Vorspann-Musik
Engel: So, kommen wir zu
den beiden netten Herren,
die hier heute für uns referieren,
das sind Thomas Lohninger
und Werner Reiter.
Die beiden sind vom AK Vorrat in Österreich,
Thomas ist langjähriger
CCC- und auch Camp-Besucher
und Sprecher des AK Vorrat,
er ist bei EDRi unterwegs
und hat vorher ganz viel zum Thema
LGBT und Antirassismus gemacht
und, ja, zusammen mit Werner Reiter,
der ein Netzaktivist, Kommunikator,
Veranstalter und Fotograf ist
und noch viele andere Dinge tut,
erzählt er euch jetzt was über
den Kampf gegen unkontrollierte
Massenüberwachung in Österreich,
was ich ganz spannend finde,
weil ich vor 2 Tagen
einen Talk zum Thema
"Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz"
moderiert hab,
also wir kriegen hier ein ganz gutes Bild
was unsere deutschsprachigen
Nachbarländer so machen.
Und ihre These ist:
Geheimdienste kontrolliert man am besten,
indem man sie ganz verhindert.
Denn in Österreich soll ein neues...
sollte ein neues Gesetz
auf den Weg gebracht werden,
das im Grunde ein neuen Inlandsgeheimdienst,
der völlig unkontrolliert agieren kann,
installieren sollte.
Aber das erzählen euch die beiden jetzt.
Einen warmen Applaus bitte
und die Bühne gehört euch!
Applaus
Thomas Lohninger:
Vielen Dank. Vielen Dank.
Ja. Wir fangen gleich an.
Wir wollen in den ersten Worten
mal kurz irgendwie erklären
wer die Organisation ist,
unter deren Schirm wir die letzten Jahre
so viel getan haben in Österreich.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung,
benannt und inspiriert natürlich
vom deutschen AK Vorrat,
aber eine eigenständige Organisation,
ein eigenständiger Verein,
der so 2009 zum ersten Mal
in Erscheinung tritt,
als das Audimax besetzt wurde
und sehr viel, sehr interessantes Programm
damals in diesen besetzten Räumen
der Universität Wien stattfand
und sich auch sehr viel kritische
Zivilgesellschaft gefunden hat
und dort haben wir auch zum ersten Mal
über die Vorratsdatenspeicherung vorgetragen
und dann auch offiziell 2010
einen Verein gegründet,
der eben so eine Mischung aus Juristen,
Technikern, Netzaktivisten
und einfach nur kreativen Köpfen,
die was verändern wollen, war.
Und zuerst in Erscheinung getreten sind wir
eigentlich groß mit der Bürgerinitiative
gegen die Vorratsdatenspeicherung.
Das Gesetz wurde in Österreich,
wie ihr vielleicht wisst, sehr spät umgesetzt.
Es gab schon fast ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen Österreich.
Und dann hat die österreichische Regierung
sich doch noch dazu entschlossen,
dieses elendige Gesetz umzusetzen.
Und wir haben gewusst,
wir wollen dagegen vorgehen
und haben diese Bürgerinitiative gestartet,
um den Bereich zu überbrücken
zwischen dem Beschluss des Gesetzes
und dem Inkrafttreten.
Weil erst nachdem das Gesetz Inkraft ist,
können wir dagegen klagen.
Wir haben es geschafft,
wirklich die größte Bürgerinitiative
bis zur damaligen Zeit in Österreich zu werden,
mit 106.067 Unterschriften.
Davon auch über 4.000 auf Papier,
teilweise aus den entlegensten Bergdörfern
einzelne Unterschriftenbögen
von Menschen vom Jahrgang 1941,
denen das Thema wichtig war.
Also das war eine wirklich breite Bewegung.
Trotzdem, am 1. April 2012
trat das Gesetz in Kraft.
Und ab dem Tag mussten die Provider
die Daten von allen Menschen
für ein halbes Jahr speichern.
Hier haben wir die Privatsphäre zu Grabe
getragen,
um auch gleich dann den Weg zum
Verfassungsgerichtshof anzutreten,
wie das immer unser Plan war.
Da war's ein bisschen komplizierter.
davor konnte man einfach der Parlaments-Website
die Bürgerinitiative unterschreiben,
hier musste man 4 Schritte erfüllen:
So ein Online-Formular ausfüllen,
dann was ausdrucken,
handschriftlich unterschreiben
und uns mit der Post zurückschicken.
Also eigentlich sehr ... ein mühsames Prozedere.
Haben trotzdem viele Leute gemacht.
Wir haben nicht gewusst, dass Post
immer noch in Säcken ausgeliefert wird,
aber wenn genügend kommt,
dann kriegt man da so einen Sack dazu.
