Vorspann-Musik Engel: So, kommen wir zu den beiden netten Herren, die hier heute für uns referieren, das sind Thomas Lohninger und Werner Reiter. Die beiden sind vom AK Vorrat in Österreich, Thomas ist langjähriger CCC- und auch Camp-Besucher und Sprecher des AK Vorrat, er ist bei EDRi unterwegs und hat vorher ganz viel zum Thema LGBT und Antirassismus gemacht und, ja, zusammen mit Werner Reiter, der ein Netzaktivist, Kommunikator, Veranstalter und Fotograf ist und noch viele andere Dinge tut, erzählt er euch jetzt was über den Kampf gegen unkontrollierte Massenüberwachung in Österreich, was ich ganz spannend finde, weil ich vor 2 Tagen einen Talk zum Thema "Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz" moderiert hab, also wir kriegen hier ein ganz gutes Bild was unsere deutschsprachigen Nachbarländer so machen. Und ihre These ist: Geheimdienste kontrolliert man am besten, indem man sie ganz verhindert. Denn in Österreich soll ein neues... sollte ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden, das im Grunde ein neuen Inlandsgeheimdienst, der völlig unkontrolliert agieren kann, installieren sollte. Aber das erzählen euch die beiden jetzt. Einen warmen Applaus bitte und die Bühne gehört euch! Applaus Thomas Lohninger: Vielen Dank. Vielen Dank. Ja. Wir fangen gleich an. Wir wollen in den ersten Worten mal kurz irgendwie erklären wer die Organisation ist, unter deren Schirm wir die letzten Jahre so viel getan haben in Österreich. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, benannt und inspiriert natürlich vom deutschen AK Vorrat, aber eine eigenständige Organisation, ein eigenständiger Verein, der so 2009 zum ersten Mal in Erscheinung tritt, als das Audimax besetzt wurde und sehr viel, sehr interessantes Programm damals in diesen besetzten Räumen der Universität Wien stattfand und sich auch sehr viel kritische Zivilgesellschaft gefunden hat und dort haben wir auch zum ersten Mal über die Vorratsdatenspeicherung vorgetragen und dann auch offiziell 2010 einen Verein gegründet, der eben so eine Mischung aus Juristen, Technikern, Netzaktivisten und einfach nur kreativen Köpfen, die was verändern wollen, war. Und zuerst in Erscheinung getreten sind wir eigentlich groß mit der Bürgerinitiative gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das Gesetz wurde in Österreich, wie ihr vielleicht wisst, sehr spät umgesetzt. Es gab schon fast ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Und dann hat die österreichische Regierung sich doch noch dazu entschlossen, dieses elendige Gesetz umzusetzen. Und wir haben gewusst, wir wollen dagegen vorgehen und haben diese Bürgerinitiative gestartet, um den Bereich zu überbrücken zwischen dem Beschluss des Gesetzes und dem Inkrafttreten. Weil erst nachdem das Gesetz Inkraft ist, können wir dagegen klagen. Wir haben es geschafft, wirklich die größte Bürgerinitiative bis zur damaligen Zeit in Österreich zu werden, mit 106.067 Unterschriften. Davon auch über 4.000 auf Papier, teilweise aus den entlegensten Bergdörfern einzelne Unterschriftenbögen von Menschen vom Jahrgang 1941, denen das Thema wichtig war. Also das war eine wirklich breite Bewegung. Trotzdem, am 1. April 2012 trat das Gesetz in Kraft. Und ab dem Tag mussten die Provider die Daten von allen Menschen für ein halbes Jahr speichern. Hier haben wir die Privatsphäre zu Grabe getragen, um auch gleich dann den Weg zum Verfassungsgerichtshof anzutreten, wie das immer unser Plan war. Da war's ein bisschen komplizierter. davor konnte man einfach der Parlaments-Website die Bürgerinitiative unterschreiben, hier musste man 4 Schritte erfüllen: So ein Online-Formular ausfüllen, dann was ausdrucken, handschriftlich unterschreiben und uns mit der Post zurückschicken. Also eigentlich sehr ... ein mühsames Prozedere. Haben trotzdem viele