Dies ist ein Vortrag
über Zucker und Krebs.
Mein Interesse für Zucker
begann mit meinem Studium.
Nicht diese Art von Zucker.
Es waren jene Zucker, über die
unsere Biologieprofessoren sprachen,
als sie uns über die Beschichtung
unserer Zellen unterrichteten.
Vielleicht haben Sie nicht gewusst,
dass Ihre Zellen eine Zuckerhülle haben.
Ich wusste es auch nicht,
bis ich jene Kurse in der Uni belegte.
Damals jedoch,
nennen wir es mal die 1980er,
wussten die Menschen nicht, warum es
diese Zuckerschicht auf den Zellen gab.
Als ich nun meine alten Notizen
durchblätterte, fiel mir auf,
dass die Zuckerschicht unserer Zellen,
sehr der von den M&M's ähnelt.
Damals glaubte man,
die Zuckerhülle unserer Zellen
wäre wie eine Schutzschicht,
die unsere Zellen stärker
bzw. robuster macht.
Heute aber, viele Jahrzehnte
später, wissen wir,
dass es um einiges komplizierter ist
und dass die Zucker auf unseren Zellen
in Wirklichkeit sehr komplex sind.
Wären wir in der Lage, uns zu schrumpfen
und mit einem Mini-Flugzeug
ganz nah an die Oberfläche
unserer Zellen heranzufliegen,
würden diese möglicherweise aussehen
wie eine geografische Landschaft.
Die Bäume und Sträucher
stellen die komplexen Zucker dar,
Trauerweiden, deren Äste im Wind schaukeln
und sich in den Böen wiegen.
Als ich nun begann, über diese
komplexen Zucker nachzudenken,
die wie ein riesiger Wald
unsere Zellen bedecken,
wurde dies zu einem
der interessantesten Probleme,
die mir als Biologin sowie als
Chemikerin je untergekommen waren.
Heutzutage jedoch sehen wir diese Zucker,
die die Oberfläche unserer
Zellen bedecken als Sprache.
Sie haben eine Menge Informationen
in ihren komplexen Strukturen gespeichert.
Aber was versuchen sie uns mitzuteilen?
Ich kann Ihnen verraten, dass wir manche
der Informationen dieser Zucker kennen.
Diese Erkenntnisse haben sich bereits
in der Medizin als sehr nützlich erwiesen.
Eines der Dinge, die uns
diese Zucker verraten,
ist unsere Blutgruppe.
Unsere roten Blutkörperchen
sind also mit Zucker überzogen
und die chemische Zusammensetzung
dieser Zucker bestimmt unsere Blutgruppe.
Ich meinerseits weiß,
dass ich Blutgruppe 0 habe.
Wie viele hier haben Blutgruppe 0?
Hände hoch.
Das ist ziemlich häufig.
Wenn nur so wenige aufzeigen,
heißt das, Sie passen nicht auf,
oder Sie kennen ihre Blutgruppe
nicht. Beides ist nicht gut.
(Gelächter)
Für jene von Ihnen, die wie ich
Blutgruppe 0 haben:
Es bedeutet für uns,
dass wir eine chemische Struktur
auf unseren Blutkörperchen haben,
in der sich drei Einfachzucker zu einem
komplexeren Zucker zusammenschließen
Dies ist die Definition der Blutgruppe 0.
Nun, wie viele von Ihnen
haben Blutgruppe A?
Gut.
Das bedeutet, dass Ihre Zellen
über ein Enzym verfügen,
das einen weiteren Baustein
zu dem komplexen Zucker
auf ihrer Zelloberfläche hinzufügt.
Und wer von Ihnen gehört zur Blutgruppe B?
Immerhin.
Ihr Enzym ist etwas anders
als jenes der Blutgruppe A,
darum sieht die Struktur
Ihres Zuckers etwas anders aus.
All jene, die Blutgruppe AB sind,
haben ein Enzym von Ihrer Mutter,
das andere Enzym von Ihrem Vater,
was bedeutet, dass Sie beide Strukturen
zu einem ungefähr gleichen Anteil bauen.