Und in Summe waren es wirklich 11.139
oder mit Erstantragssteller 11.141 Leute,
die vor den Verfassungsgerichtshof gezogen
sind.
Und da hatten wir das Glück,
dass der österreichische VfGH
das Ganze gleich an das europäische Höchstgericht,
an den EuGH, weitergeleitet hat.
Wir waren hier auch in der großen Spruchkammer,
also im größten Saal, den es da gibt
in diesem Höchstgericht.
Und es war sehr spannend,
da bei dieser Verhandlung dabei zu sein.
Weil da wurden all die Fragen gestellt,
die wir uns auch immer stellen
im Rahmen von Vorratsdatenspeicherung:
Bringt das was?
Wo hat das schon mal was geholfen?
Was sind die Safeguards?
Das waren genau die Fragen, die die Richter
auch an die Vertreter von 8 Ländern
und allen 3 EU-Institutionen gestellt haben.
Und niemand hatte eine wirkliche Antwort darauf.
Deswegen wurde damals auch
die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft.
Dem schloss sich dann auch
unser Verfassungsgerichtshof an
und damit hatten wir einen großen Erfolg
den wir in dem Moment gefeiert haben.
Applaus
Werner Reiter: Heute soll's ja
um Geheimdienste gehen
und da lohnt es sich auch,
ein bisschen in die Geschichte zurückzublicken.
Die Geschichte beginnt
... zumindest die Geschichte,
die ich erzählen möcht,
beginnt 1814/1815
mit dem Wiener Kongress.
Damals hat ein gewisser
Klemens Wenzel Lothar von Metternich
die Verhandlungen geleitet
zur Neuordnung Europas,
nachdem Napoleon den Krieg verloren hatte.
Er hat dann im deutschen Bund auch
viele Überwachungsgesetze durchgesetzt.
Also nicht nur in Österreich,
sondern auch in der ganzen Region.
Das Metternichsche System
glaub ich ist jedem bekannt.
Universitäten wurden massiv eingeschränkt,
Briefgeheimnis wurde verletzt, und, und, und...
In Österreich hatte er einen Gegenspieler,
das war sein Innenminister,
der in der geheimen Staatskonferenz
für Inneres zuständig war.
Galt eigentlich als liberal,
war aber trotzdem derjenige,
der all das, was Metternich
sich ausgedacht hat,
in Österreich umgesetzt hat.
Der gute Mann hieß
Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky.
Das war eigentlich dann das System,
das bis zum Ende der Ersten Republik galt.
In der Ersten Republik dann
gab es einen gewissen Johann Schober,
der Polizeipräsident von Wien war
und die Regierenden überzeugen konnte,
dass wir einen Staatsschutz in Österreich
brauchen.
Der gute Mann war eigentlich dafür zuständig,
den Staatsschutz so aufzustellen,
wie er noch heute in Österreich organisiert ist.
Was wir hier sehen ist
ein Plakat von Karl Kraus,
der dann ein schönes Gedicht,
das sogenannte Schoberlied, geschrieben hat:
"Wenn ein Umsturz in Sicht,
ich erfüll' meine Pflicht.
Die Elemente vernicht'
ich bezüglich der Pflicht."
In Wahrheit - abgesehen von einer
etwas antiquierten Sprache -
kann man das heute noch auf die Pläne
der Bundesregierung anwenden.
Das hier ist im 3. Wiener Gemeindebezirk.
Der Sitz des Bundesamt für Verfassungsschutz
und Terrorismusbekämpfung.
Wenn jemand von euch mal
nach Wien kommt,
stattet den Herren dort einen Besuch ab
und sagt ihnen, was ihr von ihnen denkt.
Vielleicht denkt ihr heute noch etwas
anders und noch mehr über sie nach.
Dann kam das Dritte Reich.
Das hier ist das Denkmal am Wiener Morzienplatz,
das am Standort der österreichischen Gestapo
stand.
Zur österreichischen Gestapo ist zu wissen,
dass sie mit über 900
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
besser ausgestattet war,
mit mehr Personen ausgestattet war,
als die Gestapo-Zentrale in Berlin
und dass die Österreicherinnen und Österreicher
das Personal dafür bereitgestellt haben:
70-80% waren Österreicherinnen und Österreicher
und haben sehr eifrig
in der Gestapo mitgewirkt.
Dann, zu Ende des Krieges, äh ...
... was ihr hier seht,
sind Shots aus dem "Dritten Mann",
den Film kennen wahrscheinlich viele
oder die meisten von euch ...
... waren dann die Besatzungsmächte
in Österreich sehr aktiv.
Österreich war immer schon eine Drehscheibe
für geheimdienstliche Aktivitäten.
Das ist es nach wie vor.