Leute gemacht. Wir haben nicht gewusst, dass Post immer noch in Säcken ausgeliefert wird, aber wenn genügend kommt, dann kriegt man da so einen Sack dazu. Und in Summe waren es wirklich 11.139 oder mit Erstantragssteller 11.141 Leute, die vor den Verfassungsgerichtshof gezogen sind. Und da hatten wir das Glück, dass der österreichische VfGH das Ganze gleich an das europäische Höchstgericht, an den EuGH, weitergeleitet hat. Wir waren hier auch in der großen Spruchkammer, also im größten Saal, den es da gibt in diesem Höchstgericht. Und es war sehr spannend, da bei dieser Verhandlung dabei zu sein. Weil da wurden all die Fragen gestellt, die wir uns auch immer stellen im Rahmen von Vorratsdatenspeicherung: Bringt das was? Wo hat das schon mal was geholfen? Was sind die Safeguards? Das waren genau die Fragen, die die Richter auch an die Vertreter von 8 Ländern und allen 3 EU-Institutionen gestellt haben. Und niemand hatte eine wirkliche Antwort darauf. Deswegen wurde damals auch die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft. Dem schloss sich dann auch unser Verfassungsgerichtshof an und damit hatten wir einen großen Erfolg den wir in dem Moment gefeiert haben. Applaus Werner Reiter: Heute soll's ja um Geheimdienste gehen und da lohnt es sich auch, ein bisschen in die Geschichte zurückzublicken. Die Geschichte beginnt ... zumindest die Geschichte, die ich erzählen möcht, beginnt 1814/1815 mit dem Wiener Kongress. Damals hat ein gewisser Klemens Wenzel Lothar von Metternich die Verhandlungen geleitet zur Neuordnung Europas, nachdem Napoleon den Krieg verloren hatte. Er hat dann im deutschen Bund auch viele Überwachungsgesetze durchgesetzt. Also nicht nur in Österreich, sondern auch in der ganzen Region. Das Metternichsche System glaub ich ist jedem bekannt. Universitäten wurden massiv eingeschränkt, Briefgeheimnis wurde verletzt, und, und, und... In Österreich hatte er einen Gegenspieler, das war sein Innenminister, der in der geheimen Staatskonferenz für Inneres zuständig war. Galt eigentlich als liberal, war aber trotzdem derjenige, der all das, was Metternich sich ausgedacht hat, in Österreich umgesetzt hat. Der gute Mann hieß Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky. Das war eigentlich dann das System, das bis zum Ende der Ersten Republik galt. In der Ersten Republik dann gab es einen gewissen Johann Schober, der Polizeipräsident von Wien war und die Regierenden überzeugen konnte, dass wir einen Staatsschutz in Österreich brauchen. Der gute Mann war eigentlich dafür zuständig, den Staatsschutz so aufzustellen, wie er noch heute in Österreich organisiert ist. Was wir hier sehen ist ein Plakat von Karl Kraus, der dann ein schönes Gedicht, das sogenannte Schoberlied, geschrieben hat: "Wenn ein Umsturz in Sicht, ich erfüll' meine Pflicht. Die Elemente vernicht' ich bezüglich der Pflicht." In Wahrheit - abgesehen von einer etwas antiquierten Sprache - kann man das heute noch auf die Pläne der Bundesregierung anwenden. Das hier ist im 3. Wiener Gemeindebezirk. Der Sitz des Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Wenn jemand von euch mal nach Wien kommt, stattet den Herren dort einen Besuch ab und sagt ihnen, was ihr von ihnen denkt. Vielleicht denkt ihr heute noch etwas anders und noch mehr über sie nach. Dann kam das Dritte Reich. Das hier ist das Denkmal am Wiener Morzienplatz, das am Standort der österreichischen Gestapo stand. Zur österreichischen Gestapo ist zu wissen, dass sie mit über 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besser ausgestattet war, mit mehr Personen ausgestattet war, als die Gestapo-Zentrale in Berlin und dass die Österreicherinnen und Österreicher das Personal dafür bereitgestellt haben: 70-80% waren Österreicherinnen und Österreicher und haben sehr eifrig in der Gestapo