Lilith: Hallo Hallo! Ah super! Hey, puh,
was für ein Jahr, das zweite Jahr mit
dieser Scheiß-Pandemie. Also zum Kongress
eigentlich alles wie letztes Jahr. Wieder
so ein Opening aus so 'ner blank Void;
wieder keine echten Leute sehen und
treffen zur wichtigsten Zeit des Jahres.
Aber irgendwie haben wir uns damit ja
arrangiert. Und wenn ich mir so anschaue,
wie wir diesen Kongress dieses Jahr
produzieren und wie gut es auch letztes
Jahr schon lief, dann glaube ich, das wird
echt gut. Das wird kein echter Kongress.
Natürlich nicht, aber das wird trotzdem
krass. So unglaublich viele Leute haben in
den letzten Wochen an super vielen Orten
in ganz Deutschland Chaos-Studios
aufgebaut und natürlich auch die virtuelle
Welt gepixelt und all die anderen Sachen,
die eben auch zu einem echten Kongress
gehören. Und ich glaube, wir sind dieses
Jahr nicht im Nowhere, sondern wir sind
einfach überall, wir sind halt einfach
verteilt. Wir sind quasi auch irgendwie in
dieser digitalen Welt angekommen. Und auch
wenn das natürlich noch immer kein echter
Kongress ist, dass wir trotzdem gut und
mit einem Computer Kunst und Schönheit zu
erschaffen, das ist ja auch viel, worum es
bei uns so geht. Und natürlich die Utopie,
zumindest für so ein paar Tage, leben. Und
ich glaube, das kriegen wir auch im
digitalen Raum hin. Digitalisierung, das
ist auch schon das Stichwort. Ich meine,
das haben wir in diesem Jahr echt viel
erlebt und das nicht nur bei uns
Chaot*innen aus dem Computer Club auch
versucht, sondern das haben dieses Jahr
auch ganz andere probiert. Da fällt mir
zum Beispiel ein: Der Lieblings-Rapper
aus meiner Jugend und in etwa jeder Start-
Up-Unternehmer, der dieses Jahr eine neue
Business-Idee brauchte und dann irgendwas
mit Corona-Apps oder so einen ähnlichen
Quatsch baute. Und natürlich auch der
Staat selbst, denn der hat versucht in den
letzten Monaten von Merkels
Kanzlerinnenschaft 15 Jahre Stillstand im
Digitalen aufzuholen. Und ich meine das
Ergebnis, das kennt ihr. Das ist ziemlich
verheerend. Und diese ganzen Geschichten,
die kennen die meisten von euch ja auch
schon. Und falls nein, herzlichen
Glückwunsch, dass ihr es hinbekommen habt,
ein Jahr lang die Digitalpolitik in
Deutschland zu ignorieren. Das hätte ich
auch mal machen sollen. Also konkret denke
ich da an so Sachen wie die Luca-App oder
all die Daten-Abflüsse, die wir bei Test-
zentren dieses Jahr gesehen haben bzw.
deren Software-Anbietern. Und bei
mindestens genauso vielen Bildungs-Apps
hatten wir ja auch Daten-Abflüsse. Aber es
kommt noch schlimmer. Wir hatten irgendwie
für ein paar Wochen - oder ein paar Tage
um genau zu sein - eigentlich nur die ID-
Wallet, also den digitalen Ausweis. Und da
haben wir dann Sicherheitsprobleme
gefunden, also in dem Fall Fluepke und
ich, und dann wurde der sofort wieder
offline genommen, weil keine Ahnung. Es
war halt einfach sehr schlechte Idee vom
Bundeskanzlerinnenamt einen Ausweis in
einen Ledger zu schieben. Und dann hatten
wir noch diese richtig doofe Situation zu
Ende des Jahres, dass auf einmal die
Corona-Warn-App, die wir alle cool finden
und die jeder von uns auch weiterhin
benutzen sollte, auf einmal eine Funktion
hatte, die sich niemand jemals gewünscht
haben kann. Also es ging darum, dass man
seinen Corona-Impfpass auf einmal online
vorzeigen soll und das ist halt einfach
eine richtige Scheiß-Idee. Und na ja, die
Telekom hatte diese Idee und verdient
damit jetzt halt Kohle, wenn sie online
sich Ausweise validiert. Und naja, aber
eigentlich ist das ja nicht unerwartet,
weil wann kam jemals etwas Gutes von der
Telekom. Aber diese Storys haben wir
dieses Jahr auch echt zu genüge gehört. Da
regen wir uns immer alle total doll drüber
auf und das kann ich auch voll verstehen.