Dazu muss man wissen,
dass die Vereinten Nationen
in Österreich auch einen Sitz haben,
dass die Atomenergiebehörde in Wien ist
und dass das Iran-Atomabkommen
auch in Wien verhandelt wurde.
Das heißt, es nimmt nicht Wunder,
dass solche Vogelhäuschen
in Wien zu sehen sind.
Das sind natürlich keine Vogelhäuschen,
sondern Abhörstationen der NSA.
Kann ich euch sehr empfehlen,
einen Talk von Erich Möchel,
der die Geschichte im Vorjahr
auf diesem Kongress präsentiert hat.
Nun zu den Aktivitäten,
die das Bundesamt für Verfassungsschutz
und Terrorismusbekämpfung
in jüngster Zeit so macht.
Das ist der sogenannte...
das sind Bilder aus dem sogenannten
Tierschützerprozess,
wo Tierschützer nach dem § 278a,
dem sogennanten Mafia-Paragraf,
angeklagt wurden,
14 Monate ein sehr, sehr anstrengendes
Verfahren durchlaufen mussten
und 2011 endlich freigesprochen wurden.
Allerdings waren sie alle
finanziell komplett ruiniert.
Andere schöne Aktivität:
Polizei stürmt falsche Wohnung.
Michael R. wurde 2012 verdächtigt,
"The_Dude" zu sein,
und damit ein führendes Mitglied
von Anonymous.
Er war's natürlich nicht.
Um 6:45 Uhr in der Früh
stand ein Mann
im Installations-Gewand vor seiner Tür
und Michael R. wurde dann
von der Polizei überwältigt.
Auch diese Vorwürfe waren nicht haltbar.
Das heißt, das ist die Gemengelage,
in der wir uns heute befinden,
und diese Behörde,
die solche Aktionen macht,
soll jetzt noch mit weiteren Befugnissen
ausgestattet werden.
Lohninger: Gut. Danke, Werner.
Ja, also was wir eigentlich vorhatten,
im ersten Akt für 2015,
als wir diesen Sieg
mit nachhause getragen haben
mit der Abschaffung der VDS
in Europa und in Österreich,
war klar, jetzt weiter
als AK Vorrat aktiv zu sein,
das braucht ein weiteres Ziel.
Und wir haben uns da das vorgenommen,
wofür als zweite Forderung diese
106.000 Menschen unterschrieben haben,
nämlich die Evaluierung von
Anti-Terror-Gesetzen.
Und da haben wir uns das Konzept,
das der deutsche Verfassungsgerichtshof
in Karlsruhe geboren hat,
als Vorlage genommen,
nämlich eine Überwachungs-Gesamtrechnung.
Die Idee, dass man auch mal in die Offensive
zum Überwachungsstaat gehen sollte,
und wirklich den gesamten Gesetzesbestand
an Überwachungsmaßnahmen in einem Land
gesamtheitlich evaluieren sollte.
Also wenn die Daten
einer Telefonüberwachung
mit einer Internetübewachung
gemeinsam analysiert werden,
muss man auch in der Gesamtschau
alle diese Überwachungsmaßnahmen
zusammenzählen,
um die Eingriffstiefe in unsere Privatsphäre
ermessen zu können.
Und was wir hiermit tun,
mit diesem Projekt, ist,
dass wir einen wissenschaftlichen
Katalog schreiben,
wie überhaupt so eine
Überwachungsgesamtrechnung
gemacht werden kann.
Das Konzept gibt es jetzt schon seit 2009,
gemacht wurde das bis jetzt noch nie.
Aber unserer Meinung nach ist es genau
die Antwort, die wir brauchen, nach Snowden.
Wir müssen endlich nicht nur dagegen sein,
gegen diese anlasslose Massenüberwachung,
sondern wir brauchen Alternativen!
Wir müssen Gegenkonzepte entwickeln,
die gegen diese reflexartige Ausweitung
des Überwachungsstaates
auch mal was entgegenhalten,
das vor allem, wie in diesem Fall,
auch faktenbasiert ist.
Hier geht es um wissenschaftliche Analysen
aufgrund von quantitativen Zahlen:
Was bringt diese Überwachung?
Was kostet sie?
Und wie schaut der Rechtsschutz dabei aus?
Genau diese Fragen gilt es mit dem Projekt,
das sehr gesamtheitlich ist, zu beantworten.
Und wie es diese Visualisierung
von vor ein paar Tagen schön zeigt,
es geht auch wirklich darum,
so einen Screening-Prozess zu etablieren,
wo alle Gesetze, die durch's Parlament wollen,
zuerst mal durch müssen.
Das heißt es gibt da sowas
wie eine Technikfolgenabschätzung,
bevor ein neues Gesetz gemacht wird.