mitgewirkt. Dann, zu Ende des Krieges, äh ... ... was ihr hier seht, sind Shots aus dem "Dritten Mann", den Film kennen wahrscheinlich viele oder die meisten von euch ... ... waren dann die Besatzungsmächte in Österreich sehr aktiv. Österreich war immer schon eine Drehscheibe für geheimdienstliche Aktivitäten. Das ist es nach wie vor. Dazu muss man wissen, dass die Vereinten Nationen in Österreich auch einen Sitz haben, dass die Atomenergiebehörde in Wien ist und dass das Iran-Atomabkommen auch in Wien verhandelt wurde. Das heißt, es nimmt nicht Wunder, dass solche Vogelhäuschen in Wien zu sehen sind. Das sind natürlich keine Vogelhäuschen, sondern Abhörstationen der NSA. Kann ich euch sehr empfehlen, einen Talk von Erich Möchel, der die Geschichte im Vorjahr auf diesem Kongress präsentiert hat. Nun zu den Aktivitäten, die das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in jüngster Zeit so macht. Das ist der sogenannte... das sind Bilder aus dem sogenannten Tierschützerprozess, wo Tierschützer nach dem § 278a, dem sogennanten Mafia-Paragraf, angeklagt wurden, 14 Monate ein sehr, sehr anstrengendes Verfahren durchlaufen mussten und 2011 endlich freigesprochen wurden. Allerdings waren sie alle finanziell komplett ruiniert. Andere schöne Aktivität: Polizei stürmt falsche Wohnung. Michael R. wurde 2012 verdächtigt, "The_Dude" zu sein, und damit ein führendes Mitglied von Anonymous. Er war's natürlich nicht. Um 6:45 Uhr in der Früh stand ein Mann im Installations-Gewand vor seiner Tür und Michael R. wurde dann von der Polizei überwältigt. Auch diese Vorwürfe waren nicht haltbar. Das heißt, das ist die Gemengelage, in der wir uns heute befinden, und diese Behörde, die solche Aktionen macht, soll jetzt noch mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden. Lohninger: Gut. Danke, Werner. Ja, also was wir eigentlich vorhatten, im ersten Akt für 2015, als wir diesen Sieg mit nachhause getragen haben mit der Abschaffung der VDS in Europa und in Österreich, war klar, jetzt weiter als AK Vorrat aktiv zu sein, das braucht ein weiteres Ziel. Und wir haben uns da das vorgenommen, wofür als zweite Forderung diese 106.000 Menschen unterschrieben haben, nämlich die Evaluierung von Anti-Terror-Gesetzen. Und da haben wir uns das Konzept, das der deutsche Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe geboren hat, als Vorlage genommen, nämlich eine Überwachungs-Gesamtrechnung. Die Idee, dass man auch mal in die Offensive zum Überwachungsstaat gehen sollte, und wirklich den gesamten Gesetzesbestand an Überwachungsmaßnahmen in einem Land gesamtheitlich evaluieren sollte. Also wenn die Daten einer Telefonüberwachung mit einer Internetübewachung gemeinsam analysiert werden, muss man auch in der Gesamtschau alle diese Überwachungsmaßnahmen zusammenzählen, um die Eingriffstiefe in unsere Privatsphäre ermessen zu können. Und was wir hiermit tun, mit diesem Projekt, ist, dass wir einen wissenschaftlichen Katalog schreiben, wie überhaupt so eine Überwachungsgesamtrechnung gemacht werden kann. Das Konzept gibt es jetzt schon seit 2009, gemacht wurde das bis jetzt noch nie. Aber unserer Meinung nach ist es genau die Antwort, die wir brauchen, nach Snowden. Wir müssen endlich nicht nur dagegen sein, gegen diese anlasslose Massenüberwachung, sondern wir brauchen Alternativen! Wir müssen Gegenkonzepte entwickeln, die gegen diese reflexartige Ausweitung des Überwachungsstaates auch mal was entgegenhalten, das vor allem, wie in diesem Fall, auch faktenbasiert ist. Hier geht es um wissenschaftliche Analysen aufgrund von quantitativen Zahlen: Was bringt diese Überwachung? Was kostet sie? Und wie schaut der Rechtsschutz dabei aus? Genau diese Fragen gilt es mit dem Projekt, das sehr gesamtheitlich ist, zu beantworten. Und wie es diese Visualisierung von vor ein paar Tagen schön