage gemacht habe, einfach
nur im richtigen Zeitpunkt gegensteuern.
Wie auch immer ich das mache.
leise Babygeräusche
Ja, das ist ein Zitat aus "1984": "Wer die
Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert
die Zukunft". Was George Orwell nicht
voraussehen konnte, letztlich ist: Wir
sind heute quasi in der Lage die Gegenwart
zu kontrollieren, indem ich zum Beispiel
soziale Netzwerke manipuliere. Und es wird
ja auch bereits gemacht, ist jetzt
überhaupt nichts neues. Ja also, wenn wir
nach China kucken. Das ist aus einem Paper
von 2013, da haben ein paar
US-Sozialforscher, die chinesische Great
Firewall und die Maßnahmen der
chinesischen Zensur sich angekuckt. Kann
man ja analysieren von außen und
teilweise auch..., die hatten auch Daten
von innen. Und die haben festgestellt,
also die haben sich angekuckt, wo wird
zensiert. Hier ganz rechts auf der Achse
wird sehr stark zensiert, wird sehr stark
gelöscht und bei 0 wird eigentlich, das
sind relativ kleine Eingriffe und es gibt
sogar sowas wie positive Eingriffe. Also
letztlich wo Postings verstärkt werden.
Und die schärfste Zensur gabs garnicht
unbedingt in Momenten, wo Leute was gegen
das Regime gesagt haben. Die hat man in
der Regel einfach in Ruhe gelassen.
Sondern in dem Moment, wo sich Leute zu
kollektiven Aktivitäten verabreden. Also
gerade da, wo so eine soziale Dynamik in
Gang kommen könnte, da wird ganz massiv
eingegriffen. Was im Fall von China
zumindest im Jahr 2013 sicher noch sehr
viel manuelle Arbeit hervorgerufen hat.
Wir bewegen uns jetzt in eine Richtung, wo
sowas wahrscheinlich zunehmend automatisch
funktionieren kann. Wie sieht es bei uns
aus? Die Daten liegen ja letztlich
überwiegend in privaten Händen. Bei den
sozialen Netzwerken zum Beispiel. Und es
existiert aber gleichzeitig, das haben ja
auch die Macher von FutureICT gesagt, ein
sehr großes Interesse solche politischen
Vorhersagen der Gesellschaft zu machen.
Und dieser Artikel hier: "Ich habe
gezeigt, dass die Bombe existiert, dass es
die Bombe gibt", ist ja hier im Kongress
auch schon viel zitiert worden. Will ich
jetzt nicht mehr viel zu sagen. Und auch
wieder zerlegt worden, man muss natürlich
erstmal nach den Hinweisen kucken. Kucken
ob die Belege existieren, dass letztlich
es soziale Vorhersagen und soziale
Beeinflussung von außen gegeben haben
könnte. Was man aber, wenn man jetzt nach
Deutschland kuckt, beobachten kann ist ja
tatsächlich, es gibt einen politischen
Druck auf soziale Netzwerke. Unter dem
Schlagwort "Hate Speech", unter dem
Schlagwort "Fake News" und die Frage ist,
wo es hin führt. Wo wir vielleicht aber
auch aufpassen sollten, ist die Frage: Ist
es die Wahlmanipulation, die vielleicht,
es ist ja letztlich nicht bewiesen, von
Russland ausgeht? Ist das jetzt die neue
Qualität? Wenn wir in die nahe
Vergangenheit kucken, sowas wie
Beeinflussung von Wählergruppen oder
letztlich die Auswahl bestimmter
Wählergruppen, um die zum Wählen zu
bringen, ist eigentlich nicht neu und
wurde auch von anderen politischen
Kräften gemacht als jetzt von den
Republikanern. Und deswegen wäre ich da
auch vorsichtig irgendwohin mit dem Finger
zu zeigen. Ja. Also am Ende wirds ein
bischen schwammig. Ich hab ein paar Fragen
oder Gedanken zum Schluss. Soziale
Vorhersagen, wer auch immer sie macht,