Das ist ja logisch, es ist einfach nicht
gut gelaufen. Deswegen will ich aber heute
eigentlich nicht mehr so viel über diese
Storys reden, über die wir uns alle
dauernd aufregen und wie schrecklich alles
in diesem Jahr war, sondern will erst mal
eher so ein bisschen schauen auf die
Leute, die erst ermöglicht haben, dass wir
von all diesen Sachen über Monate hinweg
erfahren haben und einfach immer weiter zu
diesem Thema recherchiert und darüber
berichtet haben. Und ohne viele dieser
Leute wäre glaube ich heute noch einiges
deutlich schrecklicher. Und weil wir
einfach nur durch deren Arbeit und durch
deren Expertise überhaupt die
Informationen hatten, um am Ende
gesellschaftliche Debatten über diese
Themen zu führen. Und da denke ich dann
zum Beispiel zum Beispiel Fall von der
Luca-App an so Leute wie Bianca Kastl oder
Markus Mengs, die einfach über Monate
hinweg Sicherheitsprobleme für
Sicherheitsproblem, für Sicherheitsproblem
durch die Luca-App durchgegangen sind und
darüber berichtet haben, was sie da
einfach gefunden haben und wie man das
vielleicht auch besser lösen könnte. Und
das mit einer Professionalität und so
einer Ruhe, die ich einfach unfassbar
bemerkenswert finde und die haben das ja
nicht nur auf Twitter oder so gemacht,
sondern die Bianca gerade ist irgendwie so
oft dieses Jahr im Bundestagsausschüssen
gewesen, da habe ich irgendwann aufgehört
zu zählen. Und auch vor anderen Politikern
hat sie echt gefühlt unzählige Male über
ihre Lieblingsthemen wie Digitalisierung
von Gesundheitsämtern geredet. Und ja, ich
finde das einfach unglaublich krass.
HonkHase, wer hat dich dieses Jahr denn so
richtig doll beeindruckt?
HonkHase: Ja, liebe Lilith, wir hätten da
ja auch noch die Zerforschung, so eine
Gruppe von jungen Hacker*innen, wer mag da
wohl Mitglied sein sozusagen, die aber aus
Neugier in gesellschaftlich relevante IT-
System und Apps pieken. Und immer wenn die
das machen, mündet das in einem großen
Feuerball, was ich persönlich ganz doll
mag, weil diese Dinge eben so unglaublich
desaströs und unsicher betrieben werden.
Aber wenn aber die Zerforscher*innen da
nicht reingepiekt hätten - Danke an dieser
Stelle für die echt tolle ehrenamtliche
Arbeit - würde das eben auch kaum jemand
mitbekommen. Das ist also wirklich ganz
wesentlich für die Zivilgesellschaft und
für die Bürger*innen. Also ich kann nur
wirklich sagen: Danke, danke, danke an
dieser Stelle. Und was hatten wir da
teilweise für Apps und IT-Systeme? Das
waren dann so Sachen wie verschiedene
Testzentren, die halt wirklich unsicher
diese Daten vorgehalten haben, Schul-Apps,
mehrere, die unsere Kinder gefährden, die
Audio-Chat-App Clubhouse oder eben auch
so was wie Gorillas und Flink, die als
Lieferdienst für Lebensmittel
und Supermarktwaren fungieren.
Lilith: Dankeschön, HonkHase und mir fällt
da zum Beispiel auch noch Johannes Filter
ein, der mit seinen Datenvisualisierungen
zu Themen wie rechter Gewalt,
Polizeischüssen oder das Projekt, in dem
er kürzlich alle Verfassungsschutzberichte
für alle Leute gut zugänglich und
durchsuchbar gemacht hat, uns irgendwie
Zugang zu Daten gegeben haben, die uns als
Gesellschaft wiederum Debatten
ermöglichen, die wir ansonsten einfach
nicht hätten haben können. Und HonkHase?
Als wir vorhin drüber geredet haben, da
ist dir noch der Patrick Breyer
eingefallen. Wer ist denn das? Und was
macht der denn cooles?
HonkHase: Patrick Breyer ist quasi unser
digitaler Freiheitskämpfer und
Europaabgeordneter der Piraten, der sich
gegen sowas wie die verdachtslose
Chatkontrolle, terroristische Inhalte
online oder auch TERREG und das "Digitale-
Dienste-Gesetz" oder eben "Digital Service
Act" für uns stark macht. Und was diese
Chat-Kontrolle genau ist, da will ich kurz
einmal darauf eingehen, exemplarisch: Das
ist quasi die Abschaffung des digitalen
Briefgeheimnises. Das ist ganz einfach:
Die EU will es Chat- und Messenger-
Providern vorschreiben, private Chats,
Nachrichten, E-Mails, all das dann einfach
mal massenhaft, anlasslos und
unterschiedslos auf verdächtige Inhalte zu
durchsuchen. Die Begründung dafür war
Klassiker: Strafverfolgung von
Kinderpornografie. Die zieht immer. Das
ist emotional populistisch, kann man auch
immer gegen wettern, weil wer sich dagegen
stellt, würde das ja befürworten. Ja also
kriegen wir einfach mal die
Massenüberwachung "for free" wegen, ob wir
es Argumente, die wenn man genauer
reinguckt, eigentlich keinen Sinn ergeben.