Und auch bestehende Gesetzesbestände
werden evaluiert mit Sunset-Klauseln.
Das heißt, wenn sie diesen
Verfassungsmäßigkeitstest nicht bestehen,
dann müssen sie auch
zurückgenommen werden.
Ja, das war unser schöner Plan.
Applaus
Reiter:
Ja, es hätte ein ruhiges Jahr werden sollen.
Wir wollten in Ruhe an HEAT arbeiten,
es kam anders,
Charlie Hebdo Anfang Jänner 2015.
Natürlich wurden sofort die Rufe nach
der Vorratsdatenspeicherung wieder laut
und wir mussten uns die Frage stellen,
wer denn hier die Terroristen sind
und ob's tatsächlich wir sind.
Wir sind mit dieser Aktion dann
vor das Innenministerium gezogen,
haben diese Frage gestellt
und leider keine Antwort bekommen.
Eine kleine Interpretationshilfe
haben wir dann doch vielleicht,
vielleicht hat Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner
eigentlich nur einen Spendenaufruf
für uns machen wollen.
Dazu muss man wissen, dass wir ausschließlich
durch Spenden finanziert sind,
dass unsere gesamte Arbeit
von privaten Spendern kommt.
Am liebsten sind uns
natürlich Fördermitglieder,
aber es gibt auch die Möglichkeit
für Unternehmen zu spenden.
Das ist allerdings begrenzt auf
35% am Gesamtbudget bzw. 7,5% pro Firma.
Das stellt sicher, dass wir unabhängig
und dezentral uns finanzieren können.
Ja ...
Thomas Lohninger:
Ja, dann kommen wir mal zum Staatsschutzgesetz.
Also, was hat die Regierung
sich da Tolles für uns ausgedacht?
Im Grunde geht's darum, einen
Inlandsgeheimdienst in Österreich aufzubauen.
Bis jetzt hatten wir eigentlich nur
nach außen gerichtete Dienste
mit dem Heeres-Nachrichtenamt
und dem Heeres-Abwehramt,
die beide unter dem
Verteidigungsministerium sitzen.
Und es ist wichtig, zu verstehen,
es gibt in Österreich kein Trennungsgebot
zwischen Polizei und Geheimdiensten,
wie man das in Deutschland oder der Schweiz kennt.
Und bei uns ist es so, dass das BVT -
das Bundesamt für Verfassungsschutz
und Terrorismusbekämpfung -
mit den neun Landesämtern
für Verfassungsschutz
eigentlich eine Polizeibehörde ist,
aber immer mehr schrittweise
zum Geheimdienst ausgebaut wurde,
und mit diesem Gesetz ist dann
endgültig die Linie überschritten,
das sagen auch alle Experten.
Und in gewisser Weise ist das so,
wie dieses schöne Zitat von Junke
zur Euro-Einführung:
Man tut etwas, schaut,
ob es Geschrei danach gibt,
ob sich irgendwas regt im Blätterwald,
und wenn nicht, dann
macht man einfach weiter wie bisher.
Die Kritik an diesem Gesetz
ist sehr breitbandig.
Also schon allein die Kontrolle und die Struktur
dieses neuen Inlandsgeheimdienstes
ist extrem intransparent.
Es kann ja auch eigentlich die Verwaltung,
also der Generaldirektor für öffentliche
Sicherheit
gemeinsam mit dem Chef des BVTs
sich gemeinsam aussuchen,
wo das Ministerium informiert werden muss,
wo das Ministerium überhaupt noch mitreden
kann.
Die Verwaltung verselbstständigt sich hier
also
wie wir das sowieso schon in
anderen Bereichen in Österreich kennen,
aber hier halt an einem der heikelsten.
Es gibt massive Ausweitung
der Überwachungskompetenzen,
im Grunde kann diese Behörde
alle Daten abfragen,
also auch von jedem Krankenhaus,
auch von jeder Gesundheitskasse,
von jedem anderen Ministerium,
von jeder Firma.
Es gibt keine Gründe,
die Auskunft zu verweigern,
nicht mal Amtsgeheimnis, Firmengeheimnis -
wird alles umgangen hier.
Alle diese Daten werden
für bis zu 6 Jahre gespeichert.
Einen Datenaustausch mit anderen
Geheimdiensten ist explizit vorgesehen.
Es braucht dann auch keinen Verdacht mehr.
Wenn der BND sagt:
"Überwacht diese Person!",
gibt's keinerlei Einzelfallprüfung mehr,
Hier wird der Staatsschutz
einfach auf Zuruf tätig.
All das mit einem Rückbau von Rechtsschutz.