zeigt, es geht auch wirklich darum, so einen Screening-Prozess zu etablieren, wo alle Gesetze, die durch's Parlament wollen, zuerst mal durch müssen. Das heißt es gibt da sowas wie eine Technikfolgenabschätzung, bevor ein neues Gesetz gemacht wird. Und auch bestehende Gesetzesbestände werden evaluiert mit Sunset-Klauseln. Das heißt, wenn sie diesen Verfassungsmäßigkeitstest nicht bestehen, dann müssen sie auch zurückgenommen werden. Ja, das war unser schöner Plan. Applaus Reiter: Ja, es hätte ein ruhiges Jahr werden sollen. Wir wollten in Ruhe an HEAT arbeiten, es kam anders, Charlie Hebdo Anfang Jänner 2015. Natürlich wurden sofort die Rufe nach der Vorratsdatenspeicherung wieder laut und wir mussten uns die Frage stellen, wer denn hier die Terroristen sind und ob's tatsächlich wir sind. Wir sind mit dieser Aktion dann vor das Innenministerium gezogen, haben diese Frage gestellt und leider keine Antwort bekommen. Eine kleine Interpretationshilfe haben wir dann doch vielleicht, vielleicht hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eigentlich nur einen Spendenaufruf für uns machen wollen. Dazu muss man wissen, dass wir ausschließlich durch Spenden finanziert sind, dass unsere gesamte Arbeit von privaten Spendern kommt. Am liebsten sind uns natürlich Fördermitglieder, aber es gibt auch die Möglichkeit für Unternehmen zu spenden. Das ist allerdings begrenzt auf 35% am Gesamtbudget bzw. 7,5% pro Firma. Das stellt sicher, dass wir unabhängig und dezentral uns finanzieren können. Ja ... Thomas Lohninger: Ja, dann kommen wir mal zum Staatsschutzgesetz. Also, was hat die Regierung sich da Tolles für uns ausgedacht? Im Grunde geht's darum, einen Inlandsgeheimdienst in Österreich aufzubauen. Bis jetzt hatten wir eigentlich nur nach außen gerichtete Dienste mit dem Heeres-Nachrichtenamt und dem Heeres-Abwehramt, die beide unter dem Verteidigungsministerium sitzen. Und es ist wichtig, zu verstehen, es gibt in Österreich kein Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten, wie man das in Deutschland oder der Schweiz kennt. Und bei uns ist es so, dass das BVT - das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung - mit den neun Landesämtern für Verfassungsschutz eigentlich eine Polizeibehörde ist, aber immer mehr schrittweise zum Geheimdienst ausgebaut wurde, und mit diesem Gesetz ist dann endgültig die Linie überschritten, das sagen auch alle Experten. Und in gewisser Weise ist das so, wie dieses schöne Zitat von Junke zur Euro-Einführung: Man tut etwas, schaut, ob es Geschrei danach gibt, ob sich irgendwas regt im Blätterwald, und wenn nicht, dann macht man einfach weiter wie bisher. Die Kritik an diesem Gesetz ist sehr breitbandig. Also schon allein die Kontrolle und die Struktur dieses neuen Inlandsgeheimdienstes ist extrem intransparent. Es kann ja auch eigentlich die Verwaltung, also der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit gemeinsam mit dem Chef des BVTs sich gemeinsam aussuchen, wo das Ministerium informiert werden muss, wo das Ministerium überhaupt noch mitreden kann. Die Verwaltung verselbstständigt sich hier also wie wir das sowieso schon in anderen Bereichen in Österreich kennen, aber hier halt an einem der heikelsten. Es gibt massive Ausweitung der Überwachungskompetenzen, im Grunde kann diese Behörde alle Daten abfragen, also auch von jedem Krankenhaus, auch von jeder Gesundheitskasse, von jedem anderen Ministerium, von jeder Firma. Es gibt keine Gründe, die Auskunft zu verweigern, nicht mal Amtsgeheimnis, Firmengeheimnis - wird alles umgangen hier. Alle diese Daten werden für bis zu 6 Jahre gespeichert. Einen Datenaustausch mit anderen Geheimdiensten ist explizit vorgesehen. Es braucht dann auch keinen Verdacht mehr. Wenn der BND sagt: "Überwacht diese Person!", gibt's keinerlei Einzelfallprüfung mehr, Hier