Aber was ist jetzt die Konsequenz daraus,
dass man so was machen will? Naja,
Massenüberwachung eben durch
vollautomatisierte Echtzeit-Chat-
Kontrolle, damit eben die Abschaffung des
digitalen Briefgeheimnisses, ja. Uns droht
damit die totale Chat-Kontrolle auf jedem
Smartphone. Und dagegen macht sich Patrick
Breyer seit echt langer Zeit sehr stark
und das wissen wir in der Community sehr,
sehr sehr zu schätzen.
Danke an dieser Stelle!
Lilith: Oh, puh, ja, das ist natürlich
wieder ein sehr belastendes Thema und ich
mein', das waren jetzt irgendwie nur Leute
aus der ersten Reihe, die wir euch hier so
kurz vorgestellt haben und Leute, von
denen wir irgendwie glaubten, dass sie
okay damit sind, dass wir sie hier loben.
Aber die sind natürlich nur alle Teil einer
bzw. unserer Bewegung und da draußen sind
noch so so viel mehr Menschen verteilt
über all die lokalen Strukturen in
Deutschland, die an super vielen coolen
Themen arbeiten. Und natürlich sind gerade
diese Leute, die im Kleinen, in ihren
Kommunen und in ihren Strukturen an diesen
Themen arbeiten, unsere eigentlichen
Held*innen und diese einzelnen Initiativen
von Leuten, die irgendwie so viel Zeit in
ihre zivilgesellschaftliche Arbeit stecken
und die alle dabei dieses Jahr auch echt
viel erreicht haben, die beeindrucken mich
echt jeden Tag aufs Neue. Und es gibt
eigentlich so viele Beispiele. Ich könnte
hier noch bis morgen weiter labern und ich
wollte jetzt hier nur so ein paar nennen,
also seid mir bitte nicht böse, dass wir
jetzt hier so drei, vier Beispiele
vorgebracht haben. Ihr seid alle ziemlich
cool. Was diese Leute aber echt alle
irgendwie gemeinsam haben, habe ich den
Eindruck, ist das deren Arbeit erst
ermöglicht wird von der digitalen Basis-
Infrastruktur, der Zivilgesellschaft. Und
damit meine ich jetzt nicht so was wie
Twitter oder Mastodon, sondern damit meine
ich zum Beispiel so großartige Angebote
wie "Frag den Staat", denn die haben es
zum Beispiel geschafft, einen eigentlich
super komplizierten Prozess, nämlich das
Befreien von Informationen und Dokumenten
aus Staat und Verwaltung, indem man beim
Staat im Rahmen des
Informationsfreiheitsgesetzes mal
nachfragt, von einem super, super, super
komplexen Prozess, für den man gefühlt,
als ich damit angefangen habe, so ein
halbes Jurastudium brauchte, zu 5 Klicks
mit einem Zeitaufwand von vielleicht 2, 3
Minuten zu machen. Oder ich meine damit so
was wie "Netzpolitik.org", die es
irgendwie einerseits diese interessante
Spalte zwischen Aktivismus und
Journalismus abbilden und die aber
eigentlich meiner Meinung nach vor allem
das Wissensmanagement der
Zivilgesellschaft machen, in dem sich
Debatten anschauen und dann journalistisch
über diese Debatten berichten und die
damit natürlich für die Nachwelt behalten,
weil wenn ich irgendwie was auf Twitter
schreibe, dann ist das nicht so gut
nachvollziehbar in einem Jahr, und dann
hat man das nicht gut zusammengefasst,
dann kann ich darauf verweisen. Und gerade
von diesem Wissensmanagemnt sollte sich
die Verwaltung irgendwie eine Scheibe
abschneiden, weil da sind wir in
Deutschland noch nirgends so weit. Und
auch wenn jeder Verwaltungsprozess für uns
Bürger*innen so digital wäre wie das
Informationsfreiheitsgesetz über "Frag den
Staat", dann hätten wir als
Zivilgesellschaft in Deutschland heute
echt deutlich weniger zu tun. Der Staat
ist aber auch im Allgemeinen eher so ein
Verhinderer von unserer digitalen Basis-
Infrastruktur der Zivilgesellschaft. Es
musste leider zu Beginn des Jahres das
Projekt "Kleine Anfrage" den Betrieb
einstellen. Das war eine Plattform, wo
kleine Anfragen von Politiker*innen aus
den Landesparlamenten zentral und gut
durchsuchbar zugänglich gemacht wurden.