Als das entdeckt wurde,
im vergangenen Jahrhundert,
verschaffte uns das eines der
wichtigsten medizinischen Verfahren
unserer Zeit: die Bluttransfusion.
Wenn wir Ihre Blutgruppe kennen,
können wir dafür sorgen,
dass Ihr Spenderblut
die gleiche Blutgruppe hat,
so dass Ihr Körper
die fremden Zucker nicht sieht,
die er andernfalls ziemlich
sicher abstoßen würde.
Was sonst versuchen die Zucker auf
unserer Zelloberfläche uns mitzuteilen?
Nun ja, diese Zucker könnten
uns verraten, dass Sie Krebs haben.
Vor einigen Jahrzehnten
wurden die ersten Zusammenhänge bei
der Analyse von Tumorgeweben hergestellt.
Üblicherweise wird dabei
der Tumor des Patienten festgestellt
und das Gewebe mit einer Biopsie entfernt,
bevor es in die Pathologie gesendet wird,
wo das Gewebe dann auf chemische
Veränderungen analysiert wird,
die dem Onkologen Aufschluss über
die beste Behandlungsmethode geben.
Studien wie diese haben uns gezeigt,
dass sich die Zucker verändern,
sobald eine gesunde Zelle erkrankt.
Diese Zusammenhänge
traten immer häufiger hervor,
aber die Antwort auf die Frage
"Warum?" hatte bisher keiner gefunden.
Warum haben Krebszellen eine andere
Zuckerhülle? Und warum ist das wichtig?
Warum verändert sich der Zucker
und was können wir daran ändern,
falls diese Veränderung mit
dem Krankheitsverlauf zusammenhängt?
Eine der Veränderungen,
die wir untersuchen,
ist der Anstieg der Dichte
eines bestimmten Zuckers
namens Sialinsäure.
Ich denke, dass dieser Zucker
zu den wichtigsten unserer Zeit gehört
und darum empfehle ich Ihnen,
sich mit seinem Namen vertraut zu machen.
Sialinsäure gehört nicht
zu den Zuckerarten, die wir essen.
Das sind andere Zucker.
Diese Art von Zucker befindet sich
zu einem bestimmten Anteil
auf jeder Zelle in unserem Körper.
Tatsächlich kommt er
sehr häufig darauf vor.
Aber aus irgendeinem Grund
tendieren Krebszellen bei einem
normalen Krankheitsverlauf dazu,
mehr Sialinsäure aufzuweisen
als normale, gesunde Zellen.
Wie kommt das?
Was bedeutet das?
Wir haben herausgefunden,
dass dies mit unserem
Immunsystem zusammenhängt.
Ich möchte Ihnen etwas
über die Bedeutung
Ihres Immunsystems
bei einer Krebserkrankung erklären.
Dieses Thema wird neuerlich
häufig in den Medien behandelt.
Immer mehr werden Menschen mit
dem Begriff "Krebsimmuntherapie" vertraut.
Vielleicht kennen Sie sogar jemanden,
der von dieser brandneuen
Behandlungsmethode profitiert.
Wir wissen heute, dass unsere Immunzellen
die weißen Blutkörperchen,
die durch unsere Blutbahn jagen,
uns täglich vor
Krankheitserregern schützen,
Krebs eingeschlossen.
In diesem Bild hier
stellen die kleinen, grünen Bälle
unsere Immunzellen dar
und die große rosa Zelle eine Krebszelle.
Die Immunzellen hier wandern
umher und "kosten" jede einzelne Zelle.
Das ist ihre Aufgabe.
Meistens schmecken diese Zellen gut.
Manchmal kann eine Zelle
auch weniger gut schmecken.
Im besten Falle ist das die Krebszelle.
Sobald die Immunzellen
die schlechte Zelle kosten,
holen sie zum Vernichtungschlag
gegen ebenjene Zellen aus.
Das ist uns bekannt.
Uns ist ebenso bekannt, dass wenn
wir diese "Verkostung" unterstützen,
wir diese Immunzellen motivieren,
richtig tief reinzubeißen
in die Krebszelle,
der tägliche Schutz gegen Krebs
ist wesentlich effektiver
und eventuell kann man Krebs heilen.