wird der Staatsschutz einfach auf Zuruf tätig. All das mit einem Rückbau von Rechtsschutz. Da wo heute noch ein Richter oder ein Staatsanwalt diese Überwachungsmaßnahme genehmigen muss, reicht in Zukunft der interne Rechtsschutzbeauftragte. Das heißt, die müssen einfach nur im Haus oder durch den Minoritenplatz einmal durchgehen, zum Rechtsschutzbeauftragten, sich von dem was stempeln lassen und dann können sie loslegen. Es gibt keine Trennung der Gewalten an dieser Stelle und es gibt auch keine öffentliche Dokumentation mehr. Man muss sich halt wirklich darauf verlassen, dass dieser eine Rechtsschutzbeauftragte, der für die gesamte Polizei in Österreich zuständig ist, wirklich jeden einzelnen Fall ordentlich prüft. Wir tun das nicht. Auch Internetüberwachung wird damit legalisiert, zum 1. Mal in Österreich, unter dem Stichwort "Open Source Intelligence" also, hier auch ... Lachen aus dem Publikum So heißt das wirklich! So halt auch wirklich ohne jeder Schranke, das heißt, sie können hier jede Software zum Einsatz bringen und auch jede Art von Daten aufsammeln und verwerten. Und, was vielleicht für Deutschland vor allem interessant ist, hiermit werden auch zum 1. Mal in Österreich bezahlte V-Leute, also Vertrauenspersonen in Österreich eingeführt. Und zwar ohne irgendwie aus den Erfahrungen des NSU-Skandals zu lernen. Also all das, was in Deutschland schiefgelaufen ist, machen wir jetzt gerade mit Anlauf nach. Und es wurde überhaupt nicht darauf Bedacht genommen, was die inhärenten Gefahren für die Gesellschaft und auch für den Rechtsstaat sind, wenn man solch bezahlten V-Leute hat. Und davon, dass man da auch prozedural einige Probleme hat, ganz zu schweigen. Und natürlich gabs keine Evaluierung davor. Das wär ja lächerlich. Diese Gefährderdatenbank ist eben so einer der Kernstücke, die für uns als Datenschützer zu kritisieren ist. Und was hier auch drin ist, ist, dass ich im Grunde nicht nur eine verdächtige Person, über die Daten speichern kann, sondern auch immer die gesamten Kontakt- und Begleitpersonen. Also bis zu drei soziale Grade, reicht das schon. Das heißt, auch wenn ich nur auf Facebook mit wem befreundet bin, oder in denselben Bars oder Vereinslokalen, reicht das schon, um in dieser Gefährderdatenbank zu landen und damit meine Daten zu NSA & Co. wandern. Der Zweck von dieser Gefährderdatenbank gefällt mir auch immer wieder so schön, der ist so: "Die Bewertung der Wahrscheinlichkeit eines verfassungsgefährdenden Angriffes" Also das ist wirklich schon so, das findet sich so im Gesetz, und das ist schon sehr ... Minority Report. Das hat zu viel Kritik geführt. Eigentlich so positiv sahen das immer nur das Innenministerium und das BVT eben selbst. Auf der anderen Seite gab's eigentlich fast alle gesellschaftlichen Teile, die sich kritisch geäußert haben. Von Richtern, Anwälten, Ärztekammer, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Anwaltskammer, auch die Bischofskonferenz, die Internet-Provider, der Datenschutzrat und Amnesty International. Die haben sich alle kritisch dagegen ausgesprochen. Sogar der eigene Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat gesagt, das geht so nicht. Das ist für Österreich schon enorm, wenn's so eine breite Unterstützung gibt für die Kritik bei so einem Thema. Ja. Reiter: Ja, Grund genug, eine Kampagne dagegen zu starten. Die wichtigste Plattform für die Kampagne ist diese Petitionsseite, die mit heutigem Tag etwas mehr als 23.