Und die Leute dahinter hinter dem Projekt
haben es einfach nicht mehr geschafft, die
kaputten Behörden-Websites automatisiert
abzufragen und so quasi diese Daten zu
befreien. Und leider hatte der Staat nicht
wirklich Interesse daran, diese Daten
besser über Schnittstellen zum Beispiel
zugänglich zu machen, weswegen die
irgendwie nach ganz vielen Jahren gesagt
haben: Ja, wir können das nicht mehr
machen. Und da das Projekt quasi
eingestellt haben. Und das ist leider auch
nicht der einzige Fall in diesem Jahr, wo
der Staat uns als Zivilgesellschaft den
Zugang zu Ressourcen, die eigentlich uns
allen gehörten, eingeschränkt hat. Ich
denke da zum Beispiel an Markus Drenger,
den viele von euch vielleicht auch als
reg_nerd kennen. Der hat nämlich die Haus-
Koordinaten Deutschlands befreit, also die
Information, wo sich eine Adresse in
Deutschland als ein Punkt auf einer Karte
befindet. Und der hat dafür eine Behörden-
Website automatisiert gescrapt, von der
Behörden-Website, auf der stand, dass
diese Informationen amtliche, also lizenzfreie
Daten waren. Und er hat die halt einfach
mal abgerufen und dann in einem modernen
Format zum Download angeboten. Und man
würde jetzt denken: Ey, das ist ein
staatlicher Datensatz, den haben wir als
Gesellschaft schon mit unseren Steuern
bezahlt. Das sollten irgendwie offene
Daten sein. Tja, leider nicht. Und naja,
die Bundesländer, die fanden das nicht so
nice, dass er damit quasi der Gesellschaft
helfen wollte, indem er diese Daten
befreit und veröffentlicht hat, sondern
diese 16 Bundesländer bzw. eigentlich die
zentrale Stelle für Haus-Koordinaten und
Hausumringe, die in Bayern sitzt,
verklagen ihn jetzt deswegen. Und ich weiß
nicht, ich finde, dass das aller-
allerletzte, dass der Staat so gegen
digitale Zivilgesellschaft und Einzelne
von uns vorgeht. Und ich kann von mir aus
zumindest sagen, dass wir alles daran
setzen werden im nächsten Jahr, dass es
einerseits die Arbeit dieser Haus-
Koordinaten-Zentralstelle irgendwie total
überflüssig wird, weil die machen nichts
anderes, als dass sie diese Daten
verkaufen. Und natürlich, dass alle sich
hinter reg_nerd stellen, sowohl auf einer
politischen Ebene als auch mit direkter
Aktion. Und ich habe mit dieser direkten
Aktion auch dieses Jahr schon angefangen
und auch weil ich offene Daten irgendwie
ein wichtiges Thema finde und habe
deswegen die Plattform bund.dev gestartet,
bei der irgendwie Leute aus der
Zivilgesellschaft alle inoffiziellen
Programmier-Schnittstellen und nicht nur
die eine, die reg_nerd gefunden hat, von
staatlichen Institutionen dokumentieren.