Da wo heute noch ein Richter
oder ein Staatsanwalt
diese Überwachungsmaßnahme genehmigen muss,
reicht in Zukunft der interne Rechtsschutzbeauftragte.
Das heißt, die müssen einfach nur im Haus
oder durch den Minoritenplatz einmal durchgehen,
zum Rechtsschutzbeauftragten,
sich von dem was stempeln lassen
und dann können sie loslegen.
Es gibt keine Trennung
der Gewalten an dieser Stelle
und es gibt auch keine
öffentliche Dokumentation mehr.
Man muss sich halt wirklich darauf verlassen,
dass dieser eine Rechtsschutzbeauftragte,
der für die gesamte Polizei
in Österreich zuständig ist,
wirklich jeden einzelnen Fall
ordentlich prüft.
Wir tun das nicht.
Auch Internetüberwachung wird damit legalisiert,
zum 1. Mal in Österreich,
unter dem Stichwort
"Open Source Intelligence"
also, hier auch ...
Lachen aus dem Publikum
So heißt das wirklich!
So halt auch wirklich ohne jeder Schranke,
das heißt, sie können hier jede
Software zum Einsatz bringen
und auch jede Art von Daten
aufsammeln und verwerten.
Und, was vielleicht für Deutschland
vor allem interessant ist,
hiermit werden auch zum 1. Mal in Österreich
bezahlte V-Leute, also Vertrauenspersonen
in Österreich eingeführt.
Und zwar ohne irgendwie aus den
Erfahrungen des NSU-Skandals zu lernen.
Also all das, was in Deutschland
schiefgelaufen ist,
machen wir jetzt gerade mit Anlauf nach.
Und es wurde überhaupt nicht
darauf Bedacht genommen,
was die inhärenten Gefahren
für die Gesellschaft
und auch für den Rechtsstaat sind,
wenn man solch bezahlten V-Leute hat.
Und davon, dass man da auch prozedural
einige Probleme hat, ganz zu schweigen.
Und natürlich gabs keine Evaluierung davor.
Das wär ja lächerlich.
Diese Gefährderdatenbank ist eben
so einer der Kernstücke,
die für uns als Datenschützer
zu kritisieren ist.
Und was hier auch drin ist, ist, dass ich
im Grunde nicht nur eine verdächtige Person,
über die Daten speichern kann,
sondern auch immer die gesamten
Kontakt- und Begleitpersonen.
Also bis zu drei soziale Grade, reicht das
schon.
Das heißt, auch wenn ich nur
auf Facebook mit wem befreundet bin,
oder in denselben Bars oder
Vereinslokalen, reicht das schon,
um in dieser Gefährderdatenbank zu landen
und damit meine Daten zu NSA & Co. wandern.
Der Zweck von dieser Gefährderdatenbank
gefällt mir auch immer wieder so schön,
der ist so: "Die Bewertung der Wahrscheinlichkeit
eines verfassungsgefährdenden Angriffes"
Also das ist wirklich schon so,
das findet sich so im Gesetz,
und das ist schon sehr ... Minority Report.
Das hat zu viel Kritik geführt.
Eigentlich so positiv sahen das immer nur
das Innenministerium und das BVT eben selbst.
Auf der anderen Seite gab's eigentlich
fast alle gesellschaftlichen Teile,
die sich kritisch geäußert haben.
Von Richtern, Anwälten, Ärztekammer,
Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer,
Anwaltskammer, auch die Bischofskonferenz,
die Internet-Provider, der Datenschutzrat
und Amnesty International.
Die haben sich alle kritisch
dagegen ausgesprochen.
Sogar der eigene Verfassungsdienst des
Bundeskanzleramtes hat gesagt, das geht so nicht.
Das ist für Österreich schon enorm,
wenn's so eine breite Unterstützung gibt
für die Kritik bei so einem Thema. Ja.
Reiter: Ja, Grund genug, eine
Kampagne dagegen zu starten.
Die wichtigste Plattform für die Kampagne
ist diese Petitionsseite,
die mit heutigem Tag etwas mehr als 23.000
Unterzeichnerinnen und Unterzeichner hat.
Hier nochmal der URL.
Ihr seid herzlich eingeladen,
diese Petition zu unterschreiben.
Wir schauen nicht nach,
aus welchem Land ihr kommt.
Lachen aus dem Publikum
Applaus
Wir haben natürlich auch
Unterschriften vor Ort gesammelt.
Hier Bilder vom sogenannten Volksstimmefest.
Der junge Mann da drüben
hat uns dann eine Idee geliefert,
die ihr später dann in den Slides
nochmal wiederfinden werdet.
Er hat sich diese Dinger
selbst ins Gesicht geklebt.
Wir haben ihn nicht dazu gezwungen.