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner hat. Hier nochmal der URL. Ihr seid herzlich eingeladen, diese Petition zu unterschreiben. Wir schauen nicht nach, aus welchem Land ihr kommt. Lachen aus dem Publikum Applaus Wir haben natürlich auch Unterschriften vor Ort gesammelt. Hier Bilder vom sogenannten Volksstimmefest. Der junge Mann da drüben hat uns dann eine Idee geliefert, die ihr später dann in den Slides nochmal wiederfinden werdet. Er hat sich diese Dinger selbst ins Gesicht geklebt. Wir haben ihn nicht dazu gezwungen. Es gab einige Demos, unter anderem in Linz, da wurde das Landesamt für Bespitzelung ausgerufen. Das war das Landhaus, wo der Sitz der oberösterreichischen Landesregierung ist. In Innsbruck gab's auch eine Demo, und dann kamen die Sommerferien. In den Sommerferien gibt's immer einen Punkt, der die Ferien einläuten, und das ist die Zeugnisverleihung. Dieses Mal hat die Innenministerin ein Nicht Genügend bekommen, und zwar im Fach Staatsbürgerschaftskunde. Das haben wir dann vor dem Innenministerium verlesen Sie hat das Zeugnis leider nicht entgegengenommen und ist ohne Zeugnis in die Sommerferien gegangen. Eine andere lustige Aktion: Geheimdienstdosenschießen. Wie Tom schon ausgeführt hat, es sind 10 Geheimdienste, 10 ergeben eine wunderbare Pyramide, scheppert auch sehr schön. Dann haben wir noch Unterstützung bekommen von den Piraten, auch eine sehr, sehr nette Aktion. Applaus Also mit ein paar wenigen Euros kann man sehr viel medialen Impact machen. Wir wollten aber nicht nur medialen Impact haben, sondern auch etwas Informationsmaterial bieten, und zwar den Abgeordneten zum Nationalrat. Denen haben wir ein großes, dickes Infopaket geschickt, wo unsere gesamten Stellungnahmen drinnen waren. Wir haben auch Infopakete in ganz Österreich verschickt, die dann verteilt wurden. Da sind unsere Sticker, die sind übrigens auch draußen am EDRi-Stand zu finden, und damit übergebe ich wieder an Tom. Lohninger: Wir müssen uns schon beeilen, ich will aber trotzdem noch kurz diesen Einspieler hier machen, dass ihr so seht, was so die Debatte war. Video: In der SPÖ regt sich Widerstand gegen das geplante Staatsschutzgesetz. Justizsprecher Hannes Jarolim kritisierte die weitreichende Grundrechtseingriffe und er kündigte an, dass das Gesetz so sicher nicht kommen wird. All das hat er der Zeitschrift "Falter" gesagt. Die Begutachtungsfrist für das von der Innenministerin Johanna Mikl-Leitner verantwortete Gesetz ist abgelaufen. Jetzt werden die über 100 Stellungnahmen eingearbeitet. Das Ziel, mit dem neuen Gesetz die Terrorbekämpfung auch zu erleichtern, sorgt für ziemlichen Argwohn. "Diesem Gesetz werden Tür und Tor geöffnet für die Etablierung eines Geheimdienstes in Österreich, mit 9 Landesgeheimdiensten und einem Bundesgeheimdienst." Sprecherin: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die neue Superbehörde und österr. Antwort auf aktuelle Bedrohungen von Jihadismus bis zu ausländischen Geheimdiensten. Mit dem Gesetz soll der Staatsschutz, der präventiv ermittelt, von der Polizei klar abgegrenzt werden. "Ich weiß, dass es immer wieder, äh, behauptet wird, es handelt sich um einen Nachrichtendienst oder einen Geheimdienst beim BVT. Das is so nett richtig. Das ist ein Teil der österr. Polizei, und dieser Teil der österr. Polizei hat eine spezielle Funktion bei der Sicherung der Interessen der Bürger und des Staates zu erfüllen. Und das soll mit diesem Gesetz klargestellt werden." Sprecherin: Doch die Umsetzung, ist der Tenor der vielen Stellungnahmen in der Begutachtung, lässt andere Folgerungen zu. Vor allem Richter und Rechtsanwälte verweisen auf mögliche massive Eingriffe in Grundrechte. Zu schwammig und unklar sei der Entwurf, zu viele Kompetenzen würden den Staatsschützern eingeräumt, und das ohne ausreichende rechtsstaatliche Kontrolle. "Wann immer man in Rechte der Bürger eingreift, muss das sehr ausgewogen geschehen. Wenn man die Briefe Anderer öffnet und liest, wenn man die Telefonate Anderer abhört, wenn man das Redaktionsgeheimnis oder das Anwaltsgeheimnis, die ärztliche Verschwiegenheit aushebeln will, dann muss das nur in Ausnahmefällen und nur nach Prüfung durch