Also weil der Staat hat ja irgendwie über
Jahre hinweg selber keine offenen Daten
mehr rausgegeben, obwohl er das irgendwie
nach Regeln der EU müsste. Und so habe ich
mir gedacht: Ey, dann machen wir das als
Zivilgesellschaft jetzt einfach und machen
diese Schnittstellen für alle Leute
zugänglich. Und so kann sich quasi jeder -
wie reg_nerd das auch gemacht hat - Daten
aus staatlichen Systemen befreien, wenn er
die braucht. Und der Vorteil ist, dass
bisher in Deutschland noch nie jemand
angezeigt wurde, weil er ein System
dokumentiert hat. Also dass diese
Kriminalisierung haben wir noch nicht mal
in Deutschland hinbekommen. Und das Coole
daran ist: Wenn wir alle wissen, wie diese
Schnittstellen funktionieren, dann können
wir quasi selbst entscheiden, wie wir die
Wetter- oder Verkehrsdaten von staatlichen
Institutionen benutzen. Wir müssen also
nicht, wenn wir Verkehrsdaten vom Staat
wollen, die App des Verkehrsministeriums
benutzen, die auch total doof ist, sondern
können die Daten auch einfach in
OpenStreetMap benutzen. Und man würde da
jetzt irgendwie auch wieder denken, dass
die Verwaltung das ja eigentlich cool
finden würde, weil sie müssen diese
Schnittstellen eigentlich eh alle
dokumentieren und alle haben die Daten
dann, alles super, würde man eigentlich
denken, das ist cool. Leider ist es auch
in dem Fall bei bund.dev nicht was
passiert ist, sondern mehrere Behörden
kamen daraufhin auf die Idee, so Sachen zu
behaupten, wie dass Katastrophen-Warnungen
zum Beispiel urheberrechtlich geschützt
sind. Also wenn man da so eine kurze
Nachricht hat, wie. "Hier ist gleich ein
Sturm" das Urheberrecht dran wäre, was
natürlich totaler Quatsch ist. Oder die
Bundesagentur für Arbeit, die irgendwie
auf die Idee kam, das Jobbeschreibung,
also wenn ein Unternehmen bei denen sagt
"Hey, wir haben diesen Job zu vergeben"
das sei irgendwie datenschutzrechtlich
problematisch wäre, wenn jeder Zugang zu
diesen maschinenlesbaren Daten hätte. Und
ich finde das schon krass, wie der Staat
oder die Verwaltung so mit der
Zivilgesellschaft umgeht, wenn wir
versuchen, deren Daten zugänglicher zu
machen und denen nichts anderes einfällt,
außer pöbeln oder sogar Leute anzuzeigen,
was - wie gehabt - echt das Allerletzte
ist. Und im Fall von bund.dev haben wir
es dann auch erlebt, dass eine Behörde
angefangen hat, also die Bundesagentur für
Arbeit, in dem Fall einfach mal ihre
Schnittstelle umzubauen. Also dass sie
dachten, dann haben wir keinen Zugriff
mehr auf die Daten. Aber völlig logisch,
was wir irgendwie gemacht haben, ist, wir
haben einfach die Schnittstelle neu
dokumentiert und wir waren in den letzten
Monaten über 100 Menschen, die sich
hingesetzt haben und mittlerweile an die
30 verschiedene Dienste des Bundes
dokumentiert haben. Und ich glaube, diese
Art von zivilgesellschaftlicher
Basisinfrastruktur von einer gewissen Art
direkter Aktionen, die brauchen wir
eigentlich noch mehr, damit wir einerseits
als Zivilgesellschaft effektiver arbeiten
können, aber auch, weil uns die Geschichte
aus gerade den letzten zehn Jahren gezeigt
hat, dass wir ohne so direkte Aktionen
irgendwie nicht so viel cooles Neues
bekommen können. Das, ja, ist ein bisschen
schade, aber das kann sich ja jetzt gerade
ändern, weil auch bei Open Data und
Open Government habe ich gerade
ein bisschen Hoffnung. So ein kleiner
Lichtblick dieses Jahr ist nämlich der
neue Koalitionsvertrag, der ja im
Digitalbereich zu einem ganz guten Teil
auf den Formulierungshilfen des CCCs
basiert. Und weil ich davon echt zu wenig
Ahnung habe und wir noch so ein bisschen
mehr positive Energie verbreiten wollen,
deswegen schalte ich jetzt einmal zu
unserem Koalitionsvertragsexperten
HonkHase.