Es gab einige Demos,
unter anderem in Linz,
da wurde das Landesamt
für Bespitzelung ausgerufen.
Das war das Landhaus, wo der Sitz der
oberösterreichischen Landesregierung ist.
In Innsbruck gab's auch eine Demo,
und dann kamen die Sommerferien.
In den Sommerferien gibt's immer
einen Punkt, der die Ferien einläuten,
und das ist die Zeugnisverleihung.
Dieses Mal hat die Innenministerin
ein Nicht Genügend bekommen,
und zwar im Fach Staatsbürgerschaftskunde.
Das haben wir dann vor dem
Innenministerium verlesen
Sie hat das Zeugnis leider
nicht entgegengenommen
und ist ohne Zeugnis in die
Sommerferien gegangen.
Eine andere lustige Aktion:
Geheimdienstdosenschießen.
Wie Tom schon ausgeführt hat,
es sind 10 Geheimdienste,
10 ergeben eine wunderbare Pyramide,
scheppert auch sehr schön.
Dann haben wir noch Unterstützung bekommen
von den Piraten, auch eine sehr, sehr nette Aktion.
Applaus
Also mit ein paar wenigen Euros
kann man sehr viel medialen Impact machen.
Wir wollten aber nicht nur medialen Impact
haben,
sondern auch etwas Informationsmaterial bieten,
und zwar den Abgeordneten zum Nationalrat.
Denen haben wir ein großes,
dickes Infopaket geschickt,
wo unsere gesamten
Stellungnahmen drinnen waren.
Wir haben auch Infopakete
in ganz Österreich verschickt,
die dann verteilt wurden.
Da sind unsere Sticker, die sind übrigens
auch draußen am EDRi-Stand zu finden,
und damit übergebe ich wieder an Tom.
Lohninger:
Wir müssen uns schon beeilen,
ich will aber trotzdem noch kurz
diesen Einspieler hier machen,
dass ihr so seht, was so die Debatte war.
Video: In der SPÖ regt sich Widerstand
gegen das geplante Staatsschutzgesetz.
Justizsprecher Hannes Jarolim kritisierte
die weitreichende Grundrechtseingriffe
und er kündigte an, dass das Gesetz
so sicher nicht kommen wird.
All das hat er der Zeitschrift "Falter" gesagt.
Die Begutachtungsfrist für das von der
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
verantwortete Gesetz ist abgelaufen.
Jetzt werden die über 100 Stellungnahmen
eingearbeitet.
Das Ziel, mit dem neuen Gesetz
die Terrorbekämpfung auch zu erleichtern,
sorgt für ziemlichen Argwohn.
"Diesem Gesetz werden Tür und Tor geöffnet
für die Etablierung eines
Geheimdienstes in Österreich,
mit 9 Landesgeheimdiensten
und einem Bundesgeheimdienst."
Sprecherin: Das Bundesamt für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung,
die neue Superbehörde und
österr. Antwort auf aktuelle Bedrohungen
von Jihadismus bis zu
ausländischen Geheimdiensten.
Mit dem Gesetz soll der Staatsschutz,
der präventiv ermittelt,
von der Polizei klar abgegrenzt werden.
"Ich weiß, dass es immer wieder,
äh, behauptet wird,
es handelt sich um einen Nachrichtendienst
oder einen Geheimdienst beim BVT.
Das is so nett richtig.
Das ist ein Teil der österr. Polizei,
und dieser Teil der österr. Polizei
hat eine spezielle Funktion
bei der Sicherung der Interessen
der Bürger und des Staates zu erfüllen.
Und das soll mit diesem Gesetz
klargestellt werden."
Sprecherin: Doch die Umsetzung,
ist der Tenor der vielen Stellungnahmen
in der Begutachtung,
lässt andere Folgerungen zu.
Vor allem Richter und Rechtsanwälte
verweisen auf mögliche
massive Eingriffe in Grundrechte.
Zu schwammig und unklar sei der Entwurf,
zu viele Kompetenzen würden
den Staatsschützern eingeräumt,
und das ohne ausreichende
rechtsstaatliche Kontrolle.
"Wann immer man
in Rechte der Bürger eingreift,
muss das sehr ausgewogen geschehen.
Wenn man die Briefe Anderer öffnet und liest,
wenn man die Telefonate Anderer abhört,
wenn man das Redaktionsgeheimnis
oder das Anwaltsgeheimnis,
die ärztliche Verschwiegenheit
aushebeln will,
dann muss das nur in Ausnahmefällen
und nur nach Prüfung durch einen
unabhängigen Richter geschehen."
Sprecherin: Der Arbeitskreis Vorratsdaten...
Lohninger: Hallo? Hört ihr mich wieder?
Ja, wunderbar. Gut.