Auf dem Markt gibt es heute
eine Reihe von Medikamenten
für die Behandlung von Krebspatienten,
die nach diesem Verfahren vorgehen.
Sie aktivieren das Immunsystem,
sodass dieses aggressiver gegen
Krebszellen vorgehen kann.
Möglicherweise hat eines der Medikamente
das Leben von Präsident
Jimmy Carter gerettet.
Wissen Sie noch, Präsident Carter
litt an schwarzem Hautkrebs,
der bereits Metastasen
in seinem Gehirn gebildet hatte.
Diese Diagnose wird normalerweise
von Zahlen begeitet,
wie "so und so viele
Monate noch zu leben".
Präsident Carter jedoch erhielt eines
jener immunstimulierenden Medikamente
und heute scheinen keine Tumorreste
mehr nachweisbar zu sein.
Das ist höchst bemerkenswert,
verglichen mit dem, wo wir noch
vor einigen Jahren waren.
Tatsächlich ist es so bemerkenswert,
dass verwegene Behauptungen wie:
"Krebs hat einen Penicillin-Moment",
im Zusammenhang mit dieser
neuen Immuntherapie zu hören sind.
Das ist ziemlich gewagt, wenn man bedenkt,
wie lange wir diese Krankheit
schon bekämpfen,
wobei wir den Kampf meist verlieren.
Spannend, nicht?
Aber was hat das mit Zucker zu tun?
Ich werde Ihnen zeigen,
was wir herausgefunden haben.
Sobald sich eine Immunzelle einer
Krebszelle nähert, um sie zu kosten,
sucht sie nach Anzeichen einer Erkrankung.
Sollte sie welche finden,
wird die Immunzelle aktiv und beginnt
die Krebszelle zu bekämpfen und zu töten.
Wenn aber die Krebszelle über einen
dichten Wald von Sialinsäure verfügt,
schmeckt sie auf einmal
gar nicht mehr so schlecht.
Immunzellen verfügen zudem über
ein Protein, das die Sialinsäure auffängt.
Bleibt dieses Protein nun an der Synapse
zwischen Immun- und Krebszelle hängen,
schläfert es die Immunzelle ein.
Die Sialinsäuren vermitteln
den Immunzellen:
"Diese Zelle ist in Ordnung.
Alles gut hier, weitergehen.
Such woanders weiter."
Anders gesagt,
solange unsere Zellen mit einer
dicken Schicht Sialinsäure bedeckt sind,
ist alles okay, nicht?
Das ist bemerkenswert.
Was aber, wenn wir ihnen diesen
Zuckermantel abnehmen könnten?
Dann wäre unser Immunsystem
vielleicht in der Lage,
diese Krebszelle als das
zu erkennen, was sie ist:
Etwas, das zerstört werden muss.
Das ist, was ich und mein Team
zu tun versuchen.
Wir entwickeln neue Medikamente,
die man quasi als Rasenmäher
für Zelloberflächen bezeichnen kann.
Wir erzeugen Moleküle, die unter
die Oberfläche der Krebszellen schlüpfen,
um diese Sialinsäuren abzutrennen,
sodass unser Immunsystem problemlos
die Krebszellen in unserem Körper
beseitigen kann.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen:
Unsere Zellen sind mit Zucker umhüllt.
Diese Zuckerhülle zeigt
anderen Zellen in der Umgebung an,
ob diese Zelle gesund oder krank ist.
Das ist wichtig, damit unser Immunsystem
gesunde Zellen nicht angreift.
Ohne diesen Umstand hieße das:
Autoimmunerkrankung.
Manchmal jedoch können Krebszellen
diese neuen Zucker darstellen.
Und da wir jetzt verstehen,
wie diese Zucker unser
Immunsystem überlisten,
sind wir in der Lage neue Wege zu finden,
um diese Immunzellen aufzuwecken
und ihnen zu sagen:
"Vergesst die Zucker, esst die Zelle
und genießt euer Krebs-Festmahl."
Danke sehr.
(Applaus)