HonkHase: lacht Ja, das fehlt noch, dass
ich Koalitionsvertragsexperte bin. Früher
war es mal der Experte für kritische
Infrastrukturen. Jetzt ist es so, dass der
Koa-Vertrag sozusagen kritisch wird und
ich da mal kritisch drauf gucke. Das kann
ich ja besonders gut. Genau in dieser AG,
professionell angepisst, bin ich nämlich
auch dabei. Ja, ich habe mir das mal
angeschaut, das digital relevante Geraffel
in diesem Koa-Vertrag für die
Zivilgesellschaft und mag euch mal ein
paar Highlights aufführen. Zunächst ist da
dieses "Hackbacks lehnen wir als Mittel der
Cyber-Abwehr grundsätzlich ab". Also
invasive Zugriffe auf fremde IT-Systeme
oder eben auch für die Nerdine unter uns:
Der Staat will Hacker hacken. Ja, das
grundsätzlich daran muss noch weg, weil
ich hätt' das gern so grundsätzlich nicht
und nicht als Option nicht, so gar nicht
gar nicht. Aber es gibt immerhin eine
sinnvolle Marschrichtung vor. Und das geht
in Richtung zivile, defensive
Cybersicherheit. Das ist doch eigentlich
das, was wir haben wollen. Das ist
begrüßenswert. Dann sollen alle
staatlichen Stellen verpflichtet werden,
ihnen bekannte Sicherheitslücken an das
Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik zu melden. Und der
springende Punkt dabei ist dieses "alle",
also wirklich alle staatlichen Stellen
werden verpflichtet. Das heißt, niemand
von denen kann da irgendwie noch mal
irgendwas zurückhalten oder sagen "Pfft,
melde ich nicht. Können wir ja nutzen für
unsere Bevorteilungen." Also so sieht
wirklich ein gutes Schwachstellen-
Management aus. Man geht an die Ursache
und sagt: "Alle müssen ran". Dann kann man
auch wirklich an den Auswirkungen
profitieren, ohne temporäres Zurückhalten
für ein Ausnutzen durch
Sicherheitsbehörden und
Nachrichtendienste. Ich vermute mal, die
beiden Bereiche wird das ganz schön
wurmen, aber die Zivilgesellschaft freut
sich jedenfalls darüber, dass Gehör
gefunden wurde, was wir gerne im digitalen
Raum hätten und nicht, was die
Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste
Dienste gern wünschen. Ja und es kommt
sogar noch besser, nicht nur ein Recht auf
Verschlüsselung. Da erinnert sich
tatsächlich die Regierung wieder dran. Das
hatten wir ja schon mal. Kriegen wir
zurück, sondern auch ein wirksames
Schwachstellen-Management mit dem Ziel,
Sicherheitslücken zu schließen. Ja und es
gibt sogar Vorgaben für Security-by-Design
und Security-by-Default werden angestrebt.
Also das ist wirklich wieder so eine
Ursprungsforderung, dass man an die
Ursache geht und sagt wir wollen an den
Ursachen etwas verändern, damit die
Auswirkungen sich langfristig eben auch
ändern. Das wird eine Herausforderung,
definitiv, aber absolut positiv und zu
begrüßen. Und wir bekommen sogar das Recht
auf Interoperabilität und Portabilität,
sozusagen, zurück. Das soll
Berücksichtigung finden. Der Staat will
also kompatibel werden. Yay! So, darüber
hinaus wird es also auch noch eine
Überwachungs-Gesamtrechnung geben, die
erstellt werden soll. Das finde ich
persönlich auch sehr sehr sinnvoll, weil
man dann auch mal einen Überblick bekommt,
dass immer mehr Gesetze in
Befugnisserweiterungen für
Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste
gewandert sind. Und alles, was da temporär
kam, wurde dauerhaft. Alles Dauerhafte
wurde nie hinterfragt und eigentlich immer
als gesetzt gegeben. Das heißt, es geht
immer in diese Richtung und nicht zurück.
Schlechte Entwicklung, will man jetzt mal
transparent damit machen. Und bis Ende
2023 wird es auch eine unabhängige
wissenschaftliche Evaluation der
Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen
auf Freiheit und Demokratie geben. Schöne
Ansage, freue ich mich extrem auf die
Ergebnisse. Ich bin mega gespannt, ja.
Leute, Leute, es sind auch darüber
hinaus noch Lernfortschritte bei der
Regierung erkennbar. Während Distributed
Ledger aka Blockchain und
Vorratsdatenspeicherung noch im frischen
Koalitionsvertrag stehen, hat man schon
festgestellt, dass die
Vorratsdatenspeicherung sinnlos ist und
man sie loswerden will. Die sind also in
einer Geschwindigkeit, die sozusagen dem
Digitalen entspricht und machen
Fortschritte. Aber ich kann nur begrüßen,
dass die sich so entwickeln. Bitte mehr
davon. Das ist schön. Und insofern bringt
auch dieser Koalitionsvertrag viel
Hoffnung und Blick in die Zukunft, den wir
lange Jahre aus dem CCC heraus, aus der
Sicherheitsforscher*innen-Community und
vielen anderen NGOs immer wieder in diese
Richtung kommuniziert haben. Und jetzt
findet es Einklang. Sofern auch sehr schön
zu sehen, dass das alles nicht für die
Katz' war.
Lilith: Dankeschön, HonkHase. Und in den
letzten Wochen hat uns als digitale
Zivilgesellschaft auch schon die nächste
ziemlich gute Nachricht erreicht. Und
zwar, dass wir 10 Millionen Euro für Open-
Source-Software in Deutschland bekommen.