sind letztlich ein Machtinstrument. Also
wenn das ein Algorithmus für den
US-Geheimdienst macht, ist es sicher auch
eine Möglichkeit Wahlen in anderen
Staaten zu beeinflussen. Und ja letztlich
wäre es wahrscheinlich eher an der Zeit,
sobald sie aufkommen, wenn sie nicht schon
existieren, Big Data-Vorhersagen zu
entzaubern. Und zu sagen, das ist ein
Mittel, was wir nutzen können aber
letztlich müssen wir damit sehr
aufpassen. Husten aus dem Raum
Das Thema Propaganda vs. Fake News, auch
da wo man anfängt. Wo fängt man an und
wo hört man auf? Also das haben auch
mehrere Forscher mir gesagt in dem
Bereich. Ist die Propaganda der AFD jetzt
schlecht? Ist die der CDU schlecht? Oder
der CSU? Genau. Also meine Gedanken dazu
letztlich, was diese Beobachtung sozialer
Dynamiken und Beeinflussung bestimmter
Teile, die wir jetzt bei den US-Wahlen
gesehen haben, hing ja mit dieser starken
Polarisierung auch zusammen und da wärs
vielleicht mal an der Zeit auch diese
Filterblasen zu durchstechen. Und ja, das
zum politischen Bereich. Generell, wenn
wir in die Zukunft blicken. Das ist wieder
ein Zitat, da gehts letztlich um die
griechischen Orakel: Es zählt nicht das
Eintreffen der Vorhersage, sondern die
Aktion, die jene hervorrufen wird. Also
mit welchem Ziel wird eigentlich eine
Vorhersage von Anfang an generiert. Und
ich würde sagen, heute kann man schon
sagen, die Zukunft hat eigentlich vier
Seiten. Es gibt deine Prognose, ihre
Prognose, die Zukunft (tm) und das, was
wirklich passieren wird.
leises Lachen
Insofern vielen Dank fürs zuhören.
Applaus
Herald: Vielen Dank für den interessanten
Vortrag. Bitte für die Leute, die uns
verlassen, wenn... möglichst von dieser
Tür, von rechter Seite. Ansonsten, wenn es
noch Fragen gibt, bitte zu den Mikrophonen.
Ich sehe 2. Wir fangen bei dir an, ja.
Fragesteller: Ja, ich wollte mal fragen,
kennst du eigentlich Project Cybersyn?
Also wenn du das Foto... Du hattest ja
vorhin das Foto von diesem Steuerraum von
FutureICT und das hat mich sehr erinnert
an Project Cybersyn. Das war damals unter
der Regierung von Allende in Chile. Die
wollten so einen Sozialismus bauen,
basierend auf den technischen
Möglichkeiten, die gerade so in den 70er
Jahren aufkamen mit Computern alles zu
steuern und sich alle Daten aus dem ganzen
Land in so eine Steuerzentrale
übermitteln zu lassen. Wo dann die Weisen
sitzen, um dann das Land zu lenken. Also
das vielleicht so für dich als weiteren
Rechercheansatz, weil das auch ein
schöner historischer Vergleich ist dazu.
Karl Urban: Aber letztlich nicht mit
digitalen Mitteln damals, oder?
Wahrscheinlich.
Fragesteller: Ja gabs da noch nicht so wirklich.
Da wurden Daten noch mit Telex übermittelt.
Herald: Ok. Frage von dieser Seite.
Fragesteller: Hast du mal den
Foundationzyklus von Asimov gelesen? Und
wenn ja, wie nah hast du dich da dran
gefühlt, mit deiner Forschung?
Karl Urban: Ich bin vor dem Vortrag nach
Asimov gefragt worden. Den Zyklus hab ich
leider noch nicht gelesen, sonst hätte ich
wahrscheinlich auch daraus was verwendet.
Fragesteller: Dann empfehle ich das jetzt.
Karl Urban: Ok.
Herald: Vielen Dank. Vielen Dank nochmal.
Ich denke wir haben keine Zeit mehr für
weitere Fragen. Vielen Dank.
Applaus
Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2017. Mach mit und hilf uns!