einen unabhängigen Richter geschehen." Sprecherin: Der Arbeitskreis Vorratsdaten... Lohninger: Hallo? Hört ihr mich wieder? Ja, wunderbar. Gut. Das war eben so in der Mitte der Debatte und es wurde dann auf einmal schon sehr laut um dieses Gesetz. Es gab immer mehr Medienberichte. Und dann haben wir diese Veranstaltung gemacht, um auch die relevanten Politiker zu einer Stellungnahme zu bringen. Weil bis zu diesem Zeitpunkt, hätten wir nicht nachgebohrt, hätte es niemals eine Positionierung gegeben von den meisten Parteien zu diesem Thema. Wir wussten von Grünen und NEOs, dass sie dagegen sind, wir wussten, die SPÖ ist gespalten, aber die FPÖ hat sich zum ersten Mal hier auf dieser Podiumsdiskussion vom AK Vorrat in der Akademie der Angewandten Künste öffentlich positioniert, und zwar sehr, sehr hart gegen dieses Gesetz. Der FPÖ geht's hier auch um ihre eigenen Vorfeldorganisationen. Und eigentlich hat nur mehr der Vertreter des Innenministeriums das Gesetz verteidigt, aber er war dann schon auf alleiniger Flur. Und sogar der Vertreter der SPÖ, der Justizsprecher Hannes Jarolim, hat sich auch sehr kritisch geäußert und auch gemeint, die Partei ist gespalten in dieser Hinsicht, und man arbeitet eigentlich an Reparaturen. Das war auch so die Hoffnung und die Erwartungshaltung, dass jetzt wirklich nochmal das Ganze mit der Opposition neu verhandelt wird, dass es Zwei-Drittel-Materie wird, dass man einen ordentlichen Rechtsschutz dazubaut. Und man braucht halt eben auch die Opposition, wenn man einen Richter, wenn man einen Instanzenzug da etablieren will, oder eine parlamentarische Kontrolle, die den Namen verdient. Dann sind aber die Paris-Attacken gekommen, ... soll ich das einfach mal schnell mit? Ich glaub wir haben nur noch wenig Zeit... Also hier hat es einfach eine Veränderung gegeben, dadurch, dass auf einmal Paris passiert ist, die zweiten Attentate in dieser Stadt, in diesem Jahr. Da hat dann sofort reflexartig der Klubobmann der ÖVP zurückgerudert und gemeint: "Aber jetzt müssen wir die Bürgerrechte einschränken!" Wir haben genau das Gegenteil als Statement gehabt, als wir hier vorm Parlament mit einer Kundgebung der Opfer und der Situation gedacht haben und eben auch dazu aufgerufen haben, jetzt nicht Anlassgesetzgebung zu machen. Trotzdem war Anlassgesetzgebung genau dann das, was diese Herren am Sonntag vor dem ersten Innenausschuss im Dezember gemacht haben. Das war eigentlich ... ... das Foto trifft es recht gut. Das war Sonntag Vormittag, kleiner, ausgewählter Kreis an Journalisten, also nur die, die man haben wollte. Keine schriftliche Unterlage, keine Krawatten, ganz leger, man erzählt den Medien, wie's jetzt ist, die schreiben das alle ab, über 1 1/2 Tage gibt es keinerlei kritische Berichterstattung. Erst am Mittag am Tag darauf gibt's den wirklichen Änderungsantrag. Die Regierung hat hier so getan, als hätten sie alle Probleme gelöst, in Wirklichkeit haben sie nur kosmetisch etwas verändert. Es sind jetzt nicht mehr 10 Inlandsgeheimdienste, sondern nur noch einer. Also das BVT. Dem ist jetzt alles unterstellt. Man hat das Wort "weltanschaulich" mit dem Wort "ideologisch" ausgetauscht. Mir konnte noch kein Jurist oder Linguist erklären, was das jetzt für einen Unterschied machen sollte oder weswegen jetzt Tierschützer nicht mehr im Fadenkreuz vom BVT sein sollten. Und die wirklich wunderbarste Sache: "Ein Senat mit richterlichem Einschlag" Ja, das ist ... wirklich schön. Also anstatt dass man einen unabhängigen Richter hier etabliert, hat man einfach einen Senat geschaffen, den es so nicht gibt, sondern der Rechtsschutzbeauftragte mit seinen 2 bestehenden Stellvertreter*innen muss sich in Zukunft "absprechen", nicht gemeinsam entscheiden, sie müssen sich nur über ihre gemeinsamen Wahrnehmungen austauschen und eine gemeinsame Lösung