Und daran hat ja unter anderem Julia Reda
super lange gearbeitet. Und das ist
richtig cool, dass wir so einen Tech-Fund
bekommen, der Open-Source-Projekte besser
finanziert. Leider hat das Ganze auch
einen ganz kleinen Haken. Und zwar steht
das alles unter dem Titel Sovereign-Tech-
Fund und jetzt fragt ihr euch vielleicht,
warum das irgendwie doof ist. Und naja,
dieser digitale Souveränitätsbegriff, der
ist ein bisschen schwierig, weil unter
digitaler Souveränität verstehen viele
Politiker*innen eher so was wie
Digitalnationalismus vielleicht. Und
zumindest ich kann mit diesem
Souveränitätsbegriff echt wenig anfangen.
Das ist echt das vollkommene Gegenteil von
dieser Utopie, die zumindest ich mir für
unsere Community vorstelle, für so eine
international digital vernetzte Community.
Und zumindest ich hänge an dieser Utopie
auch noch irgendwie weiterhin. Und wir
sollten uns halt so cool es ist, dass wir
jetzt dieses Geld bekommen, auch immer gut
überlegen, von wem wollen wir uns gerade
wie vereinnahmen lassen? Weil ja also ich
finde es nicht so cool für digitale
Souveränität stehen zu müssen oder so. Und
das ist halt so ein Ding mit dieser
Interaktion zwischen Politiker*innen und
der Zivilgesellschaft. Dass ist häufig von
Missverständnissen geprägt, würde ich fast
sagen. Und wir als Community müssen uns
noch häufiger bewusst Gedanken darüber
machen, wie weit wir zum Beispiel die
Sprache von denen übernehmen wollen und
inwieweit das nicht einfach dadurch dann
zu so Missverständnissen kommt. Wie in dem
Fall, wo ich, glaube ich, häufig sehe, dass
der Souveränitätsbegriff auf beiden Seiten
einfach komplett anders ausgelegt wird.
Und gerade auf Basis von solchen
Missverständnissen und weil Leute gerade
unter den Politiker*innen so ein bisschen
komisch sind, können diese
Missverständnisse schnell zu verhärteten
Fronten führen und man dann mal angezeigt
wird, so wie reg_nerd dieses Jahr, oder
auch wie ich das dieses Jahr erlebt habe,
als die CDU mich irgendwie angezeigt hat.
Und zwar nicht, weil ich wie reg_nerd
irgendwie dabei helfen wollte, öffentliche
Daten zu nutzen, sondern weil ich private
Daten schützen wollte. Und zwar die von
CDU-Mitgliedern. Und natürlich auch weil
es irgendwie krass ist, bei der CDU eine
Sicherheitslücke zu finden, wenn man die
politisch nicht so cool findet, aber vor
allem um deren Daten zu schützen. Und ich
hatte denen damals eine Sicherheitslücke in
deren CDU-Connect-App gemeldet und das war
völlig absurd, dass sie mich dafür
angezeigt haben wegen des
Hackerparagraphen, den sie irgendwie
selbst geschrieben haben und sie selber
nicht verstanden haben, wann hackt
eigentlich jemand was und wann hilft man
als Sicherheitsforscher*in? Der Paragraf
muss deswegen weg, das ist völlig klar.
Aber auch diese ganze Situation mit der
CDU, als ich da angezeigt wurde. Das hat
so im Nachhinein für mich was Positives,
denn ich habe ganz persönlich erlebt, wie
unglaublich krass der Zusammenhalt in
unserer Community ist. Und als die Anzeige
öffentlich wurde, erfuhr ich irgendwie so
eine unglaubliche Welle der Solidarität
und Unterstützung, die ich mir so
überhaupt nie hätte vorstellen können. Und
das macht mir natürlich Mut, weiter
irgendwie Sachen zu hacken, weiter
irgendwie Daten zu befreien. Und ich
hoffe, das macht auch anderen Leuten Mut,
einfach Sachen zu machen und mit diesem
gesellschaftlichen Druck, der da irgendwie
aufgekommen ist, gerade mit der CDU-
Geschichte und gegenüber der
Staatsanwaltschaft, die konnten echt gar
nicht anders, als dieses Verfahren sofort
einzustellen. Und dafür will ich an der
Stelle auch einfach noch mal Danke sagen.