Das war eben so in der Mitte der Debatte
und es wurde dann auf einmal schon
sehr laut um dieses Gesetz.
Es gab immer mehr Medienberichte.
Und dann haben wir
diese Veranstaltung gemacht,
um auch die relevanten Politiker
zu einer Stellungnahme zu bringen.
Weil bis zu diesem Zeitpunkt,
hätten wir nicht nachgebohrt,
hätte es niemals eine Positionierung gegeben
von den meisten Parteien zu diesem Thema.
Wir wussten von Grünen und NEOs,
dass sie dagegen sind,
wir wussten, die SPÖ ist gespalten,
aber die FPÖ hat sich zum ersten Mal
hier auf dieser Podiumsdiskussion
vom AK Vorrat in der Akademie
der Angewandten Künste
öffentlich positioniert, und zwar
sehr, sehr hart gegen dieses Gesetz.
Der FPÖ geht's hier auch
um ihre eigenen Vorfeldorganisationen.
Und eigentlich hat nur mehr der Vertreter
des Innenministeriums das Gesetz verteidigt,
aber er war dann schon auf alleiniger Flur.
Und sogar der Vertreter der SPÖ,
der Justizsprecher Hannes Jarolim,
hat sich auch sehr kritisch geäußert
und auch gemeint, die Partei
ist gespalten in dieser Hinsicht,
und man arbeitet eigentlich an Reparaturen.
Das war auch so die Hoffnung
und die Erwartungshaltung,
dass jetzt wirklich nochmal das Ganze
mit der Opposition neu verhandelt wird,
dass es Zwei-Drittel-Materie wird,
dass man einen ordentlichen
Rechtsschutz dazubaut.
Und man braucht halt eben
auch die Opposition,
wenn man einen Richter, wenn man
einen Instanzenzug da etablieren will,
oder eine parlamentarische Kontrolle,
die den Namen verdient.
Dann sind aber
die Paris-Attacken gekommen,
... soll ich das einfach mal schnell mit?
Ich glaub wir haben nur noch wenig Zeit...
Also hier hat es einfach
eine Veränderung gegeben,
dadurch, dass auf einmal
Paris passiert ist,
die zweiten Attentate
in dieser Stadt, in diesem Jahr.
Da hat dann sofort reflexartig der
Klubobmann der ÖVP zurückgerudert
und gemeint: "Aber jetzt müssen wir
die Bürgerrechte einschränken!"
Wir haben genau das Gegenteil
als Statement gehabt,
als wir hier vorm Parlament
mit einer Kundgebung
der Opfer und der Situation gedacht haben
und eben auch dazu aufgerufen haben,
jetzt nicht Anlassgesetzgebung zu machen.
Trotzdem war Anlassgesetzgebung
genau dann das,
was diese Herren am Sonntag vor dem ersten
Innenausschuss im Dezember gemacht haben.
Das war eigentlich ...
... das Foto trifft es recht gut.
Das war Sonntag Vormittag,
kleiner, ausgewählter Kreis an Journalisten,
also nur die, die man haben wollte.
Keine schriftliche Unterlage,
keine Krawatten, ganz leger,
man erzählt den Medien, wie's jetzt ist,
die schreiben das alle ab,
über 1 1/2 Tage gibt es keinerlei
kritische Berichterstattung.
Erst am Mittag am Tag darauf
gibt's den wirklichen Änderungsantrag.
Die Regierung hat hier so getan,
als hätten sie alle Probleme gelöst,
in Wirklichkeit haben sie
nur kosmetisch etwas verändert.
Es sind jetzt nicht mehr 10 Inlandsgeheimdienste,
sondern nur noch einer.
Also das BVT. Dem ist jetzt alles unterstellt.
Man hat das Wort "weltanschaulich"
mit dem Wort "ideologisch" ausgetauscht.
Mir konnte noch kein Jurist oder Linguist
erklären,
was das jetzt für einen Unterschied machen
sollte
oder weswegen jetzt Tierschützer nicht mehr
im Fadenkreuz vom BVT sein sollten.
Und die wirklich wunderbarste Sache:
"Ein Senat mit richterlichem Einschlag"
Ja, das ist ... wirklich schön.
Also anstatt dass man einen
unabhängigen Richter hier etabliert,
hat man einfach einen Senat geschaffen,
den es so nicht gibt,
sondern der Rechtsschutzbeauftragte
mit seinen 2 bestehenden Stellvertreter*innen
muss sich in Zukunft "absprechen",
nicht gemeinsam entscheiden,
sie müssen sich nur über ihre
gemeinsamen Wahrnehmungen austauschen
und eine gemeinsame Lösung anstreben,
aber eben nicht gemeinschaftlich entscheiden.