anstreben, aber eben nicht gemeinschaftlich entscheiden. Und einer dieser Stellvertreterinnen muss Richter*in gewesen sein über 10 Jahre. Und das versucht man jetzt eben, damit zu ersetzen, was unserer Meinung nach überhaupt nicht reicht. Und auch nach Meinung der Richtervereinigung überhaupt nicht reicht. Dem kann man eigentlich nicht zuschauen. Das sind die 3 Gründerväter der Republik, die sich hier irgendwie Ohren, Mund und Augen zuhalten müssen, damit sie das ertragen. Alles 3 Sozialdemokraten übrigens. Und damit haben wir's auch in den Boulevard geschafft. Ich komm zum Epilog. Dann haben wir vielleicht noch Platz für Fragen. Also, das Gesetz wird ziemlich sicher jetzt Ende Jänner in Österreich im Nationalrat beschlossen werden. Die Frage ist, welche Reparaturen gibt es bis dahin noch, und das hat direkt etwas damit zu tun, wie viel Öffentlichkeit und Druck wir aufbauen können. Und es gibt aus unserer Sicht 5 rote Linien, die nicht unterschritten werden dürfen. Es braucht ordentliche Kontrolle, es braucht unabhängige Richter. Es kann nicht sein, dass man Überwachung ausbaut und Rechtsschutz abbaut. Die Gefährderdatenbank muss überarbeitet werden, das kann nicht eine "Vorratsdatenspeicherung light" werden mit Zugang durch NSA &Co. Der "Gruppierungen"-Begriff muss eingeschränkt werden, man kann nicht pauschal ganze Bevölkerungsteile überwachen. Was ein "Verfassungsgefährdender Angriff" ist, wo das BVT oder der Staatsschutz überhaupt tätig sein darf, muss auch ganz klar eingeschränkt sein. Und auch die V-Leute, die bezahlten Spitzel, gehören entweder ganz raus aus dem Gesetz oder wenigstens ordentlich geregelt in der Strafprozessordnung. Falls das nicht passiert, darf ich auch ankündigen, dass der AK Vorrat versuchen wird, gegen das Gesetz zu klagen. Wir werden HEAT fertigstellen, noch in diesem Jahr, wir sind gerade im Review. Applaus anerkennende Pfiffe Und wir werden das Gesetz an allen Fronten weiter bekämpfen. Noch ist der parlamentarische Prozess nicht vorbei, wir haben Hoffnung auf das Parlament. Wir nehmen vielleicht das Mandat dieser Abgeordneten wichtiger als sie selbst, aber das ist eine gute Ausgangsbasis. Und wenn nicht, gehen wir halt wieder zum Gerichtshof. Wir haben natürlich immer die Hürde, beim Verfassungsgerichtshof zugelassen zu werden mit unseren Klagen. Da haben wir aber ein Ass in petto. Wir haben nämlich eine EGMR-Beschwerde, also das andere Höchstgericht in Europa, die ist seit 2010 anhängig dort und wird 2016 wahrscheinlich entschieden. Und wenn die durchkommt, dann haben wir einen viel direkteren Klagsweg zum Verfassungsgerichtshof. Und das könnte sogar eben auch für Deutschland für Fälle, wo die G10-Kommission entscheidet, relevant sein, weil bei der Frage, die hier vorgelegt wurde, vorm EGMR, geht es genau darum, ob so diffuse Konstruktionen, wo kommissarisch Rechtsschutz wahrgenommen wird, ob da die Betroffenen planen können. Reiter: Ja, Geheimdienste kontrolliert man am besten, indem man ihre Gründung verhindert. vereinzeltes Klatschen Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir tun noch alles, was wir tun können, in den nächsten Wochen, und wir brauchen eure Unterstützung dafür. Lohninger: Genau. Applaus Engel: Herzlichen Dank, lieber Thomas, lieber Werner. Leider, leider sind für Fragen jetzt nicht mehr so die Zeit, also eigentlich gar nicht, aber vielleicht steht ihr ja gleich noch nach der Veranstaltung für persönliche Gespräche zur Verfügung. Ihr seid auch erreichbar, weil ihr seid ja AK Vorrat und ihr habt Kontaktdaten im Internet und ihr habt die Adressen alle gesehen und ihr seht's auch hier. Also: Meldet euch, macht mit und unterstützt die beiden, wo ihr könnt. Ihr habt ja gehört, es spielt keine Rolle, wo ihr herkommt. Dankeschön! Abspann-Musik subtitles created by c3subtitles.de Join, and help us!