Und ich hoffe, dass reg_nerd in dem Fall
einfach in den nächsten Monaten mindestens
diese Unterstützung erfährt, die ich auch
erfahren habe. Und naja, was halt auch
leider irgendwie zu dieser
zivilgesellschaftlichen Arbeit gehört, ist,
wie ich vorhin schon so ein bisschen
gesagt habe: Häufig sind das einzelne
Leute, die den coolen Scheiß machen und
das ist für diese Leute häufig krasse
Selbstausbeutung, dass da Leute sich in
ihrer Freizeit hinsetzen und teilweise bis
zur völligen Erschöpfung an ihren Themen
arbeiten, die ihnen irgendwie super
wichtig sind und ich glaube, da müssen wir
noch mehr aufeinander achten. Und dazu
gehört eben auch, dass diese Arbeit oft
nur von Leuten mit einer gewissen Menge an
Privilegien überhaupt erledigt werden
kann. Privilegien, denen wir uns, glaube
ich, auch manchmal noch deutlicher bewusst
werden müssen. Und Teil zumindest meiner
Meinung nach unserer Utopie sollte auf
jeden Fall sein, dass wir irgendwann auch
als digitale Zivilgesellschaft und als
Hacker*innen die gesamte Gesellschaft
repräsentieren. Und dafür müssen wir,
glaube ich, unsere eigene Arbeit zum
Beispiel noch mehr Leuten ermöglichen. Das
machen wir zum Beispiel, indem wir noch
mehr und besser zugängliche digitale
Basisinfrastruktur der Zivilgesellschaft
schaffen. Das bedeutet aber auch, dass wir
zum Beispiel mehr Fördermittel für Leute
zugänglich machen. Und damit meine ich
jetzt nicht nur, damit Softwaredeveloper
mehr Open-Source-Software bauen können,
sondern damit meine ich auch all die
anderen Leute, die auch Teil der digitalen
Zivilgesellschaft sind und auch sehr
wichtige Arbeit machen und nicht nur
Software bauen. Denn das ist häufig nur
ein kleiner Teil von unserer politischen
Arbeit. Und natürlich müssen wir uns auch
ständig unsere eigene Arbeit reflektieren,
uns Fragen stellen wie: Welche
Minderheiten diskriminiere ich vielleicht
gerade mit den Forderungen, die ich da
aufstelle? Oder arbeite ich gerade in
einer NGO und vereinbare mit der Meinung
meiner NGO gerade die Meinung von anderen
Leuten? Und ich glaube, da müssen wir echt
noch viel an uns arbeiten. Und ich meine,
wer außer uns sollte das auch tun? Es gibt
also viel zu tun und es gibt mehr denn je
zu tun auf dem Weg zu unserer Utopie, zu
einer freien, selbstbestimmten Welt. Wir
als digitale Zivilgesellschaft, wir müssen
einfach noch deutlich mehr Leute werden.
Ich glaube, das ist der Weg, wie wir dahin
kommen können. Und vielleicht habe ich
heute so ein paar Leute, die hier zuhören,
dazu bekommen, das sie jetzt auch so Lust
haben, irgendwie Sachen zu hacken und
Sachen zu bauen und Sachen zu machen. Und
wenn ihr darauf jetzt Lust bekommen hat,
dann habe ich jetzt eine saugute Nachricht
für euch, denn hier auf diesem Kongress,
das ist eigentlich der perfekte Moment
damit anzufangen. Denn hier auf dem
Kongress könnt ihr irgendwie all die Tools
und Möglichkeiten der digitalen
Zivilgesellschaft besser kennenlernen als
ich mir sonst irgendwie vorstellen könnte.
Ihr könnt hier von zerforschung, die
HonkHase ja gerade gementioned hat und ich
bin zufällig Teil von zerforschung, könnt
ihr lernen, wie man Sicherheitslücken
richtig meldet und wie man einem
Unternehmen gut Bescheid sagt. Von einem
Haufen Informationsfreiheits-Profis, könnt
ihr irgendwie lernen, wie man dem Staat
gute Fragen stellt. Ich glaube allein dazu
gibt es irgendwie fünf Vorträge oder so.
Ihr könnt lernen, wie ihr Daten analysiert
und so weiter und so weiter und so weiter.
Also es gibt wirklich kaum einen besseren
Ort, damit anzufangen, sich aktivistisch
in der digitalen Zivilgesellschaft zu
bewegen, als diesen Kongress. Und für all
die Leute, die jetzt schon lange dabei
sind: Ich hoffe, ihr habt weiterhin Kraft,
weil ich glaube so insgesamt haben wir in
2021 echt viel bewegt und ich glaube 2022
könnte ziemlich cool werden. Und ja, ich
glaube, damit bleibt mir dann nur noch die
üblichen Sachen zu sagen, die man zu
Beginn eines Kongresses sagen sollte. So
was wie 6-2-1. Die schon länger dabei
sind, die kennen die Regel noch.
Ich musste sie tatsächlich selber
wieder googlen. Schon so zu lange seit
dem letzten Kongress. Also:
6 Stunden schlafen, 2× essen, 1× duschen.
Das ist auch zu Hause eine gute Idee.
Seid exzellent zueinander und ich wünsche
euch ganz viel Spaß auf dem Kongress.
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!