Und einer dieser Stellvertreterinnen
muss Richter*in gewesen sein über 10 Jahre.
Und das versucht man jetzt eben,
damit zu ersetzen,
was unserer Meinung nach
überhaupt nicht reicht.
Und auch nach Meinung der
Richtervereinigung überhaupt nicht reicht.
Dem kann man eigentlich nicht zuschauen.
Das sind die 3 Gründerväter der Republik,
die sich hier irgendwie Ohren, Mund
und Augen zuhalten müssen,
damit sie das ertragen.
Alles 3 Sozialdemokraten übrigens.
Und damit haben wir's auch
in den Boulevard geschafft.
Ich komm zum Epilog.
Dann haben wir vielleicht
noch Platz für Fragen.
Also, das Gesetz wird ziemlich sicher
jetzt Ende Jänner in Österreich
im Nationalrat beschlossen werden.
Die Frage ist, welche Reparaturen
gibt es bis dahin noch,
und das hat direkt etwas damit zu tun,
wie viel Öffentlichkeit und Druck
wir aufbauen können.
Und es gibt aus unserer Sicht 5 rote Linien,
die nicht unterschritten werden dürfen.
Es braucht ordentliche Kontrolle,
es braucht unabhängige Richter.
Es kann nicht sein, dass man Überwachung
ausbaut und Rechtsschutz abbaut.
Die Gefährderdatenbank
muss überarbeitet werden,
das kann nicht eine
"Vorratsdatenspeicherung light" werden
mit Zugang durch NSA &Co.
Der "Gruppierungen"-Begriff
muss eingeschränkt werden,
man kann nicht pauschal
ganze Bevölkerungsteile überwachen.
Was ein "Verfassungsgefährdender
Angriff" ist,
wo das BVT oder der Staatsschutz
überhaupt tätig sein darf,
muss auch ganz klar eingeschränkt sein.
Und auch die V-Leute, die bezahlten Spitzel,
gehören entweder ganz raus aus dem Gesetz
oder wenigstens ordentlich geregelt
in der Strafprozessordnung.
Falls das nicht passiert,
darf ich auch ankündigen,
dass der AK Vorrat versuchen wird,
gegen das Gesetz zu klagen.
Wir werden HEAT fertigstellen, noch in
diesem Jahr, wir sind gerade im Review.
Applaus
anerkennende Pfiffe
Und wir werden das Gesetz
an allen Fronten weiter bekämpfen.
Noch ist der parlamentarische Prozess
nicht vorbei, wir haben Hoffnung auf das Parlament.
Wir nehmen vielleicht das Mandat
dieser Abgeordneten wichtiger als sie selbst,
aber das ist eine gute Ausgangsbasis.
Und wenn nicht, gehen wir halt
wieder zum Gerichtshof.
Wir haben natürlich immer die Hürde,
beim Verfassungsgerichtshof zugelassen
zu werden mit unseren Klagen.
Da haben wir aber ein Ass in petto.
Wir haben nämlich eine EGMR-Beschwerde,
also das andere Höchstgericht in Europa,
die ist seit 2010 anhängig dort
und wird 2016 wahrscheinlich entschieden.
Und wenn die durchkommt, dann
haben wir einen viel direkteren Klagsweg
zum Verfassungsgerichtshof.
Und das könnte sogar eben auch für Deutschland
für Fälle, wo die G10-Kommission entscheidet,
relevant sein, weil bei der Frage,
die hier vorgelegt wurde,
vorm EGMR, geht es genau darum,
ob so diffuse Konstruktionen,
wo kommissarisch Rechtsschutz
wahrgenommen wird,
ob da die Betroffenen planen können.
Reiter: Ja, Geheimdienste kontrolliert man
am besten,
indem man ihre Gründung verhindert.
vereinzeltes Klatschen
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wir tun noch alles, was wir tun können,
in den nächsten Wochen,
und wir brauchen eure Unterstützung dafür.
Lohninger: Genau.
Applaus
Engel: Herzlichen Dank,
lieber Thomas, lieber Werner.
Leider, leider sind für Fragen
jetzt nicht mehr so die Zeit,
also eigentlich gar nicht,
aber vielleicht steht ihr ja gleich noch
nach der Veranstaltung
für persönliche Gespräche zur Verfügung.
Ihr seid auch erreichbar,
weil ihr seid ja AK Vorrat
und ihr habt Kontaktdaten im Internet
und ihr habt die Adressen alle gesehen
und ihr seht's auch hier.
Also: Meldet euch, macht mit und
unterstützt die beiden, wo ihr könnt.
Ihr habt ja gehört, es spielt keine Rolle,
wo ihr herkommt. Dankeschön!
Abspann-Musik
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